Bisoheiot am inuijatatf und. ITrsita«. Moopte^ugu^eis EM. 1.70 sa und aHgemetnun Toll nach Preiätarif vom 1. M&ra »44 Adresse!

mt Beförderungsgebühr und Trägergeld, durch die Poati EM. 1.60 zu^ügUob Bi B^Wäöfgofce Bettung, Leutkirch, Postetr, 13 , Tel. 212. Geschäftsstelle Bottwell, \ 1 Bottwell/Sorb 2 Oalw/Freudenstadt

1.0.26 Poet-S 'afiitorstr. 4,

)el.

;ebtihr. Anzeigenpreise für den lokalen (. Vdrlagspostamt Frledriohshafen a. 8.

Dienstag, den 9. September 1947 ORGAN DER CHRISTLICH-DEMOKRATISCHEN UNION Nr. 72 / Jahrgang 3 / Preis 20 Pfg.

Soziale Neuordnung

Der Hirtenbrief der Bisdiofskonferenz fordert angemessenen Lastenausgleich

Berlin. In dem gemeinsamen Hirten­brief, den die deutschen Kardinale, Erz­bischöfe und Bischöfe am 21. August vom Grabe des Heiligen Bonifatius ln Fulda aus erlassen haben, kehrt der AusrufDie Not ist groß, ist riesengroß immer wieder.Im Bewußtsein unserer bischöflichen Aufgabe und Verantwortung stellen wir uns die Frage: Wie können wir unserem armen bedrückten Volke helfen? Unser Hirtenwort soll darum ein Trost- und Mahnwort sein. Unser Volks­körper blutet wirklich aus tausend Wunden. Wohnungsnot, Kohlennot, Mangel an den einfachsten und wichtigsten Bedarfsdingen des täglichen Lebens machen das Leben schwer und unerträglich. Die vielfach mit größter Hast und mit unsagbarer Härte durchgeführte Ausweisung von Millionen Menschen aus dem Osten hat es verschuldet, daß in dem verkleinerten, mit Ruinen be­deckten deutschen Raume eine Wohnungs­und Nahrungsnot entstanden ist, die jeder Beschreibung spottet. Die Bischöfe rufen alle Familien und Gemeinden zur wirksamen Hilfe auf, danken allen Helfern und auch den Wohltätern aus dem Auslande und ge­denken des Flüchtlingsbischofs Kaller, der ein Beispiel rastloser Fürsorge für die Hei­matberaubten gewesen sei.

Die unerläßliche Voraussetzung für die Ge­sundung des deutschen Volkes sei die mög­lichst vollkommene Lösung der sozialen Frage.Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind nicht Gegensätze und Gegenspieler, sondern Schicksalsgenossen und Arbeitsfreunde. Auch eine neue Ordnung der Eigentumsverhält­nisse wird sich als unvermeidlich erweisen. Wohl läßt sich das siebente Gebot, das das Eigentum schützt, niemals außer Kraft setzen und das Wort ProudhonsEigentum ist Diebstahl nicht zum neuen Rechte stempeln. Das Privateigentum beruht auf einer For­derung der Menschennatur und dem aus-

Berlin. An dem Parteikongreß der CDU im Admiralspalast nahmen 3000 Dele­gierte aus der Ostzone und etwa hundert aus den Westzonen teil, unter ihnen der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Karl Arnold und der bayerische Landesvorsitzende der CSU, Dr. Josef Müller. Die andern Par­teien vertraten Wilhelm Pieck und Otto Grothewohl (SED), Dr. Wilhelm Külz und Lieutenant (LDP), Franz Neumann und Kurt Swolinzky (SPD). Nach Begrüßungsworten des zweiten Vorsitzenden der Ostzonen-CDU, Emst Lemmer, sprach der Vertreter der sowjetischen Militäradministrs/ion, Oberst Tulpanow, der sagte, er wolle Kaiser und Lemmer keine unnötigen Schwierigkeiten machen. Daß der Versuch einer nationalen Repräsentation an einer ausländischen Inter­vention gescheitert sei, bedauere er, es gebe eben auch Faschisten, die nicht deutsch sprächen.

Die Ansprache Jakob Kaisers gipfelte in dem Satz:Wir müssen und wollen die Wellenbrecher des dogmatischen Sozialis­mus und seiner totalitären Tendenzen sein, der mit stürmischem Beifall aufgenommen wurde. Die CDU bejahe die Blockpolitik, so­lange und sofern sie nicht von einer Partei benützt werde, sich eine ideologische und po­litische Vorherrschaft zu sichern, wofür in der Ostzone immerhin Neigung und Gefahr gegeben seien. Auch in der Blockpolitik müsse es eine gesunde, regulierende Oppo­sition geben, die jede Demokratie brauche, um nicht in Selbstzufriedenheit zu ersticken oder an menschlicher Unzulänglichkeit zu­grundezugehen.

Jakob Kaiser schlug einen deutschen Kon­sultativrat vor, dem je Million Einwohner­eine politische Persönlichkeit angehören solle. Der Rat habe Vorschläge auszuarbeiten, um eine Zentralverwaltung für alle Zweige der Wirtschaft einzurichten, die Wahl einer deut-

Berlin. Der thüringische Minister­präsident Professor Dr. Rudolf Paul ist aus dem Golfhotel in Oberhof ln Begleitung sei­ner Frau und seiner Sekretärin, Frau Bauer, geflüchtet. Der Mercedes-Wagen des Minister­präsidenten wurde zuletzt auf der Autobahn bei Belitz, der Maybach-Wagen, den Dr. Paul sonst benützte, in derselben Richtung gesich­tet. Den Maybach fand man später in der Nähe des Potsdamer Bahnhofs. Im Aufträge des stellvertretenden Ministerpräsidenten Werner Eggerath wurde die Zonengrenze hermetisch abgeschlossen. In Thüringen wur­den zahllose Straßensperren errichtet. Die Stadt Weimar wurde von Polizei abgeriegelt, sämtliche Ministerien wurden bewacht. Ge­rüchte, daß Dr. Paul in Berlin von thüringi­scher Landespolizei festgenommen worden sei, wurden von dem Präsidenten der Zentralver­waltung für innere Angelegenheiten in der Ostzone, Wagner, nicht bestätigt. Dem ame­rikanischen Hauptquartier in Frankfurt ist

drücklichen göttlichen Willen. Damit ist aber nicht gesagt, daß die kapitalistische An­häufung der irdischen Güter in wenigen Händen der gottgewollten Ordnung ent­spricht. Es wird daher ein angemessener Lastenausgleich unvermeidlich sein. Die so­ziale Neuordnung, die nicht in einer Um­wandlung des Privatkapitalismus in einen Staatskapitalismus bestehen darf, verlangt die besten Kräfte des Volkes und ist des Schweißes des Edelsten wert.

Die Bischöfe wenden sich an die Alliierten mit der Bitte um Freigabe der Kriegsge­fangenen und wiederholenmit aller Innig­keit und Dringlichkeit das Ersuchen um Weitherzigkeit und Großmut gegenüber je­nen, die nur dem Druck des Nationalsozialis­mus und nicht dem Geiste der Bedrücker folgten. Noch mehr als der sittliche Wert des Eigentums werde die rechte Ordnung auf dem Gebiete der Sittlichkeit im engeren Sinne mißachtet. Auch das Familienleben, die Heiligkeit der Ehe, die Treue unter den Gat­ten und die christlichen Erziehungsgrund­sätze seien vielfach ins Wanken geraten und doch bilde gerade die Familie als Keimzelle von Kirche und Staat, als der heilige Wert, aus dem immer neue Kraft und neues Le­ben dem Volke Zuströme, unsere größte Hoff­nung für den Aufstieg unseres Volkes.

In einer Rundfunkansprache sagte der Papst, die soziale Gerechtigkeit erfordere, daß der Reichtum gerechter verteilt werde, er dürfe nicht nur von einigen Wenig«! besessen werden. In der menschlichen Gesellschaft müßten wieder Ehrlichkeit und Glaube herr­schen.Es ist keine Zeit zu verlieren, sagte Pius XII.Es ist Zeit, zu handeln. Es ist die Stunde der Prüfung und intensiver An­strengung. Ein paar Minuten können über den Sieg entscheiden. Die Unwissenheit muß bekämpft werden. Dies ist die erste Pflicht der Geistlichkeit.

sehen Nationalversammlung vorzubereiten, die Voraussetzungen für eine deutsche Pla- nungs- Und Reparationskommission zu schaf­fen und zu allen wichtigen Fragen des öffentlichen Lebens gutachtlich Stellung zu nehmen. Deutschland könne ohne Hilfe von außen nicht gesunden, wenn es leben und seine Verpflichtungen erfüllen solle. Eine weitere Voraussetzung wäre die weise und dem Frieden der Welt dienende Regelung der Frage des deutschen Ostens. Schließlich müsse ja der Grundsatz der Respektierung nationalen Bodens, wie er in der Atlantik- Charta verkündet worden sei, auch auf die Deutschen angewendet werden. Vom deut­schen Standpunkt könne und müsse man nur immer wünschen, daß sich die Mächte, daß sich der Westen und der Osten zu einem ge­meinsamen Hilfsplan zusammenfänden.

Ferner sprachen der Berliner Bürgermeister Dr. Friedensburg, Ministerialdirektor Dr. Lob ed tanz, aus Mecklenburg-Vorpommern, Minister Dr. Leo Herwegen aus Halle, Pro­fessor Dr. Hugo Hickmann aus Sachsen, Dr. Wolf und Otto Muschke aus Brandenburg, Dr. Schreiber für den Landesverband Berlin und Fred Sagner für die Junge Union, sowie Ministerpräsident Arnold.

Auf dem westfälischen Parteitag der CDU ln Ges eher, Kreis Coesfeld, sagte Dr. Konrad Adenauer, es gäbe nur eine Lösung des Aus- gewiesenenproblems und das sei die Rückgabe der Heimat an die Flüchtlinge. Im Gegensatz zur SPD sei die CDU föderalistisch, werde aber niemals den Gedanken an die deutsche Einheit auf geben. Sie sei eine deutsche Par-* tei, während die SPD sich im Fahrwasser Englands befinde. Zu den sozialdemokrati­schen Gesprächen mit der evangelischen Kirche meinte Dr. Adenauer, die CDU werde es begrüßen, wenn die SPD von christ­lichen Grundsätzen ausgehe.

nichts davon bekannt, daß Dr. Paul nach Bayern geflüchtet sei. Die Grenzpolizei wurde angewiesen, ihn als illegalen Grenzgänger zu behandeln. Er soll indessen in Göttingen gesehen worden sein. Meldungen von Grenz­gängern, daß sein Auto bei Bomhagen im Kreis Heiligenstadt noch auf sowjetischem Zonengebiet, aber in der Nähe des ameri­kanischen Grenzortes Eichenberg mit zer­schnittenen Reifen gefunden worden sei, wurden vom Göttinger Polizeipräsidium als wahrscheinlich zutreffend bezeichnet. Für die Göttinger Stellen stehe fest, daß Dr. Paul ln die britische Zone geflüchtet sei.

Man behauptet, daß Dr. Paul seit langer Zeit mit den westlichen Alliierten, besonders mit amerikanischen Stellen, in Verbindung gestanden habe. Er habe in den letzten Mo­naten das Vertrauen der sowjetischen Mili­täradministration verloren. Ein Versuch, vor einigen Monaten in die französische Bp- (Fortsetzung »ui Seite 2}

Ramadier tritt nicht zurüdk

Paris. Die französische Nationalver­sammlung hat der Regierung Ramadier mit etwa dreißig Stimmen Mehrheit ihr Ver­trauen ausgesprochen. Der Ministerpräsident hatte im Zusammenhang mit dem Gesetzent­wurf über einen 4,5-Milliarden-Kredit für Kohlensubventionen die Vertrauensfrage ge­stellt. Von 535 Stimmen wurden 292 für und ,243 gegen die Regierung abgegeben. 54 Ab­geordnete enthielten sich der Stimme. An­schließend hörte man, Ramadier habe dem Präsidenten seinen Rücktritt angeboten, sei jedoch von Auriol bewogen worden, im Amte zu bleiben.

Mehr erzeugen, weniger verbrauchen Paris. Nach einem Südena-Bericht soll die französische Regierung bei der Sowjet­union Verhandlungen über die Möglichkeit von Getreidelieferungen angeregt haben. Die Sowjets seien aber noch nicht in der Lage zu antworten, da die Schätzungen der russi­schen und vor allem der sibirischen Ernte nicht abgeschlossen seien.

a. k. Je lieber man an den Sieg des demo­kratischen Gedankens in Deutschland glauben möchte, desto schwerer fällt es einem. Gerade wer ihn wünscht, der muß angesichts sich häufender Symptome fürchten, wieder werde, wie schon nach 1918, das kläglich flackernde Lichtlein der politischen Vernunft im Sumpf der Skandale und Affären verlöschen. Man mochte es als eher heiter am Rande ver­merken, daß der Verfasser desKommen­tars zum Gesetz zur Befreiung von National­sozialismus und Militarismus wegen Frage­bogenfälschung verurteilt, oder daß der öffentliche Kläger im Spruchkammer-verfah­ren gegen die Witwe Wilhelm Fricks ent­hoben worden sei, weil er mit der Betroffe­nen an einem Tische gegessen hatte. Zwei Meldungen in dieser einen Zeitungsnummer kann man nicht mehr gut humoristisch neh­men. Im westlichen Bereich der Spielart von Demokratie, die ihre Gegnerformal zu nennen pflegen, steht ein Mann vor der Spruchkammer, angeklagt, die national­sozialistische Gewaltherrschaft politisch und propagandistisch außerordentlich unterstützt zu haben; er war bis vor kurzem Mitglied der württembergisch-badischen Landesregie­rung. Jenseits der Elbelinde, wo die Volks­demokratie östlicher Prägung dem Gipfel ihrer Macht zustrebt, ist gar der aktive Mi­nisterpräsident Thüringens, der noch auf der Münchener Konferenz als Sprecher seiner ost­elbischen Kollegen auftreten durfte, unter Umständen geflüchtet, die an den Zusammen­bruch eines schwindelhaften Spekulanten oder an die Entlarvung eines Hochstaplers gemah­nen. Wobei auffallen mag, daß der Fall Simpfendörfer der erste in seiner Art war, während man sich bei Rudolf Paul zunächst, aber zu unrecht, an einen anderen Minister­präsidenten der sowjetischen Einflußsphäre erinnert fühlt, der auch sein Heil in der Flucht suchte.

Kein Zweifel: mag es Simpfendörfer ge­lingen oder nicht, sich von den Anschul­digungen zu reinigen, die gegen ihn erhoben werden, es bleibt ein Unglück für die deutsche Demokratie, daß ein Mann Minister wurde, gegen den solche Anschuldigungen erhoben werden konnten. Er hat, so oder so, der guten Sache eiften üblen Dienst erwiesen, indem er sich ins Rampenlicht drängte. Frei­lich, der wendige Herr Paul aus Gera, der sich zu seinem Abgang von der politischen Bühne eines Mercedes und eines Maybach zu bedienen für nötig hielt, hat die Sache, der er zuletzt diente, noch weit mehr kom­promittiert. Wir wollen beiseitelassen, daß er einen belasteten Freund und wohl Mit­wisser aus Steuergeldem souteniert und Ge­schenke angenommen haben soll, die einer Bestechung gleichkämen. Dergleichen hört man immpr, wenn in der Ostzone ein Eklat aus­bricht. Aber dieser ehemalige Demokrat, der sich dann um die Mitgliedschaft in der NSDAP bewarb und schließlich dort landete, wo man kleine und größere Pgs durch die Ueberreichung einer andersfarbigen Mit­gliedskarte rehabilitiert, bei der SED, der Mann, der sich nach der Verkündung der Nürnberger Gesetze von seiner jüdischen Frau scheiden ließ, die denn dann auch im Osten verschwand, der einstige Staatsanwalt, dem seine politische Karriere zu dem Mer­cedes und dem Maybach eine Honorarprofes­sur der Schilleruniversität in Jena eintrug, Rudolf Paul Ist kein Einzelfall. Er steht für den auch seelisch entwurzelten Teil der bür­gerlichen Intelligenz der Ostzone, die sich unter Verhältnissen zu behaupten trachtet, die für sie keinen Raum mehr lassen. Sie alle unter den Professoren, Schriftstellern, Musikern, Schauspielern, die bereitwilligst ein jedes Manifest unterzeichnen, sie alle sind schwindelhafte Spekulanten, die früher oder später zusammenbrechen, Hochstapler, die eines Tages entlarvt werden müssen. Nicht immer wird ihr Verschwinden unter so

Nach dem Bericht des emährungstech- nischen Ausschusses des Komitees für wirt­schaftliche Zusammenarbeit wird in den 10 Teilnehmerstaaten und im westlichen Deutschland im Jahre 1951 die landwirt­schaftliche Erzeugung den Durchschnitt der Jahre von 1934 bis 1938 übersteigen, der Jahresdurchschnitt je Kopf aber wesentlich niedriger liegen müssen. Die Zahlen sind in Millionen Tonnen für Getreide 1934 bis 1938 46,5, 1950/51 56,8, für Oele und Fette 1934 big 1938 2,8, 1950/51 2,9, für Fleisch 1934 bis 1938 9,0, 1950/51 8,1. Der Bestand an Rindvieh. Geflügel und Schweinen wird um 7 bis 18 Prozent unter dem der Vorkriegsjahre liegen. Die beteiligten Länder werden auch nach 1951 Getreide, Stickstoff, Traktoren und an­dere landwirtschaftliche Maschinen einführe« müssen.

Einigung auf .Abruf New York. Die Vertreter Großbritan­niens und der Vereinigten Staaten haben sich nach einmonatigen Verhandlungen über die Erhöhung der Ruhrkohlenförderung geeinigt. Das Kommunique soll aber, wie die Südena erfährt, erst ausgegeben werden, sobald die britischen Vertreter mehrere heikle Punkte ihrer Regierung unterbreitet haben.

dramatischen Formen erfolgen, wie das des thüringischen Ministerpräsidenten, aber so­bald sie ihre Arbeit getan haben, dann .wird ein System, dessen rücksichtsloser Verbrauch von Menschen und Reputationen notorisch ist, auch diese roten Mohren gehen lassen. Die Prämie für die Charakterlosigkeit ist keine Sicherung des Lebensabends.

Gewiß ist auch vieles faul in Deutschland diesseits der Elbe. Es kann ja gar nicht an­ders sein nach zwölfjähriger Herrschaft der Niedertracht und der Dienstbotengesinnung. Aufrechte freie Männer wachsen in einem Volk nicht viel rascher als Bäume in einem Wald. Aber so tief uiis jeden Tag Ent­täuschungen treffen mögen, so skeptisch uns die Entwicklung machen mag: der Fall Simpfendörfer bleibt, so gerne manche un­entwegt Parallelen konstruieren möchten, eben doch noch die Ausnahme. Der Fall Paul ist die Regel, gewiß nicht für die Millionen, die in der Ostzone leben, und unter denen viele todesmutige Bekenner echt freiheit­licher Gesinnung sind, doch für den ganzen Klüngel allzu gelenkiger Taschenspieler, die im Handumdrehen das Hakenkreuz in Ham­mer und Sichel umzueskamotieren vermocht haben.

Simpfendörfers Verteidigung

-1. Stuttgart. In dem Spruchkammer­verfahren gegen den ehemaligen württember­gisch-badischen Kultusminister, W. Simpfen­dörfer, standen im Mittelpunkt der Wahl­aufruf, den der Betroffene am 29. März 1936 imEvangelischen Weg veröffentlicht hatte und seine Abstimmung, für das Ermäch­tigungsgesetz. Simpfendörfer beteuerte, er habe denEvangelischen Weg politisch ab­schirmen müssen, der Aufruf sei reine Tar­nung gewesen und außerdem, wie in allen Zeitungen, auf Anordnung der nationalsozia­listischen Presseabteilungen erschienen.

Oberstudiendirektor Adolf Richter . sagte als historischer Sachverständiger, der Aufruf Simpfendörfers habe die Abstimmung über die Wiederbesetzung des Rheinlandes be­troffen, mit der das ganze deutsche Volk innerlich einverstanden gewesen sei.

Der frühere Ortsgruppenleiter von Komtal, dem Wohnort Simpfendörfers, sagte aus, Simpfendörfer sei im Herbst 1933 bei ihm gewesen und habe gefragt, was er von seinem Eintritt in die Partei halte. Simpfendörfer will das nur getan haben, um die Meinung über seine Person zu prüfen. Der Ortsgrup- penleffer habe damals abgelehnt. Ein Be­lastungszeuge wollte von zwei Studienräten gehört haben, die auf Veranlassung Simpfen­dörfers in die Partei gegangen seien. Am Samstag wurden diese Studienräte vernom­men, sie sagten aus, sie hätten mit Simpfen­dörfer niemals über diese Frage gesprochen da sie genau gewußt hätten, daß er immer abgelehnt habe. Zwei Zeugen behaup­teten dagegen, der Studienrat Rudolf Gommel habe gesagt, daß er auf Drängen Simpfendörfers in die NSDAP gegangen sei. Die Belastungszeugen wurden vereidigt und Gommel vom Vorsitzenden der Unwahrheit bezichtigt. Darauf brach im Zuschauer­raum ein Sturm der Entrüstung los und der Vorsitzende ließ den Saal räumen.

Wenn man im Verfahren gegen Dr. Schacht eine scharfe Verteidigung gewohnt war, so mußte man ln dem Fall Simnfendörfer über die Ruhe staunen, mit der der Verteidiger, Dr. Burg, alle Suggestiv-Fragen, die der Vorsitzende Dr. Molt, indem er sich zugleich die Rolle des Anklägers aneignete, in reichem Maße an die Zeugen richtete, ohne eine Er­widerung durchgehen ließ. Er schien es nicht für notwendig zu halten, die teilweise recht vage klingenden Aussagen der Be­lastungszeugen durch Fragen seinerseits zu entkräften oder anzufechten. Simpfendörfer schien in seiner Verteidigung vollständig auf sich selbst gestellt.

Wellenbrecher der Totalität

Der Ministerpräsident ist zu verhaften"

Rote Mohren