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Insekten im Aetherrausch
Besuch bei den Kaiser-Wilhelm-Instituten in Tübingen
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Einer Reihe von glücklichen Umständen ist es zu danken, daß die Forschungsinstitute der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft mit dem größten Teil ihrer Mitarbeiter, Einrichtungen und Bibliotheksbeständen den Krieg überdauert haben. Nach ihrem Weggang von Berlin- Dahlem im Jahre 1943 hat Sich ein Teil zusammen mit dem Präsidenten der KW-Gesell- schaft, dem Atomforscher Hahn, in Göttingen niedergelassen. Einer stattlichen Gruppe begegnen wir in Tübingen und in benachbarten Orten Südwürttembergs, und zwar den Instituten für Biologie (Tübingen und Hechingen), Biochemie (Tübingen), Physik (Hechingen), Chemie (Tailfingen) und internationales Privatrecht (Tübingen). Diesen Forschungsstätten, die durch ihre Zusammenarbeit vorwiegend auf den Gebieten der wissenschaftlichen Grundlagenforschung einzigartigen Ruf in der ganzen' Welt genießen, hat die Regierung Südwürttembergs Heimatrecht geboten und sie sichert darüber hinaus ihr künftiges Fortbestehen.
Bei den Virusforscfaern Der berühmte Botaniker und Erbbiologe Karl . Correns, der Wiederentdecker der Mendelschen Regeln, hatte schon im Jahre 1914 den Vorschlag gemacht, das Biologische Institut der KW-Gesellschaft nach Tübingen zu legen, wo er während seiner Tätigkeit als Privatdozent besonders geeignete klimatische Verhältnisse angetroffen hatte. Nach mehr als drei Jahrzehnten verwirklicht sich dieser Gedanke gänzlich unvorhergesehen. Hier wird die Virusforschung fortgesetzt werden, die heute in der ganzen Welt interessiert. Die Erscheinung der submikroskopischen Krankheitserreger gibt Anlaß zu gewissen Vergleichen mit den Genen, den Trägem der Erbanlagen in der Zelle. Beide sind Eiweißmoleküle und beide sind imstande, sich aus sich selbst zu erneuern, wobei sich auf rätselhafte Weise ihre Molekülgewichte verdoppeln. Beim Virus erkennen wir die Unfähigkeit, sich außerhalb eines pflanzlichen oder tierischen Organismus zu entwickeln, hingegen die Fähigkeit, in kristallisierter Form aufzutreten und so • einen Uebergang an der Grenze von belebter und unbelebter Natur darzustellen. Ob es der Forschung eines Tages möglich sein wird, mit Hilfe des Virus das Problem der Entstehung des Lebens auf der Erde aufzuhellen? Professor Dr. Kühn, der Leiter des gesamten biologischen Forschungsinstituts, sagt: „Allgemein logische Erwägungen führen zu der Annahme, daß die ersten Lebewesen aus unbelebtem (anorganischem) Material entstanden sein müssen. Die Annahme einer solchen Urzeugung bleibt aber vorerst einer erfahrungsmäßigen Prüfung entzogen“. Bisher haben
Dasein gezeugte Individuum im Erbwege ausgeworfen und entscheidet weitgehend sein künftiges Lebensschicksal.
Die Natur macht doch einen Sprung
Um zu sehen, Wie das Gen diese oder jene Form des Merkmals herbeiführt, macht man Färbungsexperimente an Insektenaugen. Es entsteht unter Einwirkung des Gens ein augenfärbender Stoff in der Zellet, der auf dem Blutweg durch den Körper und in andere Zellen wandert Bei rot- und schwarzäugigen Tieren findet man eine unterschiedliche Färbung der lebenswichtigen inneren Organe und kann durch deren Ueberpflan- ! zung eine unmittelbare Ausfärbung der I Augen erzielen. Hier tritt die meist zell- j gebundene Wirkung des Gens „ansteckend“ in Erscheinung. Außerhalb des Erbgangs gelingt eine direkte Verpflanzung von Anlagen auch im Puppenstadium der Insekten, wenn man an der betreffenden Stelle, z. B. dem Sitz der späteren Augen, die Insektenhaut unter dem Chitinpanzer löst und auf eine andere Puppe überträgt. Die Natur zeitigt ständig spontane Mutationen. Beim Menschen treten plötzlich Erbschäden und Erbkrankheiten auf. Augen-, Haut- und Haarfarben mutieren am häufigsten. Weiter gehen die Vermutungen dahin, daß die Entwicklung des gesamten Lebens in seiner fortschreitenden Tendenz mit Uebergängen einer Stammesart zur anderen von Mutationen begleitet oder eingeleitet sei, die sich über weite Zeiträume erstrecken. Damit wird ein „sprunghaftes Naturgeschehen“ angenommen, mit dem die Biologie eine Theorie analog derjenigen in der Ihysik (Plancks Quantenlehre!) auf stellt.
Biochemie im Kampf gegen Krebs
Einer der hervorragendsten Männer der deutschen Wissenschaft — deren uns heute mehr denn je in Tübingen begegnen —, der Nobelpreisträger vom Jahre 1939 Professor Dr. Butenandt, Direktor des Instituts für Biochemie, dessen internationaler Ruf auf seinen Forschungen an den Keimdrüsenhormonen der Wirbeltiere beruht, hatte wiederholt Gelegenheit, unsere ehemaligen Kriegsgegner davon zu überzeugen, daß die_JTätig- keit der Kaiser-Wilhelm-Institute insbesondere auf den Gebieten der Chemie und Biologie auch während des Krieges ausschließlich friedlichen Forschungszielen galt. Zunächst fand diese Tatsache wenig Glauben, aber der Wahrheitsbeweis ist erbracht, daß in den Instituten weder ein Bakterienkrieg vorbereitet noch chemische Giftstoffe zu Vernichtungszwecken entwickelt wurden. Gegenwärtig untersucht das Institut des Nobelpreisträgers, teilweise in enger Gemeinschaft mit dem Biologie-Institut, Insektenhormone und Virusarten sowie die Struktur krebserzeugender Stoffe. Die wichtige Frage, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit Krebs entsteht, und ob die krankheitserregenden Stoffe im Organismus selbst entstehen oder Vorkommen können, beschäftigt die chemische Forschung aufs heftigste. Amerikanische Forscher weisen darauf hin, daß es möglich sei, den Nahrungsstoffen radioaktiv markierte Atome — die völlig unschädlich sind — beizugeben und deren „leuchtende Spuren“ im Körperinnem bis zur letzten Einverleibung in die Zelle zu verfolgen. Auf diese Weise wäre zu ermitteln, welche Nahrungsstoffe den Aufbau der Krebszelle begünstigen und somit dem Krebskranken entzogen werden müssen. In dem Institut werden auch Mikroorganismen untersucht, um bakterientötende Stoffe vom Typ des Penicillins aufzufinden.
E. L.
Nächtliches Assisi
Von Felix Tünmertaans
Es war schon Abend, als wir vom Zuge aus die fernen Lichter Assisis auftauchen sehen. Es lag nicht, wie ich erwartet hatte, auf der Kuppe des Berges, sondern langgestreckt und funkelnd wie ein Diadem an seiner Stirn.
Wir waren in der rechten Verfassung, um die wunderbare Stadt zu betreten. Im Zuge, wo wir vier Reisegefährten allein im Abteil saßen, hatte Ich vorgelesen vom Bruder Wolf, von dem Engel, der Franziskus durch einen Strich des Geigenbogens die Süßigkeit des Himmels hatte kosten lassen: von dem Falken, der ihn zur Mette weckte und von seinem Gott vertrauen; als er nicht wußte, was der Herr mit ihm vorhabe, ging er an einen Kreuzweg, ließ einen seiner Brüder sich her-
dem Tabakmosaik-Virus (seit „ umdrehen, schnell und immer schneller, wo- j.936 Stanley USA), dessen Umrisse das r hin hoim stohonhidhon cnin nu*eioht all
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Elektronenmikroskop enthüllt, am weitesten !> geführt. Der gewöhnliche Sterbliche macht die häufige Bekanntschaft des 'Schnupfenvirus, ohne freilich mehr als die lästige Gegenwart' des unsichtbaren Erregers zu empfinden. Wie die Viren lenken uns auch die - Hormone auf die Spuren des Lebensgeheimnisses. Die entwicklungsphysiologische Forschung vermutet in ihnen die geheimnisvollen Anreger bei der Umschaltung von „vegetativer“ zu „produktiver“ Pflanzentätigkeit, so bei der Blütenbildung. Aus gleichem Embryonalgewebe, dem zunächst nur Blätter und wieder Blätter in schlichter Gestalt entsprossen, zaubert di« Pflanze plötzlich den hochdifferenzierten Blütenorganismus hervor. Während pflanzliche Hormone, die das Streckungswachstum aus lösen, die sogenannten Auxine, gut bekannt und chemisch herstellbar sind, ist es bis heute noch nicht gelungen, „Blüh- hormone“ zu isolieren. /
Operationen unter dem Mikroskop Die zoologische Abteilung des Biologischen Instituts betreibt Erbforschung im großen Stil. Am Experiment gewonnene Erfahrungen dienen vielfach zum Vergleich mit den Problemen der menschlichen Existenz. Auch die Versuchsobjekte, Taufliege und Mehlmotte, werden „menschlich“ behandelt. Die Operationen unterm Mikroskop gehen in der Narkose vonstatten. Ein wohltätiger Aetherrausch erspart es dem Insekt, sich gegen den schmerzhaften Eingriff aufzubäumen. Vor einigen Jahrzehnten wurden in der lebenden Zelle Organe entdeckt, die uns tieferen Einblick in das Mysterium der Fortpflanzung eröffnen. Träger der Erbanlagen werden sichtbar: die als „Kernfäden“ bezeichneten Chromosomen mit den Genen, den Trägem der einzelnen Merkmale. Reihenweise in bestimmter Folge liegen sie eingepackt wie die Musterkollektion im Reisekoffer. Bei der Taufliege (Drosophila) treten die Riesen- Eiweißmoleküle der Gene noch hundertfach
hin beim Stehenbleiben sein Gesicht wies, als j Franziskus „Halt“ rief, dahin wanderten sie.
Dann wandern wir durch die nächtliche Stadt. Der Dom liegt ganz nahe beim Hotel. Durch ein Portal kommen wir auf einen wei- $ ten, ansteigenden Platz mit Arkaden auf bei- i den Seiten. Am Ende, wo ein mageres Lämpchen glimmt, ragt die Kirche auf und. ein Flügel des großen Franziskanerklosters. Der Platz ist still, dunkel, einsaun. Eine Katze blitzt uns mit Phosphoraugen an. Wir steigen gewundene Gassen hinauf, gehen über Stiegen, zwischen hohen, stummen Gebäuden hindurch und wieder bergan durch' stelle Engpässe. Die Häuser stehen terrassenförmig übereinander. Wir klettern treppauf, treppab, aufs Geratewohl.
Assisi enttäuscht mich sehr. Man bringt bestimmte Vorstellungen mit, die durch Erzählungen und Bilder in einem geweckt worden sind. Ich hatte die Stadt noch nie auf einer Photographie gesehen, wohl aber bei Giotto. Er stellt sie auf seinen Fresken mit ein oder zwei Häusern dar. Im Geiste habe ich noch viele hinzugedacht und auch Kirchen, lauter frische, bunte, mittelalterliche Bauwerke, rötlich und hell, mit sauberem Schmuck, einem runden Berg beieinander mit Zinnen, Firsten und Türmen. Als ich dann sah, daß Assisi den Berg entlang lag, war das die erste Enttäuschung. Und die zweite, daß die Häuser schmutzig waren farblos, hutzelig, sehr alt urtd verkommen. Die Läden vor den Fenstern waren verschlossen. Es gab da zugemauerte Spitzbögen, die Dachpfannen lagen regellos, an den Türen fehlte der Anstrich. Und dann der Staub auf den Fensterrahmen, auf den Schwellen. Staub überall. Zwei Finger dick. Ich hoffe sehnlich, daß sich morgen bei Sonnenschein alles anders gibt.
Es ist klostermäßig still, als wohnte hier niemand.
Wir wenden uns zur Kirche der hl. Klara. Dann und wann sehen wir in einem bergab
größer als für gewöhnlich in Erscheinung. ^ ärt f führenden Gäßchen über die Dächer Wie man weiß ist «s ™;t ßem I hln üas Tal von Assisi. Es ist dunkel wie
Wie man weiß, ist es gelungen, mit dem Röntgenstrahl einzelne Gene abzusprengen oder zu verändern und Chromosomen zu zerstückeln. Was die dabei hervorgerufene molekulare Veränderung neu entstehen läßt, ist völlig ungewiß. Künstliche Mutationen. (Veränderungen) haben erfahrungsgemäß meist nachteilige Folgen, weil mit ihnen das gesamte Erbgefüge durcheinandergebracht wird. Weiter hat sich aber auch herausgestellt, daß ein Gen allein nicht merkmalbildend entscheidet, sondern daß eine Reaktionskette abläuft, ln der das Zusammenwirken aller Gene mitspricht. Der äußerst verwickelte Vorgang setzt dem weit vorgedrungenen wissenschaftlichen Experiment unüberbrückbare Schranken. In dem 'Augenblick, da sich ein planvoller Schöpfungsakt vollzieht, schließt sich vor -dem forschenden Auge der halb geöffnete Vorhang. Soviel aber steht fest: das Netz der Gene ist über daa zum
schwarzer Samt. Einige Lichter blinken gleich Perlen herauf. Hinter den Bergen schimmert noch ein Hauch vom bleichen licht des vergehenden Tages. Hoch über uns liegt, düster gegen den Sternenhimmel, der runde Buckel des Berges Subiaso.
In einer Tümische steht ein junger Geistlicher. Ich frage ein wenig unsicher, weil ich doch kein Italienisch kann, in einem aus allerhand Sprachen gemischten Wortsalat: „Bitte, Herr Signor, voulez-vous nous indi- quer la Chiesa Santa-Chlara.“
„Francese?“ fragte der dicke Herr.
„Non, Flamando,“ antwortete ich pfiffig. Lustig ist solch ein kleines o. Man braucht: nur französisch zu sprechen, und es hinten daranzuhängen, so hat man es gleich!
„Vous parlez franpais,“ fragte der Geistliche, worauf meine Schwester, als sie hörte, daß er französisch sprach, meine Frage wie
derholte. „Puis-je vous oonduire?“ (Darf ich Sie führen?) fragte er, und zwei braune Augen lachten freundlich hinter der Brille auf, während seine Hände uns einluden, mit- eukommen. Wir waren froh, und auch er freute sich, uns helfen und französisch sprechen zu können.
Immer im Gespräch sind wir bis zum großen Markt hinaufgeklettart, wo in der Stille und Verlassenheit ein Brünnlein plätschert. Der junge Geistliche zeigt die Stelle, wo der Bettler den Mantel ausbreitete, so oft Franziskus vorüber ging. Deutlich sehe ich vor mir das Bild Giottos. Im Hintergrund ein gotischer Palast, in "3« Mitte ein griechischer Tempel mit zierlichen Säulen, daneben ein eigenartiges Bauwerk mit zwei Loggien, Palast und Tempel stehen da vor uns. Aber wie anders hat Giotto sie dargestellt. Und wieviel zierlicher und feiner, als sie wirklich sind. Seine Hintergründe sind für mich leibhaftig geworden, leibhaftiger als Assisi selbst. Ich sage es meinem Freunde. Wieder lächelt er, pflückt die Worte von den Lippen und meint! „Assisi ist wie ein Buch. Je weiter man darin liest, um so schöner wird es. Sie müßten in Assi9i wohnen bleiben, müßten es sehen, wie es unter der sengenden Sonne in azurblauer Luft flimmert. Dann ist es weiß, und dann in der' Dämmerstunde, wenn es zum Angelus läutet. Und frühmorgens, wenn die Bergnebel durch die Gassen streichen. Im Winter, wenn Schnee liegt und der Mond darauf scheint Oder wenn alles in Blüte steht. Und dann das weite, fruchtbare Weintal unten und die blauen Berge in der Feme und hinter und über der Stadt der Riesenbuckel des Berges Subiaso. Dann hat Assisi Farbe und Atmosphäre. Da fühlt man die Seele Assisis, die Giotto gemalt hat. Sie werden Franziskus hier wandeln sehen, und auf jeder Mauer zeichnet sich der Schatten seiner Gebärde ab.“ *
Bei Worten, die so glühen von der Liebe- zu dem Heiligen, schweigt man demütig und denkt, Giotto ist ein großer Künstler. Wir gehen herunter zur Kirche der hl. Klara. Ein wuchtiges, aber nicht schwerfälliges Gebäude, rot und grau gestreift, jnit einer Reihe mächtiger Stützbögen. Aus dem stillen Tal klingt der liebliche Gesang eines Vogels herauf. Der junge Geistliche erzählt, wie Franziskus zu Tränen gerührt den schönen Gesang einer Nachtigall belauschte und antwortete. Die Nachtigall und der Heilige sangen abwechselnd. Ihr Zweigesang zum Lobe Gottes’ dauerte, bis der Morgen den Schneegipfel rötete.
„Ein schöner Heiliger! Ein schöner Dichter!"
Es ist herrlich, durch die Straßen des stillen Assisi zu wandeln und sich von diesem bescheidenen Priester erzählen zu lassen, dessen Herz voll ist vom hl. Franz. Er zeigt uns sein Haus, das Tor, durch das er wanderte. Auch die Steine beginnen nun zu sprechen. Dieser junge Mensch ist wie ein sanftes Licht, das mit seinem Schimmer das verborgene Leuchten Assisis weckt. Wir lesen weiter in dem Buch und wirklich, es wird immer schöner.
Er begleitet uns zum Hotel zurück. Für den nächsten Tag verabreden wir einen Besuch von St. Damian und Portiunkula. Lange stehe Ich noch am offenen Fenster, das Aussicht bietet auf das weite Tal. Am Horizont die Berge. Rechter Hand in der Feme flimmern die Lichter von Perugia, das hoch auf einem Berge liegt. Durch die Blässe der Nacht, die übersät ist von unendlichen Sternen, schimmert der bleiche Lauf eines Flüßchens. Ringsum Stille . . . Die Nacht ist wie ein Gebet. Die Sterne leuchten wie eine Gebärde des hl. Franz.
Berechtigte Uebertragung von Karl Jaoobe
Kitt tut äPioubfdjem
Herz zum Herzen ist nicht weit unter lichten Sternen, und das Aug, von Tau geweiht, blickt zu lieben Fernen; unterm Hufschlag klingt die Welt, und die Himmel schweigen, zwischen beiden mir geseilt K
will der Mond sich zeigen.
Zeigt sich heut in roter Glut an dem Erdenrande, gleich als ob mit heißem Blut er auf Erden lande, doch nun flieht er soheu empor, glänzt in reinem Lichte, und ich scheue mich auch vor seinem Angesichte.
Ludwig Achim von Arnim
„Kreuz und Krone"
Worte eines Christen
Von großen Dingen schweige, laß sie in dir wachsen. Zerrede sie niemals. Das Reden macht eng und zerstreut, es macht die Dinge kleiner. Vor allem Großen sei still — in der Kunst, in der Musik, in der Religion — Schweigen. *
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Das Leiden ist -der größte Lehrer; das geheiligte Leiden einer Seele lehrt die andere. Unsere Wertungen sind alle falsch, und Leiden ist die Krone des Lebens. Leiden und Wachsen — welche reiche Verbindung.
ft
Alles vertiefte Leben ist vertieftes Leiden, vertiefte Traurigkeit, vertiefte Freude. Leiden und Freude. Die letzte Note der Religion ist Freude.
*
Wir sind wie Schwämme, die versuchen, den Ozean aufzusaugen. Wir können Gott nicht erschöpfend erkennen. Gott ist ewig, wir vergehen.
Wir müssen Gott nicht erfinden und Ihn halten. Er hält uns. Wir können Gott niemals erklären; obwohl wir Ihn mehr und mehr begreifen können durch das geistige Leben.
•
Gott ist nicht eine Idee, Er ist ein Faktum. „Ich finde Gott außerhalb meiner selbst, Er ist ein Einbruch von außen.“ So ist es recht. Das räumt auf mit dem ganzen elenden Subjektivismus. Ich mag nicht diesen ganzen Cou6-Kram, dies Verweilen bei sich selbst. Uns loslassen, Gott hereinlassen. Wenn du Gott liebst und dich haßt, dann ist alles in Ordnung.
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Gott ist in der Pflicht. Die Vorstellung, es .behaglich zu haben! Wie vulgär das ist. Gott macht unser Leben niemals behaglich.
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Gott macht unser Leben nicht klar und bequem. Versuche niemals, die Dinge zu klar zu sehen. Die Religion kann nicht klar sein. In diesem zusammengewürfelten Leben bleibt immer ein unklarer Rest Gott will es so. Es ist immer ein tragisches Element darin. Wie kann es anders sein, wenn das Christentum unser Ideal ist.
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Christentum ist ein Heldentum. Die Leute meinen manchmal, es bedeute ein Leben von dieser Art: lieb und brav sein, nicht böse sein, nicht ungeduldig werden, nicht zornmütig sein: eine Art Wischi-Waschi Sentimentalität. Dummes Zeug. Christentum ist das nicht. Däs Christentum ist eine ungeheure Warnung, ein gewaltiges Heldentum.
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Wenn wir Christen sind, so gibt es für uns immer zwei Töne: Leiden und Freude. Gethsemane ist schrecklich, aber es hört nicht auf mit Gethsemane; es folgt die ' Auferstehung. Wir brauchen das Ganze der Religion: Entsagung und Freude, Kreuz und Krone.
(Aus den Briefen Baron Friedrich von Hügel *
an seine Nichte)
Persönlichkeit und Freiheit
Das Dasein der Persönlichkeit setzt Freiheit voraus. Die Persönlichkeit existiert in der Welt nur dadurch, daß es nicht bloß ein Reich der Notwendigkeit, sondern auch ein Reich der Freiheit gibt. Ohne Freiheit kein Akt, keine Schöpfung, kein Widerstand. Das Individuum ist determiniert, es kann auch ohne Freiheit existieren. Die Persönlichkeit aber ist eine Manifestation der Freiheit, sie bedeutet den Kampf der Freiheit gegen die Notwendigkeit. Ich habe hierbei nicht den Schulbegriff der Willensfreiheit als der Freiheit der Wahl im Auge, sondern den Begriff der Freiheit als schöpferische Energie, als Bestimmung von innen her, als das geistige Prinzip im Menschen, das die menschliche Persönlichkeit erst eigentlich konstituiert. Freiheit ist Geist im Unterschied zur Natur als dem Prinzip der Notwendigkeit. Die Persönlichkeit im Menschen zeugt nicht allein von der Freiheit, sondern auch vom Geiste. Persönlichkeit heißt Widerstand gegen die unpersönliche äußere Umwelt, Nichtaufgehen- wollen in ihr, Kampf gegen die Vergewaltigung durch Natur und Gesellschaft. Persönlichkeit heißt Wahl und Entscheidung. Man kann eine starke Individualität und doch nur eine schwach ausgeprägte Persönlichkeit sein; dann wird man es an Widerstandskraft gegenüber den Einwirkungen der Außenwelt fehlen lassen, wird nicht ankämpfen gegen die Notwendigkeit, die den Menschen von außen her bestimmt.
(i/icolai Berdjajewi