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Nr. 259

Freitag, den 4. November 1932

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In äerStaät35Soläpfennigr wöchentlich mit vrägerlohn Post-Bezugspreis SS 6olä- psennig« ohne Bestellgeld

Schluß äer Anzeigen­annahme 8 Uhr vormittags

In Zöllen höherer Sewalt besteht kein Nnlpruch mit Lieferung äer Leitung »äer aus Rückzahlung äer vezugspreises

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verantwort!. Schriftleitung: Frieärich Hans Scheele Druck unä Verlag äer A. Oelschläger'schen Luchäruckerei

Jahrgang 105

Reichskabinett vertagt Kontingent-Entscheidung

Getreidepreisstützung beschlossen Noch keine Einigung über die Handelspolitik?

TN. Berlin, 4. November. Amtlich wird mitgcteilt: Die Neichsregierung befaßte sich in ihrer Kabinettsitzung vom 2. und 3. November mit Agrarfragen. Sie ist der Auf­fassung, daß ein Abgleiten der Getreidepreise verhindert werden muß. Für die Landwirtschaft tragbare Gctreideprcise sind nicht nur im Hinblick aus die gesamte wirtschaftliche Bedeutung und die Notwendigkeit der Erhaltung des Ge­treidebaues erforderlich, sondern auch, um einen Zusammen­bruch der Osthilfeaktion, die Gefährdung der bisher für den Osten aufgewendcten Mittel und die dadurch bedingten un­übersehbaren Folgen für alle Wirtschaftszweige des ganzen Reichsgebiets zu verhindern. Die Negierung hat daher die hierzu erforderlichen Maßnahmen beschlossen.

Die Neichsregierung hält es für ebenso dringlich, andere ebenso gefährdete Zweige der deutschen Landwirtschaft zu schützen, um das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionszweigen zu erhalten. Sie hat demgemäß der Kontingentierung der Butter­et« fuhr auf Grund der mit mehreren Ländern getroffe­nen Abreden ihre Zustimmung erteilt. Sie hak ferner den Bericht der Kommission entgegengenommen, die in Brüssel, im Haag, in Rom, Paris und Kopenhagen über die Kontin­gentierung weiterer land- und forstwirtschaftlicher und gärt­nerischer Erzeugnisse, insbesondere der bäuerlichen Verede­lungswirtschaft verhandelt hat. Die Neichsregierung hat veranlaßt, daß das besonders reichhaltige Material, das diese Verhandlungen ergeben haben, unverzüglich gesichtet und bearbeitet wird. Nach Abschluß dieser Arbeit wird sie ihre Entscheidung im einzelnen treffen.

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Vorbereitung der Reichsratslagung

Im großen Reichsratssihungssaal trat am Donnerstag der Ausschuß des Neichsrats für Verfassungs- und Ge- schäftsordliungssragen zusammen. Den Vorsitz führte Neichsinnenminister von Gayl, der in Begleitung des Staatssekretärs Zweigert, des Ministerialdirektors Gott­heiner und verschiedener anderer seiner Beamten erschienen war. Für Preußen waren die Ministerialdirektoren Brecht und Badt anwesend. Außer den Ländern, die durch ihre Hauptbcvollmächtigten vertreten waren, waren auch die Vertreter der Provinzen vollzählig erschienen.

Die Sitzung des Ausschusses dauerte etwa 1 Stunde- Wie wir hören, beschäftigte sich der Ausschuß mit der Ge­schäftslage des N eichsrate s. Im Anschluß daran fand noch eine interne Besprechung der Hauptbevollmäch-

tigtcn der verschiedenen Länder ohne Beteiligung der Neichsregierung statt, in der über das weitere Ver­halten der Länder beraten wurde. Sowohl die Bera­tungen des Neichsratsausschusses als auch die interne Be­sprechung der Ländervertretcr waren streng vertraulich. Es ist in Aussicht genommen, die nächste Ausschubsitzung am 11. November stattfinden zu lassen.

Burgfriede nach den Wahlen

Keine politische« Versammlungen vom k. bis 19 November.

Amtlich wird aus Berlin mitgeteilt: Der Reichspräsident hat durch eine auf Grund des Art. 48 Abs. 2 der Reichs­verfassung erlassene Verordnung ein mit dem Wahltage in Kraft tretendes Verbot aller öffentlichen politischen Ver­sammlungen, also auch solcher in geschlossenen Räumen er­lassen, das zu dem in Kraft bleibenden Demonstrations­verbot hinzutritt. Das Verbot aller öffentlichen politischen Versammlungen ist auf die Tage vom 6. bis 19. November 1932 befristet.

Zweck dieses Verbotes ist es, daß nach Abschluß des Wahlkampfes eine Entspannung der durch ihn hervorgeru- fenen starken politischen Erregung eintritt, und daß den Po- lizeibeamten, an deren Dienst die letzten Wochen erhöhte Ansprüche gestellt haben, eine Ruhe- und Erholungspause gegönnt werde.

Einnahmen und Ausgaben des Reiches

TU. Berlin, 4. Nov- Wie das Reichsfinanzministerinm mitteilt, betrugen die Einnahmen im ordentlichen Haus­halt im September 1932 insgesamt 587 Mill. darunter Steuern, Zölle und Abgaben 547,3 Mill. Die Aus­gaben betrugen in derselben Zeit 566,S Mill. daru«- ter Steuerüberweisungen an die Länder 122Z Mill. Bersorgungs- und Ruhegelder einschl. der Krtegsbeschädig- tenrenten 197,6 Mill. Die Mehreinnahmen im Sep­tember betrugen somit 29,4 Mill. Im außeror­dentlichen Haushalt betrugen die Ausgaben im September 1,1 Mill. während Einnahmen nicht zu ver­zeichnen waren.

In den ersten sechs Monaten des laufenden Rechnungs­jahres ergibt sich im ordentlichen Haushalt ein Bestand iMehreinnahme) von 99,3 Millionen Die Einnahmen betrugen in den Monaten April bis September einschließ­lich 3729,6 Mill. die Ausgaben 8639,3 Mill. Im außerordentlichen Haushalt ergibt sich in derselben Zeit eine Mehrausgabe von 12,3 Mill.

Tages-Spiegel

Die Neichsregierung hat die Entscheidung über die Kontin- gcntierungspolitik bis «ach den Wahlen vertagt. Wie ver­lautet, sollen die Berichte der Kontingentierungskommis­sion diesen Aufschub bewirkt und erneut Meinungsver­schiedenheiten über den handelspolitischen Kurs innerhalb des Kabinetts Hervorgerufe« haben.

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Zwischen München und Berlin ist eine Entspannung cin- getreten, nachdem Ministerpräsident Held sich zum Ein- lcnkeu bereit erklärt hat.

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Reichskanzler von Pape« spricht heute abend im Rundfunk über alle Sender zur Lage.

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Der Reichspräsident hat ein Verbot aller öffentlichen poli­tische« Versammlungen vom 8. bis 19. November erlassen.

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Der preußische Ministerpräsident Braun wird heute an den Reichspräsidenten wegen der Durchführung -es Leipziger Urteils appelliere«.

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Das Kriegsgericht in Kiel hat den Kommandanten der Niobe", Kapitänlentnant Nuhsus» frcigcsprocheu.

Es liege an dem Reichspräsidenten, dafür Sorge zu tra­gen, daß das Leipziger Urteil nunmehr endlich loyal aus- gesührt werde und den Reichskanzler zu veranlassen, den Boden der Verständigung zu betreten. Das preußische Staats- Ministerium bedauere, daß es andernfalls gezwungen sein werde, noch einmal den Leipziger Staatsgerichtshos anzu- rufeu.

Der Berliner Verkehrsstreik ungesetzlich

Schiedsspruch für verbindlich erklärt.

TU Berlin, 4. Nov In einer Unterredung mit dem Po­lizeipräsidenten Melcher, Polizeikommandeur Oberst Polen, Regierungsdirekter Kretschmar und den zuständigen Regie­rungsstellen wurde von Seiten der Negierung die Ansicht vertreten, baß es sich bei dem Berliner Verkehrsstrcik um einen ungesetzlichen Streik handele, gegen den ein energisches Vorgehen gerechtfertigt sei. In Auswirkung dieser Unterredung wurden im Lause des Donnerstags vor mehreren VVG.-Bahnhöfen Streikposten verhaftet und der politischen Polizei zugeführt.

In der BVG.-Streitsache wurde gestern abend folgen­der Schiedsspruch gefällt: Die Löhne werden für alle Kate­gorien mit Ausnahme der Fahrkartenausgcberinnen um 2 Pfg. gekürzt. Das Lohnabkommen gilt bis 81. Dezember 1932 mit vierwöchentlicher Kündigung. Der Manteltarif wird bis zum 31. März 1933 verlängert. Die Gewerkschaf­ten lehnten diesen Schiedsspruch ab. Die BVG. hat ihn an­genommen Der Schlichtungsausschutz für Groß-Berlin hat den BVG.-Schiedsspruch für verbindlich erklärt. Die BVG. wendet sich nunmehr in einem plakatierten Ausruf an sämtliche Arbeitnehmer mit der Aufforderung, die Arbeit bis spätestens Freitag, den 4. November, mittags 2 Uhr wieder aufzunehmen, widrigenfalls die fristlose Entlassung erfolgt.

öS kommnnistische Funktionäre in Berlin festgenommea.

Im Zusammenhang mit dem wilden Streik bei -er BVG. nahm die Polizei am Donnerstag abend die Berliner Be­zirksleitung der RGO. sJndustriegruppe, Gemeinde und Verkehr) fest. Die Mitglieder der Gruppe befanden sich in einer Versammlung, die den Zweck hatte, einen Sympathie­streik -er Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke anzuzetteln. Insgesamt wurden 52 Funktionäre festgenommen.

Wiederaufnahme

der Abrüstunqsverhandlungen in Genf

Das Büro -er Abrüstungskonferenz zusammengetrctcn.

TU Genf, 4. November. Das Büro der Abrüstungskon- ferenz trat am Donnerstag als Auftakt für die Ende Novem­ber wieder einsetzenden großen Verhandlungen im Haupt­ausschuß unter dem Vorsitz Henbersonszu einer Tagung zusammen. An der Tagung nehmen die 14 im Büro ver­tretenen Mächte, darunter sämtlichen europäischen Groß­mächte, die amerikanische und die sowjetrussische Regierung teil. Präsident Henderson teilte mit, daß Paul-Boncour in einer ausschließlich hierfür gemidmeten Sonversitzung heute vormittag einen eingehenden mündlichen Bericht über den neuen französischen Abrüstungsvorschlag er­statten werde. Henderson wies sodann darauf hm, baß 46 Staaten die Verlängerung des Rüstungsfeier­jahres um 4 Monate vom 1. November bis zum 1. Mär» nächsten Jahres angenommen hätten. Einige Mächte jedoch hätten di« Verlängerung von bestimmten Bedingungen ab­hängig gemacht.

Entspannung zwischen München und Berlin

Ministerpräsident Held lenkt ein Braun ruft den Reichspräsidenten an

TU Berlin» 4. Nov- Von maßgebender Seite des Rei­ches wird erklärt, daß die Reichsregierung die Erklärungen Helds nicht als eine Sensation empfinde. Zur Sache selbst wird folgendes bemerkt: Die Reichsregierung sei sich mit der bayrischen Negierung einig, daß die Reichs re form nicht auf Grund des Artikels 48 und auch nicht mit Ge - waltmaßnahmen in Angriff genommen werden könne. Das müsse ausdrücklich festgestellt werden. Der bayerische Ministerpräsident habe selbst hervorgehoben, ihm sei ge­sagt worden, daß ihm der Entwnrf zur Reichs- und Ver- fassungsrcform vor der endgültigen Entscheidung des Neichskabinetts vorgelegt werden solle. Die Neichsregie­rung stelle fest, daß sie ihre Zusagen gehalten habe und halten werde. Es gebe keinerlei Maßnah­men, die die Verfassung angctastet oder die Struktur -es Neichez geändert hätten. Es handle sich lediglich darum, die Politik des Reiches und Preußens in einheitliche Bahnen zu lenken. Hiernach werde auch in Zukunft ver­fahren. Was Sie Behauptung des bayrischen Ministerprä­sidenten angehe, daß die Münchener Regierung im Unklaren über die Absichten der Neichsregierung gelassen worden sei, so müsse festgestellt werden, daß der Gesandte Bayerns in Berlin, v. Preger, durch Staatssekretär Planck eine ein­gehende Darstellung der bevorstehenden Maßnahmen er­halten habe. Hieraus habe Ministerpräsident Held sehen können, daß cs sich nicht um eine organische Bereinigung von Reichs- und Länderrninistericn handle. Der Gesandte v. Preger habe diese Auskünfte auch nach München weiter­aeleitet. Wenn Ministerpräsident Held am Schluß seiner Ausführungen betont habe, baß die Möglichkeit einer Verständigung auch heute nicht ausgeschlossen sei. so n,n,e die Neichsregierung hiermit durchaus überein. Nur nach Ansicht der Neichsregierung der vom Ministerpräsi-

Bcrl» eingeschlagene Weg nicht geeignet, eine solche <'er,tan-jgung zu fördern.

Eine bayrische Gegenerklärung.

Zu der von maßgebender Seite des Reiches veröffentlich­ten Erklärung, die bayrische Gesandtschaft in Berlin sei über die letzten Maßnahmen des Reiches gegenüber Preu­ßen vollständig und rechtzeitig unterrichtet worden, wird von zuständiger bayrischer Stelle eine Mitteilung heraus- gegeben, die sich mit der von -erBayrischen Staatszei­tung" gegebenen Gegendarstellung im wesentlichen deckt Zum Schluß heißt es, es ergebe sich unzweideutig, daß die Bayrische Staatsregierung nicht vor der Beschlußfassung des Neichskabinetts, sondern erst nachher informiert worden ist. Die Information der bayrischen Staatsregie­rung erfolgte erst auf Drängen und Vorstellungen der bay­rischen Staatsregierung hin, nicht aus eigener Initiative der Neichsregierung.

Ein versöhnlicher Schritt des bayerische« Ministerpräsidenten Held in Berlin.

Wie aus München verlautet, hat -er bayerische Minister­präsident Dr. Held bei der Neichsregierung Schritte unter­nommen, die geeignet sind, eine wesentliche Entspannung der Lage hcrbeizuführen.

Braun ruft Hindenburgs Vermittlung an

TU Berlin, 4. Nov. In einer vom preußischen Staats­ministerium einbcrufenen Pressebesprechung teilte der preu­ßische Ministerpräsident Braun mit, daß er heute einen Brief an den Reichspräsidenten richten werbe, in dem er offen darlegen werbe, daß entgegen der in der letzten Be­sprechung beim Neichspräsidenten zum Ausdruck gekomme­nen Erwartung der Rcichskommissar in Preußen nicht ge­willt scheine, das Urteil des Staatsgertchtshofes loyal durch­zuführen, sonden mit den kleinlichsten Mitteln bestrebt sei, das preußische i taaisministerium an der Ausübung der ihn: in Leipzig 4 gesprochenen Amtspflichten zu verhindern.