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Nr. 253
Amis- unä Knzeigeblalt für äen Oberamtsbezirk calw
Fr ei tag. den 28. Oktober 1932
Bezugspreis:
In 6er Stack 38Sol6ps«nnig« wöchentlich mit ürögerlohn Post-Bezugspreis 38 Solä- psennige ohne Lestellgelä
Schluß 6er Anzeigenannahme 8 Uhr vormittags
In ZSllen HSH«r«r Seivalt besteht kein Anspruch aus Lieferung cker Leitung o-Ier aus Nachzahlung äe» Lezugspreises
Fernsprecher Nr. S
verantwort!. Schriftleitung: §ri«6rich Hans Scheel« Druck un6 Verlag 6«r A. OelschlSger'schen Buchäruckeret
Jahrgang 105
Um die Gewallenteilung Reich—Preußen
Vor entscheidenden Beschlüssen der Reichsregierung — Hindenburg empfängt Braun
Vertrauenserklärung für v. Papen
TU. Berlin, 29. Okt. Nach der Rückkehr des Reichskanzlers nach Berlin sind die internen Besprechungen über dte Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen der alten preußischen Negierung und der kommissarischen preußischen Regierung gestaltet werden soll, umgehend ausgenommen worden. Die Besprechungen werden mit allem Nachdruck geführt, um möglichst beschleunigt eine Klärung dieser Frage herbeiznsühren.
Das Neichskabtnett wird sich heute mit der durch das Urteil des StaatsgerichtZhofes geschaffenen Lage befassen. Wie die Telcgxaphen-Union erfährt, wird sich die Neichs- regierung durchaus aus den Boden des Leipziger Urteils stellen Man beabsichtigt dabei, die vom Neichskommissar ausdrücklich als zu Recht bestehend zuerkannten Vcrwal- tungsbcfugnisse in Preußen voll auszunutzen und die seit längerem beabsichtigten Maßnahmen der Verwaltung s- reform minmehr baldigst in Gang zu bringen. Dabei soll der Dualismus Reich-Preußen, soweit dies auf dem Verwaltungsivcge durchführbar ist, beseitigt werden. Der Reichskommissar für Preußen und Reichskanzler von Papen wird das Neichskabtnett über seine diesbezüglichen Absichten unterrichten. Geplant ist die Personalunion zwischen Reich- und preußischen Ministern möglichst weitgehend zu verwirklichen und Nctchsmtnister mit der kommissarischen Wahrnehmung der Geschäfte preußischer Ministerien zu beauftragen. Als besonders verwaltete preußische Ministerien sollen darnach nur noch erhalten bleiben die preußischen Ministerien des Innern, der Finanzen und das Kultusministerium. Dte heutige Stellung des kommissarischen preußischen Innenministers Dr. Bracht würde die > eines NelchsministerS ohne Portefeuille werden, der gleichzeitig mit der Wahrung der Geschäfte des preußischen Innenministers kommissarisch beauftragt wäre. Der Neichsernäh- rungsminister würde mit der Wahrung der Geschäfte des preußischen Landwirtschastsministeriums kommissarisch beauftragt werden und der Ncichswirtschastsminister mit der des preußischen Handelsministeriums, das allerdings wahrscheinlich erheblich verkleinert werden dürfte. DaS preußische Wohlfahrtsministerium soll ganz verschwinden. Die Nechtsaufgaben würden andere Ministerien mit übernehmen.
Was das Verhältnis zu dem preußischen Staatsministerium Braun angeht, dem die Hohcitsrechte der Vertretung des Landes im Leipziger Nrtcilspruch zuerkannt sind, so hofft man zuversichtlich, sich über die Zu-
TU Berlin» 28. Okt. Wie der »Berliner Börscnkurier" erfährt, wird das Reichskabinett vielleicht schon in seiner heutigen Sitzung über einen Plan der Gemeinden Beschluß fassen, der die A rbe ttsb« scha s s u ng sür 800000 WohlsahrtSerwerbSlose -um Ziel hak. Die Gc- samtkostcn dieser Aktion belaufen sich dem BBC zufolge aus rund 780 Mill. NM., da -er Lohnauswand für jeden eingestellten Erwerbslosen aus jährlich 1060 beziffert werde und die vorgesehenen Arbeiten. Sachausgabcn je Kopf von nochmals 800 ^6! bedingen. Die Deckung der Kosten sei wie folgt beabsichtigt: Zunächst einmal ersparten die Gemeinden für die eingestellten Wohlfahrtserwerbslosen die übliche Unterstützung. die durchschnittlich 44-48 je Kopf und Monat betrage. Hieraus ergebe sich eine Gesamtersparnis *u"!> 280 Mill. RM. Der Restbetrag soll znm Teil durch Gewährung von Stenergutschelnen aufgebracht werden.
^ Programm zur Beschäftigung von 600 000 Wohl, sahrtserwerbsloscn ist vom N ei ch s st ä d t e b u n d aui. gestellt worden. Als Voraussetzungen sür die Ktnanzie- rung hat der Bund bezeichnet: Ausbringung der Lohnkosten / ^ bMcrige Wohlfahrtserwerbslosen-Unterstützung lohne Kürzung der Retchswohlfahrtshilfe sür die Gemein- dem „nd Ucbcrwctsung von Steuergutschetnen an die Gc- meinüen als verlorenen Zu» o/,., des Reiches vorbehaltlich näherer Vereinbarungen über öen Weg, auf dem die Ge- meinden durch die Cteuergutscheine Barmittel erhalten können, sowie Aufbringung der Kosten für Gerätschaften und Material durch langfristige zinslose Darlehen des Reiches auf etwa 20 Jahre.
Die Entscheidung darüber, ob sie von den Möglichkeiten Gebrauch machen will, soll der einzelnen Gemeinde oder °em einzelnen Eemelndcverband überlassen bleiben. Als Adelten kommen In Betracht: Straßcnbantcn. Melioratio- Sanalisierungsarbelten und Einrichtung von Wasser-
ständigkeitsfräge in der Praxis aus den Boden des Leipziger Urteils zu einigen- Am Samstag wird der preußische Ministerpräsident auf seinen Wunsch vom Neichspräsi. denken von Hindenburg in Gegenwart des Reichskanzlers und Neichskommissars sür Preußen empfangen werben.
Beamtenschub in Preutzen
Unter dem Vorsitz des Reichskanzlers von Papen in seiner Eigenschaft als Neichskommissar sür Preußen fand am Donnerstag nachmittag eine Staatsministerialsitzung statt, in der lausende Angelegenheiten beraten wurden. In dieser Sitzung wurden 8 Regierungspräsidenten und 2Lawd- räte neuernannt, der Polizeipräsident von Bielefeld in den Ruhestand verseht und eine größere Anzahl Beamte im VerwaltungS- und Justlzdicnst in führende Stellen versetzt.
Vertrauenserklärung des Reichspräsidenten für v. Papen
Zu den Gerüchten, wonach der Reichspräsident ungehal- ten über die politische Entwicklung sei, ferner, wonach der Stetchskmzler nickst mehr das Vertrauen des Reichspräsidenten besitze und 3. wonach der Reichspräsident Klage darüber geführt hake, daß er falsch informiert worden sei, läßt der Reichspräsident erklären, daß er keine derartigen Äußerungen gemacht habe und datz das Rrichskabinett von Papen nach wie vor sein volles Vertrauen besitze.
Im Zusammenhang mit der amtlichen Versicherung, wonach Reichskanzler von Papen nach wie vor das volle Vertrauen des Reichspräsidenten besitze, bringt das Blakt der Christlichen Gewerkschaften „Der Deutsche" eine Information, wonach in Rcgierungskreisen der Gedanke, den Reichstag immer wieder aufzulösen, wegen der etwaigen schwerwiegenden Folgen ausgcgeben worden sei. Anscheinend wolle die Nclchsregiernng jetzt andere Wege einschlagen. Wie verlautet, werde sie ein neues ArbeitSbeschak- fungsprogramm beschließen und ne ne Nesorm- pläne. Darüber hinaus scheine man gewisse Veränderungen im Kabinett zu planen. Einige Minister sollen ersetzt werden durch Männer, die bei gewissen Parteien des Reichstags auf ein stärkeres Vertrauen rechnen könnten. Fehlgriffe bei der letzten Notverordnung schienen bet diesen Plänen eine Nolle zu spielen. Es sei also mit einem neuen Programm der Negierung Papen zu rechnen. Man glaube, daß es ans dickem Wege möglich sei, ein Mißtrauensvotum im Reichstag zu vermeiden und die Zustimmung einer Mehrheit zu einer Art Bewährungsfrist zu erhalten, um bas neue Arbeitsbeschaffungsprogramm durchführen zu können.
vcrsorgungSanlagen, wie sie der Reichsstädtebund bereits am 18. Oktober gefordert hat. Gleichzeitig hat der Reichsstädtebund in einer Eingabe an die Reichsbahn und Reichs- post gebeten, dafür Sorge zutragcn, daß bei den von Liesen Institutionen in Aussicht genommenen Arbeitsvergebungen in möglichst weitem Umfange -er Notlage der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den kleinen und mittleren Städte Rechnung getragen wird.
Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Rcichswasserstratzcn- verwaltung
DaS Arbeitsbeschaffungsprogramm -er Reichswasserstraßenverwaltung wird nunmehr in einem Schreiben des Reichsvcrkehrsministers an den NcichSwasserstraßenbelrat bekannt gegeben. Auf Grund der Ermächtigung -er Notverordnung vom 14. Juni werden sür die Durchführung dieses Arbeitsbeschaffungs-Programms von der Ncichsregie- rung övMillionen Mark zur Verfügung gestellt. Die Liste der scrtiggestellten Bauvorhaben umfaßt zum größten Teil Verbesserungen an den vorhandenen Reichswasserstra- ßcn. Im ganzen kommen etwa 120 Bauvorhaben zur Durch- sührung, die sich auf alle S'röm« Deutschlands «nd «inen großen Teil ihrer Nebenflüsse verteilen. Im ganzen werden etwa 80 000 Arbeiter durch dieses Programm beschäftigt werden können.
Die Krankcnkassenstatistik für Len Monat September bestätigt» daß die Arbeitslosigkeit im Abnehmcn begriffen ist. Nach der Zahl der bei den Krankenkassen gemeldeten kran- kcnkassenpslichtigcn Arbeitnehmer ist die Zahl der Beschäi- tigten im September gegenüber dem Monat August um 80 000 gestiegen, während im Borlahr eine Abnahme der Beschäftigten um 250000 und im August d. I. «ine Abnahme gegenüber dem Juli um 34 000 zu verzeichnen war. Diese Entwicklung wird auch durch die Beschüftigungsstatisttk der Gewerkschaften bestätigt-
Tages-Tpiegel
In einer Erklärung des Reichspräsidenten wird den Ge» ritchten, wonach das Kabinett Papen nicht mehr das Ver, tränen des Reichspräsidenten besitze, entgegengetreten.
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Die Reichsregierung plant eine Erweiterung des Arbcits» beschaffungsprogramms durch Verwirklichung der Forderungen -es Reichsstädtebnndcs.
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Durch das Arbeitsbeschaffungsprogramm an den Reichs» Wasserstraßen finden SO 606 Arbeiter Beschäftigung.
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Das Reichsarbeitsministerium dementiert Gerüchte über eine angeblich geplante Aendernng des Betriebsrätegesetzes.
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Im Londoner Hyde-Park kam es gestern z« blutigen Zn» sammenstößen zwischen Polizei und Hungerdemonstrantcn.
Der „großmütige" Gläubiger Amerika
TU. Neuyork, 28. Okt. In Cleveland sagte der Unterstaatssekretär im Schatzamt, Castle, in einer Rebe im^ Notary-Clnb die Herabsetzung der europäischen Schulden voraus. Gleichzeitig warnte er jedoch vor der Hoffnung auf eine gänzliche Cchuldenstreichung, die weder von der republikanischen noch von der demokratischen Partei zu erwarten sei. Amerika müsse dte Nolle des großmütigen Gläubigers fortsetzen, doch müßten diesbezügliche Abmachungen unbedingt für die Vereinigten Staaten nutzbringend (!) sein. Castle schlägt die Ausarbeitung eines Abkommens über die Schuldenregelung entsprechend der Annahme amerikanischer Waren durch die europäischen Schuldner vor.
Die englisch-amerikanischen Abrüstungsvereinbarungen
TU London, 28. Okt. Der amerikanische Unterhändler Norman DaviS Hut außer mit den italienischen, französischen und japanischen Botschaftern auch mit dem Leut- schen Geschäftsträger Gras Bernstorss gelegentlich eines privaten Besuches über die Londoner Vorgänge gesprochen. Uebcr das Ergebnis der Londoner Unterredung von Norman Davis, soweit sie sich ans die Abrüstung bezogen, ergibt sich jetzt folgendes vorläufige, amtlich allerdings noch nickst bestätigte Bild:
1. England und Amerika stimmen darin überein, daß energische Maßnahmen -nr Erhaltung des Friedens und -ur Wiederbelebung der Wirtschaft notwendig sind.
2. Seeabrüstung. Norman Davis hat die äußersten Anstrengungen gemacht, um bei England die Annahme der allgemeinen Grundsätze des Hoooerplancs durchzusetzen» ohne dabei auf der starren Mathematik -er Zahlen zu bestehen. Dies« Aufgabe ist ihr zu einem erheblichen Teil gelungen, insofern als England die Notwendigkeit von Sparsamkeit beim Marinehaushalt anerkannt und sich mit ein-.r Verminderung der Gesamttonnage einverstanden erklärt hat.
3. Amerika und England versuchen, die Zustimmung Japans nnd dann auch Frankreichs »nd Italiens zu den neuen Richtlinien der Sceabrüstung zu erwirken.
4. Es ist anznstreben» datz die Vereinbarungen die Form eines Abkommens der 8 Seemächte annehmen.
K. England und Amerika stimmen dahin überein, daß die Schritte zur Herabsetzung der Rüstungen zur See eine Rückwirkung ans die Land, und Lustabrüstung haben und zu einer praktischen Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Hoovcrplanes a»s diesen Gebieten führen sollen. Es verlautet, daß eine Formel In Vorbereitung sei, die die gemeinsamen Ansichten Englands nnd Amerikas darftellt.
Es wird znverstchtlich damit gerechnet, daß Italien sich den englisch-amerikanischen Richtlinien anschlicßen wird und daß damit ein moralischer Druck auf Frankreich nnd Deutschland im Sinne eines dcntsch-sranzösischen Ausgleiches anSgeübt werden kann.
6. Amerika und England sind sich darüber einig, daß die Festlegung der Nnstungshrrabsedung eine Sache ist. die zunächst nur die noch nicht abgcrüsteten Mä -te angeht. An'dcrerleits aber Ist man sich darüber klar, -aß die Abrüstnngsverhandlnngen in Genf nur dann von wirklich praktischem Nutzen sein können» wenn Deutschland an dH neu beteiligt ist.
7. Amerika stimmt stillschweigend der englischen Aiiffas- iung zu, daß die Frage, wie sich die durch den Austritt Deutschlands ans der Abrüstungskonferenz entstandenen Schwierigkeiten beseitigen lassen, durch eine Aussprache zwischen England, Frankreich, Italien und Deutschland bereinigt werden soll.
Erweiterung des Arbeitsbeschaffungsprogramms
Der Reichsstädlebund fordert Arbeit sür 500000 Wohlfahrlserwerbslose