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Dienstag, den 4. Oktober 1932
Jahrgang 105
Weltwirtschaftskonferenz Anfang1933in London
Erneute Stärkung des französischen Einflusses im Völkerbundsrat England für Regelung der Gleichberechtigungsfrage
TU. Genf, 4. Okt. Der vom Völkerbundsrat eingesetzte Ausschutz zur Beratung über die Einberufung der Leltwirtschaftskonfereuz trat am Montag unter dem Vorsitz des englischen Außenministers Simon zusammen. Dem Ausschuß gehören die Vertreter von Deutschland, Italien, Belgien, den Vereinigten Staaten, Norwegen, Japan und Frankreich an. Der Ausschuß beschloß nach mehrstündigen Verhandlungen, die Weltwirtschastskonferenz zu einem möglichst frühen Zeitpunkt anfangs des nach st en Jahres nach London einzuberufen. Es wurde vereinbart, daß während der außerordentlichen Völkerbunds- Versammlung im November der Natsausschuß erneut zusam- mentrcten soll, um den Zeitpunkt festzusetzcn. Ferner hat der engere Ausschuß den großen beratenden Sachverständi- genausschuß zum 31. Oktober nach Genf einberufen, der das gesamte Programm der kommenden Weltwirtschaftskon- serenz ausarbeiten sowie die gesamten sachlichen Vorbereitungen treffen soll.
Der vom Völkerbunbsrat eingesetzte engere Ausschuß für die Einberufung der Weltwirtschaftskonferenz hat u. a. beschlossen, außer den zu der Weltwirtschastskonferenz bereits eingeladenen Mitgliedsstaaten des Völkerbundes und den Vereinigten Staaten noch folgende Mächte zur Teilnahme an der Londoner Weltwirtschastskonferenz einzulaüen: Afghanistan, Brasilien, Costarica, die Freie Stabt Danzig» Aegypten, Ecuador, Hodschas, Island und Sowjetrußland.
Die Neuwahlen zum Völkerbunbsrat
Die Genfer Vollversammlung des Völkerbundes wählte Montag nachmittag in geheimer namentlicher Wahl an Stelle der 3 aus dein Völkerbundsrat ausscheidcn- den Mächte Stibslawien, Polen und Peru von neuen P o- len mit 48 Stimmen, die Tschechoslowakei und Mexiko mit je 46 Stimmen von 62 Stimmen in den Völkerbundsrat. Somit haben von sämtlichen Völkerbundsmächten nur 4 Staaten gegen die Wiederwahl Polens in den Völ- kerbundsrat gestimmt. Damit sind 2 slawische Staaten jetzt in den Völkerbnndsrat gewählt worden, während nach früheren Gepflogenheiten stets ein Vertreter der skandinavischen Mächte oder ein Vertreter der kleineren Staaten in den Völkerbundsrat gewählt wurde. Die Ratswahlen bedeuten eine wesentliche Stärkung des französischen Einflusses im Völkerbundsrat. In Konfercnz- kreisen wird lebhaft erörtert, wer die vier Mächte sind, die gegen Polen gestimmt haben.
In einer streng geheimen Sitzung beriet der Völker- vnndsrat am Montag über die Ernennung des neuen Dan- ziger Völkerbundskommissars und über den Zeitpunkt für die Ernennung des Generalsekretärs des
Völkerbundes. Beide Fragen wurden ohne Entscheidung verschoben. Die Ernennung des Danziger Völkerbundskommissars stößt auf große Schwierigkeiten. Obwohl täglich neue Kandidaten auftauchen, konnte bisher keine Einigung zwischen den interessierten Mächten erzielt werden. Im Hinblick auf diese Schwierigkeiten sind jetzt Bestrebungen im Gange, einen vorläufigen Völkerbundskommissar zu ernennen, der sein Amt nur wenige Monate bis zur Ernennung des Völkerbundskommissars inne haben soll.
Irak als ständiges Mitglied in den Völkerbund ausgenommen.
Die Vollversammlung des Völkerbunds hat am Montag einstimmig das Königreich Irak als ständigen Mitgliedsstaat in den Völkerbund ausgenommen. Damit erlischt zum ersten Mal seit dem Bestehen des Völkerbundes ein Mandatsgebiet. Jedoch bestätigt sich in unterrichteten Kreisen die übereinstimmende Auffassung, daß von einer völligen Unabhängigkeit des Irak auch nach Aufnahme in den Völkerbund und dem Erlöschen des englischen Mandats nicht die Rede sein könne. — Die offizielle Sitzung der Völker- bundsversammlvng ist durch Rundfunk unmittelbar nach Bagdad übertragen worden.
Fünfmächlekonferenz
zur Lösung der Gleichberechtigungsfrage?
Die Einberufung einer Konferenz der fünf Großmächte nach London zur Beratung der deutschen Gletchberech- tigungsforderung wird augenblicklich in Genf von der englischen Delegation betrieben. In unterrichteten Kreisen erklärt man, daß alles geschehen müsse, um das Gespräch über die entscheidende Frage der Gleichberechtigung in Gang zu halten. Da jedoch Macdonald in absehbarer Zeit London nicht verlassen könne, liege ihm daran, daß sich die Vertreter der übrigen vier hauptsächlich interessierten Mächte sobald wie möglich in London versammeln würden. Außer England käme Deutschland, Italien und Frankreich in Frage, sowie die Entsendung eines Beobachters der Vereinigten Staaten. Man betont in englischen Kreisen, daß die Entscheidung über die Großmächte-Konferenz in erster Linie in de» Händen Frankreichs liege.
Zu den Nachrichten über einen Vorschlag Macdonalds, eine Fünferkonferenz zur Regelung Ser Abrüstungsfrage einzuberufen, wird von zuständiger Stelle in Berlin mitgeteilt, daß ein derartiger Plan an die deutsche Regierung bisher noch nicht herangetragen worden sei. In diesen Kreisen steht man im übrigen derartigen Absichten skeptisch gegenüber.
Handelsschwierigkeiten mit Italien
TU. Berlin, 4. Okt. Die Ankündigungen, daß sich die italienischen Abwehrmaßnahmen gegen du: deutsche Kontingentspolitik zu einer Wirtschaftsblockade gegen Deutschland answirken würden, haben sich nunmehr bestätigt. Die Anweisung an die italienischen Banken, den Importeuren deutscher Waren die zur Bezahlung nötigen Devisen zu sperren, bedeutet praktisch das Ende der deutschen Einfuhr nach Italien. Der deutsche Botschafter hat sich sofort mit der italienischen Regierung in Verbindung gesetzt, um einen Modus viLenöi zu finden, der etwa bis zum 1. Januar dauern und die Zeit bis zum Abschluß der Handels- vertragsverhandlungen ausfüllen soll.
Zu der neuen italienischen Devisenregelung erklärt man in Berliner politischen Kreisen, sie sei wesentlich schlechter als die deutschen Devisenbestimmungen. Man empfinde das italienische Vorgehen als einen schweren Angriff gegen Deutschland, auf den Deutschland voraussichtlich mit Gegenmaßnahmen antworten werde. Ein aus je einem Vertreter des Auswärtigen Amtes, des Neichswirt- schaftsmintsteriums und der Neichsbank bestehender Sonderausschuß wird sich nach Nom begeben, um die Schwierigkeiten, die sich aus den italienischen Devisenmaßnahmcn für den deutschen Handel mit Italien ergeben haben, zu beseitigen versuchen.
Der Auswärtige Ausschuß emberusen
für Dienstag nächster Woche.
TU. Berlin, 4. Okt. Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages ist nunmehr von seinem Vorsitzenden, Abg. Dr. Flick lNS.j, auf Dienstag, de« 11. Oktober 11 Uhr, einberufen worden. Auf der Tagesordnung der Sitzung steht der »Bericht über die Lausanner Verhandlungen.
Vor der Ansetzung des Termins für die Tagung des Auswärtigen Ausschusses hat zwischen Dr. Frick und dem Reichsaußenminister, Frejherrn von Neurath, ein Briefwechsel stattgefunden. Der Ausschußvorsitzenöe Dr. Frick hat ein Schreiben an den Minister gerichtet, in dem es heißt: »Ich könnte mir vorstellen, daß die Neichsregierung selbst, im Hinblick auf die schwierige außenpolitische Lage des Reiches Wert darauf legt, mit dem Auswärtigen Ausschuß in Fühlung zu treten, um womöglich eine Stütze für ihre Politik zu finden. Ich beabsichtige daher» den Ausschuß auf Dienstag, 11. Oktober, einzuberufen mit der Tagesordnung: „Bericht über die Verhandlungen in Lausanne, über die Abrttstungsfrage und über die Völkerbundstagung* und bitte um Mitteilung, ob der Herr Neichsaußenminister bereit ist, in dieser Sitzung des Ausschusses zu erscheinen."
Neichsaußenminister Freiherr von Neurath hat darauf wie folgt geantwortet: »Den Nutzen eines politischen Gedankenaustausches zwischen der Neichsregierung und dem Auswärtigen Ausschuß will ich keineswegs in Abrede stellen. Zu meinem Bedauern bin ich jedoch nicht in der Lage, vor dem Auswärtigen Ausschuß zu erscheinen, solange nicht die Ihnen bekannte Frage der Teilnahme der Reichsregierung an den Ausschüssen des Reichstages geregelt ist. Was den von ihnen in Aussicht genommenen Termin betrifft, so darf ich ergebenst darauf Hinweisen, daß die Völkerbundsversammlung voraussichtlich am 11. Oktober noch nicht abgeschlossen ist, so daß — vorausgesetzt, daß die prinzipielle Frage geregelt wird — dt« Hinausschiebung deS Termins zu empfehlen wäre."
Wegen dieses Hinweises deS Ministers auf die Dauer der Bölkerbundsversammlung, umfaßt, wie gemeldet» die Tagesordnung der Sitzung des Auswärtigen Ausschusses zunächst nur »einen Bericht über die Lausanner Narband- lungen".
Tages-Spiegel
Die Weltwirtschastskonferenz soll nach einem Beschluß der vorbereitende» Organe des Völkcrbnndes zu Beginn des kommenden Jahres in London ftattsinden.
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Die Bölkerbundsversammlung hat Polen, die Tschechoslowakei und Mexiko zu nichtständigen Ratsmitglicdern gewählt. Damit hat der Einfluß Frankreichs im Völker, bnndsrat eine neue Stärkung erfahren.
Nach einer Berliner Mitteilung bearbeitet die Reichsregie, rung gegenwärtig die Pläne zur Reichs- und Berfas, sungsreform.
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Der Auswärtige Ausschuß des Reichstages ist auf 11. Oktober zur Entgegennahme eines Berichtes über die Lausanner Verhandlungen einberuse« worden.
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Die italienisch« Regierung hat in Abwehr der deutschen Kontingentpolitik eine Devisensperre verfügt, die einer Wirtschaftsblockade glcichkommt.
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Der englische Generalgouvernenr von Irland ist infolge Meinungsverschiedenheiten mit dem irischen Ministerpräsidenten zurückgetrcte«. Seine Abberufung erfolgte auf Druck de Valeras.
Schlichterkonferenz im Reichsarbeitsminifterium
TU. Berlin, 4. Okt. Die Schlichter der einzelnen Bezirke werden heute in einer im Reichsarbeitsministerium stattfindenden Konferenz über ihre Erfahrungen hinsichtlich der Auswirkungen der letzten Notverordnung auf die Arbeitsstreitigkeiten Bericht erstatten. Das Ergebnis dieser Konferenz dürfte auf die weiteren Maßnahmen des Reichsarbeitsministeriums nicht ohne Einfluß bleiben.
Ausschreitungen in Braunschweig
Störungsversuche bei einem Stahlhelmfackelzug. — Schüsse auf Polizeibeamte.
TU. Braunschweig, 4. Okt. Aus Anlaß des 85. Geburtstages des Reichspräsidenten veranstalteten die braunschwei- gerischen Stahlhelme! einen Fackelzug. Während des Umzuges wurden sie von Nationalsozialisten und Kommunisten mit Schmährufen Überschüttet. Die abschließende Ansprache wurde durch Absingen von Kampfliedern gestört. Die Polizei mußte mehrfach gegen die Demonstranten Vorgehen. In der Levpoldstraße wurden aus einer Menschengruppe heraus 6 scharfe Schüsse auf die Polizei abgegeben, die jedoch fehlgingen. Die Polizei mußte mit blanker Waffe vorgehen. Mehrere Nationalsozialisten hielten die Pferde von zwei Schupooffizieren fest, während andere versuchten, die Offiziere von ihren Pferden zu reißen. Als ein Nationalsozialist festgenommen wurde, versuchte die Menge ihn zu befreien. Der Festgenommene mußte schließlich mit einem Mietkraftwagen zur Polizeiunterkunft gebracht werden.
Wie die Polizei mitteilt, sind die Nachforschungen nach dem Schützen, der bei den Ruhestörungen am Montag abend 5 Schüsse auf Polizeibeamte abgegeben hat, erfolglos geblieben. Kurz nach Mitternacht wurden verschiedene auf dem Heimweg befindliche Stahlhelm«! an der Ecke Lconhardsplatz und Altewikring von politisch Andersdenkenden beschimpft und auS den Fenstern der Häuser mit Glasscherben und Blumentöpfen beworfen. Die Polizei stellte die Ruhe wieder her.
Neue Erdbeben-Verwüstungen in Griechenland
TU. Athen, 4. Okt. Das griechische Erövebengebiet wurde erneut von fünf aufeinander folgenden Erdstößen heimgesucht, von denen zivei von außerordentlicher Stärke waren. Drei Häuser stürzten ein. Ueber 60 weitere haben schweren Schaden erlitten. In SerreS wurden das Regierungs- und daS Schulgebäude beschädigt. Zwischen Stratonion und Aghia Vervara hat sich infolge des Erdbebens «in Erdriß gebildet, der ein etwa 6 Kilometer langes Stück Land vom übrigen Festland abgetrennt hat. Man befürchtet, baß das ganze Stück, das sich an einem einzigen Tage um rund 40 Meter verschoben hat, ins Meer versinken wird. Die englischen Kriegsschiffe, die in dem Erdbebengebiet Hilfe leisteten, haben Hirrissos wieder verlassen. Die Engländer habe» ein Hilfsschiff mit 20 000 Büchsen Milch und anderen Nahrungsmitteln zurückgelassen. Vor der Abfahrt verteilten k« SO 000 Eier unter die notleidende Bevölkerung.