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Jahrgang 105
Samstag, den 1. Oktober 1932
Nr. 230
Die Vermehrung der Arbeitsgelegenheit
Ein amtlicher Bericht über die Auswirkung der Regierungsverordnung Die Steuerstundungszinsen gesenkt
TU. Berlin, 1. Okt. Amtlich wird mitgeteilt: „Nach den Meldungen, die dem Rcichsarbeitsministerium von seinen Schlichtern bis zum 29. September zugingen, konnten in Anwendung der Verordnung rund 13000 Arbeitslose in Dienst und Arbeit treten. Es haben noch nicht alle Schlichter die geforderten Meldungen gemacht. Im allgemeinen liegt die Kurve der Arbeitslosenziffer noch höher als um die gleiche Zeit des Vorjahres. Die Kurven 1931 und 1932 laufen aber auch jetzt noch nicht parallel. Sie nähern sich einander, wie wenn sie den gemeinsamen Schnittpunkt suchen wollten. Ende August hatte sich im Gegensatz zum Vorjahr auch die Be- schäftigungshöhe auf der Julihöhe gehalten.
Die Reichsregierung erwartet einen Abbau der Arbeitslosigkeit und einen Aufbau der Belegschaften. Die Behauptung in einem Teil der Presse, daß die Gewerkschaften aller Richtungen die Streiks für berechtigt halten, hat sich als unrichtig erwiesen. Es ist anzunehmen, daß der gewaltsame Widerstand gegen Grund und Zweck der Verordnung an dem Werstänbigungswillen der Betriebe und ihrer Belegschaften scheitern wird. Jedenfalls steht die Reichsregierung nach wie vor auf dem schon mitgeteilten Standpunkt, daß in der Anwendung der Verordnung durch den Arbeitgeber eine Verletzung weder des Arbeitsvertrags noch des Tarifvertrags gefunden werden kann und daß etwaige gewaltsame Gegenmaßnahmen einer Tarifpartei deshalb eine Verletzung der tariflichen Friedenspflicht darstellt. Vom i. Oktober an kann für die Einstellung von Arbeitslosen auch die Anwartschaft auf die Beschäftigungsprämie in Form von Steuergut- scheinen erworben werden. Von dem Zusammenwirken aller Maßnahmen erwartet die Neichsregierung eine Verbesserung des Arbeitsmarktes. Sie wird, wenn die Erwartung sich erfüllt, die Unterstützungssätze in der Arbeitslosenhilfe für die rauhe Jahreszeit erhöhen."
Senkung der Steuerzinscn
Der Reichsminister der Finanzen h«t eine Verordnung znr Senkung der Steuerzinsen erlassen. Durch die Verord- vnng werden für die Zeit vom 1. Oktober 1932 ab die Ansschubzinsen «nd die Stundungszinse« gesenkt. Bet den A«f- fchnbzinfe«, die bei Zöllen «nd bei der Umsatzausgleichsstcuer erhoben werden, wird der Zinsfuß von bisher 8 v. H. ans
3 v. H. jährlich herabgesetzt. Für die Stunbungszinsen, die sich bisher «ns S bis 8 v. H. beliefen, wird der Zinsfuß aus 5 v. H. jährlich herabgesetzt.
Gegen die Versoiller Fesseln der deutschen Luftfahrt
Der Reichsverkehrsminister über die deutsche Sportluftsahrt
— Berlin, 1. Okt. Neichsverkchrsministcr Freiherr von Eltz - Nübenach äußerte sich in einem Interview über die Gründe der Entwicklung der deutschen Luftfahrt, wie sie auf der Deutschen Luftfahrtausstellung in Berlin jetzt so deutlich zutage trete. Der Minister bezeichnete diese Entwicklung als das Ergebnis eines elementar durchbrechenden Volkswillens. Deutschland habe vor 1918 ausschließlich Militärluftfahrt getrieben. Das Jahr 1918 bedeute die Geburtsstnnde der Verkehrsluftfahrt. Erst von 1W8 datieren die ersten Anfänge eines Luftsports. Man habe hier also den jüngsten Sportzweig und zugleich die jüngste Form der Luftfahrt vor sich. Die heutige Entwicklung sei das Ergebnis von nicht mehr als 7 Jahren. In diesen 7 Jahren sei es dazu gekommen, daß die motorgetriebenen Sportflugzeuge der Zahl nach ein Vielfaches der Verkehrsflugzeuge darstellten und daß — ein besonderer Beweis für die volkstümliche Grundlage der Lnftsportbcgeisterung — wir in Deutschland an Segelflugzeugen ein Vielfaches der Zahl von Motorflugzeugen hätten.
Der deutsche Flugsport sei durch die Armut des deutschen Volkes und durch die Diskriminierung der über den Versailler Vertrag sogar noch hinausgehenden Luftfahrtbeschränkungen des Pariser Abkommens von 1926 zum motorlosen Flug hingedrängt worden und es sei ihm vergönnt gewesen, auf diesem Gebiet in der Welt führend darznstehen. Der Minister gab der Erwartung Ausdruck, daß, wie schon der Europa-Runbflug, auch die Deutsche Luftsport- Ausstellung, die Welt darüber aufklären möge, daß eine Nation von der Leistungsfähigkeit der deutschen sich nicht auf die Dauer unterdrücken lasse und daß die persönliche Ehre aller Luftfahrt treibenden Nationen dafür engagiert sei, daß Deutschland ans dem Gebiet der Luftfahrt die volle Gleichberechtigung erlange.
Außenminister v. Neurath zieht die Genfer Bilanz
Kein Verzicht auf Wehrfreiheil — Gleichberechtigung ist Voraussetzung für weitere
deutsche Teilnahme
-- Berlin, 1. Okt. Reichsaußenminister von Neurath jiußerte sich am Freitag vor Vertretern der deutschen Presse über seine Genfer Besprechungen in der Gleichberechtigungs- irage und die Möglichkeiten der weiteren Entwicklung. Er trat insbesondere der Auffassung entgegen, als ob er einem Gespräch mit Herriot in Genf ausgewichen sei. Wenn Herrtot irgend etwas zu sagen gehabt hätte, so hätte der französische Ministerpräsident gewußt, daß er, Neurath, zur Verfügung gestanden habe. Nachdem Neurath aber bereits am Mittwoch gehört habe, daß Herriot nicht zur Abrüstungsfrage sprechen wolle, habe für ihn kein Grund bestanden, seine schon Ende der vorigen Woche für Mittwoch geplante Abreise aus Genf zu verschieben. Der deutsche Außenmini- Ker erklärte, baß es nunmehr Sache der anderen Staaten sei, Vorschläge zu machen, nachdem die Gespräche in Genf zu keinem Ergebnis geführt hätten. Was Deutschland zu sagen habe, sei bereits eindeutig in der dem französischen Botschafter am 29. August in Berlin überreichten deutschen Denkschrift gesagt worden. Inzwischen würde von interessierter Seite immer wieder versucht, Deutschland anzuschwärzen. Aber mit keinerlei Verdächtigung könne die Tatsache der deutschen Abrüstung bestritten werden. Es könne auch nicht bestritten werden, daß die allgemeine Abrüstungskonferenz nach sechsmonatiger Dauer ergebnislos auseinandergegangen sei. Ebenso wenig könne in Abrede gestellt werden, daß die anderen Staaten überrüstet seien, -lic Haltung Deutschlands könne durch ^kcthode« wie beispielsweise die ständigen Hinweise auf das immer noch nicht veröffentlichte französische Dokument über die angeblichen Geheimrüstungen nicht beeinflußt werben.
Zum Schluß erklärte der deutsche Außenminister nachdrücklich solgcndcs: Mit der einseitigen Diskriminierung Deutschlands muß es nun ein Ende haben. Keine deutsche Regierung kann ans das Recht der Wehrfreiheit und der Sicherheit verzichten. Deutschland wird sich an den Verhandlungen über die Abrüstungssrage solange nicht beteiligen, »'s Sprunge,, dakssr geschaffen sind, daß die Gleichberech- a«»g Deutschlands von keiner Seite mehr in Zweifel ge
zogen «erden kann, und -atz das allgemeine Abrüstnngsav- komme« für die anderen die gleichen Verpflichtungen enthält wie für «ns. Deutschland ist jederzeit bereit, über die Einzelheiten z« sprechen. Voraussetzung aber ist die Anerkennung der Gleichberechtigung «nd die Aushebung der Diskriminierung
Zu Beginn seiner Ausführungen hatte sich der Außenminister über die Vorgeschichte der Abrüstungsverhandlungen sowie über die Gründe seiner Anwesenheit in Genf ausgelassen. Der äußere Anlaß sei die Teilnahme an der Ratstagung und an der Völkerbundsversammlung gewesen. Was die Arbeiten des Völkerbundes angehe, so habe Deutschland den wirtschaftlichen Fragen seine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Diese Arbeit sei deshalb von großer Bedeutung, weil vom Völkerbund aus die Vorbereitungen für die Weltwirtschaftskonferenz getroffen würden. Auch die Minderheitenfrage komme in Genf zur Sprache. Es sei Vorsorge getroffen, daß der deutsche Standpunkt nachdrücklich zum Ausdruck gebracht werde. Eine weitere wichtige Frage sei die Reorganisation in -er obersten Leitung des Bölkerbundssekretariates. Deutschland lege Wert darauf, baß auch hier der Grundsatz der Gleichberechtigung besser als bisher verwirklicht werde. Bei der Neuordnung der Verhältnisse im Sekretariat wird deutscherseits der Grundsatz der sachlichen Eignung in den Vordergrund gestellt werben. Die Frage der Nachfolge Drummonds werde erst im November zur Sprache kommen.
Bei seinen Verhandlungen in Genf habe er sich in erster Linie natürlich mit 'der Abrüstungssrage befaßt. Frankreich seien seinerzeit Verhandlungen angeboten worden, aber die Franzosen hätten die von uns gewünschte Form der Vertraulichkeit nicht beachtet und uns außerdem der Aufrüstung bezichtigt. Diese Vorwürfe habe Herriot in seiner Rede in Gramat wiederholt. Der Reichskanzler habe diese Rede bereits zurückgcwiesen. Er, Neurath, habe in Genf Gelegenheit gehabt, mit den Staatsmännern über die Frage zu sprechen. Dabei habe er auch dem englischen Außenminister Simon die deutsche Meinung über die eng-
Tages-Tpiegel
Der Rcichsaußenminister hat der Presse seine Eindrücke in Genf geschildert und klar zum Ausdruck gebracht, daß die Zucrkennnng der Gleichberechtigung die Voraussetzung für eine weitere Teilnahme Deutschlands an der Abrüstungskonferenz sein wird.
Nach amtlicher Mitteilung des Reichsarbeitsministeriums sind dnrch die Wirtschastsverorbnungen bisher rund 13 ovo Arbeitslose wieder in den Wirtschastsprozeß eingeschaltet worden.
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Aus Wien werben neue Ausschreitungen anläßlich des nationalsozialistischen Gauparteitags gemeldet. Beim sozialdemokratischen Vcrbandshcim wurden 11 SA-Männer dnrch Schüsse verletzt. Im Wiener Gemcinderat kam es zu einer Schlacht, in der nationalsozialistische Abgeordnete mit Tintenfässern beworfen und verprügelt wurden. Insgesamt sollen bei Zusammenstöße« in Wien 31 Personen verletzt worden sein.
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Der Landesausschntz des Landw. Hanptournchn^es für Württemberg «nd Hohcnzollern hat sich gestern in Stuttgart mit den neuen Agrarverordnnngc» besaßt. Es wurde eine generelle Senkung sämtlicher Zinskategorien anstelle einer Zinsstnndnng gefordert.
lische Note auseinanöergesetzt. Die Besprechungen mit den italienischen Vertretern hätten ergeben, daß Deutschland von Italien großes Verständnis für die deutschen Forderungen entgegengebracht würde. Henderson habe natürlich das Bestreben, die Abrüstungskonferenz vor einem Mißerfolg zu retten. Er habe sich bemüht, eine Verständigung her- beizuftthren. Leider sei nicht anzunehmen, daß Henderson damit Erfolg haben werde.
Deutsche Kritik in Genf
an Finanzverwaltung und Informationsabteilung des Völkerbundes
TU. Gens» 1. Okt. Im Vierten Ausschuß der Völkerbundsversammlung für die Finanzlage des Völkerbundes und die Reorganisation des Völkerbuudssekretariats übte der Vertreter Deutschlands, Staatssekretär v. Rheinbaben, scharfe Kritik an der Finanzgebahrung des Völkerbundes. Er forderte weitgehende Einschränkung des Tätigkeitsgebietes. Reorganisation des gesamten Verwaltungsapparates, Abbau überflüssiger Beamter und der Beamtengehälter.
Der Vorstoß des deutschen Vertreters hat allgemeine Aufmerksamkeit erregt. Es ist besonders zu begrüßen, daß Rheinbaben auf die Notwendigkeit der Reorganisation der Informationsabteilung hingewiesen hat, die gegenwärtig mit einem Stab von 54 Beamten im wesentlichen lediglich den Propagandazielen der leitenden französischen Kreise dient.
Der Studienausschuß für die Europäische Union trat gestern nachmittag nach eineinhalbjähriger Unterbrechung vor überfüllten Tribünen unter Teilnahme sämtlicher europäischer Staaten sowie der Türkei und Söwjet- rußlands unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten Motta zu einer Sitzung zusammen, um den Bericht des Präsidenten der Konferenz von Stresa, George Bonnet, entgegenzunehmen.
Bombenanschlag in Belgrad
TU. Belgrad, i. Okt. Am Freitag morgen wurde auf bas hiesige Offizierskasino ein Bombenanschlag verübt. Die in einem Koffer untergebrachte Bombe oder Höllenmaschine — die nähere Untersuchung ist noch im Gange — explodierte in der Halle des von mehreren Posten bewachten Gebäudes. Ein Träger hatte den Koffer in der Kasinohalle kaum niedergestellt, als dieser explodierte. Dem Träger wurden beide Arme abgerissen, während einer Garderobenfrau mehrere Sprengstücke in den Leib drangen. Beide wurden ins Krankenhaus überführt, wo der Träger wenige Stunden nach der Operation starb. Vor seinem Tode konnte er noch einige Angaben über seinen Auftraggeber machen.
Immer neue Beben in Griechenland
TU Athen, 1. Okt. Die Erdstöße dauern mit großer Gewalt an. Die Bevölkerung befürchtet neue Katastrophen. Die wohlhabenden Einwohner von Saloniki sind bereits zum Teil nach Athen geflüchtet. In Larissa übernachten die Zurückgebliebenen auf den freien Stadtplätzen. Die Erdstöße in Saloniki sollen angeblich tektonischen Ursprungs sein und mit dem Erdbeben auf der Halbinsel Ehalkidike nicht zu- sammenhängen. In Athen laufen ununterbrochen Meldungen über weitere Zerstörungen in den mazedonischen Dörfern ein. Die neuesten Berichte sprechen von über 3000 zer störten Häusern und neuen zahlreichen Opfern.