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Nr. 228

Amts- unä Knzeigeblatt für äen vberamtsbezirk Lalw

Donnerstag, den 29. September 1932

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Jahrgang 105

Außenminister v. Neurath aus Genf abgereist

Keine deutsch-französische Aussprache Deutschland verzichtet auf faule Kompromisse

Ein Vorstoß in der Minderheitenfrage geplant

TU Genf» 29. Sept. Neichsautzenminister von Neu­rathist Mittwoch um 18 Uhr in Begleitung von Legations­rat Voelckers mit dem fahrplanmäßigen Baseler Schnellzug nach Berlin abgereist. Er trifft am heutigen Nach­mittag in Berlin ein. Die Führung der deutschen Abord­nung hat der Gesandte von Nosenberg übernommen. Neichs- außenminister v. Ncurativ dürfte noch heute dem Neichs- kabinett über das Ergebnis seiner Genfer Verhandlungen berichten.

In einem Teil der Berliner Presse wird die Abreise Neuraths als eine Demonstration gekennzeichnet, die den Ernst der Lage beleuchte. Eine demonstrative Geste ist, wenn man so will, der Aufbruch Neuraths insofern, als dadurch deutlich gemacht wird, daß Deutschland an seinem Anspruch festhält und nicht gesonnen ist, sich mit faulen Kompromissen abspcisen zn lassen.

Vor seiner Abreise aus Gens hatte Herr v. Neurath noch­mals eine kurze Unterredung mit Hendcrson in den Wandelgängen des Völkerbundspalastes. Auch Hendcrson ist gestern abend zur Teilnahme an einer Sitzung der Arbeiter­partei nach London abgereist. Vor seiner Abreise erklärte er der Presse, er hoffe, daß vor seiner Rückkehr nach Genf zu der nächsten Sitzung am 19. Oktober genügend Fort­schritte erzielt seien, um dem Büro, einen Bericht erstatten zu können und um das weitere Verfahren in der Frage der Sicherheit und der Gleichberechtigung fcstzulegen.

Im Zusammenhang mit der Abreise Neuraths kann fest­gestellt werden, daß sachliche Verhandlungen über die Gleichbcrechtigungsfrage mit Neurath in Genf nicht statt- gesunden haben. Die Unterredungen Neuraths mit Hender. son und Simon hatten rein informatorischen Cha­rakter. Es dürfte zum ersten Mal in der Geschichte der deutschen Teilnahme an den Völkerbundsverhandlungen sein, daß eine Unterredung zwischen den gleichzeitig anwe­senden führenden deutschen und französischen Staatsmännern nicht stattgefunden hat. Die Initiative für die Weiter­behandlung der Gleichberechtigungsfrage bleibt weiter aus der Gegenseite, da an einer Wetterführung der Gleichberech- tigungsverhyndlungen in ersten Linie die Mächte inter­essiert sind, die für die Abrüstungskonferenz und damit für

den gesamten Völkerbund eine Gefahr in einem Fernblei­ben Deutschlands erblicken.

Es ist noch nicht ausgeschlossen, daß v. Neurath, falls er­forderlich, zu den Verhandlungen über die Minderhei­tenfrage am Schluß der Völkcrbundsversammlung zu- rttckkehrt, da die Neichsregierung einen energischen Vor­stoß gegen die die Qualen der Minderheiten sabotierende Haltung des Völkerbunds unternehmen will.

Die Abreise-des deutschen Außenministers hat in Gen­fer französischen Kreisen allenthalben überrascht und gro­ßes Aufsehen erregt, da man eine derartige Haltung der Neichsregierung nicht gewohnt ist. Wie zu erwarten mar, wird die Abreise Neuraths von französischer Seite als eine absichtliche deutsche Geste dargestellt, die nur die Ge­gensätze zwischen der deutschen und der französischen Auf­fassung unterstreichen sollte. In englischen Kreisen be­urteilt man dagegen die Abreise v. Neuraths durchaus ruhig und sachlich und weist darauf hin, daß der englische Außenminister bereits vor einigen Tagen abgereist sei und seine Rückkehr völlig ungewiß sei.

Herriot spricht heute vor dem Völkerbund.

Da in leitenden Völkerbundskreisen die Befürchtung ent­standen war, baß der Abschluß der Hauptaussprache am 2. Tage in der gesamten Oeffentlichkeit den Eindruck der Be­deutungslosigkeit des Völkerbundes Hervorrufen würde, war an verschiedene Abordnungen mit der Bitte um Wei­terführung der Hauptaussprache herangetreten worden. Der schweizerische Vundespräsident Motta nahm, zweifellos unter dem Eindruck dieser Befürchtungen das Wort, indem er ^seinen bekannten Standpunkt in der Frage des Aus­baues und der Stärkung des Völkerbundes darlegte. Von französischer Seite wird amtlich angekünöigt, daß Herriot heute eine Rede halten werde. Er werde sich jedoch aus­schließlich mit den Völkerbundsaufgaben, nicht mit der A b r ü st u n g s s r a g e oder den deutsch-französischen Be­ziehungen beschäftigen. Im Hinblick auf die gespannten Be­ziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sieht man dieser Rede trotzdem mit großem Interesse entgegen.

Kabinettskrise in London

TU. London, 29. Sept. Der Rücktritt von Lord Snow - den und üen liberalen freihändlerischen Ministern Sir Her­bert Samuel und Sir Archibald Sinclair ist, wie er­wartet, in der gestrige» Kabinettssitzung erfolgt. Nach der Kabinettssitzung wurde eine Erklärung herausgegcven, in der es heißt, die Frage habe zur Erörterung gestanden, ob die von den liberalen Ministern geforderte Aufschiebung der infolge der Ottawaer Abmachungen notwendig gewordenen gesetzgeberischen Maßnahmen möglich sei. Es wurde ent­schieden, daß sich dieses nicht durchführen lasse. Hierauf übergaben Lord Snowden, Sir Herbert Samuel und Sir Archibald Sinclair ihre Nücktrittsschreiben. Die Unterstaats­sekretäre, soweit sie der Samnelgruppe angehören, sind gleich­falls zurückgetreten.

Der König von England hat den Rücktritt der drei Mini­ster Lord Snowden, Sir Herbert Samuel und Sir Archibald Sinclair angenommen und seine Zustimmung zu folgenden Ministereruennungen gegeben: Zum Innenminister wurde der bisherige Landwirtschaftsministcr Sir John Gilmour ernannt, dessen Nachfolger der bisherige Unterstaatssekretär im Schatzamt. Major Walter Elliot, wird. Zum Staats­sekretär für Schottland wird Sir-Geoffrey Colli ns er­nannt.

Die liberalen Minister über ihre« Rücktritt.

Gestr-n abend ivurbe ein Schreiben veröffentlicht, in der die Samuel-liberalen Minister ihren Rücktritt begründe» ^ie nächste Aufgabe nach der Rettung des Pfundes, s heißt es u. a. in dem Schreiben, wäre die Befretun der Welt von Zoll- und anderen Handels ° gewesen. Statt dessen habe aber di

engltiche Negierung neue Beschränkungen geschaffen, die zu Erhöhung der Arbeitslosigkeit beitrugen. Sodann werdei Einwendungen gegen die Ottawaer Abmachungen bargelcgt, die zu einer Erhöhung der Prodnkteupreise füh ren müßten. Schließlich versichern die Minister der Regie rung, daß sie dte Regierung in allen Fragen, mit AuSnahm der Ottawaer Abkommen, unterstützen würden.

Auch Snoioden legt in einem 6 Seiten langen Schreibe, oke Gründe seines Rücktritts dar. Er sei seinerzeit nu unter der Bedingung in die Regierung eingetreten, baß st nur für nationale Zwecke arbeite. Statt dessen sei eS jedot «nmer klarer geworben, daß die protektionistische Seite de Regierung und des Unterhauses entschlossen sei, eine voll

Schutzzollpolitik durchzuftthren und dabei Macdonalü und ihn, Snwoden, als Werkzeuge für die Durchführung dieser konservativen Politik auszunützen. Zur Zollpoli­tik erklärte Snowden, daß sie eine katastrophale Wirkung für England gehabt habe. Die Ottawaer Ab­machungen hätten die englische finanzielle Autonomie ver­nichtet und England noch unter die Dominions hinunter­gebrückt, da diese in Zukunft die englische Zollpolitik kon­trollierten.

Eine Erklärung Macdonalds.

Ministerpräsident Macdonald gab im Namen seiner zur nationalen Arbeiterpartei gehörigen Ministerkollegen und in seinem Namen folgende Erklärung heraus: Vor 12 Mo­naten übernahmen wir eine schwere Aufgabe, und wir wuß­ten, was das bedeutete Jetzt wollen wir alle Parteirück­sichten und Parteiinteressen beiseite lassen denn unsere Arbeit ist noch nicht beendet und kann auch nicht beendet sein bis auf diese oder jene Weise eine Regelung der Reparationen zustande gekommen ist. Ferner ist die Welt- wtrtfchaftskonfercnz zu berücksichtigen. Wir arbeiten weiter, bis die Arbeit erledigt ist. Wir erheben jetzt denselben Ruf an die Wähler, wie vor 12 Monaten, nämlich »daß eine Nation eine überparteiliche Regierung braucht daß reine Parteierwägungen unsern nationalen Anschluß in der Welt gefährden und ein schwerer Nachteil für die Schritte sein würden, die im Interesse der Wieder­erholung der Welt getan werben".

Verordnung zur Reichslagswohl

TU. Berlin, 29. Sept. Im »Deutschen Reichsanzeiger" wird die vom 27. September datierte Verordnung des Reichs­ministers des Innern zur Retchstagswahl veröffentlicht. Die Stimmlisten und Stimmkarteien sind vom 18. bis 23. Oktober auszulegen. Die Nummernfolge der Reichswahlvorschläge der Parteien, die Abgeordnete in den letzten Reichstag entsandt haben oder zu denen sich Abgeordnete des letzten Reichstags bekannt haben, ist folgende:

1. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei,'

2. Sozialdemokratische Partei Deutschlands;

3. Kommunistische Partei Deutschlands;

4. Zentrum;

6. Deutschnationale Volkspartet;

6. Bayerische Bolkspartei;

7. Deutsche Volkspartei;

Tages-Spiegel

Reichsanßenminister v. Neurath hat gestern Gens verlasse» und wird noch heute dem Reichskabinett Bericht erstatten. Zn einer deutsch-französische« Anssprache in Genf ist es nicht gekommen.

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Die Abreise des Rcichsaußenministers wird allgemein alS Demonstration gegen faule Kompromisse in der Ab« rüstungs- und Gleichberechtignngssrage angesehen.

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Die deutsche Kontingentsavordnung reist heute von Berlin ab. Sie besucht zunächst die westlichen Länder in der Reihenfolge Brüssel, Haag, Paris. Alsdann begibt sich dis Abordnung voraussichtlich nach Nom, «m von da ans nach Kopenhagen z« reisen.

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Die liberalen Minister der englischen Regierung sind in« fogle Unstimmigkeiten innerhalb des Kabinetts in de» Zollfrage znrückgetrete«.

Durch eine neue württembergische Notverordnung wird an Stelle der Bürgersteuer 1932 eine Verdoppelung der Ein« wohnersteuer versügt und für die Bürgerstener 1933 daS Kalenderjahr eingeführt.

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Der argentinische Senat stimmte mit großer Mehrheit dem Wiedereintritt Argentiniens in den Völkerbund zu.

8. Deutsche Staatspartci;

9. Christlich-Sozialer Volksdienst jEvang. Bewegung);

10. Reichspartet des deutschen Mittelstandes (Wirtschafts« Partei);

11. Deutsche Bauernpartei;

12. Landbund (Württembergischer Bauern- und Wein­gärtnerbund);

13. Deutsches Landvolk (Christlich-nationale Bauern- und Landvolkpartei);

14. Volksrecht-Partei.

Die Verordnung regelt im übrigen die Stimmabgabe in» Reiseverkehr sowie die Abstimmung der Seeleute.

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In Stuttgart begannen aus Veranlassung der Volksrecht­partei Besprechungen zwischen Vertretern der bürgerlichen Splittergruppen (Wirtschaftspakte!, Staatspartei, Christlich- Sozialen, Volksrechtpartei, Volksbienst und Bauernbund) mit dem Ziele, für die Reichstagswahl gemeinsame Listen aufzustellen. Die Volkspartei, die auch eingelaöen war, hat die Teilnahme abgelehnt. Man hat dort die Absicht, das Wahlbündnis mit der DNVP. mit kleinen Aenderungen aufrecht zu erhalten, nachdem die Absicht, einen größeren Wahlblock zu bilden, als gescheitert angesehen werden muß.

Der Kanzlerbesuch in München

TU. Berlin, 29. Sept. Reichskanzler von Papen wird vor­aussichtlich am 11. Oktober in München eintreffen, um der bayerischen Staatsregierung einen offiziellen Regierungs- besuch zu machen. Am 12. Oktober wirb der Reichskanzler vor dem Gremium des Jndustriellenverbandes in München die Ausfassung der Neichsregierung zu den schwebenden Wirt- schastsfragen darlegen.

Der Kampf um die Unabhängigkeit der Mandschurei

Japan droht mit der Besetzung Tientfiens nnd Pekings.

TU. Tokio, 29. Sept. In einer Unterredung mit Presse- Vertretern erklärte der Kriegsminister Araki, Japan werde, wenn der chinesische General Tschangshueliang in die Mandschurei eindringe, nötigenfalls Peking und Tien­tsin besetzen. Nur so könne die aufrührerische Tätigkeit Tschangshueliangs gegenüber der neuen mandschurischen Re­gierung unterdrückt werden. Ein erneutes militärisches Vorgehen Japans in Schanghai werbe davon abhängen, wie China sich zu dem Waffenstillstandsabkommen verhalte. Wei­ter betonte Araki, Japan werbe jeden Vorschlag des Völ­kerbundes glatt ablehnen, der die Unabhängigkeit der Man­dschurei mißachte.

Nene blutige Freischärler-Kämpfe.

Wie die chinesische Presse meldet, haben sich in der ^-,an- bschurei nördlich von Mukden erneut blutige Kämpfe der chinesischen Freischärler mit den Japanern abgespielt- Von den Freischaren, die in Stärke von 9099 Mann anrückten, ist die Stadt Faku, etwa SO Meilen nördlich von Mukden, besetzt worden. Es entwickelte sich eine heftige Schlacht, in der 199 Japaner getötet sein sollen. Die Tätigkeit der Frei­schärler hat sich auch im Gebiet von Tschöngtsu verstärkt. Weiterhin ist die Station Tsitsikar von den Freischaren un­ter Feuer genommen worden. Ein japanischer Panzerzug mußte eingesetzt werden. Oestlich von Tsitsikar wurde die Eisenbahnlinie zerstört und ein Zug zur Entgleisung ge­bracht. 8 Soldaten fanden hierbei den Tod.