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Nr. 225

Montag, den 26. September 1932

Jahrgang 105

Das Agrarprogramm der Neichsregierung

Kontingentierung der Einfuhr von Erzeugnissen des Garten- und Obstbaus, der Wald­wirtschaft und der wichtigsten landwirtschaftlichen Veredelungsprodukte Milderung der Zinslasten durch teilweise Stundung von Hypothekenzinsen und Abbau der über­höhten Zinszuschläge -- Reorganisation der Kreditverhältnisse im landwirtschaftlichen

Genossenschaftswesen durch Reichshilse

TU München, LS. Sept. In seiner Rede auf der Vollver­sammlung des Bayerischen Landwirtschastsrates in München führte Neichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Frhr. von Braun, u. a. folgendes aus:Das Wirt­schaftsprogramm der Reichsregierung enthält nur wenige Maßnahmen, die die Landwirtschaft unmittelbar berühren. Es soll der industriellen Arbeitslosigkeit steuern. Die Land­wirtschaft weiß, daß das Arbeitslosenproblem der Städte in eminenter Weise auch ein agrarisches Problem ist. Es ist leicht zahlenmäßig nachzuweisen, wie stark der Kon­sum an Milch, Butter und Käse, an Obst und Gemüse in­folge der mangelnden Kaufkraft zurückgegangen ist. Inso­weit darf man die Wirkungen des Wirtschaftsprogramms auf die Landwirtschaft nicht unterschätzen, aber allein mit der Erhöhung der Kaufkraft des Städters ist die Not der Bauern nicht zu bannen. Unter der Fron untragbarer Zin­sen und dem Druck von Schleuderpreisen der Deutschland überschwemmenden landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Welt­marktes kann -er Bauernstand ans die Dauer die Nah­rungsfreiheit des deutschen Volkes nicht gewährleiste«. Das Absinken unserer Veredelungswirtschaft ist nicht zuletzt eine Folge der einseitig auf Förderung der Exportindustrie be­dachten Handelspolitik der Nachtnslations- zeit, die zur Steigerung der deutschen Ausfuhr Zugeständ­nisse anderer Länder auf industriellem Gebiete durch zahl­reiche Herabsetzungen landwirtschaftlicher Zölle erreichte.

Nach einigen Jahren schwerer Verluste durch völligen Preisverfall des Getreides auf dem Weltmarkt und nach Beseitigung -er Getreidezollbindungen konnte Deutschland nunmehr im Gegensatz zu früher in der Brotgetreideversor- gung den Eigenbedarf selbst decken und gewann auch in der Futtergetreideversorgung ein früher nicht für möglich gehal­tenes Maß von Unabhängigkeit. Die deutsche Landwirtschaft hat den Beweis erbracht, daß sie, geschützt gegen ausländische Ueberslutung, die Nahrungsmittelversorgung aus eigener Scholle sicherstellen kann.

Wir stehen in kommenden Jahren bei einer mittelguten Ernte bereits vor der Gefahr, daß wir eine Ueberproduktion an Getreide haben, die es nur mit erheblichen Reichszu- schüssen möglich macht, die Getreidepreise auf auskömmli­chem Niveau zu halten. Das würde zum Zusammenbruch auch dieses Zweigs öer Landwirtschaft führen. Ich schätze die Bedeutung des Exportes für weite Zweige unserer Industrie und damit auch für die Behebung der Arbeits­losigkeit sehr hoch ein. Ich wünsche dringend, daß der Ex­port sich steigern möge. Aber diese Rechnung allein auf Ko­sten der Landwirtschaft anfzustellen, wäre mit den Gefahren desReiters auf dem Bodensee" zu vergleichen, der in die­sem Falle das andere Ufer wahrscheinlich nicht erreichen würde. Die Reichsregterung ist sich dieser Gefahren bewußt, sie ist daher entschlossen, zum Schutze einheimischer Produk­tion die Einfuhr folgender landwirtschaftlicher Erzeugnisse zu kontingentieren:

Verschiedene Sorten Kohl, Tomaten, Zwiebeln, Schnitt- blnmen, Tafeltranben, die wichtigsten Sorten Obst, Nadcl- schnittholz und Papierholz, Schlachtrinder, Speck u. Schmalz, Butter svorbehaltlich -er besonderen Verhandlungen mit ein­zelnen Ländern), Käse, Karpfen, Erbsen, Reisabfälle.

Die Reichsregterung hat für diese Erzeugnisse bereits bestimmte Kontingentssätze festgelegt. Vor deren Veröffent­lichung ist sie mit Rücksicht auf die handelspolitische Lage mit den beteiligten Ländern in Verbindung getreten. Die Erledigung ist in kürzester Zeit zu er war. ten. Tie mttgeteilte Liste stellt keine lückenlose Kontingen­tierung dar, wie sie von manchen Seiten der Landwirtschaft gefordert ist. Die Neichsregierung glaubt jedoch, eine Han­delspolitik damit einzuleiten, die bei aller Rücksichtnahme ans die Arbeitslosenfrage in der Exportindustrie auch der deutschen Landwirtschaft wieder ihren Platz an der Sonne verschafft. Anfänge sind mit der Kündigung -es schwedischen und des südslawischen Handelsvertrages bereits gemacht.

Von der Seite der Preise allein ist der Landwirtschaft je­doch nicht zu helfen. Vor allem sind es die Zinsen, die dem Landwirt ein nicht mehr tragbares Joch auferlegem Die Zinslast, die früher mit einem Schwein bezahlt werden konnte, bedarf jetzt deren zwei. Infolge ihrer Unrentabili- tat werden auch die Gläubiger der Landwirtschaft ans das schwerste gefährdet. Die deutsche Landwirtschaft hat in jedem der letzten 3 Jahre 1,8 Milliarden zugefetzt: SS v.H. des Kleinbefitzes, 7» v.H. des Mittelbesitzes, 89 v.H. des Groß- besitzcs haben ihre Zinsen nicht mehr aus ihren Betriebs- Überschüssen, sondern aus der Substanz bezahlt. Die Neichs-

rcgierung hat sich daher auf dem Gebiet der Hypothe­kenzinsen zu folgendem Wege entschlossen:

Die von den Landwirten für langfristige Hypotheken in den nächsten beiden Jahren zu tragende Zinslast wird um 2 v. H., jedoch nicht unter 4 v. H. auf das Jahr berechnet erleichtert. Der Landwirt hat diese zweimal zwei, also insgesamt 4 v. H., die er in den beiden nächsten Jahren nicht zu zahlen braucht, bei den Tilgungshypotheken erst am Schluß der Tilgungsperiobe z« entrichten, ohne daß Zins und Zinseszins dafür berechnet wird. Auch bei Hypotheken, die keiner Tilgung unterliegen, soll der fortfallenöe Zinsteil von 4 v.H. bei der Rückzahlung des Darlehens beglichen werden, jedoch in voller Höhe nur dann, wenn die Rückzah­lung nach etwa 8 Jahren erfolgt. Bei früherer Rückzahlung des Hypothekendarlehens ermäßigt sich der nachträglich zu entrichtende Zinsbetrag nach einer vorgesehenen Staffelung. Die Zinsen für die Pfandbriefe erfahren durch Absenkung des Zinses der landwirtschaftlichen Hypotheken keine Kürzung.

Die Zinssenkung erfolgt auch beim Personalkredit. Eine umfassende Reorganisation der Kreditverhältniffe im landwirtschaftlichen Genossenschaftswesen wird dahin wirken, daß die überhöhten Zinszuschläge zum Abba« gelangen. Die Negierung hat deshalb beschlossen, sich an der Bereinigung des Abschreibungsbedarfs bei den landwirtschaftlichen Genos­senschaften ausschlaggebend zu beteiligen. Sie hofft da­durch die Zinsen, die der letzte Kreditnehmer zu zahlen hat, auf ein angemessenes Maß zu senken. Hierzu haben die Ge­nossenschaften im Unter- und Mittelbau durch erhebliche Minderung der von ihnen bisher erhobenen Zinsspanne bei­zutragen. Die Hilfe wird über die preußische Zentralgenossen­schaftskasse geleitet werden, deren Reorganisation hiermit Hand in Hand gehen wird.

Weiter hat der Herr Reichspräsident einem Vorschlag der Reichsregierung zugestimmt, der eine besondere Bergleichs- ordnnng «nd einen stärkeren Bollstrecknngsschntz für Besitzer und auch für Pächter landwirtschaftlicher Grundstücke vor­sieht. Zur erleichterten Herbeiführung eines derartigen, die Fortführung des landwirtschaftlichen Betriebes sichernden Vergleichs bietet die Notverordnung den Weg: Es ist vor­gesehen, baß für den Inhaber eines landwirtschaftlichen Be­triebes, bei dem Aussicht aus einen Vergleich besteht, beim Amtsgericht ein Ber mittlungsverfahren eröffnet wird, in dem eine geeignete Vermittlungsperson einen Schul­denausgleich herbeizuführen sucht. Während der auf drei Monate beschränkten Dauer des Verfahrens soll der Schuld­ner vor Zugriffen aus sein Grundstück in bestimmtem Um­fang geschützt werden. Der Schuldenregelungsplan kann mit einer Zweidrittelmehrheit der ungesicherten Gläu­biger mit bindender Wirkung auch gegen eine widersprechende Minderheit zur Annahme gelangen.

Der außerordentliche Tiefstand der Preise für Vieh, Vieh­erzeugnisse, Holz und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse macht es Betrieben in besonderen Notfällen nicht möglich, auch nur die laufenden Annuitäten -er ersten Hypothek zu begleichen. Um in solchen Fällen eine Zwangsversteigerung zu vermeiden, ist in der Notverordnung vorgesehen, daß für diese Betriebe die einstweilige Einstellung -er Zwangsversteigerung auch dann vorgenommen wer­den kann, wenn die Nichterfüllung der Verbindlichkeit auf außerordentliche Verluste der Betriebser­trägnisse durch Unwetter oder Viehseuchen znrückzu- ftthren ist oder darin ihren Grund hat, daß die Preise -er Produkte hinter den Stand der Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse seit Ende 1930 außerordentlich zurückgegangen sind. Unter den gleichen Voraussetzungen sollen die Pächter gegen eine Kündigung des Verpächters bas PachteinigungS- amt anrufen können. Endlich ist der für Milchgeldfor- derungen bis zur diesjährigen Ernte gegebene Voll­streckungsschutz bis zur nächsten Ernte verlängert wor­den. Die Regierung weiß, daß diese Maßnahmen nur ein An­fang sind. Insbesondere kennt die Reichsregterung ihre Pflicht, dafür Sorge zu tragen, daß die Arbeitslosen im Win­ter nicht zu hungern brauchen. So wird die Fleischverbilli­gungsaktion wieder in Gang gesetzt werden.

Die Reichsregierung hofft, den Beweis erbracht zu haben, daß sie -war die friedliche Zusammenarbeit mit den Völkern erstrebt, ihr sogar schwere Opfer bringt, - sie aber nicht ge­willt tst, das deutsche Volk in einen kosmopolitischen Urbrei zu verwandeln, der jede nationale Kraft und jedes herzhafte An-sich-selbst-Glauben" -eis Volkes erstickt.

Tages-Spiegel

Der Reichsernährnngsminister hat in einer in München ge­haltene« Rede das Agrarprogramm der Neichsregierung in seine« wesentlichen Zügen bekannt gegeben.

In Genf erhielt Reichsanßenminister v. Neurath Besuch« Hendersons «nd des italienisch. Delegationssührers Aloisi.

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Der französische Ministerpräsident Herriot hat gestern eint politische Rede gehalten, in der er aus der deutsche» Glcichberechtignngssorbernng eine solche der Aufrüstung machte.

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Zwischen Japan und der Sowjetunion ist ein Abkomme» über, die Versorgung ber japanischen Flotte mit russischem Petroleum abgeschlossen worden, dem große politische Be­deutung für die Lage im Ferne« Osten zukommt.

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In Basel stiegen gestern 15 Freiballons zum 29. internatio­nale« Gordon-Bennet-Flug auf. Deutschland ist mit de» BallonsDeutschland",Barmen" «ndStadt Essen" ver­treten.

Neue Unterredungen in Genf

TU. Gens» 26. Sept. Der Neichsaußenminister hatte am Samstag eine Unterredung mit dem Präsidenten der Ab­rüstungskonferenz, Henderson, die aus einen persönliche» Wunsch Hendersons zuriickging. Nach der amtlichen Mit­teilung haben die beiden Herren die Entwicklung, die die gegenwärtige Situation in der Abrüstungsfrage herbeigeführt hat, in freundschaftlicher Form durchbesprochen. Irgendwelche Entscheidungen konnten von den beiden Herren nach Lage der Sache nicht getroffen werden.

Der Kabinettschef Mussolinis, Botschafter Baron Aloist stattete am Sonntagvormtttag dem Reichsaußenminister im Hotel Carlton einen Besuch ab. Die längere Unterredung trug einen ausgesprochen vertrauensvollen und freundschaft­lichen Charakter. Die Uebereinstimmung, die hinsichtlich -er deutschen und italienischen Negierung in der grundsätzliche» Haltung zur Abrüstungssrage besteht, ist in dieser Unter­redung von neuem zum Ausdruck gekommen.

Neurath beabsichtigt vorläufig, Mitte der Woche abzu­reisen. Die Initiative für eine förderliche Wetterführung der Verhandlungen über die Gleichberechtigungsfrage liegt in Zukunft ausschließlich bei den Vertretern Frankreichs.

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Rückgabe der japanischen Völkerbnndsmandate a»

Deutschland?

Aus Washington verlautet, daß in Genf ein Pla» ausgearbeitet werde, die von Japan verwalteten Sttdsee- Mandate an Deutschland zurückzugeben, falls Japan aus dem Völkerbund austreten sollte.

Neue Winkelzüge Herrlots

Er stellt dieWiederaufrüstung" Deutschlands fest.

TU. Paris, 26. Sept. Während eines Festessens, das der Präsident -es Finanzausschusses der Kammer, Malvy, zu Ehren des französischen Ministerpräsidenten am Sonntag i» Gramat gab, beschäftigte sichHerriotin einer großen Rede mit finanz- und wirtschaftspolitischen Fragen, vor allem aber mit -er Abrüstung,.Sicherheit und der deutschen Gleichbercch- tigungssorderung. Herriot benutzte die Gelegenheit, um ge­gen die deutsche Forderung Stellung zu nehmen und di« R e i ch s r e g ie ru n g Ser offenen Verletzung bei Versailler Vertrages zu beschuldigen. Die Schaffung des Reichskuratoriums für Jugen-ertttchkigung bezeichnet« Herriot als die Vorbereitung der Ju­gend zum Kriege. Ferner betonte er, daß eine Wieder­aufrüstung Deutschlands die Wiederkehr neuer Wahnsinns, taten bedeuten würde. Und es handele sich um eine Wie­deraufrüstung Deutschlands. An Beweisen dafür mangele es nicht. Herriot spielte hierbei auf Aeußerungen des Reichswehrministers v. Schleicher an.

In seinen weiteren Ausführungen forderte er mora­lische Abrüstung und Sicherheit. Er sagte zum Schluß: Man muß ein F r i e d e n s st a t u t errichten, dass alle europäischen Völker in dem gleichen Zustand der Sicher­heit vereint und das selbstverständlich Deutschland seine volle Sicherheit garantiert. Er glaube zu wissen, baß hervorragende Mitglieder des Völkerbundes gegenwärtig ein Programm ausarbeiteten, das die Abrüstung in ein Verhältnis zur Sicherheit stellt. Unter den gegenwärtigen Umständen beab­sichtige Frankreich auf der völligen Achtung der Fricdensvcr- träge und der Bölkerbundssatzung zu verharren.

Ministerpräsident Herriot hat sich unmittelbar nach seiner Rede in Gramat im Kraftwagen nach Genf begeben, wo er beute nachmittag eintreffen wird.