Hintergründe des Abrüstungswiderstandes
Warum wollen die Abrüstungsverhandlungen nicht vom Fleck gehen? Gewiß, es sind da viele politische Schwierigkeiten, unwägbare Stimmungen, Mißtrauen, Angst usw., die sich hemmend auswirken. Aber die Gegner der Abrüstung haben darüber hinaus einen mächtigen Verbündeten, der im Hintergrund lauert und jede wirkliche Entwaffnung zu hrntertreiben sucht. Es ist die Rüstungsindustrie, welche die bewaffneten Heere und den Krieg braucht, um bestehen zu können. Es ist bekannt, daß die französische Rüstungsindustrie, die aus zahlreichen staatlichen und privaten Werken besteht, eine internationale Ausbreitung gewonnen hat. Schon 1830 betrug ihr Gewinn an den vom französischen Generalstab gegebenen Aufträgen ISO Millionen Mark. Sie beherrscht in mehr oder weniger erkennbarer Weise einen bedeutenden Teil der französischen Presse. Die Automobilfabriken Citroen und Renault, die auch Tanks und Raupenwagen für die Armee verfertigen, gehören zu den größten Inserenten der Tagespresse. Und sie machen von ihrer Macht reichlich Gebrauch, um die öffentliche Meinung in ihrem Sinn zu beeinflussen. Dem größten französischen Rüstungskonzern Schneider-Creuzot wird vorgeworfen, er habe bet den letzten Kammerwahlen alle Arbeiter mit der Entlastung bedroht, wenn sie gegen den von der Firma empfohlenen Kandidaten stimmten. Dieser Konzern kontrolliert auch die tschechischen Skoda-Werke, die 36 000 Arbeiter beschäftige» und mit ihren Gewehren, Maschinengewehren und Tanks die französischen Verbündeten Rumänien, Polen und Südsla- wien beliefern. Wie groß die politische Macht von Schneider- Creuzot ist, beweist ein bezeichnender Vorgang. Die Firma erhielt von Japan Aufträge für Arttllerielieferungen, obwohl Japan die Geschütze nicht nötig hatte. Die Bestellung erfolgte nur deshalb, weil sich Japan den politischen Einfluß des Konzerns bei den Völkerbundsverhandlungen über die mandschurische Frage sichern wollte! Ein anderer großer Rllstungskonzern unter französischer Führung ist Hotchkiß, der heute über ebenso zahlreiche Aufträge verfügt wie zur Zeit des Weltkrieges. Kein Wunder, wenn nach einem französischen Börsenblatt seine „Aktien im wahren Sinne des Wortes Zufluchtsstätten sind". Das Werk liefert gegenwärtig für viele hundert Millionen Mark Waffen nach Japan und Brasilien. Kann man sich da noch wundern, wenn der Abrüstung so großer Widerstand geleistet wird?
scheS Spiel getrieben werde» kan» «nd von wo a«S tm untrennbaren Klaffenkampfe, wie die Partei «nd ihre Führer am allerbesten wissen, weder Deutschland noch der deutsche Arbeiter gerettet werde« können. Uns ist das Wort einer deutschen Dichterin bekannt: Bismarck hat den Staat gewollt und dann das Reich. Wir meinen, in üiüseren Zeiten habe die nationalsozialistische Bewegung das Reich am stärksten und wirklichsten gewollt und sie habe das deutsche Volk dem einigen Reich näher gebracht, als unser Volk jemals war. Dieses Reich und diese Unüberwindlichkeit für Deutschland steht aber bet der gegenwärtigen von außen und innen aufgedrängten „Taktik" der Partei für jeden Vaterlandsfreund auf dem Spiel. Denn mit einer klassen- käiitpferischen Arbeitnehmerfront hat das Reich nichts mehr zu tun.
Der Reichspräsident im Manöoergebiet
Den großen Herbstmanövern der Reichswehr, die zur Zeit in den östlichen Teilen der Mark Brandenburg stattfinden, stattete auch Reichspräsident v. Hindenburg lX) in der Uniform des Generalfelbmarschalls einen Besuch ab. Unser
preisen verschleubert uno oer seßhafte Bauer weroe zum heimatlosen Bettler. Eine einzige Katastrophe sei das Schicksal der Siedler.
Das Schreiben fordert dann: 1. Eine sofortige Herab- setzung des Neichsbankdiskvnts auf höchstens 2 v. H. und des Privatdiskonts auf 3 v. H., wobei jedes Nehmen von Unkostenzinsen ober Vermittlergebühren strengstens untersagt wird. Die Ausplünderung der Arbeit durch höhere als die gesetzlichen Zinsen muß durch- ein Wuchcrgesctz unter schwerste Strafe gestellt werben.
2. Die Aussetzung aller Zwangsverkäuf, und Versteigerungen für ein volles Jahr, damit allen Eignern Zeit und Möglichkeit gegeben wird, aus ihrer in den meisten Fällen nur vorübergehenden Zwangslage herauszukommen.
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Die Zinssenknng. Der zentrale Krebitausschuß hat in Berlin beschlossen, die Zinsen um 1 Prozent zu senken. Die Habenzinscn sind ebenfalls um 1 Prozent herabgesetzt worden, mit Ausnahme des Zinssatzes für normale Bareinlagen, der um s-L auf 3>L Prozent gesenkt worden ist. Die neuen Sähe treten am 23. September, in Kraft.
Politische Kurzmeldungen
Nach einer Mitteilung des badischen Finanzministers wird Baden infolge des Rückgangs des Reichsstcuerauf- kommens 11 Millionen weniger an Ueberweisungsstcuern vom Reich erhalten. Die Lücke soll durch Sparmaßnahmen ausgeglichen werben. — Im Gegensatz zur Reichsbahn ist die Reichspost, die als Nichtsteuerzahler keine Steuergutscheine zurückerhalten kann, nicht in das Wirtschaftsprogramm der Reichsregierung eingeschaltet. Trotzdem wird auch die Neichspost zusätzliche Aufträge vergeben, deren Höhe zwischen 80 und 60 Millionen schwanken dürste.
— Der preußische Landtag lehnte in namentlicher Abstimmung den Antrag auf Aufhebung der Immunität des ehe. maligen Ministerpräsidenten, Abg. Dr. Braun (Soz.) zwecks Durchführung einer Privatklage Adolf Hitlers mit 200 gegen 197 Stimmen ab. — In England seht man große Hoffnungen auf die in Genf bevorstehende Aussprache zwischen Reichsaußenminister von Neurath und dem englischen Außenminister über die Abrüstungsfrage. — Die Pariser Presse droht mit Rüstungsuntersuchung, falls Deutschland nicht zur Abrüstungskonferenz zurückkehre. — Für die französischen Herbstmanöver hat der Generalstab den Befehl ausgegeben, die größte Aufmerksamkeit bei den Truppenbewegungen auf die Sichtdeckung gegen den Feind zu legen. Die Manöverberichterstatter sind des Lobes voll baß sich in ihrer Sichtnähe ganze Regimenter vorwärts- bewegten, ohne von ihnen erkannt zu werden. — Die Mitglieder der deutschen Abordnung für die Völkerbundstagung sind gestern vormittag in Genf eingetroffen. Ncichsaußen- minister von Neurath kam am Spätnachmittag in Genf an.
— Die italienische Regierung hat für den zukünftigen deutschen Botschafter am Quirinal von Hassel das Agrement erteilt. — Auf Anordnung des stellvertretenden preußischen Staatskommissars Dr. Bracht verfügte der Regierungspräsident von Oberschlefien die Auflösung der Ortsgruppe Ohlau des Reichsbanners. Veranlassung dazu gaben die blutigen Vorgänge am 10. Juli. — Der amerikanische Botschafter Edge ist aus Paris nach Washington abgereist. Pressevertretern gegenüber erklärte er u. a., baß er nach Washington berufen sei, um den Schlußpunkt unter die von ihm in Paris geführten Handclsvertragsverhandlungcn zu sehen. Bei dem Entwurf, den er nach Amerika mitnebme, handele es sich um den endgültigen französischen Tert. — Die amerikanische Negierung hat beschlossen, die mandschurische Regierung nicht anzuerkennen. Washington soll bereits die Großmächte hierüber verständigt haben. — Der Hungerstreik Ghandis hat in ganz Indien tiefen Eindruck gemacht und die Hindus und Parias zu einer Einigung bewogen, die den Forderungen Ghandis entspricht. Man glaubt, daß Ghandi den Hungerstreik jetzt abbrcchen wirb.
Eine „Bitte an den Nationalsozialismus"
TU. Berlin, 22. Sept. Hans Grimm und August Winnig veröffentlichen in der „Berliner Börsenzeitung" in einem längeren Aufruf eine „Bitte an den Nationalsozialismus", in der es heißt: Wir stellen unser dankbares Zeugnis voran: Wir sind überzeugt, daß die Hitlerbewegung bis zu diesem Jahre Deutschland vor der kommunistischen Auflösung und damit vor der völligen Abwirtschaftung der besonderen deutschen Kräfte des Geistes und der Se.ele, ohne die irgendein Wiederaufstieg unmöglich ist, gerettet hat. Wir sehen, daß die iHtler-Vewegung vor allem deutsche Jugend gesammelt und daß zum ersten Skale innerhalb der Hitlerbewegung der deutsche Nationalismus sich erhoben hat über die marxistische Klassenschei- bung, über die Engstirnigkeit der Kleinstaaterei und über das trübe Schicksal der Religions- und Kirchenspaltung. Versuchungen, aus der Legalität herauszutreten, sind genug an sie herangetragen worben. Der Glaubensmut ihres Führers, die Diszipliniertheit ihrer Anhänger, hat sie seit 1923 davon abgehalten, auch vor Unrecht Versuchungen zu unterliegen.
Bei dieser Erkenntnis und Kenntnis der Dinge wagen wir, vor der Partei, die sich unversehens in einer harten Schlacht mit einer der durch sie möglich gewordenen neuen nationalen Staatsautorität verwickelt findet, eine Bitte auszusprechen: Die Bewegung möge sich nicht auf jene erstarrte Arbeitnehmersront treiben lasten, von wo aus nur «och Arbeitnehmerpolitik verfolgt, und bas heißt marxisti
Biiö zeigt das Eintreffen Hindenburgs in Ziebingcn, wo er sich über die Manöverlage unterrichten läßt. Im Wagen neben dem Reichspräsidenten sein Sohn Oberst von Hindenburg.
Hilferuf der Oldenburger Regierung
an den Reichspräsidenten.
TU. Oldenburg, 22. Sept. Die Pressestelle des Staatsministeriums übergibt der Oeffentlichkeit ein längeres Schreiben der Staatsregierung an den Reichspräsidenten. Es heißt darin u. a.: Die schwierige Lage der oldenbnrgischen Landwirtschaft führe infolge unsinnig hoher Abgaben und Zinslasten in grauenvoller Konsequenz zum Erliegen eines Besitzes nach dem anderen. Höfe würben zu Spott
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Georg blieb ruhig und ernst.
„Wenn S«e also einverstanden sind — wollen Sie bitte, dies unterschreiben."
„Nee! Da muß ich erst einen Rechtsanwalt fragen. Wer weiß, ob da nicht eine Falle ist. Dumm bin ich vielleicht, aber — schlau bin ich doch auch. Machen Sie ruhig weiter und bestellen Sie mir zu elf Uhr ein Auto, damit ich zur Stadt fahren kann. Wie heißt der Mann? Ach so ja, Justizrat Erlenbach! Sie können ihm telephonieren, daß ich zu ihm komme. Noch etwas?"
Georg ging wieder hinaus und dachte nach. War der Jörge nun schlecht oder nicht? Jedenfalls hatte er sich nicht geweigert, aber —
Gräfin Hermine hatte sich angekleidet und war zum jungen Grafen Konrad gegangen. Zum Glück ging es ihm wesentlich besser. Das Fieber war gänzlich geschwunden, und er lächelte der Mutter entgegen. Es war noch dämmerig in dem Zimmer. Hermine hatte das Zimmermädchen beauftragt, die Gardinen noch nicht zurückzuziehen, damit der Sohn nicht sah, wie angegriffen sie war.
„Nun, lieber Junge?"
„Gut geht es, sehr gut! Die Wunde tut gar nicht mehr Weh, und ich atme ganz frei."
„Bist du mein mutiger Konrad, dem ich etwas sehr Trauriges erzählen kann, ohne daß er mir wieder krank Wird?"
Konrad legte den Arm um den Hals der Mutter, die sich auf den Bettrand gesetzt hatte.
„W ieder etwas Trauriges? Wieder der dumme Prozeß?"
„Etwa? ganz anderes, aber es ist besser, du hörst es von mir."
Dann fing sie an, mit ganz behutsamen Worten zu berichten, und wunderte sich, daß Konrad ganz ruhig blieb.
„Muttchen, weißt du, daß ich schon so etwas gedacht habe?"
„Aber, Konrad!"
„Wirklich! Sieh mal, wir Maler, wir haben vielleicht einen schärferen Blick für so etwas als andere Menschen. Mir ist immer die Ähnlichkeit zwischen Jörge und Agnes ausgefallen. Verzeih, Muttchen, aber, ich dachte bisweilen —"
„Nicht weiter, Konrad! Nicht Vaters Andenken —"
„Gewiß nicht und — ich habe mich immer gewundert, daß Georg uns so gar nicht ähnlich sieht. Herrgott — aber — der arme Georg?"
„Er bleibt natürlich bei uns."
„Und Jörge?"
„Er ist seit gestern im Schloß. Ach, Konrad, er tut mir ja so unendlich leid, aber —"
Sie erzählte von dem, was gestern im Fürstenanbau geschehen. Konrad war anders geartet als die Gräfin und Agnes, anders auch als der ernste Georg. Sein Umgang mit jungen Künstlern hatte ihn freier denken lasten. In diesem Augenblick reizte ihn das Romantische dieses Vorfalls, daS den Jörge auf einmal zum Grafensohn stempelte.
„Wird schon werden, Muttchen, wird alles schon werden! Du weißt, über den Menschen schwebt nun einmal das Fatum, und alles steht im großen Buche deS Lebens verzeichnet. Herrgott, wie muß dem Jörge zumute sein! Was für groß» Pläne muß der jetzt schmieden! Was für herrliche Gedanken wird er haben. Wer weiß, was «r
immer geträumt hat! Paß auf, nun wird er erwachen, nun wird sein Geist sich entwickeln, nun wird aus dem armen, geplagten und oft verspotteten Magdsohn noch ein Mann, der etwas Tüchtiges schafft. Was hat der für unverbrauchte Kraft, für Ideale!"
Unwillkürlich strich Hermines Hand über das alühende Gesicht des jungen Schwärmers, der sich heiß geredet hatte im Ueberschwang seiner Künstlerseele, und dachte mit wehmütigem Lächeln daran, wie anders Jörge sein verändertes Leben begonnen hatte.
„Schick' ihn doch einmal zu mir! Ich will mit ihm reden, ich will ihm sagen, daß ich immer Interesse für ihn hatte, daß ich es geahnt —"
„Sobald du ganz kräftig bist, sende ich ihn dir."
Am Nachmittag saßen Hermine, Agnes und Georg zusammen.
„Meine Kinder, es hat keinen Zweck, uns in Grübeleien zu versenken. Pfarrer Ambrosius hat mir gesagt, was du ihm gestanden, Agnes."
„Ach, Mutter!"
„Wie'seltsam das ist! Da sagt mir Konrad, daß er ge- ahnt habe, daß Jörge zu uns gehört. Da hat euer Herz euch gezeigt, daß ihr in Wahrheit nicht Bruder und Schwester wäret. Euch erschien es als große Sünde, und es war doch nur eine edle Regung. Nun ist kein Hindernis zwischen euch, und wenn es euer Wunsch ist — heute dürfen wir handeln, wer weiß, was morgen der Majoratsherr, der nach dem Familiengesetz seine Einwilligung geben müßte, sagen wird! — Und du, lieber Georg, wirst dadurch wieder mein Sohn."
Es war eine stille, heilige Stunde, und doch war es diesen drei Menschen, als sei es etwas Ungeheuerliches, etwas Unglaubliches, was hier geschah.
(Fortsetzung kolat^