Einhundert Jahre Gustav-Adolf-Verein

Staatsordnung auf religiöser Grundlage

Reichsinnenminister von Gayl in der Hanptversanrmlnng des Gnstav-Adolf-Bereins in Leipzig.

In der ersten öffentlichen Haupt-Versammlung des Gu- stav-Adolf-Vereins im überfüllten großen Saale des Leip­ziger Zoo sprach Reichsinnenminister Freiherr von Gayl. Namens der Neichsregierung begrüßte der Minister die Festtetlnehmer und überbrachte dem Gustav-Adolf-Verein zu seinem Jubeltag herzliche Wünsche. 199 Jahre einer Ver­einigung durch alle Schicksalswenden unseres Volkes hin­durch seien allein schon der beste Beweis für die Lebendig­keit ihrer Gedanken und die Notwendigkeit ihres Wirkens. Mit ihm als dem, für die geistigen und seelischen Kräfte unseres Volkes in erster Reihe verantwortlichen Reichsmi­nister bekenne sich die aus Männern beider Bekenntnisse be­stehende Neichsregierung bewußt und offen zum christ­lich e n S t a a t.

Der Minister fuhr dann fort: Unsere Neichsverfassung kennt nur den Staat schlechthin und überläßt es ihm, sein Verhältnis zu den Kirchen und Bekenntnissen zu regeln. Diese Tatsache entbindet eine ihrer Verantwortung und Pflicht bewußte Negierung nicht von der zwingenden. Not­wendigkeit, den Staat als einen christlichen aufzufassen und die Staatsführung in christlichem Sinne zu handhaben. Alles Verantwortungsgefühl wurzelt letzten Endes im Uebersinnlichen, b. h. für uns in Gott. Deshalb ist eine erfolgreiche und wirksame Staatsordnung nur auf religiöser Grundlage denkbar. Unser ganzes kulturelles Leben muß deutsch und christlich gerich­tet sein. In diesem Sinne zu arbeiten ist eine besonders dringliche Aufgabe der Regierung. Meine Auffassung von diesen Dingen habe ich in meinem Erlaß über die Schu­len bereits ausgesprochen. Ich spreche es offen aus, daß ich eine neue Zeit Heraufziehen sehe, und diese Zeit wird, eine religiöse und christliche sein.

Auch auf allen anderen Gebieten, staatlichen und wirt­schaftlichen, muß die deutsche christliche Anschauung sich wie­der zur Geltung bringen,' ohne christliche Liebe geht es nicht weiter. Sie und nicht allein die Paragraphen un­zähliger Gesetze können die Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern auf die Dauer regeln. Unser gesamtes Leben sollte viel stärker als heute, wo in der Not der Zeit keiner gegen den andern aufsteht, tatsächlich der Fall ist, beherrscht werden von dem ästhetischen Gedanken der Liebe zu den Volksgenossen.

Es ist ein besonderes Verdienst des Gustav-Adolf-Ver- eins, trotz allen Eifers im Glauben niemals darnach gestrebt zu haben, den Riß in unserem Volke zu erweitern, sondern jedem bas Seine zu geben. Wir Kinder eines Vol­kes, gleichviel, ob wir evangelischen oder katholischen Be­kenntnisses sind, wir wurzeln im Glauben an einen Erlöser und in tiefer gemeinsamer Liebe zu Heimat, Vaterland und Volk. Es sollte der Tag bald kommen, an dem wir uns zu- sammenfänben zu gemeinsamer Arbeit in einem deutschen, christlichen Staat und für unser gesamtes Deutschtum. Kommt dieser Tag, so wer­den auch unsere Volksgenossen in der Fremde ihre Heimat

finden tm Reich. Daß zu diesem Ziele der Gustav-Adolf- Verein in das neue Jahrhundert hinein Führer unseres deutschen Volkes sein möge, das walte Gott.

Der Ertrag der Jubiläumssammlung des Gustav-Adols-Vcreins.

In der Hauptversammlung des Gustav-Adolf-Vereins wurde das Ergebnis der zur Jahrundertfeier durchgeftthr- ten I u b i l ä u m s s a m m l u n g bekanntgegeben. Seit dem Jahr 1928 wird diese Sammlung in den evangelischen Gemeinden Deutschlands und in den Gustav-Adolf-Ver- einen burchgeführt. Rund 69 000 Sammelbüchsen wurden ausgcgeben, in die jede Woche ein Mindestbctrag von 19 Pfennig einzuzahlen war. So ist bis zur Jubiläumsfeier ein Gesamtbetrag von 1162684 Reichsmark zusam­mengekommen.

Die Kundgebung vor dem Völkerjchlachldenkmal

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Mit dieser gewaltigen Kundgebung vor dem Volker­schlachtdenkmal in Leipzig, die fast 199 999 Menschen ver­einte, nahmen in Leipzig die Feierlichkeiten aus Anlaß des 199jährtgen Jubiläums des Gustav-Adolf-Vereins ihren Anfang. An der Feier nahmen die Vereinigten Posauncn- chöre Leipzigs und die Vereinigten Ktrchenchöre des Lan- deskirchenchor-Verbanbes Sachsen mit mehr als 7999 Mit­gliedern teil.

Kleine politische Nachrichten

Der Dank des Reichskanzlers. Von der Reichskanzlei wirb mitgeteilt: Dem Reichskanzler ist aus Anlaß des durch Rundfunk verbreiteten Regierungsprogramms eine so un- gemein große Anzahl von Zustimmungserklärungen aus allen Teilen des Landes zugegangen, daß er zu seinem Be­dauern nicht in der Lage ist, sie alle persönlich zu beantwor­ten. Er übermittelt daher auf diesem Wege seinen herzlichen Dank allen denen, die sich in der Not des Vaterlandes mit heißen Herzen als Kämpfer in die Reihen der Frontmit Hinöcnburg für Deutschlands Erneuerung" stellen.

Preußenklage gegen das Reich erst Anfang Oktober. Ur­sprünglich war beabsichtigt, daß über die Klage der früheren preußischen Minister und einiger Länder gegen das Reich noch im September vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig verhandelt werden sollte. Da jedoch die Schriftsätze der Län­der noch nicht beim Staatsgerichtshof eingetroffen sind, wird der Termin voraussichtlich erst in den ersten Tagen des Okto­ber stattfinden.

Kabinettsrat in Paris. Im gestrigen Kabinettsrat berich­tete der Finanzminister über die Entwickelung der außenpoli­tischen Fragen. Der Finanzminister sprach über die Renten­konvertierung. Schließlich wurde ein Bericht des Präsiden­ten der Konferenz von Stresa verlesen und beschlossen, Von­net telegraphisch zu dem Ergebnis der Konferenz zu beglück­wünschen.

Politische Kurzmeldungen

In den großen Zentralbüros der Parteien werden jetzt die ersten Vorbereitungen für die bevorstehenden Rcichs- tagswahlen getroffen. Bis zum 6. November sind noch knappe sieben Wochen Zeit, die für die praktische Wahl- sssMit '°.ch"bmäß eingeteilt werden müssen. Es scheint eine stillschweigende Uebereinkunft unter den Parteien zu be­stehen, mit der Versammlungstätigkeit ernsthaft erst im Ok­tober zu beginnen. Die leeren Partcikassen zwingen zu einem vorläufigen Burgfrieden. Zunächst werden daher nur die organisatorischen Vorbereitungen für den Wahlkampf in Angriff genommen. Anläßlich des Ablebens des Völker­bundskommissars in Danzig, Grafen Gravina, hat der Neichsaußenministcr Ser Gräfin Gravina sowie der italieni­schen Regierung herzlichste Anteilnahme ausgesprochen. Der französische Ministerpräsident Herriot beabsichtigt, die Frage der deutschen Gleichberechtigung in der Vollversamm­lung des Völkerbundes zur Verhandlung zu stellen und sie mit Hilfe der Trabanten Frankreichs endgültig abzutun. Die französischen Herbstmanöver an der Marne haben mit arok anaeleaten Flieger- und Tankangriffen begonnen.

Der Oberbefehlshaber der amerikanischen Armee, General Douglas Macarthurs, ist in Wien eingetroffen, um die Einrichtungen des österreichischen Bundesheeres zu studie­ren. Bei Orheiu wurde ein rumänischer Grenzsoldat von russischen Grenzsoldaten auf der anderen Seite des Dnjestr erschossen. Der russisch-rumänische Gemischte Ausschuß hat die Untersuchung eingeleitet. Der Führer der schwedischen Sozialdemokraten hat vom König den Auftrag zur Regie­rungsbildung erhalten. Dienstag mittag punkt 12 Uhr begann Gandhi im Gefängnis zu Aeravda seinen angekün- bigten Hungerstreik. Er will ihn bis zum Tobe durchführen, falls nicht der Beschluß, den gebrückten Klassen ein getrenn­tes Wahlrecht zu geben, zurückgezogen wird. Im Zusam­menhang mit der ungünstigen Entwicklung der tnnerpoliti- schen Lage in der Mukdener Provinz hat die mandschurische Regierung -er japanischen Militärbehörde alle Vollmacht gegeben, um in allen mandschurischen Provinzen Ordnung zu schaffen.

Württem belgischer Landtag

Rodung von Waldsläche«.

Die Kleine Anfrage Nr. 42 des Abgeordneten Kling bctr. Ausrodung von zum Feldbau geeigneten Waldflächen auf Markung Sprollenhaus bei Wilbbad hat das Fi­nanzministerium wie folgt beantwortet: Durch die Rodun­gen der Jahre 1896-97 und vor allem der Jahre 1929-21 ist die Feldmarkung von Sprollenhaus auf Kosten des Staats- walös um rund 24 Hektar vergrößert worden. Damit ist der Bevölkerung das ganze, seiner Lage nach zu landwirt­schaftlicher Benützung geeignete Gelände in der Umgebung von Sprollenhaus verfügbar gemacht worden,' denn die Hänge der engen Schwarzwaldtäler sind zur landwirtschaft­lichen Bebauung nicht geeignet. Doch soll festgestellt werden, inwieweit sich etwa Pachtliebhaber für Gelände finden, das bisher für landwirtschaftliche Benützung als weniger ge­eignet betrachtet wurde. Den Gemeinden Dobel, Neusatz und Rotensol sind auf Ansuchen schon in den letzten Mona­ten weitere Rodcflächen zur Verfügung gestellt worden.

Aus aller Welt

Unwetter im Rordschwarzwald.

Nicht weniger als drei verschiedene Gewitterfronten gin­gen am Sonntag über viele Teile des nördlichen Schwarz­waldes hinweg. In den ersten Morgenstunden, in den frühen Mittagsstunden und zwischen 5 und 6 Uhr abends zogen Ge­witter vom Murgtal vor, wo vielerorts wolkenbruchartige Regengüsse niedergingen. Auch im Hinteren Enztal und an der Grenzscheiöe zwischen der Enz und Alb wetterte es na­

mentlich am Nachmittag stark. Wolkenbruchartige Regen­güsse begleiteten die Gewitter vor allem am vorderen Schwarzwaldranb. Durch Blitzschläge sind in den Wäldern wiederum mehrfach Baumkronen und Laubstämme zersplit­tert worden.

Augenarzt erschießt Frau und Kind und verletzt sich schwer.

In Leipzig hat der 34 Jahre alte Augenarzt Dr. med. Franz Wächter in seiner Wohnung seine 32 Jahre alte Ehe­frau und seine fünfjährige Tochter erschossen und sich dann selbst zu erschießen versucht. Er wurde mit einer schweren Kopfverletzung ins Krankenhaus gebracht. Aus einem von Wächter verfaßten Brief geht hervor, daß ihn seine beruf­liche Stellung als Augenarzt nicht mehr befriedigte.

Fallschirmabsprung aus 7366 Meter.

Die deutsche Fallschirmpilotin Frau Lola Schröter-Chem­nitz hat in Kiel den bisherigen Weltrekord im Fallschirmab­springen weit überboten. Mit einem Wasserflugzeug ließ sich Frau Schröter in eine Höhe von 7399 Meter bringen unl sprang dann westlich von Kiel ab. Die Fallzeit betrug 2k Minuten, die unter dem Fallschirm zurückgelegte Strecke 45 Kilometer. Die Landung erfolgte in Hohenberg, 22 Kilome­ter von Kiel entfernt. Frau Schröter hat damit den bis­herigen Weltrekord der Rumänin Brascu von 6999 Meter gebrochen.

Ei» Fall von Lepra in Ostpreußen.

Aus Gumbinnen wird berichtet: Wie erst jetzt bekannt wird, wurde am Sonntag ins Bezirkskrankenhaus in Hein­richwalde (Ostpreußen) eine Frau eingeliefert, bet der nach dem klinischen Befund Lepra lAussatz) festgestellt worden ist. Es handelt sich bei der Kranken um eine alte Frau, die in einem halbverfallenen Häuschen in der Nähe von Heinrich­walde lebte und fast gar keinen Umgang mit Menschen hatte. Sie scheint außerdem nicht normal zu sein. Die Frau leidet nach ihren Angaben bereits seit 32 Jahren an diesem Aus­satz. Es wurden alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um ein« Wciterverbreitung dieser gefährlichen Seuche zu verhindern.

3 Arbeiter durch Gas vergiftet.

In der Budapester Vorstadt Steinbruch ereignete sich auf der Anlage der chemischen Fabrik Imperial ein schwe­res Unglück. Aus einem wegen Reinigung außer Betrieb befindlichen Kessel rief ein Arbeiter, der von Gasen unwohl geworden war, um Hilfe. 2 andere Arbeiter stiegen in den Kessel, um den Arbeiter zu retten, doch verloren alle drei die Besinnung und konnten nur als Leichen geborgen wer­den. Nach den behördlichen Feststellungen liegt die Ursache am Undichtwerden des Röhrensystems.

Schwere Sturmschäden «ns de« Bahama-Jnseln.

Beim englischen Kolonialministerium ist ein amtlicher Be­richt des Gouverneurs der Bahama-Jnseln über den Wirbel­sturm eingegangen, der die Inselgruppe am 5. September heimsuchte. Auf der Insel Aleasco, wo der Sturm eine noch nie dagewesene Geschwindigkeit erreichte, wurde die Stadt Green Turtle Cay vollkommen und die Stadt Hopetown teil­weise zerstört. Ferner wurden die Ortschaft Bluff Point und zwei andere Siedlungen vernichtet. Die Zahl der To­desopfer beträgt 14, die der Verwundeten 69 bis 79.

Kurznachrichten aus aller Welt.

Di« Angelegenheit des ehemaligen Kriegsgefangenen Daubmann aus Endingen (Baden) ist bekanntlich noch kei­neswegs geklärt. Jetzt hat sich nun in Lübeck ein ehemaliger Kriegsgefangener gemeldet, der während seiner Gefangen, schaft in Marokko mit Daubmann zusammengetroffen ist. Bei einem Postautobus der Linie GnadenfeldRatibor jOberschlesien) versagte auf der Fahrt nach Ratibor an einem steil abfallenden Wege plötzlich die Bremse und das Auto stürzte eine mehrere Meter hohe Böschung hinab. Drei Per­sonen wurden schwer verletzt. Das planmäßige Postflug­zeug BerlinSaloniki mußte im Riesengebirge nahe der tschechoslowakischen Grenze bei starkem Nebel zwischenlanden. Dabei wurden bas Fahrgestell und der Motorvorbau des Flugzeuges beschädigt. Eines der drei Besatzungsmitglieber erlitt einen Oberschenkel- und Knöchelbruch. Der Volks­schullehrer Hartley hat als Leiter der Nebenstelle Paaren der Kreissparkasse Nauen einen Betrag von insgesamt 149 996 Mark unterschlagen. Er hatte die Gelder von sich aus weiter verliehen. In Neukastel (Pfalz) ist der bekannte Maler Professor Max Slevogt an einem Herzleiden gestorben. Wie aus Detroit gemeldet wirb, hat auf dem Michigan-See der amerikanische Motorbootrennfahrer Gar Woo- eine» neuen Motorbootweltrekorb aufgestellt. Er erreichte mik sei­nem Rennboot eine Geschwindigkeit von 299,98 Stunden­kilometer.

Aus Stadt und Land

Calw, den 21. September 1932.

Matthäustag.

Der 21. September führt tm Kalender den Namen Mat­thäustag. Man sagt von ihm, daß er für das Wetter der nächsten Wochen von ausschlaggebender Bedeutung sei. Die Winzer an den Rheinhängen und in der Moselgegend ha­ben den Glauben, daß Sonnenschein am Matthäustag noch mindestens vier Wochen schönes Wetter verbürgt. In den Zeiten unserer heidnischen Vorfahren wurde dieser Tag als ein Fest der Tag- und Nachtgleiche gefeiert. Man betrachtete ihn damals schon als den Beginn des Winters. In hochge­legenen Gebirgsgegenden, wo sich Nebel und Schnee schon frühzeitig einzustellen pflegen, heißt der Matthäustag auch heute noch d«rWintertag". Auch der Volksglaube hat an den Matthäustag angeknüpft. Kinder, die am Matthäus­tag geboren sind, sollen eine Art Sehergabe besitzen. In ab­gelegenen Orten findet man noch mancherlei Bräuche an die­sem Tage, bei deren Befolgung sich allerlei aus der Zukunft erkennen lassen soll.