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Nr. 211

Freitag, den 9. September 1932

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Jahrgang 105

Tages-Spiegel

Einsprüche gegen das Wirtschaftsprogramm

Zentrum und Nationalsozialisten lehnen die Wirtschastsmaßnahmen der Reichsregierung einmütig ab

Berlin, 9. Sept. Wirtschaftsführer der NsDAP. und des Zentrums hatten am Donnerstag nachmittag beim Neichstagspräsidenten Göring eine mehrstündige Aus­sprache. lieber ihren Berlaus wurde folgender gemein­samer Bericht ausgegebcn:

In einer gemeinschaftlichen Besprechung, die zwischen Abgeordneten der NSDAP, und der Zentrumspartei am Donnerstag nachmittag stattsand, beschäftigte man sich mit wirtschaftlichen Fragen. Im Vordergrund stand das drängende Problem der Arbeitslosigkeit, ferner die Kon- junkturlage, das Wirtschaftsprogramm der Regierung Po­pen, und die Sorge für den Winter. Die Sachverständigen beider Parteien äußerten ihre ernsten Bedenken, daß die Subventionierung der gesamten Betriebe durch Stener- nachlaßschcine das gesteckte Ziel, Arbeiter an ihre Stätten zurückzubringen, nicht erreichen, vielleicht in eine schwere Enttäuschung münden werde.

Der sozialpolitische Teil der Notverordnung, der den ganzen Bestand sozialer Rechte und Einrichtungen in das Ermessen einer Regierung stellt, die nur eine kleine Minder­heit in der Volksvertretung und sicher keinen Rückhalt in Arbeitnehmerkreisen besitzt, fand übereinstimmend Ableh­nung.

Darüber hinaus klärten die Besprechungen hinsichtlich wirklicher Arbeitsbeschaffung und des Konjunkturanschlussrö Möglichkeiten, für deren Durchführung auch eine arbeits­fähige, vom Vertrauen des Volkes getragene Mehrheit vor­handen ist."

Auch die Gewerkschaften erheben Einspruch.

Am Donnerstag hatte der Reichsarbeitsminister mit den Sp'itzcnverbänden der Arbeiter- und Migestcllteiigcwerkschaf- ten eine Aussprache über Richtlinien für die Anwendung der Beschäftigungsprämie und der Vollzugsverordnung über Vermehrung und Erhaltung der Arbeitsgelegenheit. Bor dem Eintritt in die Aussprache erhoben die Verbände ans sozia­len, wirtschaftlichen und rechtlichen Erwägungen Wider­spruch gegen d'ie neuen Vorschriften im allge­meinen. Mit diesem Vorbehalt ersuchten sie dann um Aus­kunft über Sinn und Tragweite der einzelnen Vorschriften. Ans Gewerkschaftskreisen verlautet, daß es dem Minister nicht gelungen sei, die schweren Bedenken zu zerstreuen, die von den Gewerkschaften gegen den sozialpolitischen Teil der Notverordnung geäußert würden. Die Gewerkschaftsver­treter aller Richtungen hätten gegen die Maßnahmen der Regierung schärfste Verwahrung eingelegt und erklärt, daß ste mit jedem nur zulässigen Biittel dagegen Wider st and leisten würden. Von einzelnen Gewerkschafts­vertretern sei der Einbruch in das geltende Arbeits- und Tarifrecht durch Notverordnung als eine Verletzung der Reichsverfassnng bezeichnet und in Aussicht gestellt worden, daß man auf dem Rechtswege dagegen Vorgehen werde.

Der Groß- und Uebersechandel beim Reichswirtschasts- minister.

Rcichswirtschaftsminister Warmbolb empfing gestern un­ter Beteiligung des Reichsverbandes deS deutschen Groß- und Ueberseehanöels führende Persönlichkeiten der an der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse beteiligten Groß- handelskreisc. Es wurden dem Minister gegenüber die gro­ßen Besorgnisse znm Ausdruck gebracht, die über die Absich­

ten der Reichsrcgiernng, durch Einführung des Einfnhrkon- tiiigentsystcms eine grundsätzliche Schwenkung der deutschen -Handelspolitik vvrznnehmcn, in den beteiligten deutschen Wirtschaftskreisen herrsche.

Im RcichSministerium für Ernährung und Landwirtschaft fand abermals eine Besprechung mit den Vertretern des hanseatischen Handels statt über die Frage einer etwaigen Kontingentierung der Einfuhr. In mehrstündiger Aussprache wurden die Bedenken der hanseatischen Handelskrcise gegen die KontingcntierungSpolitik noch einmal vorgetragen und ihre Auswirkung auf das gesamte deutsche Wirtschaftsleben, namentlich aber auf die handelspolitischen Beziehungen Deutschlands zum Ausland und auf den inländischen Ar­beitsmarkt eingehend erörtert.

Ein Telegramm der NSDAP, an den Reichsernährungs- ministcr enthält die Bitte, durch Zurücktreten von seinem Amt eine andere Lage zu schaffen. Das Wirtschaftsprogramm komme nur der Börse und der internationalen Hochfinanz zugute. Das schassende deutsche Volk und insbesondere das deutsche Bauerntum müsse an diesem Wirtschaftsprogramm sterben.

Die Wirtschaftstagung der NSDAP, in Mün­chen ist gestern abgeschloffen worden. Das Ergebnis fand seinen Niederschlag in einem zusammenfassenden Referat des Reichstagsabg. Reinhardt. Er führte u. a. aus: Die deutsche Wirtschaft sei durch das System Brüning ebenso wie durch Papen nicht angekurbelt, sondern abgckurbelt worben. Es dürfe keine weitere Kürzung der Löhne, Gehälter und Renten erfolgen. Ein grundsätzlicher Umbau des Steuer­systems, eine Senkung der Zinssätze und eine Streichung übt'rslüssiaxr Sachausgaben müßten eine Erhöhung der ge­samten Kaufkraft erzielen.

Der Reichstagspräsident beim Reichskanzler

Neichstagspräsident Göring hat sich gestern zu einer Besprechung zum Reichskanzler begeben. Es wurden hierbei die innerpolitifche Lage und die Frage einer Regierungsum­bildung nicht erörtert. Die Besprechung galt nur der Fest­legung der Formalitäten für die Abgabe der Regie­rungserklärung bei der am Montag beginnenden Reichstags- sttznng. Man einigte sich dahin, daß am Montag Reichskanz­ler von Papen seine Regierungserklärung abgibt und daß am Dienstag und Mittwoch die große politische Aussprache über diese Regierungserklärung stattfindet.

I« politischen Kreisen verstärkt sich immer mehr der Ein­druck, daß eine Reichstagsauflösung «ach Abschluß der poli­tischen Aussprache im Reichstag und vor Beginn der Abstim­mungen kaum noch zu vermeide« sei« wird.

Kanzler und Außenminister beim Reichspräsidenten

Reichspräsident von Hindenburg empfing am Donnerstag vormittag Reichskanzler vonPapcn zum Vortrag über die Politische Lage. Kurz darauf empfing der Reichspräsident den Reichsminister des Auswärtigen Freiherrn von Neurath zum Vortrag.

Reichstagspräsident Göring begab sich am Donnerstag nachmittag zu Hitler, der in den Vormittagsstunden in Berlin eingetrosfen war, um mit ihm die parlamentarische und Politische Lage zu besprechen.

Die Ziele der Zenlrumspolilik

TU. Berlin, 9. Sept. Der geschäftsführende Vorsitzende der deutschen Zentrumspartei, der Abgeordnete Joos, sprach vor Berliner Vertretern der Zentrumspresse zur poli­tischen Lage. Ausgehend von dem in der Notverordnung vom ^ September verkündeten W i r t s ch a f t s p r o g r a m m -er Reichsregicrung, führte er u. a. folgendes aus:

Wir sind überzeugt, daß der Konjunkturantrieb nur dann ünhalt und die staatlichen Eingriffe nur dann die beabsichtigte Wirkung haben können, wenn eine Beruhigung und Festi­gung der politischen und staatlichen Verhältnisse auf längere gewährleistet ist. Wenn diese Regierung keine Mehr­heit im Reichstag findet und trotzdem im Amte bleibt, ist sie gezwungen, den Reichstag erneut aufzulösen und dann ent­weder nach den Vorschriften der Verfassung Neuwahlen aus- zuschreiben oder verfassungswidrig zu regieren. Neuwäh­le n a b e r b e d e u t e n H e m m u n g u n d S ch ä d i g u n g

der wirtschaftlichen Initiative, bedeuten, daß die von der Regierung verordneten Wirtschastsmaßnahmen " "" allgemeinen Beunruhigung verpuffen. Das Spielen mit dem Gedanken verfassungswidrigen Negierens vcrgrö- Vert die Unsicherheit und wirkt zerstörend auf den staatsbe- ^henden Geist der Bevölkerung. Was diese Regierung also l er emen Hand zu geben sich anschickt, das müßte mit

der anderen notwendigerweise wieder -erschlagen werden. Klar ausgedrückt: so lange die jetzigen politischen Verhältnisse bleiben, wie ste sind Gefahr von Staatsstreich, Auflösung der Parlamente, Neuwahl, mehr­fache Neuwahl wird auch beim schönsten Wirtschaftspro­gramm die Unternehmungslust nicht geweckt.

Wer in Wahrheit den Erfolg will, muß die Voraussetzun­gen wollen. Aus diesem Grunde, aus nationalen und wirt­schaftlichen Ueberlegungen, sollten Neuwahlen sowohl wie politisches Experimentieren aus der Diskussion verschwin­den. Wenn diese Ueberlegungen richtig sind, muß alles daran gesetzt werden, die Sicherung der politischen Sta­bilität in Verbindung mit dem gegenwär­tigen neugewählten Reichstage zu suchen. Die gegenwärtige Reichsregierung hat nur eine kleine Gruppe des Reichstages für sich. Die Zentrumspartei hat von dem Zeitpunkt ab, da es feststand, daß der jetzigen Reichsregie­rung der Versuch einer Mehrheitsbildung im Reichstage mißlungen war, diesen Versuch ihrerseits ausgenommen. Das Ziel unserer gegenwärtigen Bemühungen ist die Schaffung von Möglichkeiten, eine Negierung zu bilden, die sich auf eine parlamentarische Mehrheit stützt, Vertrauen im Volke hat und die volle Jnnehaltung der Verfassung garantiert.

In einem gemeinsamen Bericht haben gestern Wirtschaft»- führer des Zentrums und der Nationalsozialisten das Wirtschastsprogramm der Reichsrcgierung abgelehnt.

Der Reichspräsident empfing den Reichskanzler «nd Reichs» außenminister gestern znm Vortrag. Heute wird er das Reichstagspräsidium empfangen.

Die Reichsrcgiernng hat die Pläne zur Roggenstutzungs­aktion sertiggestcllt nnd bekanntgegeben.

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Der preußische Staatsrat erklärte die Einsetzung eines Neichskommiffars in Preußen ebenso wie die Absetzung des alten Prcußenkabinetts für verfassungswidrig.

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In Washington ist beschlossen worden, den Zahlungsaufschub für die europäischen Schuldnermächtc über den 15. Dezem­ber hinaus stillschweigend zu verlängern.

Mit einer solchen Regierung kann der Gedanke eines Vertrauenskabinetts lsogenanntes Prinzipialkabinctts durch­aus in Einklang gebracht werden. Der normale Zustand ist der, daß das Kabinett das Vertrauen des Herrn Rcichspräst»* denten besitzt und das der Volksvertretung findet. Dem Zen­trum hat in keinem Zeitpunkt der Verhandlungen der Ge« danke eines einseitigenParteienkabinctts" vorgeschwcbt. Die volle Mitwirkung des Parlaments war in Krisenzciten zwar schwierig, wie sich aus den Erfahrungen der Jahre 1919, 1923/24 und 1939/32 ergeben hat. Was aber möglich sein muß, ist, eine Mehrheit im Reichstag zu finden, die in Selbst­disziplin einer Regierung auch ihres Vertrauens die Mög­lichkeit zu starker politischer Führung und zu entscheidenden Entschlüssen gibt.

Nach unserer Ueberzeugung stehen solche Möglichkeiten, wie ich ste hier andeute, auch heute noch offen. Wenn das Zentrum sich um die Sammlung einer solchen verantwort­lichen Mehrheit in der Volksvertretung bemüht und seine Mitwirkung bereit stellt, so folge es damit dem Weg, der sich in den letzten Jahren als notivcndig erwiesen hat und von ihm bejaht worden ist. Reine Partciüberlegungen könn- ten uns den leichteren Weg der Opposition weisen. Der Ge­danke der Mitverantwortung an den Geschicken der Nation zwingt uns indes auf den Weg, den wir beschritten haben und pflichtgemäß weiter verfolgen. Unter der Autorität des Reichspräsidenten muß der Weg einer innerpoliti-? scheu staatlichen und wirtschaftlichen Gesun­dung gefunden werben. Noch ist das deutsche Schicksal im Sinne einer ruhigen Aufwärtsentwicklung zu meistern, wenn neben festem nationalen Willen auch der Mut zur politischen Verantwortung im Glauben an deutsche Zukunft vorhan- den ist. ^

Kündigung des Handelsvertrages mit Südftawien

TU. Berlin, 9. Sept. Wie dieLandwirtschaftliche Wochen­schau" erfährt, ist am 6. September von Deutschland der Handelsvertrag mit Südslawien fristgemäß zum 7. Mürz nächsten Jahres gekündigt worden.

DerLawiwo" zufolge liegen der Kündigung drei Gründe zugrunde: Einmal hat sich der Handelsverkehr zwischen Süd­slawien und Deutschland in der letzten Zeit für uns sehr un­günstig gestaltet, vor allem infolge der Rücksichtnahme Süö- slawicns auf Frankreich. Dann haben sich Schwierigkeiten in der Ucberweisung der Devisen ergeben. Zur Regelung dieser Fragen verhandelt gegenwärtig der südslawische Staatsbankpräsiöent mit der Neichsbank in Berlin. Schließ­lich liegt es der deutschen Regierung daran, den Eierzoll, der nach den einige Monate zurückliegenden Verhandlungen mit Italien nur noch in Südslawien gebunden ist, zur Er­möglichung eines ausreichenden Schutzes der deutschen Ge­flügelwirtschaft frei zu bekommen.

Italienischer Vorschlag in Stresa

Eine Kontribution an die Agrarländer.

TU. Berlin, 9. Sept. Nach einem Bericht aus Stresa hak Italien vollständig überraschend einen eigenen Plan auf den Tisch gelegt. Die Italiener erklären sich zum Abschluß bila­teraler Präferenzverträge bereit und schlagen dann vor, daß die europäischen Staaten zeitlich begrenzt an die notleidenden Agrarländer ein« Geldkontribution leisten. Unter noch zu bestimmenden Bedingungen soll jeder Staat dazu nach Maßgabe seines Anteiles am Welthandel teilnehmen, während die Verteilung an die Agrarländer ans Grund des mittleren Durchschnitts ihres Exportes in den letzten drei Jahren erfolgen soll. Als Entgelt dafür sollen die Agrar­länder ihre Zölle auf «in vernünftiges Maß herableben.