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verantwort!. Schristleitung: Friedrich Han» Scheele vru<k und Verlag der A. Oelschlöger'schen Snchdruckerei

Nr. 194

Samstag, den 20. August 1932

Jahrgang 105

Politisches Spiel um die Macht

Koalitionsverhandlungen zwischen Zentrum und Nationalsozialisten bestätigt

Sparmaßnahmen der Regierung

-- Berlin, 20. Aug. Die Mitteilungen über die begon­nenen Verhandlungen zwischen dem Zentrum und der NSDAP, wegen der Möglichkeit einer neuen Regierungs­bildung in Preußen finden nunmehr ihre volle Bestäti­gung. und zwar von den beiden verhandelnden Seiten. Das rheinische Zentrumsblatt, dieKölnische Volkszeitung", stellt mit offensichtlicher Ueberraschung fest, daß inzwischen eine Art Vorbesprechung zwischen den beiden Parteien" stattgesunden habe und daß offizielle Verhandlungen Nach­folgen werden. Der nationalsozialistischeAngriff" dagegen geht bereits ein gutes Stück weiter, indem er erklärt,das Zentrum scheint sich nunmehr bereit zu zeigen, den Natio­nalsozialisten Sen bisher verweigerten Ministerpräfidenten- posten in Preußen zuzubilligen". DerAngriff" unterstreicht die Tatsache der Verhandlungen, indem er in etner vier- spaltigen Ueberschrift seiner Meldung voranstelltKoalition in Preußen?". Das Blatt teilt gleichzeitig mit. der natio­nalsozialistische Lanbtagspräsident Kerrl habe sichzwecks Berichterstattung und Information über das preußische Re­gierungsproblem nach München zum Führer begeben". Zu­gleich bestätigt das Blatt, daß Herr Kerrl entschlossen ist, den Preußischen Landtag bestimmt auf den 25. August ein­zuberufen. Nur die Frage der Tagesordnung, nämlich die Frage, ob bis dahin bereits die Voraussetzungen für eine Wahl des neuen preußischen Ministerpräsidenten geschaffen sind, sei noch ungeklärt.

Während das Zentrum bis auf vereinzelte Stimmen, wie etwa diejenige des Herrn Prof. Defsauer fder von solchen Verhandlungen nichts wissen will, wenn dadurch nicht zu­gleich die Situation im Reich geklärt wird), sich offiziell in Schweigen hüllt, so daß man darauf angewiesen ist, sich vorerst mit unverbindlichen Vermutungen zu begnügen in bezug auf die Frage, wieviel bei der augenblicklichen Politik des Zentrums Taktik ist, läßt sich zwischen den Zeilen des Angriff" unschwer herauslesen, baß die Führer der NSDAP, mit Hilfe dieser Koalitionsmöglichkeit auf die Reichsregierung einen sanften Druck auszuüben versuchen. Die neue Erklärung des Herrn von Papen, daß er auf lange Zeit hinaus im Amt zu bleiben gedenke, beantwortet derAngriff" mit einem Hinweis darauf, daß sich seiner­zeit auch Herr Dr. Brüning in einem Irrtum befunden habe, als er das berühmte Wort von den letzteneinhundert Metern" aussprach. DerAngriff" fordert die Regierung auf, sich über ihre Lage klar zu werden, wenn sie im Reichs­tag demnächsteinem fast einstimmigen Mißtrauensvotum" gegenüberstehen werde, und wenn sichinzwischen eine andere Regierungsmehrheit gefunden haben sollte". Der Angriff" setzt weiter auseinander, daß sich die Reichsregie­rung auch darüber klar werden müßte,baß sie beim Zu­standekommen einer solchen Koalition für Preußen auch im Reichsrat sich einer Oppositionsmehrheit gegenüber sehen würde, ebenso wie im Reichstag".

Das Kabinett beschließt neue Abstriche

Berlin, 18. August. Das Neichskabinett hat sich am Freitag mit neuen Sparmaßnahmen beschäftigt. Nachdem schon vor kurzem am Etat weitere 75 Millionen abgestrichen worden sind, ist jetzt über die Einsparung von neuen 85 Millionen Beschluß gefaßt worden, die über die einzelnen Ressorts verteilt werden. Das Kabinett hat lediglich ein« Entscheidung aus früherer Zeit zur Durchführung gebracht, wonach im Laufe des Etatsjahres ein allgemeiner Abstrich in Höhe von 110 Millionen vorgenommen werden sollte.

Es hat sich dann ganz allgemein mit Wirtschafts­fragen beschäftigt, die aber zum Teil zu dem wirtschaft­lichen Wiederaufbauprogramm gehören. Das Arbeits- b«schaffungsprogramm ist noch nicht zur Erledi­gung gelangt, weil die abschließenden Besprechungen mit "ach der Kabinettssitzung stattfanöen. Es dreht sich Hierbei um die Finanzierung der Arbeitsbeschaf-

Reichsbank hat die von den Trägern der Ar­beitsbeschaffung auszugebenden Wechsel zu diskontieren. An er esprechung mit Luther haben neben dem Finanzmini-

ster auch der Kanzler und der Wirtschaftsminister teil- genommen.

Verhandlungen und Besprechungen

... A^ust. Die Parteien rüsten sich mit Macht

für den 8«. August. Im Lqgdr der Sozialdemokratie sind bereits eine ganze Reihe weitreichender und einschnei- Anträge zurechtgezimmert worden, deren Annahme . ^ * ^rage steht. Man braucht sich nur einmal die Zu- I mmensetzung dieses Reichstages anzusehen, dann ergibt sich danken'!..^" V"ck. daß das, was aus sozialistischem Ge- Lark ^'v""°r»eht, unbedingt auf Verwirklichung rechnen

, itzM-doch nicht weniger als 452 ausgesprochene Sozia­

listen auf den Bänken des Reichstags. Nimmt man noch die 87 Zentrumsabgeordneten und Bayerischen VolkSparteiler hinzu, die von Fall zu Fall bereit sein dürften, gewissen, von sozialen Momenten beherrschten Anträgen ihre Zustim­mung zu geben, dann läßt sich errechnen, daß rund 80 v. H. aller Abgeordneten dem Sozialismus huldigen.

Für die Anhänger einer freien Wirtschaftsent­faltung sind die Aussichten, die sich unter diesen Umstän­den eröffnen, gerade nicht verheißend. Schon gar nicht, wenn man sich noch daran erinnert, daß die eigentlich treibende und herrschende Kraft innerhalb der Reichsregiernng, der Wehrminister Schleicher, in seiner kürzlichen Rundfunk­rede sozialistischen Thesen durchaus nicht rundweg ablehnend gegenüberstand. Wenn es auch zutreffen mag, daß sein« Worte lediglich aus taktischen Gründen auf die National­sozialisten zngeschnitten waren, mag es auch absolut richtig sein, daß er von wirtschaftspolitischen Experimenten nichts wissen und von einer vernünftigen und aufbauenden Ent­wicklung nicht abweichen will, so läßt sich doch nicht bestrei­ten, daß er, wenn es einmal zu einer Umgruppierung dieses Kabinetts kommen sollte, doch ein« gewisse Nachgiebigkeit wird zeigen müssen, sei es auch nur deswegen, um zunächst einmal ein gemeinsames Regieren mit den Nationalsozia­listen in Fluß zu bringen. Verhandlungen mit ihnen über einen Eintritt in die Regierung sind schon wieder im Gange. Es sind diesmal andere Kreise eingeschaltet. Im wesentlichen dürften die Fäden in den Händen Schleichers und Röhms vereinigt sein, die nach neuen Wegen suchen, um die Nationalsozialisten in die Regierung hineinzubringen.

Leider find die zahllosen Verhandlungen, Besprechungen, Fühlungnahmen und sogar Querverbindungen zu den ver-

Tages-Spiegel

Das Reichskabinett hat die Beratungen über bas Wirt» schaftsprogramm wieder aufgenommen.

*

Rcichstagspräsident Löbe macht Mitteilungen über die Ber« Handlungen beim Regierungsantritt des Kabinetts Papen.

*

Admiral Zenker, der früher Chef der Mariueleitung war, ist gestorben.

»

Der Buudesrat in Wie« hat gegen den Beschluß des öster­reichische« Natioualrats über das Auleiheprotokoll i» Lausaune Einspruch erhoben.

schiedcnsten, auch linksstehenden Gruppen viel zu undurch­sichtig, als daß man sich ein klares Bild von der Macht und dem Einfluß des Reichswehrministers machen kann. Es wird ernsthaft behauptet, daß es bereits Querverbindungen zu den Gewerkschaften gibt, die teils von Schleicher direkt ausgehen, teils zwischen den Nationalsozialisten und den sozialistischen Geiverkschaften vorhanden sind. Aber auch das wiederum ist ein weiterer Grund zu der Annahme, daß der Sozialismus noch längst keine erledigte Angelegenheit ist. Man braucht sich nur das Interview, das Hitler einem Ver­treter derAssociated Preß" gab, anzusehen, um auch neuer­dings in der Erkenntnis bestärkt zu werden, daß trotz des Kampfes gegen den Marxismus dieser wieder Boden fassen dürfte. Vorläufig weiß auch niemand, ob nicht bereits unter der Hand zwischen dem Wehrminister und seinen national­sozialistischen Gegenspielern schon bindende Abmachungen darüber getroffen worden sind, daß sich der Kampf gegen den Marxismus nicht bloß in der Riederringung der sozialdemo­kratischen und kommunistischen Parteien erschöpfen darf, sondern auch durch eine endgültige Loslösung vom sozialisti­schen Gedankengut begleitet sein muß.

Einspruch des österreichischen Bundesrats

Lausanner Protokoll mit Mehrheit abgelehnt

TU. Wien, 18. August. Freitagnachmittag beschloß der Buudesrat, Einspruch gegen die Annahme des Lausanner Protokolls im Natioualrat zu erheben. Der Vundesrats- beschluß kam mit den Stimmen der Nationalsozialisten, des Bundesrats Tanzmeister, des Großdeutschen Bunöesrats und der Sozialdemokratie zustande. Die Gründe für den Ein­spruch sind folgende:

1. weil durch dieses Protokoll die außenpolitisch« Hand­lungsfreiheit der Republik, insbesondere auch im Hin­blick auf eine engere politische und sogar wirtschaftlich« Gemeinschaft mit dem Deutschen Reich für eine Dauer bis zu 20 Jahren wesentlich beeinträchtigt wird,'

2. weil durch dieses Protokoll Oesterreich neuerlich etner drückenden Auslandskontrolle unterworfen wird,'

3. weil in diesem Protokoll wirtschaftspolitische Bestim­mungen gefährlichster Art enthalten sind und

4. weil Bestimmungen dieses Protokolls geeignet sin-, wichtige sozialpolitische Errungenschaften zu gefährden.

Vor der Abstimmung war es noch im Zusammenhang mit einem Antrag auf Schluß der Aussprache zu minutenlangem Lärm gekommen. Der Antrag auf Schluß der Aussprache war von den Regierungsparteien gestellt worden, da außer dem Berichterstatter seit Beginn der Sitzung um 10 Uhr vor­mittags nur 3 nationalsozialistische Redner, die durch Dauerreden Obstruktion treiben wollten, zu Worte gekom­men waren. Der Antrag auf Schluß -er Aussprache wurde mit Hilfe der Sozialdemokraten angenommen. Nach der Ab­stimmung über den Einspruch gegen den Nationalratbeschluß wurde die Sitzung für eine halbe Stunde unterbrochen.

TU. Wien, 20. Aug. Im österreichischen Parlament gehen ernstliche Krisengerüchte um. Der Abg. Vinzl des natio­nalen Wirtschaftsblocks hat sein Mandat niedergelegt. Es ist bekanntlich jener Abgeordnete, der für das von den Groß­deutschen eingcbrachte Mißtrauensvotum gegen die Regie­rung Dollfuß stimmte und dann von den wirtschaftlichen Verbänden, denen er angehört, so zurückgesetzt wurde, daß er einen vollständigen Nervenzusammenbruch erlitt, auf Krankhcitsurlaub gehen mußte und auch bei der letzten Ab­stimmung über Lausanne fehlte. Durch diese Mandats­niederlegung rückt an seine Stelle Schauer-Schoberlechner, der führend in der Angestelltenbewcgung tätig ist.

Der Bundesrat wirb frühestens in den späten Nach­mittagsstunden mit dem Lausanner Protokoll fertig werden, Sa ihm bereits Nationalsozialisten angehören, die in schärfster Opposition zum Protokoll stehen. Die Regierung hat im Bundesrat keine Mehrheit. Die frontierenden Ab­geordneten des Hcimatblocks, Hainzl und Ebner, haben be­schlossen, sich selbständig zu machen.

Rüstungsfragen

Paris erwartet amtliche deutsche Forderung in -er Rüstungsgleichberechtigung TU. Paris, 18. August. In französischen politischen Krei­sen erwartet man mit Sicherheit schon in den nächsten Tagen einen amtlichen Schritt des deutschen Botschafters v. Hoesch bei der französischen Regierung, durch den die Frage der Gleichberechtigung in den militärischen Rüstungen aufge­worfen und Frankreich aufgeforöert werden soll, sich zu­sammen mit den anderen europäischen Großmächten an den Verhandlungstisch zu setzen. In der französischen Presse wird bereits jetzt lebhaft gegen die deutschen Forderungen prote­stiert, denen man jede juristische Berechtigung abspricht.

TU. Paris, 20. Aug. Der sozialistischePopulaire" befaßt sich eingehend mit der Unterredung des Reichskanzlers mit einem englischen Pressevertreter und betont, daß die Er­klärungen von Papens über die Wiederaufrüstung des Reiches absolut nicht überraschend kämen. Seit langem habe man erwartet, daß bas völlige Versagen Frankreichs und seiner Verbündeten in der Abrüstungsfrage als logische Folge die Wiederaufrüstung Deutschlands nach sich ziehen würde. Jeder Unbeteiligte müßte zugeben, daß die Haltung der ehemaligen Alliierten die deutsche These geradezu unter­stütze und ihr Vorschub leiste. Gegen die Einschränkung der Oberhoheit eines großen Volkes revoltiert« nicht nur die Generation, die den Krieg mitgemacht habe, sondern auch deren Nachkommen. Frankreich habe bisher stets die eigene Sicherheit in den Vordergrund geschoben, um jede, wenn auch nur teilweise Abrüstung abzulehnen. Wenn diese Auf­fassung für die französische Regierung Berechtigung habe, so habe sie dies auch für alle anderen Regierungen ein­schließlich derjenigen Deutschlands.

Entsendung amerikanischer Vertreter «ach Land«« zur Erörterung -er Flottenabrüstungsfrage TU. London, 18. August. Einer Meldung des Washing­toner Berichterstatters derBaltimore Sun" zufolge, wird Amerika im September Vertreter nach London zur Erörte­rung der Frage der Flottenabrüstung entsenden. Diesen werbe jedoch die Anweisung gegeben, nicht die geringste Nüstungsbegrenzung zuzugestehen, falls Amerika nicht in seiner Stellung zur japanisch-mandschurischen Frage durch England unterstützt werde.

In Londoner amtlichen Kreisen wir- demgegenüber bis­her noch keinesfalls mit London als dem endgültigen Tagungsort, der Flottenverhandlungen gerechnet. Vielmehr nimmt man vorläufig noch an, daß dafür in erster Linie Genf in Frage kommt.