Keine deutsch-französischen Verhandlungen

in der Abrüstungsfrage und in der Umbildung der Reichswehr

TU. Paris, 18. Aug. Verschiedene ausländische Blätter hatten in den letzten Tagen die Nachricht von bevorstehenden direkten deutsch-französischen Verhandlungen über die Ab- rüstungsfrage verbreitet. Die halbamtliche französische Nach­richtenagentur Havas veröffentlicht hierzu ein Dementi, bas trotz seines ausgesprochenen französischen Charakters aus Berlin datiert ist. In diesem Dementi heißt es, daß alle Gerüchte von bevorstehenden deutsch - französischen Ab- riistungsverhandlungen zum mindesten verfrüht seien, da die Reichsregierung sich infolge -er innerpolitischen Schwierig­keiten in der letzten Zeit überhaupt nicht mit Abrüstungs­fragen beschäftigt habe. Wenn auch kein Zweifel darüber bestehe, daß die Reichsregierung über kurz ober lang eine grundlegende Aenberung des Artikel 8 des Versailler Ver­trages fordern werbe, so könnten derartige Verhandlungen nur dann Wert haben, wenn die politische Lage in Deutsch­land sich einigermaßen geklärt habe, b. h. frühestens nach dem Zusammentritt des Reichstages.

Sine französische Stimme zu den angebliche« dentsch- franzöfischen Verhandlungen über die Umorganisatio« der Reichswehr

TU. Paris, 1». Aug. An »Journal* beschäftigt sich Dt. vrice mit der angeblichen Absicht der RetchSregterung, dem­nächst direkte Verhandlungen mit Frankreich über die Gleich­berechtigung anzuknüpfe». Dank den Bestimmungen des Versailler Vertrages habe sich Deutschland ein glänzendes Rahmenheer schaffen können, das eS jetzt auSbauen wolle. Die führenden Persönlichkeiten seien schlau genug, nicht sofort eine Gleichheit der Heeresstärke«, sondern die Gleich­heit der Rechte zu fordern. Amerika begünstige diese Forde­rung und der ganze Plan des Präsidenten Hoover beruhe augenscheinlich auf dem Gedanken, das Gleichgewicht zwischen Deutschland und den anderen europäischen Mächten wieder herzustellen. Die französische Haltung müsse gegenüber dieser Offensive vollkommen klar und eindeutig sein. Zwischen der Frage der Kriegsschulden und der Abrüstung dürfe nicht der geringste Zusammenhang bestehen. Die französische Ab­rüstungsthese sei bekannt und ohne neue formelle Garantien sei jede Aenderung dieser Haltung unzulässig. Wenn Deutsch­land tatsächlich Verhandlungen suche, dann biete das er­wünschte Gelegenheit zur Aufrollung der Vertragsverletzung durch das Reich. Herriot besitze genügend Material in seinen Akten. Wenn die Deutschen an ihn herantretcn sollten, würden sie sich davon überzeugen müssen, baß die französische Wachsamkeit, von der Herriot in Metz gesprochen habe, kein leeres Wort sei.

Kleine politische Nachrichten

Fühlungnahme zwischen Zentrum »nd Nationalsozialisten TU. Berlin, IS. Aug. Zu den Vermutungen über die Fühlungnahme zwischen Zentrum und Nationalsozialisten verlautet nach derDAZ." in politischen Kreisen, daß vor einigen Tagen eine Aussprache zwischen dem preußischen Zentrumsabgeorbneten Dr. Graß und dem SA.-Führer Graf Helldorf stattgefunden habe.

Italien «nd die Nationalsozialisten TU. Rom, 17. August. Die italienische Presse hatte die Uebernahme der Macht durch Hitler bzw. durch die national­sozialistische Partei mit Sicherheit vorausgesagt. Die Sym­pathien der faschistischen Blätter sind folglich auch nach dem Scheitern der Verhandlungen mehr oder weniger deutlich auf Seiten Hitlers. DerTeuere", dessen unverblümte Sprache bekannt ist. bringt die italienische Auffassung deutlich zum Ausdruck, indem er u. a. schreibt, daß Hitler der rechtsmäßige Abschluß seines riesigen, fast wunderbaren Werkes der poli­tischen Neuordnung Deutschlands um der banalen Aus­legung des Geistes von Weimar willen veriveigert worden ist. Hitler ist mit seiner wahrhaft disziplinierten Partei die einzige aktive und aufbauende Kraft der deutschen poltischen Welt. Als solcher hat er bas Recht, die Uebertragung nur der halben Macht abzulehnen. Ungefähr bas Gleiche erlebte der Faschismus vor dem Oktober 1922. Damals mußten viele Angebote abgelehnt werden, da sie zu sehr nach Hinterhalt und Betrug schmeckten. Ohne irgendwie über die zukünftige Haltung Hitlers Vergleiche oder Voraussagen machen zu wollen, wollen wir sagen, daß die Uebernahme der Gesamt­macht durch die Nationalsozialisten nicht nur ein Recht, son­dern vor allem eine Pflicht ist. Die Partei Hitlers hat die Pflicht, endlich ihre Verantwortlichkeit gegenüber dem deut­schen Volke zu übernehmen, das ihm nicht nur einen, son­dern viele Vertrauensbeweise gegeben hat. Das politische Thema Europas ist anders geworden. Man kann nicht mehr mit Methoden arbeiten, die für Stresemann oder seine späteren Nachfolger bezeichnend sind. Alle müssen sich ent­schließen, die Deutschen und die andern. Der Stellungskrieg hat eine Grenze, über die hinaus der Bewegungskrieg wirk­samer ist.

Die irischen Bauern fordern Beendigung des Zollkrieges mit England

TU. Dublin, 18. Aug. In Meath fand eine große Protest­versammlung irischer Bauern und Grundbesitzer gegen den englisch-irischen Zollkrieg statt. Die Versammlung ernannte eine Abordnung, die das irische Kabinett dringend auffordern soll, den Zollkrieg zu beenden. Die landwirtschaftlichen Interessen Irlands seien in größter Gefahr. Gehe der Zoll­krieg weiter, könnten die irischen Bauern ihr Vieh und ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht mehr verkaufen und wären der Vernichtung preisgegeben.

Die Schlußsitzung der Ottawaer Verhandlungen aus Samstag verschoben

TU. Ottawa, 18. August. Auf einer Sitzung aller Ab­ordnungen wurde beschlossen, die Schlußsitzung vom Don­nerstag auf den Samstag zu vertagen. Man hofft, baß es hierdurch möglich sein wird, die zur Erörterung stehenden Fragen einer Lösung entgegenzuführen. Der Dampfer »Empreß of Britain" hat seine Abfahrt auf Sonntag ver-

So geht es nicht!

Keine Tribute mehr, auch nicht in versteckter Form

Von Norbert Zenker

Führende amerikanische Politiker, voran Borah, der Vor­sitzende des Auswärtigen Ausschusses des Senats, und der Präsident der Vereinigten Staaten selbst äußerten sich in den letzten Tagen wiederholt in besonders auffallender Tonart über die Schulbenfrage. Offenbar besteht also beim Parla­ment, soweit es die Außenpolitik der USA. überhaupt mit beeinflussen kann, und bei der Regierung bas Bedürfnis, während der Präsidentenwahl dem amerikanischen Volke die Wahrheit, daß es mit Tributen und vermutlich auch den Schulden der einstigen Verbündeten für immer vorbei ist, nach Kräften zu verschleiern, gleichzeitig aber nach Europa hin die Wege zu einer erfolgreichen Wirtschaftskonferenz nicht von vornherein durch unüberwindliche Schwierigkeiten zu verlegen. Wenn die Bereinigten Staaten tatsächlich den bisherigen Standpunkt Hoovers trotz Lausanne nach außen aufrecht erhalten sollten, wäre ja auch die Konferenz von vornherein ohne Arbeit, und dann würbe die allgemeine Versackung in die Krise eben nur noch schwerere Formen annehmen, noch drastischer in ein allgemeinesRette sich, wer kann" ausarten, zu einem Waterloo, bei dem Hoover vermutlich die romantische, aber keineswegs dankbare Auf­gabe eines Napoleon zufallen könnte und Amerika keinen Wiener Kongreß finden würde, der einmal Frankreich trotz Napoleon rettete.

Fühlte Hoover die Schwingen des von ihm herbeige, lockten gigantischen Unheilvogel-? Seine Antrittsrede beim Beginn des Wahlkampfes bejaht diese Frckge. Kein ver­nünftiger Mensch wirb in Wahlreden und Wahlversprechun­gen nach festen Bestandteilen für eine Politik der Zukunft suchen. Bon amerikanischen Präsidentenwahlen wissen die Weltgeschichte und die besondere Historie des deutschen Schick­sals von 1918, daß dabei nur die kleinen Ehrenwörter ge­geben werben. In diesem Punkte ist selbstverständlich auch Hoover um keinen Grad weniger dunkel als der Welt­betrüger Wilson, sein verehrter Freund und politischer Lehrmeister. Gerade deswegen ist es besonders beachtlich, daß er in seiner jüngsten Rebe nicht nur zu den Ameri­kanern, sondern deutlich auch zu den Europäern gesprochen hat. Ueber die Schulbenfrage! DaS bedeutet an und für sich schon die endgültige Preisgabe der bisherigen klaren Verneinung der Schulüenstreichung, einer Haltung Hoovers persönlich, die seit langem von der ihm Nachgeordneten Ver­waltung nicht mehr geteilt und auch nicht mehr gebilligt wirb. Hoover begab sich also auf die Wege des in der Schuldenfrage ebenso unbelehrbaren Senators Borah mit etwas kleineren Schritten als dieser, entfernte sich dabei aber schon so weit von -er alten Straße, daß er nun vorwärts schreiten muß und nicht mehr zurückblicken darf, wenn er noch zur rechten Zeit am ersehnten Ziel eintreffen will.

Während Borah die Schulden schon schmerzersüllt preiS- - gab, klammert sich Hoover noch an, ihren Schein, spricht nicht von Streichung, aber von Erleichterung und glaubt noch daran, für sieKompensationen" eintauschen zu können. Die will er in der Ausweitung der amerikanischen Märkte er­blicken. Das heißt vor allem, baß die europäischen Länder

sich für eine vertragsmäßige Mehrabnahme von Erzeugnissen der Landwirtschaft und der Industrie Amerikas gewinnen lassen, um von Hoover gnädigst eine entsprechende Ermäßi­gung jener Schulden zu erreichen, die sie noch niemals aus eigenen Mitteln beglichen haben, sondern bisher durch Deutschland mittels Weiterleitung der Tribute zahlten. Hoover will also eine Wiederankurbelung der amerikanischen Wirtschaft durch die zwangsweise Steigerung der Ausfuhr erreichen. Damit schreibt er auf sich selbst als politischer und wirtschaftlicher Weltweiser, der er zu sein vorgab, eine bissige Satire. Wir haben die Hoover-These noch nicht vergessen, daß die Ausfuhr der Vereinigten Staaten für die ameri^ kanische Wirtschaft nur eine untergeordnete Rolle spiele und schlimmstenfalls entbehrlich sei, da sienur zehn v. H." der Gesamtwirtschaft ausmache. Wir fühlen noch in diesem Augenblick die praktischen Folgerungen der amerikanischen Zoll, und Handelspolitik aus diesem unüberlegten, naiven Wort des Präsidenten Hoover und müssen ihn belehren, daß nichtdie Politik der europäischen Staaten für die Wirt- schaftskrise zum großen Teil verantwortlich zu machen ist", sondern daß der amerikanische Präsident Hoover persönlich sie durch allgemein- und wirtschaftspolitische Ueberheblich- keit bis an die Grenzen des Größenwahns heraufbeschworen und durch Unbelehrbarkeit und Eigensinn bis zum heutigen Tage verschlimmerte.

Deutschland gehen die amerikanischen Schulden der anderen zwar sehr wenig an, nachdem es sich entschlossen hat, die Tributzahlungen auf keinen Fall fortzusetzen. Als politische Schuldner Amerikas haben wir nur noch mit den mixed claims" und den Besatzungskosten, zusammen 68 bis 75 Millionen Mark jährlich, zu tun, die wir als tribut­artige Belastungen noch abschütteln müssen. Vermutlich werden auch diese Summen von Hoover in die Wagschale geworfen, wenn er seine Kompensationen durchzufechten ge­denkt,' denn Deutschland kann bei derErweiterung der amerikanischen Märkte" schwerlich ausgelassen werden, wenn die beabsichtigte vermehrte Ausfuhr Amerikas ln nennens­wertem Umfange gelingen soll. Und deshalb ist die neueste Rebe Hoovers für Deutschland von ganz besonderem Inter­esse. Wie schlau, Herr Hoover! Deutschland zahlt keine Tribute mehr, und die anderen betrachten es als ihr gutes Recht, nun auch ihre Amerikaschulden zu streichen. Aber Hoover weiß einen neuen Weg zu den deutschen Taschen: Warenlieferungen an Deutschland und Schadloshaltung Amerikas aus dem daraus erzielten Erlöse.

So geht eS jedoch nicht, Herr Hoover! Deutschland duldet keine Tribute mehr, auch nicht in dieser neuen, anscheinend harmlosen Form: denn auch sie würde weiter nichts be­deuten als Fortsetzung der Tributverelenbung des deutschen Volkes, Vermehrung der Arbeitslosigkeit, Versperrung deS SSeM M einem freiep

die ganze Kraft des deutschen Volkes für Deutschland allein. Daran wirb auch die Wirtschaftskonferenz kein Titelchen ändern.

schoben. Die meisten englischen Minister und sonstigen Mit­glieder der englischen Abordnung werden auf ihm die Heim­reise antreten. Die Entscheidung, die Konferenz um zwei Arbeitstage zu verlängern, ist durch die Schwierigkeiten not­wendig geworden, die sich bei der Erörterung der Einfuhr kanadischen Holzes und kanadischen Rindfleisches nach Eng­land ergeben haben.

Der mandschurische Vertrag Ein japanischer Entwurf zum Hanptvertrag

Tokio, 18. Aug. Wie vom Außenministerium mitgeteilt wird, sieht der Entwurf zum Hauptvertrag mit der mand­schurischen Regierung folgende Punkte vor:

1. Die mandschurische Regierung bestätigt alle japanischen Rechte und Interessen, die von früheren Regierungen in der Mandschurei gewährt wurden.

2. Die mandschurische Regierung übernimmt alle inter­nationalen Rechte und Pflichten, die die chinesische Regie­rung bezüglich der Mandschurei übernommen hatte.

3. Die chinesischen Eisenbahnen in der Mandschurei gehen in die Verwaltung der südmandschurischen Eisenbahn über.

4. Japan werden Vorrechte bezüglich der Investierung von Kapital eingeräumt.

6. Japan wird die Freiheit der gewerbsmäßigen Betäti­gung in der ganzen Mandschurei gewährt.

6. Die Verwaltung der Polizei und des staatlichen Schutzes werden Japan anvertraut.

7. Die mandschurische Regierung verpflichtet sich, die Stel­lungen der japanischen Mitarbeiter in den mandschurischen Regierungsorganen zu garantieren.

Alte" Reichstagsabgeordnete

109alte" Reichstagsabgeordnete beziehen immer noch Diäten 70 000 RM. ohne Gegenlei st un g.

Nachdem der Reichswahlleiter jetzt das endgültig« amt­liche Ergebnis der Reichstagswahlen vom 31. Juli ver­kündet hat, ist der neue Reichstag nunmehr gebildet, wenn er auch noch nicht zusammengetreten ist. Die neuen Reichs­tagsabgeordneten stehen gewissermaßenGewehr bei Fuß", um alsbald in Aktion zu treten. Da wird man in weite­sten Bevölkerungskreisen überrascht sein, wenn man hört, daß annähernd ein Fünftel der Abgeordneten deS alten Reichstags auch jetzt noch im Besitz ihrer vollen Abgeorb- netenrechte sind. Es handelt sich um den Retchstagsprästden- ten, die drei Vizepräsidenten, die Mitglieder des Auswärti­gen Ausschusses und des Ausschusses zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung sowie deren Stellvertreter, insgesamt 109 Abgeordnete. Die Mitglieder des ReichStagöpräsidtums

und der beiden Ausschüsse behalten ihre Abgeorbneteneigeu- schaft bis »um Zusammentritt des neuen Reichstags, weil das Präsidium di« Geschäfte des Reichstags weiter zu führen hat und weil sowohl der Auswärtige Ausschuß als auch der Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung so­genannt«ständige Ausschüsse" sind, die auch zwischen zwei Wahlperioden zusammentreten können. Dies« 109alten" Reichstagsabgeordneten erhalten daher auch ihre Diäten bis zum Tage des Zusammentritts des neuen Reichstags, d. h. also im vorliegenden Falle einen Monat länger, als die übrigen Abgeordneten des alten Reichstags. Der dem Reich hieraus erwachsenen Ausgabe von 6670 006 RM. stehen, wenn man von der Führung der Reichstagsgeschäft« durch den Präsidenten ober seinen Stellvertreter absteht, so gut wie keine positiven Leistungen gegenüber. Der Auswärtig« Ausschuß hat nicht getagt. Der Ueberwachungsausschuß hat zwar einige Sitzungen abgehalten, jedoch ohne praktisches Ergebnis. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß die Fretfahrkarte der genannten 109 Abgeordneten erst mit dem achten Tage nach dem Zusammentritt des neuen Reichstags abläuft. _

Die Bergungsarbeiten an derNiobe"

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^ Rettungsboot des gesunkenen S-Hnischines nnrd aus SergungsdampferHiew" gehoben. Die endgültige ng des Wracks, das bekanntlich zur Zeit im Kieler liegt, ist für die nächsten Stunden zu erwarten.