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Nr. 172
Amts- und Anzeigeblatt für äen Oberamtsbezirk Laliv.
Montag den 27. Juli 1925.
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99. Jahrgang
Ehamberlain Aber die PakLnote.
Eicherheitsangebot und Räumung.
Tendenziöse Berquikkungsoeefuche.
TU. London, 27. Juli. Der englische Außenminister Lhani- berlain erklärte in einer Rede in Birmingham zu der deutschen Antwortnote folgendes: Offen gestanden bin ich etwas enttäuscht darüber, daß die deutsch« Antwortnote fo gehalten ist, daß seines Erachtens weitere schriftliche Meinungsäußerungen ganz unvermeidlich werden, anstatt daß die Vertreter der beteiligten Länder sich zu einer persönlichen Aussprache versammeln konnten, um eine allseits befriedigende Vereinbarung zu- s^ndezuüringen. Ich erkenne jedoch an, daß die Note von dem Wunsche diktiert ist, die Vorschläge für einen gegenseitigen Sicherheitspakt weiter zu fördern. Ich bin der festen Zuversicht, daß die Regelung der Sicherheitsfraae und die Behebung dieses Gefühls der Furcht vor einer künftig drohenden Gefahr, die den Weltfrieden wiederum erschüttern könnte, eine fühlbare Erleichterung nicht nur bei denjenigen Nationen Hervorrufen wird, die von dem Pakt, an sich die englische Regierung beteiligen will, unmittelbar berührt werden, sondern eine fühlbare Erleichterung in der ganzen Welt. Ich hoffe, daß dann auch andere Völker in ihrer eigenen Sphäre angesichts der ihren Weltteil bedrohenden Gefahren sich veranlaßt sehen können, das Beispiel der westlichen Großmächte erfolgreich nachzuahmen. Schon die Anregung zu diesem Meinungsaustausch, die bloße Tatsache, daß ein derartiger Vorschlag von Deutschland ausging, und von den Alliierten begrüßt wurde, hat ein merkliches Nachlassen der bis dahin vorhandenen Spannung bewirkt. Die Räumung des Ruhrgebiets und der drei Sanktionsstädle ist im Gange oder steht bevor, und wenn Deutschland ehrlich und reibungslos cce restlichen Forderungen der Alliierten in der Ent- wastnungSfrage erfüllt, so werden die Alliierten ihrerseits veranlassen, daß Köln zusammen mit der ersten Zone des besetzten Gebiets von fremden Truppen befreit wird. Die Unterstützung Englands ist notwendig, um die schwebenden Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Es darf nicht angenommen werden, daß wir an den Beziehungen unserer Nachbarn zueinander an ihrer Sicherheit oder an dem Frieden in Europa kein Interests hätten. Von mancher Seite hat man sich dagegen gewandt, daß wir die bestehenden Grenzen zwischen Frankreich und Belgien einerseits und Deutschland andererseits in irgend einer Form garantieren wollen. Aber cs muß betont werden, daß die Unverletzbarkeit dieser Grenzen die Grundlage unseres engeren Schutzes bildet. Es stände in unserer Macht, durch Uebernahm« der Garantie für dieses Friedensabkommen Frankreichs und Belgien ebenso wie Deutschland ein Maß von Vertrauen zu vermitteln, das diese Mächte in einem Ver- tragswcrk, an dem wir nicht beteiligt sind, nie finden könnten.
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Baldwin wirbt für den Völkerbund.
Die üblichen Lockungen.
TU. London, 27. Juli. Baldwin hielt vor Mitgliedern der Konservativen Partei in Liverpool eine Rede, in der er sich eingehend mit der außenpolitischen Lage befaßte. Das befriedigendste Merkmal der außenpolitischen Lage sei der offenbare Wunsch der Mehrheit des deutsches Volkes, daß die Verhandlungen, die auf einen dauernden Frieden in Europa hinzielcn,
fortgesetzt würden. Die deutsche Antwort auf die französische Not« sei eingetrosfen und, wenn er auch nicht imstande sei, ihren Inhalt ausführlich zu erörtern, so erkenne er doch ihre versöhnliche Absicht an. Die Stabilität in Europa sei nicht nur für das politische, sondern auch für das wirtschaftliche und industrielle Leben von Interesse. England und Frankreich wünschten, daß Deutschland sobald wie möglich in den Völkerbund einlrete. Wenn es einmal Mitglied des Bundes auf der Grundlage völliger Gleichberechtigung sei, würden alle Probleme eine neue und klarere Gestalt gewinnen. Die vorgeschlagenen Vereinbarungen seien im Geiste der Völkerbnndssatzung abgefaßt und befänden sich in Uebereinstimmung mit dem Bunde. Es sei wahr, daß Deutschland noch immer mißtrauisch sei, wenn es von der Gefahr spreche, eine entwaffneie Nation inmitten bewaffneter Nachbarn zu sein. Deutschland könne, wenn es Mitglied des Völkerbundes sei, den Großmächten gegenübertreten, damit diese ohne unnötige Verzögerung dazu übergehen, die Frage der Abrüstung, die einen Teil der Völkerbmidssatzung selbst bildet, zu erwägen. Es gebe drei Etappen zum Frieden: Sicherheit, Schiedsspruch und Abrüstung.
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Die Räumung der Stadl Essen.
TU. Esten» 27. Juli. Gestern vormittag erfolgte der Abzug von drei Batterien mit je drei Geschützen des französischen Artillerieregiments 25 aus Essen. Damit ist als erstes öffentliches Gebäude der Stadt das Gymnasium in Bredeney von der Besetzung völlig geräumt. Bereits um 6.39 Uhr früh verließ die erste Batterie das Bredeneyer Truppenquartier, der um 9.30 Uhr die zweite Batterie folgte. Nachdem dann um 1 Uhr tags die Trikolore eingczogen worden war, verlieh auch die letzte Batterie mit dem Rest der Mannschaften Bredeney. Di: Truppen wurden aus dem Bahnhof Essen-Süd niit dem Marschziel Landau verladen. Um 3 Uhr besichtigte eine Kommission von Stadtvertretern da« sreraewordene Gvpmasium, besten Innenausstattung größeren Schaden daoongetragcn hat. Mit allen Kräften wird in den nächsten Wochen an den Wiederaufbau der Schule herangegangen werden, so daß voraussichtlich der Lehrbetrieb nach den Herbstscrien wieder ausgenommen werden kann. Die Räume legen in ihrer derzeitigen Beschaffenheit ein beredtes Zeugnis der zweieinhalbjährigen Besatzung ab. Der Abzug dieser Artillerieabteilung ging ohne jede Reibung mit der Bevölkerung vor sich. Dem Vernehmen noch wird am Dienstag früh ein weiteres Bataillon Infanterie Esten verlassen.
Rückgabe der Privatwasfen.
TU. Essen, 27. Juli. Die Besatzungsbchörde hat die Gemeindeverwaltungen in Kenntnis gesetzt, daß die bei der Besatzung abgelicserten Privatwasfen, die als Kriegswafsen geltenden wurden ausdrücklich ausgeschlossen, gegen Aushändigung der seinerzeit von den deutschen Behörden erteilten Empfangsbescheinigung und einer von der Poilzsi ausgestellten Vollmacht wieder in Empfang nehmen könnten. Der Oberbürgermeister fordert daher im Verwaltungspolizeibezirk Essen-Stadt und Land die Inhaber der Empfangsbescheinigungen auf. in der Zeit vom 28. Juli bis 4. August dieses Jahres die Empfangsbescheinigungen gegen Quittungen nach Ausstellung einer Vollmacht abzuliefern.
Der Streit um den Finanzausgleich.
Der Reichsfinanzminifter
gibt nicht
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< ^Berlin. 28. Juli? Der Steuerausschutz des Reich chages setzte die zweite Beratung der Steuergesetze so: iund zwar beim gegenseitigen Besteuerung^ recht von Reich, Ländern und Gemeinde: Zunächst wurde die Frage der Besteuerung der öffen "chen Betriebe zur Erörterung gestellt. Staatssekretc ^ l ersuchte angesichts des Kompromisses,
r vrs sro»ipi.vinc>ies, oc
tm Reichsrat mit den Ländern und Gemeinden abgeschlo werden soll, keine neuen Anträge mehr zu stellen, d noch bestehenden Anträge abzulehnen und es bei den bi Lerigen Beschlüssen auf Grund des Kompromisses s Sehe im übrigen nicht an, die gemischtwir k?- Unternehmungen mit den Versorgungsbetri
Len gleichzustellen. In der Debatte teilte der preuß I?» ^II*br mit, Hatz „ach Stichprobt
m^usFcstwri der Gemeinden für Wohlsahrtszwecke si sin Preußen von 92 auf 890, in Bayern von 17 auf 70 Mi gegenüber der Vorkriegszeit gesteigert haben. I s/k«*I^"umung wurden alle Abänderungsanträge abg ^ blieb hinsichtlich der Besteuerung der öffen ltchen Betriebe bei den Bestimmungen der Regierung: Vorlage. Angenommen wurde ein sozialdemokratisch! iAitrag, wonach GmbH's. und wirtschaftliche Genosse, "icht nach 8 4 von der Körperschaftssteuc e Ä*' statt 20 nur 10 Prozent Körperschaftssteue iÄ?nsi>lIen. sofern der Sitz der Leitung im Inland uegt und weder das Stammkapital noch die Summe de Umlagen nach der bei der letzten Vermögensaufstellun Ln aaci .Zermögensveranlagung den Betrag vo L0 000 RM. übersteigt. Angenommen wurde ferner ein Meltimmuna. die den Ländern und-Gemeinden das Reä
gibt, die Reichspost zu denjenigen Abgaben yeranzuzleyen, die ganz oder zum Teil für die Unterhaltung der öffentlichen Wege verwendet werden. Diese Abgabe dürfe jedoch nicht für Fahrten gefordert werden, die lediglich vostalt- schen Zwecken der Brief- oder Paketbeförderung dienen.
Ueber die Quotenbeteiligung an den Reichssteuern erklärte Staatssekretär Dr. Popitz, die Reichsregierung halte an der Regelung der ersten Lesung unbedingt fest. Sie will jedoch den Bedenken der Länder Rechnung tragen, die in der erhöhten Umsatzsteuerbeteiligung keinen genügenden Ausgleich für die Herabsetzung ihrer Einkommen- und Körperschaftssteueranteile erblicken, und ihnen die Umsatzsteueranteile nach dem geschätzten Aufkommen von 1500 Millionen Reichsmark garantieren, das heißt, ihnen die etwa fehlenden Beträge aus Mitteln des Reichshaushaltplanes zur Verfügung zu stellen. Für die Einführung der selbständigen Quotenerhebung in der Einkommen- und Körperschastssteuer ist die Reichsregierung nachdrücklich schon vom 1. April 1926 ab eingetreten. Da die Einführung erst ab 1. April 1927 beschlossen und von statistischen Erhebungen abhängig geinacht worden ist, wurde mit dem Reichstag eine entsprechend abgeänderte Fassung der Vorschriften vereinbart. Bezüglich des 8 69 des Finanzausgleichgesetzes erklärt die Reichsregierung nochmals nachdrücklich, daß jede Kontrollabsicht der Rerchsregierung fernliegt und daß es sich nur um eine Finanzstatlstik handelt, die für die endgültige Regelung des Finanzausgleichs unerläßlich ist.
Demgegenüber erklärte der Abg. Dr. Horlacher (B. Vpt.j unter Darlegung der bayerischen Finanznot, daß sich seine Partei in diesem Stadium der Ausschutzberatungen der Stimme enthalten werde. Die Bayerische Volks- Partei wolle, daß die Reichsregierung mit dem Retchsrat tn endaültiae Emiaunasverbaädlunoen aintrets.
Tages-Spiegel.
Ehamberlain hielt in Birmingham eine Redr über die Paktnote, worr» er in tendenziöser Weise Srchsrheilsangebot unv Ruhrräumung verquickte. Die Ruhrräumung, welche schon aus der Londoner Konferenz feierlich zugesagt worden ist, kann mit dem deutschen Sicherheitsangebot nicht im geringsten in Verbindung gebracht werden. *
Ministerpräsident Baldwin plädierte in einer Rede in Liverpool erneut für Deutschlands Eintritt in den Völkerbund.
In London rechnet man zunächst mit der Weitersützruna des MeinungsaustauschS über de« Sicherheitspakt auf schriftlichem Wege.
Der vom englischen Kabinett beschlossene Ausbau der englische,, Kreuzerslotte scheint den Anstalt zu neuen Flottenrüstunge» auch in Amerika zu bilden. ^
Wie aus Newyork gemeldet wird, wird das Flettnersche Notorschiff Buckau in amerikanischen Zeitungen zum Kauf an- geboten. ^
Frankreich rüstet in Marokko zum vernichtenden Schlag gegen die Risleute. Die Operationen sollen heute beginnen.
Der polnisch« Außenminister Slrzynvki trisst am 1. August von seiner Amerikarcise in Europa ein. Er wird sich auf der Rückreise nach Paris begeben, um Briand einen Besuch ab, zustatten. ^
Wie aus Shanghai berichtet wird, sind verschiedene Protest» kundgebungen gegen die Maßnahmen des mandschurischen Generals, der den Oberbefehl über Shanghai hat, abgehalten worden. Der Oberbefehlshaber hat am Donnerstag mehrere Büros der Arbeitergewerkschasteu schließen laste«.
wer preutzrsche Finanzmlntster Dr. Höp, ker,Aschoss betonte den besten Willen der Lande» zur Einigung, erklärte aber die Regierungsvor.' läge in dieser Form als für die Länder unannehmbar.
Reichsfinanzminifter Dr. v. Schrieben erinnerte daran, daß das Reich tn erster Linie an die Erfüllung des Londoner Abkommens denken müsse- dessen Nichterfüllung mit ihren politischen Folgen all§ Wiederausdauarbeit vergeblich mache. Das Reich müsse daraus die doppelte Konsequenz ziehen: Sowohl die Beherrschung des Steuersystems m möglichst vollem -Umfange zu behaupten, wie sich den Anteil an dem Steueraufkommen zu sichern, der ihm die ihm obliegen- den Leistungen ermöglicht. Außerdem müsse die Steuer- Politik so geführt werden, daß die Wirtschaft einerseits ihre wesentliche Funktion erfüllt, für die politische und' kulturelle Neuentwicklung des deutschen Volkes die Grundlage zu bilden, anderseits aber auch den ihr nach dem Reparationsplan obliegenden Verpflichtungen nicht nur im Augenblick, sondern auf die in Aussicht genom- menen langen Jahre gewachsen bleibt. Das deutsche Volk befinde sich in einer Schicksalsgemeinschaft und müsse' gemeinsam die schweren Lasten der Reparationen tragen- Deshalb könne den Ländern, so sehr er es ihnen aönne, nicht mehr zugestanden werden. Für die Regierungspar, teien führte der Abg. Keinath (D. Vpt.) aus, daß die Der. Handlungen des Steuerausschusses bewiesen hätten, wis unmöglich es sei. über den bereits zugestandenen Finanz- misgleich hinwegzugehen. Die Regierungspartei hätte sich die größte Mühe gegeben^ den Ländern und Gemeinden soweit wie nur irgend möglich entgegenzukommen. Aus er begründete die Notwendigkeit einer genauen Abgren zung der Aufgaben von Reich, Ländern und Gemeinde: rn einem besonderen Reichsgesetz und der genauen Fesl setzung der Höhe der Anteile an den Ueberweisungsstelle auf Grund einer genauen Steuerstatistik.
Generalstreik im Eaargebiet.
TU. Saarbrücken, 27. Juli. Nachdem vie Caarregierung i» dem Lohnkonslikt zwischen Bergarbeitern unv den Bergwerks- virektionen eine Vermittlung abgelehnt hat, ist heute in einer stürmisch verlaufenen Revierkonserenz der Bergarbeiter-Spitzen- - Organisationen für diese Nacht 12 Uhr im ganzen Saarbergbau die Deneralstreikparole ausaegeden worden. Damit hat die Krise im Saargebiet eine Entuncklung angenommen, die für das gesamte Wirtschaftsleben von schwersten Folgen sein muß. Es handelt sich um etwa 74 000 Bergarbeiter, die nunmehr vollständig der allgemeinen Wohlsahrtssorge anheimfallen, nachdem schon in den letzten Wochen teilweise nur drei Schichten mit 45 Franken Wochenlohn verfahren worden find. Durch Verhandlungen haben die deutschen Behörden für die im Trierer, Birkenfelder und Pfälzer Gebiet wohnenden Bergleute eine gewisse Vorsorge getrosten. Einer großen Anzahl von Familien werden bei einem Tagesverdienst von nicht viel mehr als einer Mark nach Abzug der Steuern und sozialen Lasten schon längst Unterstützungen zugewiesen. Die Entsendung von Abordnungen nach Genf hat bei dem hunderttägigen Bergarbeiterstreik zu Beginn der Ruhraktion 1923 leinen Erfolg gezeitigt. Die Nichtbeantwortung'verschiedener dringender Petitionen ist ebenfalls in keiner Weise geeignet, die berechtigte Erbitterung zum sozialen Frieden zu führen.