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Nr. 156
Donnerstag, den 7. Juli 1932
Jahrgang 105
Kein Nachgeben Frankreichs in Lausanne
Herriot macht keine politischen Zugeständnisse — Ein verlorener Verhandlungstag
-- Lausanne, 7. Juli. Die Verhandlungen zwischen den Staatsmännern find auch gestern ergebnislos geblieben. Die Meinungen stehen einander schroff gegenüber. Die deutsche Auffassung, daß die endgültige Bereinigung der Tributfrage gleichzeitig zu einer Bereinigung der mit der Tributfragc zusammenhängenden politischen „Diskriminationen" Deutschlands führen müsse und nur auf diesem Wege eine allgemeine Gesundung der Atmosphäre, Wiederherstellung des Vertrauens und damit der erste Schritt zum allgemeinen Wiederaufbau Europas getan werden könne, ist auf französischer Seite auf die bisherige verständnislose und harte Ablehnung gestoßen. Es besteht dennoch die Hoffnung, daß es dem ungewöhnlich mutigen und energischen Eingreifen Macdonalds gelingen wird, die jetzt in aller Schärfe ausgebrochene Krise zu überwinden.
Im Verlauf der gestrigen Vollsitzung der Konferenz hat Macdonald wiederholt darauf hingewiesen, daß ein Zusammenbruch unvermeidlich zu einer allgemeinen Katastrophe führen würde, jedoch ist Herriot nicht einen Schritt von seiner vollständig ablehnenden Haltung abgewichen und hat weder in der Frage der Höhe der Summe der deutschen Abschlußzahlungen, noch in den damit zusammenhängenden politischen Fragen irgend welches Entgegenkommen gezeigt. Das einzige Ergebnis der gesamten Verhandlungen am Mittwoch liegt allein darin, daß Herriot sich eine neue Prüfung der verschiedenen Vorschläge Vorbehalten hat und im Laufe des heutigen Donnerstag seine endgültige Stellungnahme bekannt geben will. I« der Nachtsitzung hat sich übrigens zum erstenmal eine vollständige Uebereinstimmung der fünf Mächte gegenüber dem französischen Standpunkt ergeben, wodurch praktisch eine Isolierung der französischen Haltung zu verzeichnen ist. Der dringende Wunsch bet den sämtlichen übrigen Mächten, ein positives Ergebnis der Konferenz herbeizusühren, hat sich zum ersten Mal in einer Ablehnung des französischen Standpunktes geäußert. Die deutsche Abordnung bleibt unter allen Umständen bei ihrem Standpunkt und verlangt immer wieder eine Gesamtbereinigung sämtlicher mit der Tributsrage zusammenhängenden Fragen.
In allen internationalen Kreisen wurde erklärt, daß die deutsche Abordnung in den stundenlangen außerordentlich hartnäckigen Kämpfen, die vielfach zu äußerst kritischen Momenten führten, mit Entschiedenheit ihren Standpunkt
TU. Berlin, 7. Juli. Am Mittwochabend sprach Reichs- ernährungsminister von Braun im Rundfunk. Er führte in seiner Rede u. a. aus:
Zum erstenmal in der Nachkriegszeit wird Deutschland in diesem Jaare in seiner Brotversorgung frei und unabhängig vom Auslände sein. Niemand in der Welt kann uns wie noch vor Jahren heute durch Hunger auf dt? Knie zwingen. Die wichtigsten Nahrungsmittel wie Brot, Kartoffel, Fleisch und Fett stehen uns aus eigener Erzeugung in ausreichendem Maße zur Verfügung. Sie werden auchfürbieDauerin solchem Umfang im Inland erzeugt, wie die Ernährung unseres 65-Millionen-Volkes es beanspruchen kann. Gleichwohl hat der Staat auch Aufgaben in der Verteilung des Erntesegcns zu erfüllen. Besonders sind die Getreidepreise das ganze Jahr über stabil zu erhalten. Auf der einen Seite muß der Landwirt in die Lage versetzt werden, seine Ernte nach Einbringung nicht nnmittel ^r abstoßen zu müssen, ans der anderen Seite muß für die Getreidemengen, die in den nächsten Monaten über den laufenden Bedarf hinaus auf den Markt gebracht werden, die Möglichkeit der Aufnahme geschaffen werden.
Wirksam können aber die notwendigen Maßnahmen nur werden, wenn gleichzeitig jeder Angebotdruck von dem noch immer völlig in Unordnung befindlichen und unberechenbaren Weltgetrciöemarkt auf unseren Markt ausgefchaltet wird.
Ich nehme jedoch an. Saß alle Maßnahmen, die Las Angebot an Getreide aus dem Jnlanöc für die nächste Ze« möglichst gering halten sollen, nicht ausreichen werden, um 5 "e gesunde Preisentwicklung in den nächstem Monaten herbeizusühren. Ans diesem Grund ist in erster ^ie dafür gesorgt, daß die Bestände aus alter Ernte »um alten Erntejahres als verbraucht gelten können, aanr»« .MMen urih Handel treten im großen und
«UP -.'""geräumten Speichern in das neue Erntcjahr ein. rhöhmng der Aufnahmefähigkeit sollen
verfochten habe. Die feste Haltung der deutschen Abordnung hat wesentlich dazu beigetragen, daß eine weitgehende Uebereinstimmung zwischen den Vertretern Englands, Italiens, Belgiens und Japans im Sinne des deutschen Standpunktes zutage getreten ist.
Um iste politische« Forderungen
Auf französischer Seite soll man sich nach französtschen Mitteilungen in den gestrigen Verhandlungen bereit erklärt haben, von der ursprünglichen Forderung von 4 Milliarden abzugehen, falls die deutsche Regierung in den politischen Fragen ihre bisherige Haltung aufgebe. In der Frage der Streichung des Teiles 8 des Versailler Vertrages soll ein französischer Vermittlnngsvorschlag zur Verhandlung gestellt worden sein, der aber vom Reichskanzler als unannehmbar abgelehnt wurde. Es wird nunmehr versucht, doch noch eine Formulierung zu finden, die eine Eini- gnngsmöglichkeit bietet. Herriot erklärte gestern abend der Presse, es sei alles vollständig im Dunkeln. Er habe Sie politischen Forderungen der deutschen Abordnung aus Anerkennung der Gleichberechtigung Deutschlands in -er Abrüstungsfrage und Streichung des Kriegsschuldartikelö 321 des Versailler Vertrages abgelehnt und müsse die Versuche, die politischen Forderungen mit der Tributfragc zu verbinden, von sich weisen.
Auf englischer Seite wird ein Vorschlag erwogen, die von Deutschland geforderte Streichung des gesamten Teiles 8 des Versailler Vertrages (Tribute und Kriegsschuldlüge) dadurch zu regeln, daß in der Schlußerklärung der Konferenz bestimmt wird, das neue Abkommen trete an die Stelle des Teiles 8 des Versailler Vertrages. Eine derartige Formulierung soll der französischen Regierung die Annahme der deutschen Forderungen erleichtern, da damit der Kriegsschul d p a r a g r a p h nicht ausdrücklich aus der Welt geschafft, sondern lediglich der gesamte Teil 8 einschließlich des 8 231 durch das neue Abkommen ersetzt würde.
Am Mittwoch vormittag haben Besprechungen -er beteiligten Mächte über die englisch-französische und die englischitalienische Kriegsschuldenregelung stattgefunden. In der Unterredung zwischen Macdonald und Herriot soll auf englischer Seite zum Ausdruck gekommen sein, daß die englische Regierung zu einem Entgegenkommen in der englisch- französischen Schuldenfrage bereit sei, falls die französische Regierung ihrerseits in der Regelung der deutsche« Tributfrage Entgegenkommen zeige.
den Käufern, namentlich der -weiten Hand, ausreichende Kredite zur Verfügung gestellt werden. Ferner wivd für das neue Erntejahr wiederum der Vermahlungszwang von 97 v. H. etngeführt. Um eine möglichst starke Einlagerung zu erreichen, ist mit den Weizenmühlen vereinbart, daß sie über die normalen Vorräte hinaus zusätzlich etwa 230 00v Tonnen Jnlandsweizen von ihren übrigen Vorräten getrennt für 4 Monate einlagern.
Als weiteres Entlastungsventil wird auch das Austauschverfahren für Weizen und Roggen am 1. August 1932 in Kraft gesetzt. Das Verfahren ist dabei so gestaltet worden, daß die Entlastungswirkung vor allem in den ersten Monaten nach der Ernte fühlbar wird. Zugunsten des Roggenmarktes wird eine Erhöhung des Roggerrver- brauchs um mehrere hunderttausend Tonnen durch Aufhebung der im letzten Frühjahr zur Streckung der Roggenvorräte eingeführten Festsetzung der Ausmahlungsgrenze von 70 Prozent erreicht werden. Die noch im Besitz der deutschen Getreiöehandelsgesellschaft befindlichen Mengen an Russcnroggen werden nicht am Gctreidemarkt, sondern verkoppelt mit deutscher Gerste zur Stützung des Gerstenmarktes abgesetzt werden. Dieser Aktton sollen später Verkoppelungen mit anderen Getreidearten folgen. Den Geflügelhaltern wirb in stark erweitertem Ausmaße und unter der Bedingung, die Eier zu standardisieren, verbilligter Mais zur Verfügung gestellt werden. Den durch die dargelegten Maßnahmen gekennzeichneten Kurs der Getreidepolitik wird die Reichsregierung während des ganzen Jahres in der ganzen Linie durchhatten. Der Bauer kann deinnach mit Ruhe der Entwicklung des neuen Ernte- jahreS entgegensehen und dem Verbraucher wird Brot zu gleichbleibendem Preis zur Verfügung stchen.
Die Verluste, die die Landwirtschaft an tierischen Erzeugnissen in dem letzten Jahr gehabt hat, sfttd nach meinen Berechnungen etwa das 5—Sfache dessen, was im Getreidebau verloren ist. Wenn ich die Getreideernte heute
Tages-Spiegel
I« Lausanne sind die Verhandlungen infolge der hartnäckigen Weigerung der Franzose«, a«f die deutsche« politische« Forderungen einzngehe«, erneut ins Stocken gekommen.
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Der Führer der amerikanischen Abrüstungsabordnnng, Gibson, tras gestern a«s Gens in Lausanne ei«, «m Wf Macdonald über die Behandlung des Hooverscheu, Mz rüstnngsplans zu verhandeln. stosssV
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Die Bölkerbnndsversammlnug hat gestern einstimmig ckW Aufnahme der Türkei in den Völkerbund beschlossen. '' rs6
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Neichsernährnngsminister v. Braun legte in einer N«nd- funkrede das Programm der Negierung zur Erntesicherung d«r. Die Frühkartoffeleinftrhr ist durch Reichsgesetz beschränkt worden.
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Die amerikanische« Weltflieger sind nach einem Atlantikflng von 11 Stunden gestern nachmittag in Berlin eingetroffe« «nd nach kurzem Aufenthalt nach Moskau Weitergeflogen.
Der dentsche Fernflieger v. Gronau beabsichtigt demnächst seine Forschungen z«r Erkundung des zweckmäßigsten und günstigste« Wegs z« einem planmäßige« Atlantikflngver- kehr über Grönland—Island fortznsctzcn.
allein behandelt habe, so ist das deswegen geschehen, weil die Ernte unmittelbar vor der Türe steht und alle Beteiligten auf das Programm warten. Die großen Aufgaben, die die Regierung dann zu lösen hat, liegen ans dem Gebiet der tierischen Erzeugung und aus dem Gebiet von Obst, Gemüse, Holz usw.
Kontingentierung der Frühkartoffeleinfuhr
TU. Berlin, 7. Juli. Im Reichsanzeiger erscheint eine Verordnung des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft, durch die die Einfuhr von Kartoffeln in der Zeit bis zum 31. Juli 1932 unter Einfnhrver- b o t gestellt wird. Ohne Bewilligung zugelaffen ist nur noch die Einfuhr von Kartoffeln, soweit sie unter Einbeziehung der seit dem 1. Juli 1932 eingeführten Mengen 70 v. H. der Gesamtkartoffeleinfuhr im Juli 1931 nicht übersteigt. Der Anteil der einzelnen Länder an diesem Kontingent wird nach ihrer Durchschnittseinfuhr in den Monaten Juli 193« und 1931 berechnet. Ab 1. August 1932 tritt der handelsvertraglich nicht gebundene höhere Kartoffelzoll wieder in Kraft.
Diese erste von deutscher Sette erfolgte Einfuhrkontingcn- tierung ist mit der übermäßigen Einfuhr von Frühkartoffeln, die den Absatz der eigenen Landeserzeugnisse behindert, begründet. Mit ihr ist eine grundsätzliche handelspolitische Entscheidung gefallen. Die erste Maßnahme der Einfuhrkontingentierung liegt auf dem von der Regierung Papen vorgezeichneten Wege der binnenwirtschaftlichen Orientierung der Handelspolitik. Bisher waren einige Holzzölle erhöht, die Zwischenzölle für Speck und Schmalz beseitigt und der deutsch-schwedische Handelsvertrag gekündigt worden. Die autonome Kontingentierung der Einfuhr, die zunächst nur für ein Erzeugnis vorgenommen worden ist, würde es der Negierung ermöglichen, die Einfuhr auf das Maß des ohne Schädigung des Binnenmarktes gerechtfertigten Bedarfes zu beschränken.
Die amerikanischen Weltflieger in Berlin
TU. Berlin, 7. Juli. Die amerikanischen Ozcanflieger JamsMattcrn und Bennet Griffin find gestern um 17.40 Uhr auf dem Tempelhofer Feld glücklich gelandet. Die Flieger wurden von einer begeisterten Menge mit Tücher- schwenken und Hochrufen begrüßt. Die Flieger waren am Dienstag um 23 Uhr.28 Minuten MEZ. von Harbour-Grace auf Neufundland aus aufgestiegen, überflogen gestern morgen um 1« Uhr 4« Minuten MEZ. die Stadt »osapenna ander Nordküste Irlands, erreichten um 14.18 Uhr Bremen und um 16.10 Uhr Hannover.
Griffin und Mattern gaben nach ihrer Begrüßung m Berlin nur sparsam Auskunft über ihren Flug, da sic den Wunsch hatten, sich zunächst zu erholen. Sie sagten nur, daß sie über dem Ozean recht schlechtes Wetter gehabt hätten, so daß sie gezwungen waren, oft bis ans 5 Meter über den Wasserspiegel herabzugehen. Gelitten hätten sie zum Schluß des Fluges unter starkem Hunger, da ihre Lebensmittel für die lange Reise doch etwas zu knapp gewesen seien.
Die amerikanischen Weltflieger find bereits am Mittwoch abend 21.02 Uhr vom Zentralslnghafen Tempelhof aus -um Weiterflug «ach Moskau aufgestiegen,
Brotversorgung und Erntesicherung
Das Programm des Reichsernährungsministers v. Braun — Binnenwirtschaftliche
Orientierung der Handelspolitik