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Dienstag, den 7. Juni 1932
Reichslagsneuwahlen am 31. Juli
Rücksichtnahme auf die Lausanner Konferenz bei Festsetzung des Wahliermins Das Kabinett Brüning weist die Angriffe des Kabinetts v. Papen zurück
Wohin gehe« die Vorwürfe?
Jahrgang 105
Tages-Spiegel
TU. Berlin, 7. Juni. Amtlich wird mitgeteilt: Der Reichspräsident hat durch Verordnung den Termin für die Neuwahlen des Reichstages ans Sonntag, den 31. Juli, festgesetzt.
Dieser späte Wahltermin überrascht, weil der Reichs- sinanzminister noch am Samstag sich für den 3. Juli eingesetzt hatte, entsprechend den Wünschen der Nationalsozialisten, die auf möglichst beschleunigte Wahlen drückten. Ausschlaggebend ist offenbar' gewesen, daß die Regierung eine gewisse Beruhigung eintreten lassen und den Wahlkampf nicht in die Zeit der Lausanner Konferenz hineinfallen lassen wollte. Dazu kam wohl die Ansicht, daß ein Termin für Ende Juli für den größeren Teil der Landwirtschaft besser liege als der Anfang. Die Hinausschiebung der Neuwahlen hat zur Folge, daß Deutschland einem Wahlkampf von beinahe 8 Wochen ausgesetzt wird, der aller Voraussicht nach sehr heftige Formen annehmen dürfte.
Die ersten Arbeiten des Kabinetts Zur Vorbereitung der nächsten Kabinettfitzung begannen mn Montag im Rcichsfinanzministerium Referentenbesprechungen über die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um im Interesse der Inganghaltung des Staatsapparates die notwendigsten Zahlungen für die nächste Zukunft leisten zu können. An den Besprechungen nehmen auch Vertreter des Wirtschafts- und des Arbeitsministeriums teil. In welcher Weise die nötigen Gelder herbeigeschafft werden, ist eine noch offene Frage. Es kann infolgedessen auch noch nicht gesagt werden, ob die von der Regierung Brüning geplante Bcschästignngssteuer oder die Verlängerung der Bürgerfteucr kommen werden.
Am Montag abend empfing nach einer Meldung des „Tag" Reichskanzler von Papen den Führer der DNVP., Dr. Hugenberg -zu einer Aussprache, die man in parlamentarischen Kreisen mit der Preußenfrage in Verbindung bringe. Es seien weitere Empfänge von Vertretern der Nationalsozialisten und des preußischen Zentrums geplant. Ob die Verhandlungen zu einem Ergebnis führen würden, lasse sich noch nicht übersehen.
Schaffer znm Reichsarbeitsminister ernannt Amtlich wird mitgeteilt: Der Reichspräsident hat auf Vorschlag des Reichskanzlers den Präsidenten des Reichsversicherungsamtes, Schäffer, zum Reichsarbeitsminister ernannt.
Freiherr von Neurath über die außenpolitischen Ausgabe« Freiherr von Neurath gewährte nach einer Meldung ans London einem Vertreter des Mutterbüros eine Unterredung, in der er u. a. erklärte: Es müsse für jeden unvoreingenommenen Beobachter klar sein, daß das neu« deutsche Kabinett, bas sich aus Männern guten Willens und gesunden Menschenverstandes zusammensetze, die zum größten Teil als Beamte beträchtliche Schulung für ihre jetzigen Posten erhalten hätten, eine Fachregierung darstclle, die eingesetzt wurde, um die vielen schwierigen Probleme zu behandeln, denen sich Deutschland gegenüber sehe. Wichtige Konferenzen ständen bevor. Wenn sie Erfolg haben ^llen, so müsse die gesamte Frage in einem Geist der Zusammenarbeit zwischen allen auf diesen Konferen- zen vertretenen Nationen in Angriff genommen werden. Er sehe mit Interesse dem Zusammentreffen mit den englischen Staatsmännern in Lausanne entgegen, mit denen er durch glückliche Erinnerung gemeinsamer Bemühungen für die Besserung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Europa verbunden sei.
Der deutsche Reichsaußenminister Frhr. von Neurath stattete am Montag vormittag dem englischen Außenminister ^>r John Simon seinen Abschiedsbesuch als Botschafter ab.
e Unterredung dauerte längere Zeit und gab von Neurath Gelegenheit. Sir John Simon die Lage in Deutschland m zullen, ^egen Mittag empfing der König Frhr. von eura y in Audienz. Danach verblieben der Reichsaußen- hampalast"^ Gemahlin zum Frühstück im Bucking-
Die Gegenerklärung Brünings
Der Reichskanzler und die übrigen Mitglieder der früheren Nelchsregierung veröffentlichen folgende Erklärung:
Die neue Reichsregierung hat in ihrer Antrittserklärung schwere Borwürfe gegen Sie bisherige Negierung erbeben. Der sachlichen Auseinandersetzung vor der Volksvertretung hat sie sich entzogen. Das deutsche Volk wird es arurn verstehen, wenn wir auf diesem Wege den Versuch, Verantwortlichkeit zu verschieben, entgegentrctcn.
Die Finanzen seien erschüttert, die Sozialversicherungen bankerott, die Reformen über schwache Ansätze nicht hinausgeführt und das staatliche Leben nicht an die Armut der Nation angepaßt.
Was ist Wahrheit?'
Bei seinem Amtsantritt vor mehr als zwei Jahren fand das Kabinett Brüning eine gewaltige schwebende Schuld vor. Dazu kam eine Wirtschaftskrise, die sich von Monat zu Monat verschärfte, die Währungen zerrüttete und die für das durch Kriegsverlust und Kriegsfolgen geschwächte Deutschland besonders scharfe Wirkungen haben mußte. In einer Zeitspanne, in welcher der Außenhandelsumsatz der Welt von 31 Milliarden Dollar auf rund 16 Milliarden Dollar herabsank und als automatische Folge eine ungeheure Arbeitslosigkeit in der gesamten Kulturwelt bewirkte, war es — wie immer die Zusammensetzung einer Regierung sein mußte — unmöglich, die deutsche Volkswirtschaft von dieser rückläufigen Bewegung abzuriegeln.
Andere Staaten haben in den letzten Jahren entweder von Reserven gelebt, die Deutschland fehlten oder neue Schulden großen Stils gemacht, was für Deutschland fachlich falsch und praktisch ausgeschlossen war. In derselben Zeit mußte Sanierung von Banken, Jnöustriewerken, Schiffahrtsgesellschaften und zahllosen Genossenschaften in Handwerk irnd Landwirtschaft unter Aufwendung von Hunderten von Millionen Mark durchgeführt werden.
In dieser Lage haben wir in den Jahren 1830-32 die Ausgaben von Reich, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen um mehr als 6 Milliarden Mark gedrosselt. Das sind nicht „schwache Ansätze", wie es die Erklärung der neuen Reichsregierung Sarstellt. Die tatsächliche „Anpassung an die Armut der Ngtion ist weitestgehend erfolgt und in dem Haushalt jedes Einzelnen fühlbar geworden. Die Regierung hat der Gesamtheit, des Volkes Opfer zugemutct, um in den außenpolitischen Verhandlungen freie Hand zu bekommen im Kampfe gegen die Reparationslasten und zur Uebcrwindung der Wirtschaftskrise. Das ist nach dem Urteil aller Sachverständigen in großem Ausmaß erreicht worden. Dabei wurde die Währung trotz aller Stürme sicher behauptet, dabei hat sich die schwebende und langfristige Schuld des Reiches nicht vermehrt.
Das Kabinett Brüning ist aus dieser Arbeit herausgerissen worden als es die Vorbereitungen für die Sicherungen des Etatsjahres 1932/33 bereits Länder, Gemeinden und Sozialversicherung beendet hatte. Gleichzeitig waren die finanziellen und technischen Maßnahmen getroffen, um bis zu 600 000 Menschen in Notstandsarbeit und freiwilligem Arbeitsdienst Brot und Arbeit zu verschaffen und in einem umfassenden Siedlungsplan weiteren Volkskreisen Hoffnung auf Lebensrückhalt auf eigener Scholle zu eröffnen. Durch das Scheitern dieser Pläne ist der Ablauf des Sanierungswerkes in einem entscheidenden Augenblick unterbrochen.
Diese Tatsachen spreche« mit «nerbittlicher Klarheit gegen die Behauptungen der «cnen Regiernng.
Wir haben nicht nur „eine Bilanz gefordert", sondern sie z« allen Zeiten und in jeder Lage tatsächlich gezogen «nd dem deutschen Volke in aller Oeffentlichkeit vorgestellt.
Wir haben kein Trümmerfeld geschaffen, sondern nnter schmierigsten wirtschaftlichen und finanziellen Voranssetznn- gen die Grundlagen für neues Werden gelegt.
Das Kabinett Brüning hat gegen die zersetzenden Strömungen im Lande alle Kraft aufgeboten. Es hat dem Herrn Reichspräsidenten die Notverordnung zur Bekämpfung der Gottlosenpropaganda zur Unterschrift vorgelegt. Die letzte geistige Uebcrwindung dessen, was an zersetzenden Kräften innerhalb des deutschen Volkskörpers wirksam ist, wird weniger durch gesetzgeberische Maßnahmen als durch überzeugten und überzeugenden christlichen Tatwillen der Einzelnen erfolgen. Mit polizeilichen Mitteln allein ist keine christliche Volkskultur zu schaffen.
Wir haben im Sinne der von »ns vertretenen christlichen Staatsansfaffung es als vornehmste Aufgabe betrachtet, unvermeidliche Opfer in möglichster Gleichmäßigkeit z« verteilen. Es wird Aufgabe des Landes sein, darüber z« machen, daß die von «ns geleistete Arbeit vor Verfälschung bewahrt «nd so weiter geführt wird, wie es die Wohlfahrt des gesamten Volkes und nicht das Sonderinteresse von Parteien «nd kleinen Grnppen fordert.
Durch Erlaß des Reichspräsidenten ist als Termin für dl« Reichstagswahlc« der 31. Jnli bestimmt worden.
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Zum Reichsarbeitsminister wurde der Präsident des Reichs« versichernngsamtes, Hugo Schäffer, ernannt.
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Das alte Kabinett Brüning weist die in der RegicrnngK- erklärnng des Kabinetts v. Papen enthaltene« Angriff« entschieden zurück.
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Dr. Schacht ist nicht als dentfcher Vertreter für die Lausanne! Konferenz in Aussicht genommen. Es ist mit ihm auch nie in diesem Sinne verhandelt worden.
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In Memel hat ein rein deutsches» ans Vertretern der Mehr- heitsparteie« gebildetes Direktorium die Amtsgeschäft« übernommen.
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Auf den Schiffswerften in Bremen sind infolge Lohnabbaus die Belegschaften in Streik getreten.
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Die deutsche Fliegerin Elly Beinhorn hat von Panama a«S auf einem Südamerikaflng Kolumbien und nach Ueber- qnernng -er Cordilleren Ecuador überflogen.
Das Endergebnis der Wahlen in Mecklenburg
Keine absolute nationalsozialistische Mehrheit TU. Schwerin, 7. Juni. Die Wahlleitung für die Wahl zum Meckkenburg-Schwerinischen Landtag gab gestern abend das amtliche Endergebnis der Wahlen bekannt. Darnach hat sich gegenüber dem zuletzt festgestellten Wahlergebnis die Stimmenzahl der Kommunistischen Partei um 44 Stimme« vermehrt. Dies hat zur Folge, daß sich die Zahl der kommunistischen Sitze von 4 auf 6 erhöht. Nach diesem neuen Ergebnis ergibt sich für die Nationalsozialisten keine absolute Mehrheit. Der Landtag hat nunmehr ein Parlamentarisches Kräfteverhältnis von 30:30.
Im einzelnen verteilen sich die Stimmen wie folgt: Sozialdemokraten 108 358 (18 Sitze), Kommunisten 27 006 <6 Sitze), Nationalsozialisten 177 029 (30 Sitze), Bürgerl. Arbeitsgemeinschaft der Mitte 7899 (1 Sitz), Deutschnatio- nale Volkspartei 32 875 (5 Sitze), Arbeitsgemeinschaft nationaler Mecklenburger 7492 (1 Sitz), Sozialistische Arbeiterpartei 952 (0 Sitze).
Rein deutsches Direktorium in Memel
TU. Memel, 7. Juni. Die Verhandlungen über die Direktoriumsbildung wurden am Montag zu Ende geführt. Das Ergebnis ist die Bildung eines rein deutschen Direktoriums. Der Führer der Volkspartei und Syndikus der Memeler Handelskammer, Dr. Schreiber, wurde zum Präsidenten des Direktoriums ernannt. Zu Landesdirektoren wurden der Lanbwtrtschaftsparteiler Szi» gaud und der Hauptlehrer Walgahn (Volksparteiler^ ernannt.
Tränengas gegen Kriegsveteranen
Zusammenstöße auf dem Marsch der amerikanischen Kriegsteilnehmer
— Nenyork, 7. Juni. Der Marsch der ehemaligen Kriegs« teilnehmer nach Washington nimmt immer bedrohlichere Formen an. Gegenwärtig ist die Zahl der Kriegsteilnehmer, die aus den verschiedenen Staaten der Union nach Washington unterwegs sind, um dort ihre Forderungen (2 Milliarden Dollar) zu verfechten, auf etwa 17 000 gestiegen. I« Newark (New Jersey) kam es zu Zusammenstößen zwischen 500 Demonstranten, die sich einer Fähre bemächtigt hatten, um den Hudson zu überqueren, und der Polizei, die schließlich von Tränengas-Bomben Gebrauch machte, um die Kriegsteilnehmer zu zerstreuen.
Undurchsichtige Lage in CPle
TU. Santiago Le Chile, 7. Juni. Die vorläufige sozialistische Regierung Chiles ist auf den Druck Washingtons und Londons hin zuückgetreten. Das diplomatische Korps teiüe dem Regierungsausschuß mit, daß die Länder die neue Regierung nicht anerkennen und für die Verluste verantwortlich machen, die das fremde Kapital durch den Umsturz erleidet. Es ist völlig unbestimmt, wer die Nachfolgeschaft der Junta antritt. Die Lage ist vollkommen verwirrt, um so mehr, als die Regierung den Kongreß aufgelöst hat.
In Südchile ist eine Gegenrevolution im Gange, die sich immer weiter ausbreitet. Die in Concepcion und Talcahuano liegenden Armee- und Marinetruppenteile baben kick der Beweguna angeschloffen.