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verantwort!. Schriftleitung: Frieckrtch Hans Scheele Druck unä Verlag cker K. OelsthISger'schen Suchäruck-erei
Nr. 129
Montag, den 6. Juni 1932
Jahrgang 105
Das Programm des neuen Reichskabinetts
Der Reichstag ist aufgelöst
Alle politischen Notverordnungen werden außer Kraft gesetzt
— Berlin, 8. Juni. In seiner Samstagsitzung hat das Reichskabinett eine Regierungserklärung folgenden Wortlauts beschlossen:
Im einer der schwersten Stunden der vaterländischen Geschichte übernimmt die neu« Negierung Hr Amt. Das deutsche Volk steht in einer seelischen und materiellen Krise ohne Vorgang. Die Opfer, die von ihm verlangt werden, wenn der dornige Weg zur inneren und äußeren Freiheit mit Aussicht auf Erfolg gegangen werden soll, sind ungeheuer. Sie können nur ertragen werden, wenn es gelingt. die seelischen Voraussetzungen durch eine Zusammenfassung aller aufbauwilligcn und staatserhaltenden, kurzum aller nationalen Kräfte, zu finden.
Reichskanzler Dr. Brüning hat als erster den Mut gehabt, eine klare Bilanz der Lage zu fordern, in die uns in erster Linie der Versailler Vertrag und die Auswirkungen der Wirtschaftskrise, wie auch die Mißwirtschaft der Parlamcntsdemokratie gebracht haben. Diese Bilanz, die die heutige Regierung vorfindet, soll das deutsche Volk kennen:
Die finanzielle« Grundlagen des Reiches, Preußens und der Mehrzahl aller anderen Länder «ud Gemeinden find erschüttert. Keine der notwendigen grnndlesenbeu Reformen, die Boraussetznng jeder Gesundung — Ber«»ak- tnngsreform, Finanzreform, Anpassung «nseres staatliche« Lebens «n die Armut der Nation — ist über schwache Ansätze hinanssekommen. Die Sozialversicherungen stehen vor dem Bankerott. Die ständig wachsende Arbeitslosigkeit zehrt trotz allem Arbeitswillen der besten Kräfte am Mark des bentschrn Volkes.
Die Nachkriegsregierungen haben geglaubt, durch eiv:'. sich ständig steigernden Staatssozialismus die materielle« Sorgen dem Arbeitnehmer wie dem Arbeitgeber in weitem Maße abnehmen zu können. Sie haben Sen Staat zu einer Art Wohlfahrtsanstalt zu machen versucht und damit die moralischen Kräfte der Nation geschwächt. Sie haben ihm Ausgaben zuerteilt, di« er seinem Wesen nach niemals erfüllen kann. Grade hierdurch ist die Arbeitslosigkeit noch gesteigert worden.
Der hieraus zwangsläufig folgenden moralischen Zermürbung des deutschen Volkes, verschärft durch den unseligen gemeinschaftsfeindlichen Klassenkampf und vergrößert durch den Kulturbolschewismus, der wie ein fressendes Gift die besten sittlichen Grundlagen der Nation zu vernichten droht, muß in letzter Stunde Einhalt geboten werben. Zu tief ist schon in alle kulturelle Gebiete des öffentlichen Lebens die Zersetzung atheistisch-marxistischen Denkens cingedrungen, weil die christlichen Kräfte des Staates zu leicht zu Kompromissen bereit waren. Die Reinheit des öfsentlichen Levens kann nicht ans dem Weg der Kompromisse um der Parität willen bewahrt oder wiederhergestellt werden. Es muß eine klare Entscheidung darüber fallen, welche Kräfte gewillt sind, das neue Deutschland auf der Grundlage der unveränderlichen Grundsätze der christlichen Weltanschauung aufbauen zu Helsen.
Die Regierung, die in dieser Stunde, erfüllt von ihrer schweren Verantwortung vor Gott und der Nation, die Geschicke des Landes übernimmt, ist tief durchdrungen von dem Bewußtsein der Pflichten, die auf ihr liegen. Sie wird nicht zögern, den Kamps um die Erhaltung der Lebensgrundlagen des Volkes, insbesondere auch der werktätigen Bevölkerung in Stadt und Land, unverzüglich aufznnehmen.
Damit die Zahlungen der nächsten Tage und Woche« z«r Anfrechterhaltnng des staatlichen Apparates geleistet «erden können, ist die Regierung gezwungen, einen Teil -er von der allen Regierung geplanten Notmaßnahme« zu erlassen. In» übrigen macht die Regierung in dieser Stunde keine Versprechungen. Sie wird handeln und man soll sie «ach ihren Tate« benrteilen.
Auf außenpolitischem Gebiete ergeben sich die nächsten und wichtigsten Aufgaben Ser Reichsregierung aus b? befindlichen oder bevorstehenden internatio-
nalen Verhandlungen über die großen Weltprobleme der Abrüstung, der Reparationen und der allgemeinen Wirtschaftskrise. Bei allen diesen Problemen stehen höchste deutsche Lebensintercsseu auf dem Spiele. Unser Ziel ist, in friedlichem Zusammenwirken mit den andere« Nationen unserem «aterlande völlige Gleichberechtigung, politische Freiheit und die Möglichkeit wirtschaftlicher Gesundung z« verschaffe«. A"* ein gleichberechtigtes, freies und wirtschaftlich gesundes Deutschland kann zur Gesundung der Welt beitrage». «üI^rlich können alle Bemühungen um die Wohlfahrt der er sich nur dann auswirken, wenn es gelingt, gleich
zeitig die wirtschaftlichen Störungen auf den Gebieten des Geld- und Kapitalverkehrs und des Warenaustausches, die gegenwärtig die Welt in Unruhe versetze», zu beseitigen. Die Reichsregierung wird an allen Bestrebungen mitzuwirken bereit sein, die diesem Ziele dienen.
Die Grundlage und Voraussetzung aber jeder außenpolitischen Vertretung unserer nationale» Interessen, über die cs Meinungsverschiedenheiten unter Deutschen nicht gibt, ist die Herbeiführung der inncrpolitischen Klarheit.
Aus allen diesen Gründen hat sich der Reichspräsident entschlossen, dem Antrag der Rcichsregiernng stattzugeben und den Reichstag aufzulösen. Die Nation wird vor die klare und eindeutige Entscheidung gestellt, mit welchen Kräften sie den Weg der Zukunft zu gehen gewillt ist. Die Regierung wird unabhängig von Parteien den Kampf für die seelische und wirtschaftliche Gesundung der Nation, für die Wiedergeburt des neuen Deutschland, führen.
Wie die „Telegraphen-Union" erfährt, wird der bisherige Reichskanzler Dr. Brüning anfangs dieser Woche iu einer Erklärung zu dem Programm der Neichsregierung, soweit es sich auf Maßnahme» des Kabinetts Brüning bezieht, Stellung nehmen.
Der Reichstag anfgelöst
Amtlich wird folgende Verordnung -es Reichspräsidenten über die Auflösung des Reichstags vom 4. Juui gemeldet: «ns Grund -es Art. LS -er Reichsver- sassn»« löse ich mit sofortiger Wirkung de» Reichst«» «*s, da er »ach dem Ergebnis der i» den letzte» Mo»«te» stattgehabten Wahle« z« den Landtage» der deutsche» Länder dem politische« Wille» des -entfchen Volkes nicht mehr entspricht. Der Reichspräsident: gez. von Hindenburg, der Reichskanzler: gez. von Papen, der Reichsmtnister des Innern: gez. Freiherr v. Gapl.
Der Auflösuugserlaß stützt sich aus Artikel 26 der Reichsverfassung, der «sie folgt lautet: »Der Reichspräsident kann den Reichstag auflösen, jedoch nnr einmal ans dem gleiche» Anlaß. Die Neuwahl findet spätestens am 60. Tage nach der Auslösung statt." — Der Termin für die Reichstagswahlen ist bis jetzt noch nicht festgesetzt, weil sich der Reichsinnenminister erst mit den Ländern in Verbindung setzen will. In Betracht kommt wahrscheinlich nur der 24. oder Ler 31. Juli.
Anfhebnng »Ser politische« Notverordnungen
Wie die Telegraphenunion Mi angekündigten Neuregelung der verschiedene« Bestimmungen zur Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung von unterrichteter Seite erfährt, ist im Reichsiuneuministerium bereits -er Entwurf einer entsprechenden Notverordnung fertiggestcllt, -er als erstes das Reichskabinett bei seinem Wiederzusammentritt, voraussichtlich am Dienstag, beschäftigen wird. Die neu« Notverordnung soll zmrächst alle bisherigen politischen Notverordnungen lnicht die wirtschaftlichen) aufhebeu und nur einige Bestimmungen in neuer Fassung enthalten. Aufgehoben würde vor allem das SA- und SS-Verbot, sowie das Uniformverbot. Die Bersammluugsfreiheit u«d die Pressefreiheit würden in weitestem Umfange wieder hergestellt. Bestehen bleiben würden in erster Linie die Bestimmungen über Waffenbesitz »nd Waffentragen, ferner einige Bestimmungen, di« grobe unrichtige Angriffe in der Presse und in Versammlungen verhindern sollen. Auch das Kontrollrecht -es Reiches über die Wehrverbände dürste aufrecht erhalten bleiben. Mit der Veröffentlichung der Notverordnung ist Ende -er Woche zu rechnen.
Tages-Spiegel
Politische Zusammenstöße bei Berlin
TU Berlin, 6. Juni. Zu einem Zusammenstoß zwischen Kommunisten und Nationalsoziailsten kam es am Sonntag morgen in -er Hauptstraße in Buchholz bei Berlin. Eine Gruppe von 20 Nationalsozialisten marschierte gegen halb 7 Uhr durch Buchholz als sie von Kommunisten, die in großer Ueberzahl waren, angegriffen wurden. Mit Holzlatten und Steinen gingen die Kommunisten auf di« Nationalsozialisten los, wobei es zu einem regelrechten Gefecht kam. Inzwischen war die Polizei benachrichtigt worden, die gerade in dem Augenblick cintraf, als die Kommunisten sich anschickten, ein Haus zu stürmen. Insgesamt wurden 56 Kommunisten und 21 Nationalsozialisten festgenommen und zum Polizeipräsidium gebracht. Ein weiterer Zusammenstoß ereignete sich am Sonntag vormittag in Reinickendorf- West, wo es ebenfalls zu einer Schlägerei zwischen Kommunisten und Notionalfozialisten kam.
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Das neue Reichskabinett gibt in seiner Negierungserkläruni eine offene Bilanz der Lage des Reiches, ruft alle nationalen Kräfte zur Sammlung auf und wendet sich mii Schärfe gegen den Staatssozialismns.
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Der Reichspräsident hat den Reichstag aus Verlange« deL Kabinetts ausgelöst. Es sollen bis Ende der Woche allt bisherigen Notverordnungen politische« Charakters aufgehoben werden.
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Der Präsident des Arbeitsamtes für Südwestdeutschland KLlin in Stuttgart, hat die Ueberuahmc des Reichsarbeits- minifterinms abgelehut.
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Im Vollsitzungssaal des Reichstags fand am Sonutagmittat eine Gedenkfeier für das verstorbene älteste Mitglied del Reichstags, Geheimen Justizrat Wilhelm Kahl, statt.
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Die Landtagswahle« in Mecklenburg habe» dev National» fozialiste» Len erwarteten großen Erfolg aus Softe« de» Mittelparteie« gebracht.
In den höheren Lagen Norwegens «nd Schwedens traten gestern starke Schneefällc ein. Die Aecker sind völlig ein» geschneit.
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Der polnisch-amerikanische Ozeaustieger Hansner, der an» letzten Frettag in Nemyork z» einem TranSozeauslu« «ach London anfftieg, ist verschollen.
Landtagswahlen in Mecklenburg
TU. Schwert», s. Juni. Das vorläufige endgültig« amtliche Wahlergebnis der Mecklenburg-Schwerinfchen Land» tagsivahlen ans 1476 Wahlbezirken l17 kleinere Wahlbezirke stehen noch aus) ergibt:
Sozialdemokraten . . .
Kommunisten ....
Nationalsozialisten . . .
Bürger!. Arbeitsgemeinschaft
DNBP.
Arbeitsgemeinschaft »ation. Meckl.
SAP.
Die Mandatsvertetlung im alten Landtag vom 38. Juni 1829 war folgende: Sozialdemokraten 20 Sitze, Kommunisten 8, Nationalsozialisten 2, Bürgerliche Arbeitsgemeinschaft -er Mitte 2, Arbeitsgemeinschaft nationaler Mecklenburg« 28, Mecklenburgische Bauernpartei 1, zusammen 61.
107668 St., 18 Man-
26 85« „ 4 „
175884 „ SS .
7 667 . 1 .
82688 „ 6 .
7443 „ 1 .
S47 „ 6 „
Falschmünzerwerkstätte ausgehoben
Kür SSW« RM 1«-, A»- «nd SO-Markfcheine hergestellt TU. Berlin, 6. Juni. Die Kalschgeldstelle der Berliner Kriminalpolizei hat iu Hohenschönhausen bei Berlin ein« Kalschmnnzerwerkstättc ausgehoben. Der 43jährige Kunst« maler und Graphiker Walter Pahl und seine Fra« wnrde« verhaftet. Pahl hat, ebenso wie der Fälscher Salaban, ganz allein und ebenso heimlich 10-, 26- und 60-Markscheine hergestellt, «nd zwar während -er letzte« 8 Jahre 1» Höh« von 56666 Pahl legte «ach anfänglichem Leugne» ein umfassendes Geständnis ab. Daraufhin wurde« er unfeine Frau dem Untersuchungsrichter vorgeführt.
Neues Wirtschaftsprogramm in USA
TU. Washington, 6. Juni. Bei Besprechungen, die Präsident Hoover während -es Wochenendes iu Rapidankamp mit dem Direktorium der Finanzrekonstruktionsgesellschaft hatte, wurde ein Programm für die Wirtschafts- ankurbelung ausgearbeitet, das folgende vier Punkte enthält:
1. Ermächtigung der Gesellschaft, eiue Erhöhung des Kapitals bis zu 3 Milliarden Dollar vorzuuehmeu. Davon sollen 366 Millionen zur Hergabe von Kredite» an die ein- zeluen Bundesstaaten für Erwerbslosenuntcrstüt- zung verwendet werden.
2. Durchführung der gesetzgeberischen Maßnahmen zur Schaffung von Eigenheim-Darlehensbauken. durch die Zwangsvcrkäusen vorgebeugt und Neubauten angeregt werden sollen. Die Banken sollen durch die Finanz- rekoustrukttousgescllschaft finanziert werden.
3. Schaffung von Aoung-Ausschüssen in allen
Bundesstaaten. ,
4. Bedingungsloser Haushaltsausgleich und praktische Sparmaßnahmen.
Beterauenmärfche »ach Washington
Große Scharen von Veteranen sind ans allen Richtungen »ach Washington unterwegs, um di« von ihnen gefordert« Sriegsprämienzahlnng zu erzwingen.