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Nr. 126

Kmls- unä Knzeigeblall für äen vberamlsbezirk Laliv

Donnerstag, den 2. Juni 1932

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Jahrgang 105

Das Kabinett v. Papen ernannt

Die Ministerliste noch nicht vollständig Keine Mehrheit des neuen Kabinetts Sofortige Auflösung des Reichstags in Sicht

TU. Berlin, 2. Jnni. Amtlich wird mitgeteilt: Der Herr Reichspräsident hat Herr» Franz von Papen znm Reichskanzler und auf dessen Vorschlag folgende Her­ren zu Reichsmimistern ernannt: Das Mitglied des Reichsrates Freiherr non Gayl z«m Reichsminister des Innern, Generalleutnant von Schleicher zum Reichs- wehrminister, Reichsminister a. D. Prof. Dr. Warmbold znm Reichswirtschastsminister, den Regierungspräsidenten a. D. Freiherrn von Braun zum Rcichsminister für Er­nährung «nd Landwirtschaft, gleichzeitig znm Ostkommis­sar, den Reichsbahndirektionspräsidenten Freiherrn von Eltz-Nii-benach znm Reichspost- «nd gleichzeitig znm Reichsverkehrsminister.

Die Besetzung der noch ausstehenden Reichsministerien wird nach Eintreffen der in Aussicht genommenen Herren in Berlin im Laufe des Donnerstags erfolgen. Man rechnet für heute mit der Ernennung Goerdelers zum Arbeits­minister, Gärtners zum Justizminister und Freiherrn von Neuraths zum Außenminister. Die Besetzung des Neichsfinanzministeriums ist noch zweifelhaft. Als Staats­sekretär -er Reichskanzlei ist Obcrregierungsrat Planck vorgesehen.

Das Zentrnm gegen das Kabinett von Papen.

Die Zentrumsfraktion des Reichstages hat nach mehrstündiger eingehender Anssprache über die politische Lage folgende Mitteilung ausgegeben: »Die Zentrums­fraktion des Reichstages hat eingehende Bericht« über di« neugeschaffene politische Lage entgegen genommen. Die Vor­gänge der letzten Tage, di« znm Rücktritt des Kabinetts Brüning geführt und im Lande stärkstes Befremden her- vorgerufen haben, fanden einmütige und schärfste Ver­urteilung. Unmittelbar vor zielsicher vorbereiteten in­ternationalen Verhandlungen haben leichtfertig« Intrigen verfassungsmäßig unverantwortlicher Personen hoffnungs­volle Linien einer im großen Zusammenhalts eingeleiteten Aufbaupolitik jäh unterbrochen und den wirtschaftlichen und sozialen Existenzkampf aller Gruppen des deutschen Volkes wesentlich erschwert.

Die deutsche Zentrumspartei hat im Lauf« der Geschichte immer wieder unter Selbstaufopferung politische Verant­wortung übernommen und getragen. Sie hat es getan im Zeichen einer nationalen Staatspolitik und einer morali­schen Auffassung des öffentlichen Lebens. Indem wir uns erneut zu diesen staatspolitischen Grundlagen bekennen, ver­werfen wir das monatelang geübte System unkontrollier­barer Treibereien und erklären, daß wir für alle sich hieraus ergebenden Erschwerungen unserer inneren Lage und äuße­ren Möglichkeiten jede Verantwortung ableh­nen. Das mit Sem Kabinettssturz unterbrochene außen- und innelrpolitische Gesamtwerk soll jetzt politischen Expe­rimenten ausgesetzt werben, weil die Parteikräfte der Opposition sich weigern, politische Verantwortung zu übernehmen, werden jetzt Zwischenlösungen angestrcbt. Solche Verlegenheitslösungen sind keine »nationale Konzentration". Sie bieten auch kei­nerlei Bürgschaften für die Fortführung einer äußeren und Inneren Politik, wie sie die Zeitumstände gebieterisch ver­langen.

In einem Augenblick schwierigster politischer Beunruhi­gung und politisch ungeeigneter Versuche hält es die Zen­trumsfraktion für ihre Pflicht, eine Gesamtpolitik zu for­dern, in der nationale Freiheit und Gleichberechtigung, ent­schlossener Kampf mit dein Kernproblem der Arbeitslosig­keit. Sicherung unserer Währung, Erhaltung selbständiger Existenzen in Handel, Gewerbe und Landwirtschaft, die Ge­währleistung sozialer Grundrechte und Fürsorgemaßnahmen und volkstümliche Siedlungspolitik Wescnsbestandteile sind. Aus solcher Ueberzeugnng heraus lehnt die Zentrums­fraktion die Zwischenlösung ab.

Die Parteileitung des Zentrums teilt mit:Ohne den persönlichen' wenn auch nicht sachlich vertretbaren Motiven nahczutreten, aus denen Herr von Papen sich ver­anlaßt fühlt, den bekannten Schritt zu tun, stellt di« Zen­trumspartei fest, daß sein Entschluß im bewußten Ge­gensatz zu der Parteileitung erfolgt ist. Die dar­aus sich ergebenden Folgerungen sind ohne weiteres klar."

Schärfstes Mißtrauen der Sozialdemokratie

Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion gibt folgenden Bericht aus:Der Sturz der Regierung Brü­ning, der außerhalb des Parlaments durch unverantwort­liche Ratgeber des Reichspräsidenten herbeigeführt worden tst, eröffnet eine außerordentlich schwere innen- und außen­politische Krise. Die Art der Bildung und der Zusammen­setzung der Reichsregierung ist gegen das Volksinteresse und gibt keine Gewähr für die Aufrechterhaltung der So­zialpolitik insbesondere -er Fürsorge für die Arbeitslosen,

Zugleich ist die Führung einer Außenpolitik gefährdet, die zu einer Wiederherstellung des Vertrauens und der notwen­digen internationalen Zusammenarbeit führt. Die sozial­demokratische Reichstagsfraktion, entschlossen, gegen alle so- »ialreaktionären Anschläge, gegen alle inflationistischen Ex­perimente und gegen alle Angriffe auf die Verfassung und die Demokratie den Kampf zu führen, steht der sich bilden­den Regierung mit schärfstem Mißtrauen gegenüber «nd wird daraus alle parlamentarischen Konsequenzen ziehen".

Auch die Bayerische Bolkspartel lehnt das neue Kabinett ab.

Die Reichstagsfraktion der Bayerischen Bolks- partei hielt am Mittwochabend zunächst eine Fraktions- sttzung ab, in der die gesamte politische Lage besprochen wurde. Es kam in dieser Sitzung die einmütige Auffassung der Fraktion darüber zum Ausdruck, daß die aktive Betei­ligung der Bayerischen Volksparlei an einem Ue^ergangs- kabinett von Papen nicht in Frage kommen könne. Der bisherige Reichspostminister Dr. Schätze! suchte daraufhin Herrn von Papen auf und macht« ihm eine dementsprechende Mitteilung. Er hat die Aufforderung, in das Kabinett ein- zutrcten, abgelehnt.

Ein staatsparteilicher Protest

Die staatsparteilichen Reichstagsabg. Dr. Weber und Dr. Meyer haben an den Reichspräsidenten ein Schreiben gerichtet, in dem sie die bringende Bitte unterbreiten, zu verhindern, daß das neue Kabinett von amtlicher Seite als Regierung der nationalen Konzentration" bezeichnet wird. Unmöglich kann es so heißt es in dem Schreiben Ihrem Sinn entsprechen, nach den Erfahrungen des Welt­krieges eine Unterscheidung des deutschen Vol­kes in nationale und nichtnationale Kreise zu dulden: unmöglich kann bei Ihnen alsRegierung der

Tages-Spiegel

Der Reichspräsident hat gestern das neue Kabinett ». Papen ernannt. Reichsarbeits-, -jnstiz- und -finanzministerinnr find noch unbesetzt.

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Vom Zentrnm bis zur Sozialdemokratie findet das neue Kabinett scharfe Ablehnung, so daß die sofortige Auflösung des Reichstags unumgänglich sein wird.

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Die Wahl des preußischen Ministerpräsidenten wurde anf Ende Jnni vertagt. Die Nationalsozialisten wollen die hessischen Wahlen abwarten.

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Die Vertreter Deutschlands und Italiens haben den Lnft- fahrtausschuß der Abrüstungskonferenz demonstrativ ver­lassen «nd anf weitere Mitarbeit verzichtet.

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Aus Erklärungen des englischen Außenministers gcht her­vor, baß in Lausanne Fragen der Weltwirtschaft nicht be­handelt werden. Amerika ist erst im Herbst bereit, an einer Weltwirtschaftskonfcrenz in London teilznnehme«.

nationalen Konzentration" eine Regierung anerkannt wer­den, in der der überwiegende Teil der 18,5 Millionen Deut­schen, die sich vor wenigen Wochen unter Zurückstellung alles Parteimäßigen zu Ihrer Wiederwahl zum Reichspräsi­denten entschlossen haben, keinen Vertrauensmann hat.

Die Haltung der Nationalsozialisten DerVölkische Beobachter" schreibt zur Betrauung von Papens, es sei selbstverständlich, daß dieses Kabinett nur als Uebergangslösung zu betrachten fei. Die Hauptaufgabe der neuen Regierung werde sein, den Reichs­tag aufzulösen, um durch Neuwahlen klare Rechtsverhält­nisse zu schaffen. Die Berechtigung dieser nationalsozialisti­schen Forderung werde zweifellos auch von den jetzt an der Regierungsbildung beteiligten Kreisen eingesehen, ebenso wie schnellste Aufhebung des SA.-Verbots.

Schlechte Aufnahme des Kabinetts im Ausland

Unverschämte Angriffe aus Paris

TU. Paris, 2. Juni. Am Mittwoch abend entwickelte Pa­ris eine jedes internationalen Anstandes spottende Hetze gegen die Beauftragung von Papens mit der Bildung des Reichskabinetts. Einige Blätter machen sogar den Reichs­präsidenten unmittelbar für die Kabinettskrise verantwort­lich und werfen im sogar Undank und Untreue gegenüber seiner linken Wählerschaft vor. Bon Papen hat, von weni­gen Ausnahmen abgesehen, eine sehr schlechte Presse. Nur die gemäßigten Blätter erinnern daran, daß er verschiedent­lich in Paris weilte, um mit hiesigen katholischen Kreisen eine ehrliche Verständigung zu suchen.

Das nationalistischeJournal des Debats" be­zeichnet ihn hingegen als einenskrupellosen Menschen", der nicht davor zurttckgeschreckt sei, Sabotageakte gegen ame­rikanische Fabriken zu unternehmen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als Deutschland mit Amerika noch im Frieden gelebt habe. Er habe seine diplomatische Immunität miß­braucht und die elementarsten internationalen Gesetze ver­letzt. Aus seinen früheren Handlungen könne man nunmehr den Wert abschätzen, den man den Erklärungen und Ver­pflichtungen der künftigen Reichsrcgierung beizumessen habe. DerM atin" bezeichnet den neuen Reichskanzler als ultrareaktionär. Französischerseits könne man seinem Kabinett nicht die Autorität zusprechen, die eine deutsche Regierung haben müsse, um das Reich auf großen inter­nationalen Konferenzen zu vertreten <!). Die Außenpolitik werde zwar brutaler denn je sein, sich aber im großen und ganzen in dem Rahmen halten, der bereits von Stresemann nach der Nuhrbesctzung gezogen worden sei. Der außen­politische Berichterstatter derInformation", Fernan­de Brion, ist der Auffassung, daß die neue Regierung eng- lischerseits mit einem gewissen Wohlwollen ausgenommen werde. Das Tragische im Verlauf der deutsch-französischen Beziehungen sei die Tatsache, baß sich in den schwierigsten Augenblicken auf beiden Seiten Männer gegenüberständen, deren politische Erziehung, Gedankengänge und Tempera­mente am allerwenigsten dazu geeignet seien, sich zu ergänzen und gegenseitiges Verständnis zu vermitteln.

Die Londoner Blätter zur Betrauung von Papens.

Die Londoner Presse beschäftigt sich eingehend mit den politischen Vorgängen in Deutschland. Sie ist fast durch­weg der Auffassung, daß das Kabinett von Papen nur als Uebergangskabinett betrachtet werden kann und daß Neu­wahlen im Reich unvermeidlich geworden sind. Die Person des neuen Reichskanzlers erregt allgemein Aufmerksamkeit.

- Botschafter v. Hoesch bei tzerriot

TU. Paris, 2. Juni. Obgleich der Führer der radikal­sozialistischen Partei, Herriot, noch nicht mit der Kabinetts­bildung beauftragt ist, hatte er bereits verschiedene Bespre­chungen mit Vertretern ausländischer Mächte. Nachdem er vor wenigen Tagen den amerikanischen Botschafter empfan­gen hatte, stattete ihm am Mittwoch auch der deutsche Bot­schafter v. Hoesch einen Privatbesuch ab, um sich mit ihm über die im Vordergrund des Interesses stehenden Fragen in nichtamtlicher Form zu unterhalten.

Keine Wirlschaflskonferenz in Lausanne

Außenminister Simon spricht im Unterhaus.

TU London, 2. Juni. Außenminister Sir John Simon erklärte am Mittwoch im Unterhaus über die von Amerika amtlich angeregte Weltwirtschaftskonferenz u. a.: In den letzten Tagen haben zwischen der englischen und der ameri­kanischen Regierung Besprechungen über die Anregung stattgefunden, eine internationale Wirtschaftskonferenz ein- zubcrufen, um die Stabilisierung der Weltwa­renpreise zu erörtern. Die Angelegenheit ist über das vorläufige Stadium nocki nicht hinausgekommen. Es muß daran erinnert werden, daß das Programm der Laufanner Konferenz nicht nur die Regelung -er Reparationen ein­schließt, sondern auch Abkommen über die zur Lösung der anderen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten nötigen Maßnahmen, die für die gegenwärtige Weltkrise verantwortlich sind. Wenn die Bereinigten Staaten keinen Vertreter zu dem zweiten Teil der Laufanner Konferenz entsenden, besteht die Gefahr einer Verschleppung, selbst wenn man sich für eine weitere Konferenz entscheidet. Gleich­zeitig ist aber die Bedeutung einer amerikanischen Teil­nahme an einer solchen Besprechung zu groß, so daß die eng­lische Regierung ohne Zeitverlust mit den anderen in Lau­sanne vertretenen Regierungen über die gemachte Anregung in einen Meinungsaustausch treten wird.

Die Aeußerungen Sir John Simons werden in politi­schen Kreisen dahin ausgelegt, daß keine Aussichten mehr für die Erfüllung des englischen Wunsches bestehen, in Lau­sanne die allgemeineren Fragen, wie Währungspolitik usw. zu besprechen. Dieser Teil der Konferenz gelte als erledigt Die Lausanne! Verhandlungen werden sich daher allerhvch- stens mit den deutschen und nichtdeutschen Reparationen be­fassen. Irgendwelche Entscheidungen über den Tagungsort der Weltwirtschaftskonferenz und den Zeitpunkt sind noch nicht gefallen. Mutmaßungen gehen dahin, daß sie kaum vor den: Spätsommer oder Herbst znsammentreten wird. Die Aussichten der Konferenz werden pessimistisch beurteilt.