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Nr. 118
Dienstag, den 24. Mai 1932
Jahrgang 105
Tages-Spiegel
Vor der Rückkehr des Reichspräsidenten
Reue Notverordnung erst nächste Woche — Keine Einberufung des Reichstags vor Lausanne — Neuaufteilung der Erwerbsiosenlasten zwischen Reich und Gemeinden
TU. Berlin, 24. Mai. Das Reichskabinett nahm am Montag vormittag seine Beratungen über die endgül. tige Formulierung der neuen Notverordnung wieder auf. Es ist damit zu rechnen, daß die Sabinettssitzungen sich auch noch über den größten Teil der Woche erstrecken werden. Da der Reichspräsident erst am Sonntag wieder in Berlin weilen wird, kann vorher der vor der Veröffentlichung der Notverordnung vorgesehene Bortrag Brünings bei Hindenburg nicht stattfinden. Die Bekanntgabe der Notverordnung dürfte sich daher bis Anfang nächster Woche hinzögern. Bis dahin dürften ebenfalls auch alle Fragen einer Kabinettsergänzung zurückgestellt werden. ,
Die Berliner Blätter weisen auf die Bedeutung des bevorstehenden Kanzlervortrages bei Hindenbung hin. Die DAZ. schreibt von einer Vertrauensfrage, die Brüning an den Reichspräsidenten richten wolle. „Der Deutsche" bemerkt, die Erklärung des preußischen Zentrums besage, daß die Prenßenfraktion zu keiner Koalitionsregierung die Hand bieten werde, die gegen die Person und den politischen Kurs des Reichskanzlers gerichtet wäre. Die Haltung des preußischen Zentrums schließe praktisch jede Möglichkeit einer Verständigung mit den Nationalsozialisten in Preußen aus. Die Entwicklung in Preußen werde also von der Klärung der Verhältnisse im Reich abhängen. Hier aber sei nicht zu sehen, wie die Nationalsozialisten sich Brüning und seiner Politik annähern könnten, denn ihr Ziel im Reiche sei immer noch der Sturz des Reichskabinetts. Eine Umbildung des .Reichskabinetts im Sinne eines völligen Kurswechsels erscheine angesichts dieser Tatsachen ausgeschlossen. Der Kanzler werde im Sinne seiner bisherigen Politik dasKabinettergänzen und allerdings völlige Klarheit fordern müssen. Nach der Rückkehr des Reichspräsidenten werde in der nächsten Woche diese Klarheit geschaffen werden. Der „Lokalanzeiger" berichtet, der Kanzler sei der Ansicht, daß ihm die Ernennung eines Reichswehrministers noch gelingen könne. Der Börsenkurier gibt die Vermutung wieder, daß der Reichstag, der ursprünglich am 6. Juni wieder zusammentreten sollte, vor dem Ende der Lausanne! Konferenz nicht mehr einberufen werde. Es habe den Anschein, als ob alle politischen Entscheidungen bis zum Ende der Konferenz zurückgestellt werden sollten. Beschlüsse liegen allerdings noch nicht vor.
Neue Lastenausteilung in der Arbeilslosenfürsorge?
Wie der „Berliner Bürsenkurier" hört, denkt die Reichsregierung daran, die Aufwendungen der Gemeinden für die Arheitslosenzahlungen fest zu begrenzen. Als künftiger Gemeindeaufwand für die Erwerbslosigkeit werde eine Summe von 680 Mill. Mark genannt. Die feste Begrenzung des Gemeindeaufwandes auf die genannte Lumme habe eine völlige Aenderung der Lastenaufteilung zwischen den drei Zweigen der Arbeitslosenhilfe zur Folge. Die Regierung plane eine gewisse Sperre bei der Wohlfahrtsfürsorge dadurch vorzunehmen, daß die Krisenfürsorge erheblich verlängert werde. Dadurch würde in der Wohlfahrtserwerbslosenfürsorge für die nächste Zeit nicht nur kein Zugang, sondern sogar ein Abgang erfolgen, der bis Ende des Jahres auf etwa 200
bis 800 000 Erwerbslose beziffert werde. Sollte dieser Plan der Ncichsregierung verwirklicht werden, so würde künftig der Schwerpunkt der Arbeitslosenlast auf der Krisenfürsorge liegen.
Aussprache über die Nolverordnungspolilik im Haushallsausschuß
Der Haushaltsansschuß des Reichstags trat am Montag abend unter Beteiligung auch der Nationalsozialisten zu seiner ersten Sitzung nach der Pfingstpause zusammen. Da zur Zeit keine Aussicht besteht, daß die Ausschußberatungen über den neuen Reichshaushalt bald beginnen können, besprach der Ausschuß zunächst seine Arbeitspläne für die übrigen Angelegenheiten. Auf eine Frage des nationalsoz. Abg. Dr. Frick, wann wohl die Haushaltsberatungen beginnen könnten, erklärte der Vertreter des Reichsfinanzministeriums, di« Beratungen der Reichsregierung über den Haushalt seien in diesem Jahre deshalb besonders schwierig gewesen, weil die Reichsregierung nicht nur für den Ausgleich des Reichshaushalts, sondern auch für die Entlastung der Gemeindesinanzen habe sorgen müssen. Diese Beratungen seien jedoch im Kabinett am Samstag abgeschlossen worden. Sie würden nun an Hand der Formulierungen der Ressorts seit Montag vormittag fortgesetzt. Der Haushaltsentwurf werde jetzt sertiggestellt und der Gesamtplan dem Neichsrat voraussichtlich noch in dieser Woche zugeleitet werden.
Der Ausschuß trat dann in eine Aussprache über die Anträge der Deutschnationaleu und der Kommunisten auf Aushebung der Notverordnung vom 8. Dezember und der Nationalsozialisten auf Aushebung sämtlicher Notverordnungen ein. Für di« Deutschnationalen sprach Abg. Hergt. Er betonte, daß seine Partei auf Abänderungsanträge im einzelnen verzichte, weil sie grundsätzlich gegen die gesamte Notverordnungspolitik des Kabinetts kämpfe und weil die Notverordnungen gegen das Gesetz verstoßen. Der Regierung und den hinter ihr stehenden Parteien müsse die volle Verantwortung für die Notverordnungen überlassen bleiben. Der nationalsozialistische Abg. Dr. Frick verlangte die Aufhebung sämtlicher Notverordnungen, Sa sie nach dem Urteil zahlreicher Juristen auf einem groben Mißbrauch des Artikels 48 beruhten. Insbesondere habe die Regierung Brüning nicht das Recht, Notverordnungen zu erlassen, da sie im Volk keine Mehrheit hinter sich habe. Abg. Reinhardt sNat.soz.) wies darauf hin, die nationalsozialistische Behauptung, daß noch im Mai eine neue Notverordnung erlassen werden würde, sei amtlich in Abrede gestellt worden und dennoch stehe eine neue Notverordnung, die 620 Millionen Reichsmark neue Steuern bringen solle, vor der Tür. Abg. Dr. Quaah sDntl.) sprach von einer Zerrüttung des gesamten Finanzsystems, die eine Folge der bisherigen Notverordnungen sei. Das Matz der Verantwortung, das man dem Reichspräsidenten aufbürS«, übersteig« jegliches menschliches Ermessen. Der kommunistische Abg. Torgler glaubte Nachweisen zu können, daß ' selbst im Regierungslager die Notverordnungen aus das schärfste mißbilligt würden. Abg. Kehl lSoz.) erklärte, daß die sozialdemokratische Fraktion für die Notverordnungspolitik keinerlei Verantwortung trage. Die Fraktion mißbilligt insbesondere die unsozialen Bestimmungen mit der Belastung der wirtschaftlich schwachen Volksteile.
Private Reparationsbesprechungen * in Luxemburg?
TU. Berlin, 24. Mai. Wie der DSD. ans Luxemburg hört, werden in der nächste« Woche dort mehrere deutsche Politiker und Großindustrielle erwartet, die sich ans neutralem Boden mit Vertrauensleuten Herriots «nd der französischen Finanz treffen sollen. Gegenstand der Verhandlungen sei eine Zwischenlösung in der Reparationsfrage.
Herriot über seine Außenpolitik
TU Paris, 23. Mai. Der kommende französische Ministerpräsident Herriot gab einem Vertreter des „Paris Midi" einige Erklärungen über sein außenpolitisches Programm sowie über seine Auffassung bezüglich der Landesverteidigung «nd Sicherheit. Er erklärte: Ich erachte die Anerkennung unserer Außenstände für unbedingt notwendig. Man kann nicht über etwaige Neulösungen sprechen so lange die ursprünglichen Abkommen nicht anerkannt werden. Die formalen Rechte Frankreichs müssen als Grundlage für unsere anßenpolitischen Beziehungen dienen.
Auf die Frage, was er zu tun beabsichtige, falls Deutschland Sie französischen Rechte bestreite und sofort zu verhandeln wünsche, erklärte er, daß man die deutschen Ziffern einem Sachverständigcnausschuß unterbreiten müsse, falls das Reich bei der Behauptung bleibe, schon mehr bezahlt zu haben als es schuldig sei. Ein solcher Standpunkt von seiten Deutschlands sei jedoch schon deshalb unverständlich, weil man sich sonst nicht erklären könne, warum es die im Aoung- plan festgelegten Verpflichtungen angenommen habe. Alles in allem müsse die zukünftige Außenpolitik mit größter Vorsicht gehandhabt werden. Die leiseste Uebertreibung würde die nationalsozialistische Bewegung ebenso begünstigen wie die geringste Schwäche sie ermutigen würde. Zur Landesverteidigung erklärte Herriot, -aß er wohl die Absicht habe, Sparmaßnahmen durchzuführen, er werde aber niemals irgend etwas an dem augenblicklichen Sicherheitsstand Frankreichs ändern.
Vorbereitung eines Moratoriums in Oesterreich
TU Wie«, A. Mai. Nach Rückkehr des Präsidenten des Nationalrates, Kienböck, und -es Ministerialrates im Fi-
Die neue Notverordnung wird erst nach der Rückkehr des Reichspräsidenten nach Berlin, also nicht vor Anfang nächster Woche erlassen werden.
Die Reichsregiernng plant eine Neuanfteilnng der Erwerbslosenlasten zwischen Reich und Gemeinden.
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Im Luftfahrtansschuß der Abrüstungskonferenz ist die von Deutschland geforderte Bestimmung aller Abwursmittel ans -er Lnst als reine Angriffswafse ans französischen Antrag hin abgelehnt worden. Ebenso erreichte Frankreich, daß die schwere Artillerie als „Verteidigungswaffe bezeichnet wird.
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Im Marineansschuß der Abrüstungskonferenz gab der Vertreter Frankreichs offen z«, daß der Versailler Vertrag
- Deutschland nicht unr die Angrifssmittel, sondern auch Waffen mit reinem Verteidigungscharakter genommen habe.
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Die wiirtt. Regierungsverhandlnngen find a» dem Anspruch der Nationalsozialisten auf den Posten des Staatspräsidenten «nd das Jnnenministerinm gescheitert.
Das Flugschiff Do X ist gestern im Hafen von Southampton a« der Südküste Englands eingetrosfe« «nd wird voraussichtlich hente nachmittag in Berlin sei«.
nanzministerium, Rizzi, fand am Montag nachmittag unter dem Vorsitz -es Bundeskanzlers Dollfuß eine Ministerbesprechung statt. In einer amtlichen Miteilung hierüber heißt es:
„Da die erwartete Einigung der Mächte in Gens für ein« Aktion für Oesterreich möglicherweise länger dauern kann als dies für Oesterreich tragbar ist, bereitet die Bundesregierung nnnmehr eine Verordnung vor, um für den Fall -er Devisensperre für Auslandsschulden die nötigen Maßnahmen für einen Schilling-Zinfendienst für die Auslands« schulden zu treffen."
Der Ausdruck „Moratorium" wird in dieser Verlautbarung sorgfältig vermieden. Nach dem dem Vizekanzler nahestehenden „Neuen Wiener Extrablatt" dürfte die Maßnahme so gedacht sein, daß die fälligen Zahlungen aus dem Schillingzinsendienst für die Auslandsschuld auf ein internationales Konto bet der Nationalbank erlegt werben, von dem die Zinsenempfänger Abhebungen für Anslandszahlungen in Oesterreich machen können.
Massenhinrichlungen in der Türkei
— Angora, 24. Mai. Der Gerichtshof in Adana hat in dem Maflenprozeß gegen die Aufrührer aus dem Araratgebiet das Urteil gesprochen. S4 Angeklagte, darunter S in Abwesenheit, wurden zum Tode verurteilt, 17S Angeklagte, von denen 88 nicht erschienen waren, wurden freigesprochen. Die übrigen 68 Angeklagten wurden in der Mehrzahl zu 10 Jahren, in einzelnen Fällen zu 16 und 21 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Neuer Protest Chinas beim Völkerbund
TU. Genf, 24. Mai. Der chinesische Gesandte Aen übermittelte dem Generalsekretär des Völkerbundes ein Telegramm, in dem darauf aufmerksam gemacht wird, daß die von der japanischen Regierung aus Schanghai zurückgezogenen Truppen jetzt zur Besetzung der Mandschurei verwendet würden, obwohl der in der Mandschurei geschaffene Scheinstaat noch immer einen integrierenden Bestandteil Chinas bilde. Undisziplinierte japanische Soldaten provozierten täglich die chinesischen Truppen. Wenn Japan jetzt nicht vom Völkerbund gezwungen werde, endgültig auf alle seine Absichten zu verzichten und sein feindseliges Vorgehen in der Mandschurei aufzugeben, so müsse mit dem „Ausbruch eines Weltkrieges" gerechnet werden.
Do X heute nachmittag in Berlin
TU. London, 24. Mai. Das deutsche Riesenflugboot traf im Montag abend an der englischen Süd-Küste ein und ging um 19.20 Uhr, nachdem es eine Runde über Southampton geflogen hatte, glatt an der Reede der Flugstation Calshot bei Southampton nieder. Das englische Luftfahrtministerium hatte die Haltemannschaften zur Verfügung gestellt. Auch der nötige Betriebsstoff für die Weiterfahrt nach Deutschland wird vom Luftministcrium geliefert.
Wie die Telegraphen-Union erfährt, wird das Großflugboot „Do L" heute vormittag zwischen 8.30 und 9 Uhr im Hafen von Southampton zum Rückflug nach Deutschland aufsteigen. Das Luftschiff wird seinen Kurs über Hamburg nehmen und am Nachmittag zwischen 16 und 17 Uhr auf dem Müggel-See bei Berlin niedergchen.