Aus Stadl und Land
Calw, den 5. Mai 1932.
Das HimmelfahrtSsest.
Der Himnrelfahrtötag war Heuer recht still. Der graue, «ebelverhangene Himmel hellte sich erst gegen Abend leicht an? und et« unfreundlicher, kalter Wind machte den Aufenthalt im Hause angenehm. Die Oberamtsstaöt stand im Zeichen der 101. Jahrfeier des Ev. Missiousvereins. Biele Be- tirksangehvrige hatten sich hiezu eingefunden, besonders die HauPtfeier in der Stadtkirche, die durch Mitwirkung des Posaunenchors Deckenpfronu eine Bereicherung erfuhr, war wie alljährlich überaus stark besucht. Der Freurüenverkehr litt -«gegen merklich unter der ungünstigen Witterung- auch hat wohl bas große Wandertreffen Ser Schivarzioaldvereine und -es Albvereins in Freudenstadt sich hier nachteilig ausgewirkt. Man sah wenig Wanderer und auch der Durchgangsverkehr der Kraftfahrzeuge blieb gegenüber dem letzten prachtvollen ersten Maisonntag wett zurück.
Silberne Hochzeit.
Bet bester Gesundheit feiern heute die Eheleute Wilhelm Balz, Gerbermeister in Calw, bas Fest der Silbernen Hochzeit. Aus diesem Grunde brachten gestern abend einige Sänger aus der Nachbarschaft dem Jubelpaar ein Ständchen bar. Wie wir ferner erfahren, begingen dieser Tage auch die Eheleute Winz, Friscurmeister in Calw, bas Fest der Silbernen Hochzeit.
Feldbestellung.
Die Witterung tm April war trotz der rauhen Winde für die Arbeiten des Landmanns auf dem Felde günstig. Die Frühjahrssaatcn konnten gut untergebracht werden. Die Saaten sind zum Teil schon aufgegangen und prangen in lichtem Grün. Voraussichtlich werden sich die Frühjahrssaatcn schon entwickeln. Das Wintergetrcide scheint stark ausgewintcrt zu sein, da tm Januar das Auf- und Zugefrieren des Bodens den zarten Pflanzen nicht gut tat. Doch kan» der Mai noch vieles gut machen. Wenn die warmen Sonnenstrahlen durchbrechen, wird manches Pflänzchen noch zum Vorschein kommen. Die Kartoffeln sind bei gutem Wetter gesteckt morden, was eine gute Vorbedeutung für das Keimen bedeutet. Die Wiesen sind nun schnell grün geworden, doch wird es noch einige Zeit dauern, bis der Bauersmann mit der Sense mähen kann. Der Heuvorrat hat während des langen Winters zwar stark abgenommen, aber es werde» noch viel Futtcrvorräte zum Verkauf ausgeschrieben. Auch die Schäfer hatten einen günstigen Winter, da sie fast jeden Tag auSfahren konnten. In den Gärten herrscht schon reges Leben. Ueberall werden die Beete hergcrichtet und eiugesät oder mit Setzwarcn etngepflanzt- auch können schon die ersten Frtthlingsgemttse abgeerntet werden. Im allgemeinen ist für die Gärten der späte Eintritt wärmerer Witterung günstig, da die Entwicklung zurückbleibt und die Gefahr der kalten Maifröste zurücktritt. In diesem Jahr blühen zu Anfang Mai kaum die Schlehen, die sonst um diese Zeit mit ihren weißen Blüten weithin den Frühling verkündigen, ein Beweis, daß die Blüte der Obstbäume nicht vor zwei Wochen zu erwarten ist. Mit Sehnsucht wartet der Landmann namentlich in den von Hagelschlag betroffenen Gemeinden auf eine gute Getreideernte. Müssen doch manche Bauern, die sonst Getreide verkaufen konnten, in diesem Frühjahr selbst Getreide kaufen, da das letzte Getreide schon lange gemahlen ist. Es ist hart, wenn der Bauer selbst das - Brot kaufen muß.
, 6^ ^ Besuch englischer Aerzte im Sanatorium Dr. Römer in
Hirsau.
Am Montag vormittag trafen etwa 15 Aerzte und einige Aerztinuen aus England in Hirsau ein. Sie befanden sich auf einer Tour durch Deutschland, die sie über Cleve, Bielefeld Wiesloch und Baden-Baden nach Hirsau führte. Die Teilnehmer besichtigten unter Führung von Sanitätsrat Dr. Römer die Einrichtungen des hiesigen Nervensanatoriums, die ihnen außerordentlich gut gefallen haben und über die sie sich tu überaus anerkennender Weise aussprachen. Da es in der Hauptsache Nervenärzte waren, so interessierte sie vor allem die Atropinbehandlnng bei den verheerenden Wirkungen der Kopfgrippe (Laoepbaliti, letiiargiea). zumal auf Grund der gerade in Hirsau vorgenommenen Forschungen nachweisbar schon sehr gute Heilerfolge erzielt wurden. Das Mittagessen nahmen sie im Kurhotel ein, wobei sie von Bürgermeister Maulbetsch begrüßt wurden. Nachdem im Sanatorium noch Kaffee gereicht worden war und sie den altehrwürbigcn Klosterruinen einen Besuch abgestattet hatten, traten sie die Weiterreise au, dabei wiederholt versichernd, wie sehr ihnen die reizende Lage Hirsaus gefallen habe und welch vorzüglichen Eindruck der ganze Ort mit seiner Reinlichkeit und Sauberkeit auf sie gemacht habe.
Sommerurlaubskarten nicht vor dem 1. Juni.
Wie die Hauptverwaltung der Deutschen Neichsbahn- gescllschaft mitteilt, sind mit der Einführung der Sommcr- vrlaubskarten so umfangreiche Vorarbeiten verbunden, daß es unmöglich ist,den Wünsche» zahlreicher Erholungsuchender. die Fahrpreisermäßigung etiva am 15. oder 22. Mai etnzuführen, zu entsprechen. Namentlich die Herstellung und Verteilung der vielen tausenden von neuen Fahrkarten für
alle Bahnhöfe sei in kürzester Zeit nicht durchzuführen. Ein früherer Einführungstermin als der 1. Juni könne daher nicht in Aussicht gestellt werden. Für eine große Zahl von Urlaubern würden die zum Pfingstfest ausgegebeneu Karten benutzt werden können, die vom 11. bis 28. Mai mit einer Fahrpreisermäßigung von 33'/, gelten.
Konzert des Calwer Liederkrauz.
Wir machen nochmals auf das morgen abend stattfin- denbe Konzert des Calwer Lieberkranz aufmerksam. Wie bereits angekündigt, hat der Verein zu seinem Konzert erstklassige Kräfte verpflichtet. Es steht also ohne Zweifel ein genußreicher Abend in Aussicht, dessen Besuch nur empfohlen werben kann.
Wetter für Samstag und Sonntag.
Während sich im Nordwcsten ein Hochdruckgebiet befindet, macht sich über dem Festland Tiefdruck bemerkbar. Für Samstag und Sonntag ist immer noch wechselnd beivölktcs, unbeständiges Wetter zu erwarten.
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wp. Fel-reunach, O.-A. Neuenbürg, 5. Mai. Der freiwillige Arbeitsdienst Feldrennach hat seine Arbeit ausgenommen. Die Maßnahme umfaßt die Neuanlegung von Waldwegen, wobei bis zu 50 Arbeitsdienstwillige beschäftigt werden können. Die technische Leitung hat Forstmeister Thomas in Schwann. Die Betreuungsmaßnahmen stehen unter Leitung des Heimatwerkes Stuttgart und werden gemeinsam mit Schwann und Ottenhausen durchgeführt.
SCB. Herrenberg, 5. Mai. Am Dienstag fand im großen Ratkaussaal unter dem Vorsitz von Lanörat Dr. Battenberg die Amtsversammlung statt. Dabei wurde folgende Entschließung angenommen: „Die Amtsversammlung verfolgt mit wachsender Sorge die steigende Belastung, die den Gemeinden, namentlich den Arbetterwohngemeinden durch die Wvhlfahrtserwerbslosen- und Krisenfnrsorge entsteht. Infolge außerordentlicher Rückgänge ihrer Holz- und Steuereinnahmen sind diese Gemeinden nicht länger in der Lage, den erforderlichen Fürsorgeaufwand aufzubrtngen. Die Amtsversammlung richtet deshalb an das Staatsministerium die dringende Bitte, alsbald alle notwendigen Maßnahmen zu treffen und entsprechende Mittel bereitzustellen, damit die besonders stark belasteten Gemeinden ihren gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber ihren arbeitslosen Einwohnern Nachkommen können." — Der Etat der Amtskör- pcrschaft ist gegenüber dem Vorjahr ganz gewaltig zusammengestrichen worden und zeigt in seinem Endergebnis rund 25prozenttge Ermäßigung der Amtskörperschaftsumlage. Der Voranschlag der Amtskörperschaft schließt ab mit einer Ausgabe von 368 702 und einer Einnahme von 106 807
wp. Stuttgart, 5. Mai. Am 6. Mai b. I. vollendet -er Präsident der Württ. Landwirtschaftskammer, Gutsbesitzer Adorno, auf Kaltenberg, O.-A. Tettnang, sei» 60. Lebensjahr. Präsident Adorno kann mit Befriedigung und Stolz auf ein segensreiches Wirken im Dienste der Landwirtschaft zurückblicken.
SCB. Ludwigsburg, 5. Mai. Gestern nachmittag gegen 3.30 Uhr zog über Ludwigsburg und die Vorstadt Eglosheim ein Gewitter, verbunden mit halbstündigem, schwerem Ha- gclschlag, der an den in schönster Blütcnpracht stehenden L bstbäumen großen Schaden anrichtete. Noch am Abend kennte man die traurigen Reste dieses verheerenden Unwetters beobachten. Ein schwerer Schlag für die so hoffnungsfrohe Landwirtschaft.
SCB. Ebingen, 4. Mai. Ein Leichenfund wurde gestern abend auf der Schloßfelsenhalde gemacht. Der 38 Jahre alte verheiratete Schuhfabrikarbeiter I. F. von hier war am Sonntag abend gegen S Uhr auf dem Heimwege vom Walbhetm. Durch den starken Wind wurde ihm der Hut vom Kopfe geweht, weshalb er nach diesem suchte, während seine zwei Begleiter weitergingen. F. kam von da an weder nach Hause, noch erschien er an seiner Arbeitsstätte. Am Dienstag abend suchten feine Begleiter nach ihm und fanden ihn an der Schloßfelsenhalde, etwa 50 Meter von dem Randweg entfernt, im Walde tot auf. F. ist wohl in der Dunkelheit zu Fall gekommen und hat sich durch Anschlägen des Kopfes an Bäumen bzw. Stöcken tödliche Verletzungen zugezogen.
SCB. Vom Ries, 5. Mat. Ueber Wemding und Umgebung ging ein.schweres Gewitter nieder, das Hagelschauer im Gefolge hatte. Die Hagelkörner verwandelten die Landschaft in ein winterliches Bild. Die ziemlich großen Schloffen zerschlugen größtenteils die Gemüseanlagen, und auch die Obstväume haben große» Schaden gelitten.
Geld-, Volks- und Landwirtschaft
L. C. Berliner Produktenbörse vom 4. Juni.
Weizen, märkischer 273-275- Roggen, märkischer 198 bis 200- Russenroggcn 195- Braugerste 187-194- Futter- uird Jn- dilstricgcrste 179-186- Hafer, märkischer 168-168- Weizenmehl 38-36,50- Noggenmehl 25,80-27,60- Wetzcnkleie 11,60 bis 11,90- Noggenkleie 9,75-10,25- Viktoriaerbsen 17-23- kleine Speiseerbsen 21-24- Futtererbsen 16—17- Peluschken 16—18- Ackerbohnen 15—17- Wicken 16—18- Lupinen, blaue 10—11,50- dto. gelbe 14—15,50- Seradclla, neue 28—34- Leinkuchen 10,70- Erdnußkuchen 11,40- Erdnußkuchenmehl 11,40- Trockenschnitzel 9,20. Allgemeine Tendenz: Rnhig.
Wett-ersta-ter Marktbericht.
Sch weine markt. Zufuhr: 162 Stück Milchschwetne. Preis: 26—42 Rm. für bas Paar. Handel gebrückt- Preise steigend.
Biehpreisc.
Kirchheim u. T.: Farren 380—680, Ochsen und Stiert 240—470, Kühe 110-680, Kalbeln 365—600, Jungvieh und Rinder 90—320, Kälberkühe 230—580 — Ravensburg:
Anstcllrindcr 80—240, Kühe 180-360, Kalbinnen 200—380 ^l. — Rosenfeld- Kühe 107—300, Kalbinnen 200—360, Jungvieh 80—160
Schweiuepreise
Balingen: Milchschwetne 8—20 — Bopsingeu: Milch
schweine 13—15, Läufer 30 ^!. — Crailsheim- Läufer 25—35, Milchschwetne 14—20 .^l. — Giengen a. Br.: Saugschweine 14—19, Läufer 23—34 — Güglingen: Milchschwetne 12 bis 15, Läufer 19—50 — Hall: Milchschweine 11—19, Läufer 20—25 — Heilbronn: Milchschwetne 15—21, Läufer 30 bis
35 -4k. — Künzelsau: Milchschweine 12—21 ^l. — Marbach: Milchschweine 15—23 — Oehringen- Milchschweine 15 bis
21 .^l. — Rottweil: Milchschweine 10—18
Fruchtpreise
Ellwangen- Weizen 12.60—14, Roggen 12.60—13, Gerste 10.50—11, Hafer 8.20—9 — HeiüenHeim: Kernen 14.40
bis 14.60, Weizen 12.60—13.40, Gerste 9, Haber 8.30—9 —
Ravensburg: Besen 11—11.10, Weizen 13.60—14, Roggen 10.50—11, Gerste 9.60—10, Hafer 9—9.50, Saatgerste 10.50 bis 10.80 -4l. — Saulgau: Dinkel 10.30, Weizen 11.50, Gerste 9 bis 9.15, Saathafer 10 — Reutlingen: Weizen 14—16.50,
Dinkel 10-11.50, Gerste 9—10, Hafer 8.70-10, Kleesame« 85—105 — Ulm: Kernen 14.80, Weizen 13—14, Roggen 12.10, Gerste 9.10—9.70, Hafer 7.50—8.40, Erbsen 7.50—9, Wicken 9—10, Kartoffeln 3—3.50
Schwcinezählung «m 1. Juni 1932.
Am 1. Juni 1932 soll wieder eine Schweinezwischenzäh- lung und in Verbindung hiermit, um einen Ueberblick über den saisonmüßigen Verlauf der Gesamtschlachtungen an Schweinen zu erhalten, eine Ermittelung der in der Zeit vom 1. März 1932 bis 31. Mai 1932 vorgenommenen nicht beschaupflichtigen Schlachtungen lHausschlachtungens von Schweinen durchgeführt werden. Die ^Zählung geschieht in Württemberg durch Zähler mittels Ortsliste.
Geflügelzucht
Das Kapaunisiere« im landw. Betriebe.
Die Hälfte unserer jährlichen Geflügelzucht ist meist männlichen Geschlechts. Dabei werden die streitsüchtigen, die Hennen belästigenden Hähnchen bald eine solche Plage» daß man gezwungen ist, sie in sehr jugendlichem Alter abzustoßen. Sie werde» fast immer innerhalb der heißesten drei Monate geschlachtet, wo der Markt so überfüllt ist, daß der Preis für Hähnchen nicht einmal die Gestehungskosten erreicht, oder aber sie werden, sobald man das Geschlecht erkennt, getötet und zum großen Teil wieder verfüttert. Dieses Maffenfchlachteu -er Junghähue ist eine sinnlose un- unnütze Vergeudung, die volkswirtschaftlich nicht länger verantwortet werden darf, zumal in einem Lande, bas jährlich für 60 Millionen Mark Schlachtgeflügel einfiihrt. Immer wieder läßt sich das Publikum Auslandsware aufschwatzen, und doch ersetzt der deutsche Kapaun die teure belgische oder russische Poularde vollkommen. Durch das Kapaunisiere», das für jeden Laien verständlich von Mann, Frau oder Mädchen ausgeführt werden kann, werden die Erträge jeder Geflügelzucht erheblich vermehrt. Es ist durchaus keine Neuerung. Schon Friedrich der Große sagte! „Ich will, daß jeder Deutsche zu Ostern einen deutschen Kapaun in der Pfanne habe." Aber zu jener Zeit war die Kastration durch Eingriff sehr verlustreich, schwierig, schmerzhaft und nur durch einen Spezialisten ausführbar. Die Kapaunisierung hat sich aus diesem Grunde nie allgemein durchgcsetzt. Erst durch die neuzeitliche Seitenschritt t - Kastration, die von jedem Laien vorgenomme» werden kann, ist bas möglich geworden. Dazu können Kapaunen bis zum Spätwinter oder Frühjahr gehalten werden, also bis in eine Zeit, in der bei uns anderes frisches Geflügel fast gar nicht zu haben ist und das Ausland Gefriergeflügel zu sehr hohen Preisen einführt. Der Kapaun bringt, zu rechter Zeit auf den Markt gebracht, mehr ein, als der Eierertrag einer Junghenne wert ist. Daneben können Kapaune mit jeder Menge Hennen ohne gegenseitige Störungen zusammengehalten werden- auch eignen sie sich sehr gut dazu, Kücken aus Brutmaschinen oder Truthennen zu führen, sie bemuttern dieselben besser, wie eine Hennenglncke. Die vielen Vorteile des Kapaunisierens sind in Kürze folgende: Ein größeres und schwereres Huhn beim Schlachten, zartes, saftigeres, wohlschmeckenderes Fleisch, ein bedeutend höherer Verkaufspreis pro Pfund, billigere Fletscherzeugung durch bessere Futterverwertung, ruhigere, selten krähende, nicht die Hennen belästigende Tiere, gute Pflegemütter zur Kückenaufzucht, einfachste, billigste Haltung ohne Mast. Anstatt Ueberangebot im Sommer, Verteilung auf das Jahr, billige, gründliche Vertilgung tierischer Schädlinge.
Otto Graf, Hirsau-Ernstmühl.
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