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Femsprecher Nr. 9
Verantivortl. Lchriftleitung: Frieckrich Hans Scheele Druck unä Verlag äer A. OelschlSger schen Suchäruckerei
Nr. 101
Montag, den 2. Mai 1932
Jahrgang 105
Das Arbeitsprogramm der Reichsregierung
Arbeitsbeschaffung und Arbeitsdienst — Auflegung einer Prämienanleihe
TU. Berlin, 2. Mai. Anfang dieser Woche werden die Lurch die Genfer Reise Brünings unterbrochenen Beratungen des Reichskabinetts über eine Reihe wichtiger stnanz- «nd ivirtschaftspolitischer Fragen fortgesetzt. Die ersten drei Tage der Woche werden Ha u s h a I t sf r a g e n gewidmet sein. Im Mittelpunkt der Kabtnettsberatungen wird ein umfangreiches A r L e i ts bc s ch a ff n » g s p r o g r a m m stehen, das von den zuständigen Ressorts in der Zwischenzeit kabinettSreif gemacht morden ist. Um die für die Durchfnh- rnng der Pläne erforderlichen Mittel herbeizuschaffcn, ist die Auslegung einer großen Prämienanleihe geplant, die ähnlich, wie die seinerzeitige Reichsbahnanleihe, mit besonderen Vorzügen ausgestattet iverden soll. Der Vorzug soll nach den bisherigen Absichten im wesentlichen in einer möglichst weitgehenden Steuerbefreiung liegen. Einzelheiten über den Gewinnplan liegen noch nicht fest, doch soll mit der Rückzahlung bereits nach verhältnismäßig kurzer Zeit begonnen werden. Iknter Hinweis aus den Erfolg der seinerzeitigcn Rcichsbahnanleihe ist man in unterrichteten Kreisen auch hinsichtlich des Ergebnisses dieser Anleihe guter Hoffnung.
Im Zusammenhang mit dieser Krage wird sich das Reichs- kabinett dann weiter mit dein Problem der Arbeits- Lien st Pflicht oder, ivie man an unterrichteter Stelle sich auszudrücken vorzieht, des freiwilligen Arbeitsdienstes beschäftigen. Inwieweit eine Ausdehnung des freiwilligen Arbeitsdienstes angestrebt werden kann, ist naturgemäß in der Hauptsache eine finanzielle Frage. Wenn den Schulentlassenen die Möglichkeit gegeben werden soll, sich im Rahmen des freiwilligen Arbeitsdienstes zu betätigen, so wird die Regierung nicht umhin können, ihnen vielleicht über die für die Arbeitslosenauszahlungen festgesetzte Frist hinaus ein E xi ste n z m i n i m n m zu gewährleisten.
Es ist anzunehmen, daß das Reichskabinett sich alsbald auch über die Reichsbannerfrage schlüssig iverden wird. Der Reichspräsident dürfte in seiner Samstag-Unterredung mit dem Reichskanzler, die allerdings vorwiegend der Entwicklung der Genfer Verhandlungen galt, auch diese Krage angeschnitten haben. Dem Reichsinnenministerinm Ist es, wie verlautet, im wesentlichen darum zu tun, eine Bürgschaft gegen ein W i ed e r a us l e b e n der
Die Arbeiten der Abrüstungskonferenz
TU. Genf, 2. Mäi. DaS Präsidium der Abrüstungskonferenz trat unter dem Vorsitz von He »der son zu einer kurzen Sihurrg zusamnren, in der zu der amtlichen Mitteilung der fünf Mächte über die Fortsetzung der Genfer Besprechungen Stellung genommen wurde. Es wurde beschlossen, daß die technischen Ausschüsse jetzt ununterbrochen ihre Arbeiten über die Begriffsbestimmungen der großen Angriffs wafsen weiter fortsetzen sollen, die sich voraussichtlich bis Pfingsten ansdehnen werden. Unmittelbar nach Pfingsten wird sodann gleichzeitig mit der vorgesehenen Fünfmächte-Konferenz der Hauptausschuß der Abrüstungskonferenz seine Arbeiten von neuem aufnchmen. Man erwartet, daß in dieser Woche vor allem im Flottenausschuß sehr bedeutungsvolle grundsätzliche Aussprachen über die endgültige Feststellung der Angriffswaffen stattsinden werden. Die Entscheidung über diese Fragen werden als Vorbereitung der endgültigen Entscheidung über das Verbot der Angrifsswaffen von weittragender Bedeutung für die endgültige Beschlußfassung der Abrüstungskonferenz sein. Die HauptverhandlnngSpnnkte der geplanten netten Fttuf- mächtckonserenz.
Nach Auffassung englischer Kreise hat Macdonald die Absicht, in Atzr neuen Fünfmächtekonferenz zwei Fragen zur Entscheidung zu bringen: l. die deutsch-französischen Gegensätze in der Abrnstungssrage und 2. den Beitritt Frankreichs und Italiens zum Londoner Flottenabkommen.
Um Deutschlands Gleichberechtigung
Aus Genf wird berichtet: Nach Mitteilungen aus zuverlässiger ausländischer Quelle sind zur Zeit auf englischer und französischer Seite ernsthafte Bestrebungen im Gange, eine Formel zu finden, die die von der deutschen Regierung auf der Abrüstungskonferenz gestellte Forderung aus Anerkennung der Gleichberechtigung befriedigen soll. Nach dieser englisch-französischen Formel soll grundsätzlich die Gleichberechtigung sämtlicher an der Abrüstungskonferenz teilnehmenden Staaten anerkannt iverden. Uever die endgültige Fassung sind, wie hier verlautet, seit einigen Tagen bereits eingehende Besprechungen im Gange. Eine derartige Formel würde, wie jetzt sofort ausdrücklich festgestellt werden muß, selbstverständlich in keiner Weise den deutschen sachlichen Forderungen auf Anerkennung der Gleichberechtigung Rcch-
verbotenen oder freiwillig aufgehobenen militärähnlichen Organisationen zu erhalten.
Das Zentrum zum Wahlausgang
TN. Berlin, 2. Mai. lieber die Sitzung des geschäftsfüh- renden Vorstandes der Zcntrumspartei wird vom Zentrum folgender Bericht ausgegcben: „Der gcschäftsführende Vorstand der Deutschen Zentrumspartei trat am SamStag unter dem Vorsitz des Prälaten Dr. Kaas im Reichstag zusammen. Besonders wurde Las Ergebnis der Länderwahlen besprochen und Labei mit Genugtuung und Dank festgestellt, daß durch die Treue der Wähler die Fortführung einer aufbauenden nationale« Realpolitik gewährleistet ist. Dem Reichskanzler, der für kurze Zeit der Sitzung beiwohnte, wurde der Dank für seine tatkräftige Vertretung des deutschen Standpunktes in Genf zum Ausdruck gebracht. Als einmütige Auffassung kam zum Schluß zum Ausdruck, daß in den kommenden politischen Verhandlungen die letzte Entscheidung der Reichs - parteileitnng Vorbehalten bleibt".
Ergänzend verlautet, daß Reichskanzler Dr. Brüning in einer fast einstündigen Rede die zurzeit brennenden außenpolitischen Fragen behandelt hat. Man geht daher nicht fehl in der Annahme, daß bei der Entscheidung des Zentrums über die Folgerungen, die aus dem Ergebnis der Länderwahlen zu ziehen sind, auch die außenpolitischen Fragen eine nicht unerhebliche Rolle spielen werden, wobei sich das Zentrum nach wie vor bereit erklärt, mit alle« den Gruppen zusammenzuarbeiten, die sich auf Sem Boden der Verfassung zur Mitarbeit bereitfindeu.
Die Haltung der Nationalsozialisten
— Berlin, 2. Mai. Im »Angriff" fordert oer Reichslags- abgeordncte Dr. Goebbels den Reichspräsidenten auf, Reichskanzler Brüning sein Vertrauen zu entziehen. Len Reichstag aufzulösen, das Parlament in Uebereinstimmung mit dem Volkswillen zu bringen und von dieser Position aus mit neuen Männern und neuen Ideen Las deutsche Schicksal in Angriff zu nehmen. — Wie jetzt bestätigt wird, ist Abgeordneter Kerrl von Adolf Hitler als preußischer Landtagspräsident in Aussicht genommen.
nung tragen. Rach Ser jetzt von englisch-französischer Seite angestrebten „Lösung" würde Deutschland lediglich die theoretische, jedoch keineswegs die praktische Gleichberechtigung zuerkannt werden, und damit der Zustand -er einseitigen Entwaffnung Deutschlands gegenüber den schwer gerüsteten deutschen Nachbarstaaten endgültig sanktioniert iverden.
Die Forderung, die Deutschland vorgebracht hat, beruht auf den eindeutigen Bestimmungen des Völkerbundspaktes und des Versailler Vertrags, sowie auf internationalem Recht. Es kann als selbstverständlich angenommen werden, daß Sie deutsche Regierung einen derartigen Vorschlag sofort entschieden ablehnen wird, da eine solche rein diplomatische Behandlung der Gleichberechtigungsfrage in schroffem Widerspruch zu dem anerkannten deutschen Standpunkt und den lebenswichtigen Interessen Deutschlands steht. In unterrichteten Kreisen wird angenommen, daß bei der Mitte oder Ende Mai stattfindenden Zusammenkunft der leitenden europäischen Staatsmänner eingehende Verhandlungen über die Gleichberechtigungsfrage stattfinden werden, die für Deutschland die Grundfrage der gesamten Abrüstungsverhanülungen bildet.
Die Maifeiern im Reich
^ Berlin» 2. Mai. Tie Maifeiern der Sozialdemokraten und Kommunisten sind im Reich ohne besondere Zwischenfälle verlaufen. Nur in Bremen kam es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Kommunisten, wobei 7 Beamte leichte Verletzungen erlitten. In Berlin hielten zunächst die Sozialdemokraten und darauf die Kommunisten Riesenkundgebungen im Lustgarten ab. Die Teilnehmer rückten in großen Zügen mit Musik ans den einzelnen Stadtbezirken an. Bei den Kommunisten sah man viele Frauen in roten Badekostnmcir 0). Im Mittelpunkt der Reden stand der Ruf nach Arbeit.
Im Ausland ist der 1. Mai nicht überall ruhig verlaufen. So gab es im oberschlesischen Jndnstricrevier bei Zusammenstößen mit polnischer Polizei 2 Tote. In Melbourne (Australien) kam es zu schweren Schlägereien. Der Ministerpräsident von Victoria, der zur Menge zu sprechen versuchte, wurde verprügelt. Moskau beging den 1. Mai wie üblich mit einer großen Trnppcn-Parade.
Tages-Spiegel
Die Reichsregierung wird in dieser Woche die Beratungen über das Nidcitsbeschassuugsprogramm und die Rrbcits- dienstpsli'cht wieder aufnchmen.
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Reichspräsident v. Hindcnburg gedenkt seinen diesjährigen Tommerurlaub nicht wieder in Bayern, sondern anf seinem Stammgnt Ncndeck in Ostpreußen zu verleben.
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Die französischen Kammcrwahlen gingen gestern bei starker Mrhlbetciligung vor sich. Man rechnet nach den bisher vorliegenden Ergebnissen mit keinen wesentlichen Tlerschie- bnugen.
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In Schanghai ist der Präsident des japanischen Vereins Dr. Kawabata als erstes Opfer des Bombenanschlags gestorben. Japan hat seine Truppen in der Mandschurei crncnt verstärkt.
Der Präfideut der wnrtt. Ministerialabtcilnng für Bezirksund Körperschastsvcrwaltung, Dr. Michel, ist in den Ruhestand getreten. An seine Stelle ist Ministerialrat Knapp vom Staatspräsidenten ernannt worden.
Die Kammerwahlen in Frankreich
TU. Paris, 2. Mai. Die französischen Wahlen sind zu Ende. In Paris und in der Provinz ist die Wahlbeteiligung äußerst rege gewesen, so daß man im Durchschnitt mit mindestens 80 Prozent rechnet. Zu irgendwelchen Ausschreitungen ist es, soweit bisher bekannt, nirgends gekommen. Eine Uebersicht über die bis 1 Uhr nachts vorliegenden Wahlergebnisse zeigt, daß wesentlich weniger Kandidaten im ersten Wahlgang gewählt wurden als man allgemein angenommen hatte. Die Radikalsozialisten haben den Voraussagen gemäß ihre Stellung überall behaupten oder sogar verbessern können, während die Sozialisten eine merkliche Einbuße erleiden. Man rechnet damit, daß nicht mehr als 250 von den 611 Kandidaten im I. Wahlgang gewühlt werden. Nach den bisher vorliegenden Ergebnissen sind Herriot, Reynaud und Tarbieu in ihren Wahlbezirken wiedcr- gewählt.
Zur Stunde herrscht allgemein der Eindruck vor, daß das Gesamtergebnis nur eine unwesentliche Verschiebung der Sitze ergeben wird. Nach den Aussichten derjenigen Kandidaten zu urteilen, die in die Stichwahl kommen, scheinen sich die ausgesprochenen Rechts- und Linksgruppen die Waage zu halten, während das Zentrum und vor allem das Linkszentrum, eine Stärkung erfahren dürfte. Das Gesamtergebnis des ersten Wahlsonntag wird nicht vor heute vormittag zu erwarten sein.
Sechsstundentag in Dänemark?
LU. Kopenhagen, 2. Mai. Der dänische Ministerpräsident Stauning hielt am Sonntag auf der Maikundgebung der Sozialdemokraten, die in einem der größten Parks -er Stadt stattfand, eine politische Ansprache, in der er erklärte, die Regierung sei im Begriff, dem Parlament einen Vorschlag über die Herabsetzung der Schulden der Landwirtschaft, sowie über die Einführung eines 6-Stunden-Arbeitstags zur Ueberwinndung der Arbeitslosennot vorzulegen.
Durch die Aussperrung in den dänischen Schlächrereibe- triebeu find die dänischen Devisenschwierigkeiten ins Riesenhafte gestiegen. Die dänische Einfuhr wird um weitere */» gedrosselt werden müssen. Die gesamte Presse sieht sehr schwarz. Man spricht von einem Selbstmord der dänischen Landwirtschaft und der dänischen Ausfuhr nach England. Im ganzen sind durch die Anssperrung am ersten Tage 10 000 Leute arbeitslos geworden.
Essen stellt die Arbeilsfürsorge ein
TU. Berlin» 2. Mai. Wie Berliner Blätter aus Esten melde«, läßt die außerordentliche Verschlechterung der städtischen Kaffen keine Möglichkeit mehr, die Kosten der Ar- beitssiirsorge aufznbringen. Die gesamte Arbcitsstir- sorge wird bis auf weiteres mit dem Ri. April nach Arbeits- schlutz eingestellt.
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Feierschichten bei der Reichsbahn. Tie Verhandlungen zwischen der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn und de» am Lohntarisvertrag beteiligten Gewerkschaften über Feierschichten haben zu einer Einigung geführt. Um umfangreiche Entlassungen von Arbeitern zu vermeiden, die wegen des geringen Arbeitsanfalles notwendig gewesen wären, ist man überein gekommen, bei Arbeitern in Ausbesserungswerken bis zu 13 Feierschichten im Vierteljahr dnrchznsührcn.