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Montag, den 25. April 1932
Jahrgang 105
Die württembergischen Landlagswahlen
Eine Rechtsmehrheit trotz starkem Anwachsen der nationalsozialistischen Mandate nicht erreicht — Das Zentrum behält seine Schlüsselstellung
Wahlbeteiligung 79,7 Prozent. Gültige Stimmen: 1244 778
Landtag
neue
bis-
1928
Sitze
her
Sozialdemokraten .
.
266 S72
267 077
14
21
—7
Zentrum ....
254 675
219 846
17
16
-i-1
Bauernbund . .
.
ISS 645
202 480
9
15
—6
Deutsch-Demokraten
59 689
11319«
4
8
-4
Kommunisten . .
.
116 644
82 552
7
6
->1
Deutschnationalc
.
58 410
64131
3
4
—1
Bolkspartei . . .
.
19 S19
57 758
—
4
—4
Christ!. Volksdienst
.
52 S52
48 440
3
3
gleich
Bolksrecht-Partci .
.
16 7SS
37 098
—
2
—2
Rationalsozialisten
.
328 188
20 342
23
i
-i-22
Freie, Parteilose .
.
3 993
—
—
_
Die nengcwählte» Landtags-Abgeordnete«
Von den einzelnen Parteien sind folgende Abgeordnete gewählt:
1. von der Sozialdemokratie: auf der Landes- listc: Keil, Pflüger, Steinmeycr, Weimer; auf den Bezirkslisten: Winker, Gompper, Schneckenburger, Frau Döhring, Kinkel, Ulrich, Feuerstein, Keil, Pflüger, Heymann.
2. vom Zentrum: auf der Lai.dcsljste: Dr. Bolz, Frau Rist, Andre, Schcffold, Dr. Sauer; auf den Bezirkslisten: König, Lins, Nafsal, Köbcrle, Renz, Küchle, Dr. Veyerlc, Gengler, Dr. Schmidt, Dr. Kaim, Bock, Hermann.
3. vom Bauernbund: auf der Landesliste- Dr. Strobel, Körner, Dr. Häcker; auf den Bezirkslisten: Muschler, Bauer, Bollert, Werenwag, Stooß, Kugler.
4. von den Demokraten: auf -er Lanüesliste: Dr. Bruckmaun, auf den Vezirkslisten: Wtrtschaftsministcr Dr. Maier, Dr. Bruckmann, Dr. Manche;
8. von den Kommunisten- auf der Landesliste: Köhler, Vollmer; auf den Bezirkslisten: Hilsenbeck, Frau Walter, Albert Fischer, Vollmer, Haag.
6. von den Deut sch nationalen: auf der Landesliste: Finanzminister Dr. Dehlinger; aus den Bezirkslisten: Dr. Wider, Dr. Schott.
7. vom Christl. Volksöienst: auf der Landeslistc: Müller, auf den Bezirkslisten: Kling, Müller.
8. Von den Nationalsozialisten: auf der Lanöes- ttste: Murr, Mergenthaler, Arnold, Kiener, Bätzner, Schmidt. Waldmann; auf den Bezirkslisten: Mergenthaler, Dempel, Maier, Arnold, Schüle, Reiner, Bätzner. Murr, seibolö. Kling, Speidel, Dirr-Stammheim, Huber, Kiener, Dr. Pfannenschwarz, Blankcnhorn.
Doppelt gewühlt sind demnach von der Sozialdemokratie Keil und Pflüger, von den Demokraten Dr. Bruckmann, von den Kommunisten Vollmer, vom Christi. Volksöienst Müller, von den Nationalsozialisten Murr, Mergenthaler, Arnold, Kiener und Bätzner. Diese Doppelt-Gewählten haben sich binnen einer Woche nach Bekanntgabe des amtlichen Ergebnisses dem Landeswahlleiter zu erklären, zu welcher Wahl sie sich entscheiden.
Das Ergebnis der württembergischen Lanötagswahlen zeigt eine außerordentlich starke Verschiebung deS Ausbaus der Parteien, in deren Vordergrund eine Stärkung Ser extremen Richtungen, nämlich der Nationalsozialisten nnd her Kommunisten steht. Die Nationalsozialisten, die bisher nur ein Mandat im alten Landtag hatten, haben 33 neue Mandate gewonnen, die Kommunisten haben ihre Manbats- zahl von 6 um 1 auf 7 gesteigert. Die weitere gewinnende Partei ist das Zentrum, dessen Mandatsztffer von 16 auf 17 gestiegen ist. Der Christliche Volksöienst konnte seine Mandatszahl von 3 halten. Sämtliche übrigen Parteien dagegen haben einschneidende Verluste erfahren, in erster Linie die Deutsche Volkspartei, die trotz der Verbindung mit der Volkskonscrvativeu und der Wirtschaftspartei kein Mandat mehr erlangen konnte, während sie bisher 4 Sitze innehatte, ebenso die Volksrechtpartei, die ihre beiden Sitze verloren hat. Beide Parteien werden somit nicht mehr im neuen Landtag vertreten sein. Den nächstgrößtcn Verlust erlitt die Deutsch-Demokratische Partei, die nur noch die Hälfte der bisherigen Mandate, nämlich 4 retten konnte. Es folgt dann der Bauern- und Weingärtnerbund, dessen Mandatszahl von l6 auf S zurückgcgangen ist, dann die Sozialdemokratie, die von ihren 31 Mandaten ein volles Drittel verloren hat und Nllr noch 14 Sitze erhält. Auch die Deutschnationalen haben :>on ihren 4 Mandaten eines verloren.
Der starke Wechsel in den Mandaten kommt auch in den Stimmenzahle» zum Ausdruck. Trotz Erhöhung der Zahl der Wahlberechtigten um rund 100 060 gegenüber den Land
tagswahlen 1928 ist das Abstinnnungsvcrhältnis ungefähr dasselbe geblieben, nämlich 71 Prozent (gegen 70 Prozent 1028s. Mit der überraschend hohen Zahl von 328 000 Stimmen sind die Nationalsozialisten, die bei der letzten Wahl nur 20 000 Stimmen auf sich vereinigen konnten, an die Spitze gerückt. Nach ihnen folgt die Zentrumspartei mit 824000 Stimmen, also mit einer Zunahme von 35 000. Einen weiteren Zuwachs hat die Kommunistische Partei zu verzeichnen, die ihre Stimmcnzahl von 82000 bei der letzten Wahl um 34 OM erhöht hat. Sämtliche übrigen Parteien haben Einbußen erlitten, so die Sozialdemokratie nm 61 OM Stimmen auf 206 000, der Bauernbund um 69 OM Stimmen auf 133 OM, die Deutsch-Demokratische Partei um 54 OM Stimmen auf 69 OM, die Deutsche Volkspartei mit Wirt- schaflspartet um 50 OM Stimmen auf nur 19 OM, die Deutsch- nationale Volkspartei um 11 OM Stimmen auf 53 MO und die Bolksrechtpartei um 21 MO auf 16 OM.
Eine feste Mehrheit für die bisherige Regierung ist nach dem Wahlausfall nicht mehr gegeben. Die bisherigen Regierungsparteien Zentrum, Bauernbund, Deutsch-Demokratische Partei würden nur 30 Stimmen von insgesamt 80 aufbringen. Rechnet man dazu noch die drei Stimmen des Christ!. Volksdienstes, so würde sich eine Stimmenzahl von 33 ergeben, der 33 Stimmen der Nationalsozialisten, 3 Stimmen der Deutschnatioualcn und 7 Kommuntstenstimmen, zusammen ebenfalls 33 Stimmen gegenübcrftehen, wobei die Sozialdemokratie mit 14 Stimmen den Ausschlag geben würde. Auch eine rein bürgerliche Negierung ist nicht möglich, weil die Sozialdemokraten, die Kommunisten und die Nationalsozialisten zusammen 44 Stimmen gegen 36 bürgerlichen Stimmen besäße«. Jede künftige Negierung wird sich, wenn fle eine tragfähige parlamentarische Grundlage anstrebt, vor die Frage gestellt sehen, ob fle mit Nationalsozialisten oder Sozialdemokraten znsammeugehen will; es wäre denn, daß der Versuch gemacht würde, mit -er bisherigen Regierung als geschäftssührenöen Regierung oder mit einer Minderheitenregierung bei wechselnden Mehrheiten auszukommen. Wie sich die Dinge auch gestalten mögen, das Zentrum bleibt bei der Regierungsbildung als stärkste Mittelpartci in einflußreichster und wichtigster Schlüsselstellung.
Wahlbeteiligung 81». H. Gültige Stimmen 22 669 849
20
.Mai 1928 Mandate bisher
Sozialdem. Partei
4 674 943
5 466 394
93
<137)
Deutschnat. Bolkspartei
1534 931
3 375 410
31
<
82)
Zentrum
3 374 418
2 871 454
68
<
71)
Komm. Partei
2819 602
2 288261
56
<
56)
Deutsche Bolkspartei
330 807
1602 713
6
s
40)
Volksrechtpartei
44119
236 400
0
<
2)
Chr. Bvlksbienst
255 068
99 287
2
<
V)
Wtrtschaftspartei
191 032
855 597
2
<
31)
Deutsches Landvolk
153 562
466144
0
(
12)
Staatspartei
332 441
837 694
2
<
21)
NSDAP.
8 008 219
552 659
162
<
8)
Dt. Hannov. Partei
63 803
—
1
<
0)
Christl.-soz. Volksdienst
265 068
99 267
2
l
0)
Sonstige
«18 514
Nationale Front
51801
Im neuen Landtag werden voraussichtlich 428 Abgeordnete sitzen. Die absolute Mehrheit würde 312 betragen. Sämtliche Rechtsparteien zusammen haben 204 Sitze, die Weimarer Koalition erhält voraussichtlich 163 Sitze.
In den Kreisen der Preußischen Staatsregierung wirb unabhängig von der sonstigen Beurteilung der preuß. Wahlergebnisse mit großer Befriedigung festgestellt, baß die Oppositionsparteien die obsolute Mehrheit nicht erreicht haben. Nach der nur kurze Zeit vor den Wahlen erfolgten Aendcrnng der Geschäftsordnung des preußischen Landtages sei daher das Verhalten der Regierung Braun gegenüber dem neuen Landtag bereits klar vorgezeichnet. Es sei eine Frage von nur untergeordneter Bedeutung ob die Regierung Braun entsprechend den Gepflogenheiten formal zuriicktretcn wird oder nicht. Denn in maßgebenden Kreisen der preußischen Staatsregicrung wird kein Zweifel darüber gelassen, baß die Regierung Brann aus leben Fall
Tages-Spiegel
In Württemberg, Preuße», Bayern, Anhalt und Hamburg fanden gestern Parlamentswahlen statt. Sie haben überall ei« starkes Anwachsen der nationalsozialistische« Stimme« gebracht.
»
Das Reichsarbettsmiuisterium hat sich entschlossen, -te Frag« der gesetzlichen Arbeitszeitverkürzung mit Nachdruck in Angriff z« nehmen mit dem Ziel, dem Kabinett den Erlaß einer Verordnung znr Beschränkung der Arbeitszeit vorzuschlagen.
*
Der Vertreter der deutschen Regierung aus -er Internationalen Arbeitskonferenz in Gens erklärte, daß ein Drittel -er gesamten arbeitenden Bevölkerung Deutschlands arbeitslos sei. Die Zahl -er Arbeitslosen und ihrer Familienmitglieder «msaflc ein Drittel -er Gesamtbevölke- rnng Deutschlands.
*
Auf dem traditionellen Bankett der VVlkervuudsionrnaliste» führte der englische Ministerpräsident MacDonal- ans, die La«san«er Konferenz werde endgültig die finanzielle Erbschaft -es Weltkriegs beseitigen müsse«.
»
Der Ha«tzhaltsa«sschuß der Abrüstungskonferenz hat beschlossen, -atz gemeinsam mit -er Krage der Begriffsbestimmungen der Angriffswaffe« auch die Frage des Kriegsmaterials behandelt werden soll.
In Reuyork wurden durch einen Grotzbrand zwei Fabriken und drei Wohnhäuser vollkommen vernichtet. 126 Familp» find obdachlos geworden. Eine große Anzahl Mensche« erlitt Brandwunden.
Zusammentritt des neugewählten Landtags am 19. Mai
Der heute neugewählte 4. ordentliche württembergische Landtag tritt nach der Verfassung kraft eigenen Rechts am 16. Tage nach der Wahl, also am Dienstag, 10. Mat 1933, erstmals zusammen, um seinen Vorstand und den Staatspräsidenten zu wählen. Zu Beginn der ersten Sitzung übernimmt das älteste anwesende Mitglied den Vorsitz. Alterspräsident ist voraussichtlich der im Jahre 1863 geborene Bauernbundsabgeordnete Theodor Körner.
als geschäftsführendes Kabinett weiter amtieren will. Man hält es in diesen Kreisen auch für ausgeschlossen, daß die Kommunisten etwa der Rechtsopposition zur Rückgängigmachung der Geschäftsordnung im preußischen Landtag die Hand reichen werben. Zunächst wirb noch der alte Landtag bis zum 19. Mai weiter bestehen.
«-
Trotzdem die Preußenwahlen im allgemeiner: ruhig verlausen sind, haben sie doch in Berlin und Herford mehrere Opfer gefordert. In der Reichshauptstadt wurden zwei Nationalsozialisten, ein junger Kaufmann und ein Architekt bei politischen Zusammenstößen tödlich verletzt; insgesamt mußten 230 Personen von der Polizei sistiert werden. In Perford kam es zu blutigen Straßen kämpfen, die zum Teil beängstigendes Ausmaß annahmen. Nationalsozialisten, Reichsbannerleute und Kommunisten waren miteinander im Kampf. Die Gegner streuten sich Pfefser in die Augen und hieben mit Stahlruten aufeinander ein. 10 Personen sind verletzt worden.
Die Lundlagswohl in Bayern
Gültige Stimmen. S9Ü9 206
Bayerische Bolkspartei
1372074
45
Sozialdemokratische Partei
604 098
20
Bayer. Bauern- und Mittelstand
253260
9
Deutschnational' Volkspartei
127 983
3
Nationalsozialisten
1270 602
48
Kommunisten
250 400
8
SAP.
18452
—
Christlicher Volksdienst
42109
—
D. Volks- und Wirtschaftspartei
«6 012
—
Werktätige
236
Der Ausgang der Preußenwahlen
Die Sozialdemokratie behauptet sich trotz großer Verluste als zweitstärkste Partei
Keine regierungsfähige Mehrheit der Rechten