Aus Stadl und Land

Calw, den 21. April 1932.

Kursragen in Bad Licbenzell

c^n einer gemeinsamen Sitzung des K urausschusses und der Kurinteressenten, welche Bürgermeister Maulen auf das Rathaus eingeladen hatte, wurden die schwebenden Kurfragen behandelt. Bürgermeister Mau­len führte einleitend aus. daß es der Kurverwaltung noch nie so schwer gefallen sei, den Voranschlag aufzustcllen, wie i» diesem Jahre. Um den Gästen soweit als möglich ent- qcgenzukommcn, habe man die Kurtaxe gegenüber dem Jahre 1930 bis zu 25 Prozent gesenkt. Damit sei die Kur­verwaltung aber an die unterste Grenze gekommen, denn ein weiterer Abbau würde das Aufgeben all dessen bedeu­ten, ivas sich unser Kurort iu den letzten Jahrzehnten er­rungen hat. Um Härten auszugleichen, habe die Kurverwal­tung das System der Wochcnkurtaxe durchbrochen und für die Tage, welche die Gäste über ganze Wochen hinaus blei­ben, eine Tagestaxe cingcführt. Durchreisende, d. h. Gäste, welche höchstens 3 Tage bleiben Huben vom 2. Tag ab eine Passantcngcbühr zu entrichten: erhalten aber dafür das Recht, die Veranstaltungen in den Kuranlagcn zu Einwoh­nerpreisen zu besuchen. Bürgermeister Mäulen forderte die Wohnungsgeber auf. die An- und Abmeldungen der Gäste pünktlich zu besorgen. Ein Versäumen der Meldungen be­deutet Hinterziehung der Kurtaxe und hat strafrechtliches Einschreiten zur Folge. Außerdem wird der ganze Kurort und damit jeder Einzelne dadurch geschädigt. Wenn Bad Liebenzell bas Erreichte erhalten und nicht wieder auf die Bedeutungslosigkeit des 19. Jahrhunderts zurucksinken wolle, bedürfe es der vollen Mitarbeit und des guten Willens aller Kreise. Die Anwesenden anerkannten in der Aus­sprache die weitgehende Herabsetzung der Kurtaxe und er­klärten sich auch mit der Einführung der Passantengebühr einig. Ein ebenso wichtiger Beratungsgegenstand war die Frage der Werbung für den Platz. Gerade jetzt darf diese niA aussetzen, will man nicht rasch in Vergessenheit gerate». Die seitherige Art, gemeinsame Anzeigen aufzn- geben, hat sich gut bewährt. Die Werbung durch die "-'Nn- gen wird immer noch als die beste und erfolgreichste Art angesehen. Alle Interessenten sind bereit, der Kurverwal­tung durch die Bezahlung eines angemessenen Beitrags eine großzügige Werbung zu ermöglichen. Der Vorsitzen'"' schloss die anregend verlaufende Beratung mit dem Wunsche, Satz man recht bald von vollen Häusern in Bad Licbenzell h"rcn möge.

Generalversammlung der Molkereigenossenschaft Alt- und Neuhcngstett

Am letzten Sonntag hielt die Molkerei-Genossenschaft Alt- und Nenhengstett ihre ordentliche Generalversammlung im Gasthaus z. Lamm in Neuhcngstett. Der Vorsitzende, Ge- meindcrat Fi sch e r-Althengstctt, brachte in seinem Ge­schäftsbericht zum Ausdruck, dass die Molkerei trotz Schwierigkeiten in der heutigen Zeit noch gut abgeschlossen habe, was in der Hauptsache davon herriihre. dass der größte Teil der angeliescrten Milch als Frischmilch (tägl. ca. 1200 bis 1300 Liter bei einer Anlieferung von 16001700 Liiert abgesetzt werden könne. Die Milchanliefcrung betrug im letzten Jahr 602 901 Liter. Verkauft wurden 437 610 Liter. Verarbeitet 105 252 Liter. Der Absatz in Milch und Butter war sehr zufriedenstellend. Der Preis ging leider sehr zu­rück. woran die wirtschaftliche Notlage mitbcstimmend war, aber zum Teil auch noch andere Umstände, die leicht hätten vermieden werden können lUntcrbietung in Calw), so daß die Molkerei heute nur noch einen Preis von 1618 Pfg. pro Liter Milch erhält, was sich natürlich sehr zu ungunstcn der Erzeuger auswirkt. Trotzdem können die Erzeuger noch zufrieden sein, da sie stets ihre ganze Milchmenge abliefcrn können und dadurch immer noch eine gewisse Einnahme haben, was lange nicht in dem Maße der Fall wäre, wenn die Molkerei-Genossenschast nicht hätte gegründet werden kön­nen. Die Bilanz schließt mit einem Gewinn von rund 752 ab. Der Barnmsatz beträgt 201162 Kk, der Buch- nmsatz 1074 887 Au dem Gebäude und Maschinen

konnte ein ansehnlicher Betrag abgeschrteben werden. An Geschäftsanteilen wurden bis 81. 12. igzi 13 605 ein­bezahlt. Es ist anzunehmen, daß. wenn die Geschäftsanteile von 212 Mitgliedern zu je 100 vollends ctngcheu und in diesem Jahr ebenfalls der Frischmilchabsatz so anhält wie seither, die Molkerei-Genossenschaft von ihrer Schuldenlast und der damit verbundenen hohen Verzinsung annähernd befreit wird. Damit iväre dann auch die Verzinsung der Geschäftsanteile gegeben, welche von einigen Mitgliedern in der Versammlung gewünscht wurde: wogegen sich aber Bür­germeister B r a u n - Althengstctt wehrte und meinte man solle zuerst von der Schuldenlast etwas bereit werden ehe man Dividenden verteile, was von der Versammlung auch für dieses Jahr nochmals gebilligt wurde. Auch sprach er der Verwaltung für ihre gute Geschäftsführung den Dank der Vcrsamlung aus, was von derselben mit Beifall belohnt wurde, welcher auch dem Sprecher selbst galt, da er einen groben Anteil an dem Gelingen unserer Genossenschaft trägt

und sich stets für dieselbe, wo es gilt, eiuseyt. Nachdem der Aufsichtsratsvorsitzende, Gemcindcrat Flick- Althengstctt, über die Tätigkeit des Aufsichtsrats berichtet hatte, dem zu entnehmen war, baß im vergangenen Jahr gut gcwirtschaftet wurde und sich keine Anstände ergaben, wurde der Rechner Na sch old durch Zuruf auf weitere 4 Jahre gewählt und demselben sowie Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung er­teilt. Hervorgehoben wurde noch, daß der Molker Katz sehr pünktlich und gewissenhaft sein Amt versehe und somit ihm und auch dem Rechner an ihrer nicht zu hoch bemessenen Be­lohnung nicht abgebaut iverden solle. Die Versammlung ver­lief sehr harmonisch, im Gegensatz zu manch andern Ver­sammlungen in heutiger Zeit.

Wie es auf dem Lande aussieht.

Aus Simmozheim wird uns geschrieben: Nach dem lang anhaltenden Winter, der hauptsächlich im Februar und März durch anhaltende Kälte und Schnee sein Regiment energisch behauptete, war der Frühlingsaufang schön und sonnig und der Bauer versprach sich eine schöne Frühjahrsbe­stellung. Aber trotz der warmen Frühlingstage brauchte die Sonne faßt den ganzen März, um den rief gefrorenen Boden aufzutaucn, so daß die Saat nicht so rasch wie ange- nomcnen bestellt werden konnte.April tut was er will", dies Sprichwort hat sich noch selten so bewahrheitet wie in diesem Jahr. Nach ein paar schönen Tagen bildete» sich Gewitter mit ausgiebigem Regen, was man kaum g'auben wollte. Als der erste Donner rollte wollte sich niemand in der Saatarbeit stören lassen, so daß alles, was auf dem Felde war, in strömendem Regen und .Kieselschauern ganz durch­näßt nach Hause mußte. Tic Folge davon war manche Grippe-Erkrankung. Nun schneit und regnet es alle Tage so, daß die Feldarbeit nur langsam vonstattcn geht. Die Un­krautbekämpfung namentlich des Hahnenfußes der im ver­gangenen nassen Jahr in Massen aufkam. erfordert viel Zeit, denn die jungen Pflanzen, die den Winter gut überftanden haben, müssen vom Acker abgelesen werden. Die Kanosfel- bestcllung hat bei dem naßkalten Wetter keine Eile weil da­durch nur Krankheiten begünstigt werden Ein Gutes hat diese Witterung aber auch: daß die Obstbäume noch weit in der Blütenbildung zurückgchalten werden und so Sie Eis­männer und die kalte Sophie nicht viel Schaden anrichten können. Die ObstauSsichten sind bei Aepfeln als z.emlich gut uud bei Birnen als mittelmäßig zu erkennen und die hier zahlreich angepslanzte Hauszirctschge dürste nach dem Schlehenblülenansatz auch wieder einschlagcn, wenn die in den letzte» Jahren in Massen auftretenden Schädlinge durch das naßkalte Wetter nicht aufkommen und die Bäume kahl stellen. Kirschen stehen auch gut. Die Mäuse scheinen im letzten nassen Sommer fast ausgcstorben, so daß auch dieser Feind der Saaten nicht wie in den vergangenen Jah- en ge­meinsam bekämpft werden muß. Die Arbeitslosigkeit wirkt sich in hiesiger Gemeinde immer mehr zum Nachteil der Gemeindesinanzen aus: es märe höchste Zeit daß es wieder Arbeit gibt, um wieder Verdienstmöglichkeit zu schaf­fen, um die drückenden Steuern und Zinslasten begleichen zu können. Die schwere landwirtschaftliche und Arbettskrisc fügt der Landbevölkerung schweren Schaden zu, in erster Linie den Kleingewerbetreibenden, die noch Kleinlanbwirt- schast betreiben müssen, um überhaupt bestehen zu können. Durchgreifende Hilfe wäre durch eine Senkung des Zins­fußes für Schulden auf 5 Prozent und durch eine zcitent- spreckende Regelung der Zinsspanne von Soll und Haben, die nicht über 1 Prozent ginge, gegeben.

Wetter für Freitag und Samstag.

Eine Depression liegt jetzt über Großbritannien, eine weitere im Süden. Hochdruck zeigt sich im Norden und im Westen. Für Freitag und Samstag ist wieder zur Unbestän­digkeit neigendes Wetter zu erwarten.

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Althengstett, 20. April. Heute vormittag hat sich der ledige 42 Jahre alte Taglöhncr Wilhelm Weiß in seiner Scheuer erschossen. Mit einer Zimmerflintc brachte er sich einen Herzschuß bei.

Alteusteig, 20. April. Das Geschäfts- und Wohnhaus des verstorbenen Kaufmanns Paul Beck, Eisenwarenhandlung hier, ging in den Besitz des Kaufmanns Karl Buhler. Sohn des Schmiedmeisters Ehr. Bühlcr hier, über. Iw Krieger- vercin wurde eine Jnngschützcnabtcilnng gegründet zu der sich die erfreuliche Anzahl von 45 Mann meldeten

SCB. Zuffenhausen, 20. April. Dienstag vormittag wur­den in einem Hause der Alcxanderstraße eine 28 Jahre alte Frau und deren Kinder im Alter von 1 und 6 Jahren in der .Küche der Wohnung bewußtlos aufgcfunden. Alle drei Per­sonen wurden in das Krankenhaus Cannstatt aufgcn-.mmen. Es lag eine Gasvergiftung vor.

SCB. Stuttgart, 20. April. Nachdem der Aerztevercins- bund mit dem Reichskommissar sür Preisüberwachung in Berlin schon vor einigen Monaten wegen Senkung der ärzt­lichen Honorare in der Privatpraxis verhandelt hat, hat auch die Württ. Acrztckammer in ihrer Sitzung vom 9. ds. Mts. zu dieser Frage Stellung genommen. Sie hat bcschlos-

>eu, daß aus die bisher üblichen Sätze ei» Nachlaß von 15. Prozent gewäbrt werden soll.

Geld-, Volks- und Landwittschaft

Börse

SCB. Stuttgart, 2V. April. Die Börse lag heute sehr ruhig, weil es an Unternehmungslust fehlte. Der Renten­markt war behauptet. Der Aktienmarkt lag uneinheitlich.

L. C. Berliner Produktenbörse vom 20. April.

Weizen, märkischer 200262,- Roggen, märkischer 198 bis 200: Nuisenroggen 195,- Braugerste 190195; Futter- und Ju- dustriegcrste 180190; Hafer, märkischer 159164; Weizen­mehl 31,7535,25: Rvggenmehl 26,2527,75; Weizenkleie 11,6011,85; Noggcnkleie 11,4011,70; Viktoriaerbsen 18 bis 24; kleine Speiseerbsen 2124; Futtercrbsen 1517; Pe­luschken 16,5018,50; Ackerbvhnen 1517, Wicken 1618,50; Lupinen, blaue 1011,75; dto. gelbe 1415,50; Leinkuchen 11; Erdnußkuchcn 12,40; Erdnußkuchenmehl 12,2012,40; Trockcn- schnihel 9,50. Allgemeine Tendenz? Schwächer.

,Vichprcise

Ellwangen: Farrcn 220, 1 Paar Ochsen 678715, Rinder 155350, Zuchtkühe 480, trächtige Kalbcln 440, Jungvieh 75 bis 170 Gaildorf: Ochsen 190-580, Kühe 80-370, Rin­

der und Jungvieh 85360 .6.

Schweinepreise

Balingen: Milchschwcine 1022 .^r. Besigheim: Milch- schwcine 1518/l. Munderkiugcn: Muttcrschweine 110 bis 135, Milchschweine 1418 Ravensburg- Ferkel 12

bis 22, Läufer 2585 ./l. Saulgau- Ferkel 1022

Ellwangen: Milchschweine 1420, Läufer 2737

Obersontheim: Milchschweine 1522 Oehringen:

Milchschweine 1722 .L.

Vom Holzmarkt

Nach Nadelstammholz zeigte sich am ivürtt.-hohenz. Markt in den letzten Wochen eine leichte Belebung der Nachfrage, die da und dort zu Abschlüssen kleineren und mittleren Umfangs führte. Bemerkenswert ist die anhaltende Stabilität der Preise, wenn auch der Preisstand an sich keineswegs befriedigend ist. Soweit Abschlüsse möglich waren, bewegten sich die Erlöse bei gewöhn» sicher Beschaffenheit und Absuhrlave: 2m Schwarzwald. Mittel-, Nordost- und Unterland zwischen 40 und 50 Proz., in Oberschwa­ben und Hohenzvllern zwischen 33 und 40 Proz. der Landes- grundpreife. Starke Forchen von guter Beschaffenheit wurden in der Negel mit 50 bis 60 Proz. bewertet, während schwächeres Forchenholz schwer verkäuflich war. Am Markt in Papierholz sind vereinzelt wieder Umsätze erfolgt. Es machte sich bei den Papier- und 2ellstoff-Fabriken doch wieder ein gewisser Bedarf geltend. Tie Preise sür Papierholz, die sich zwischen 40 und 50 Proz. der Landesgrundpreise bewegen, sind nach wie vor äußerst unbefriedigend. Die Absatzverhältnisse für Stangen haben sich nicht mehr gebessert. Tie Verwertung der diesjährigen Laubholz­ernte ist im großen ganzen zum Abschluß gekommen. Die letzten Erlöse lagen in der Linie der seitherigen Preise.

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Die öriULen KIcinvandelsprcile surfen leldswersiändlich nrchi an den Börien- und ÄroßbandelLpreilen gemessen werden, da für >e»e noch die ioa. wirilchafrlichei, Berkebrskoltcn m Zujchlag kommen. Die Schrifllrg.

0 " Eingesandt

Für die unter dieser Rubrik gebrachren Bcröstenllichungen übernimmt die Schriftleitung nur die preßgescyliche Verantwortung.

Auswüchse des Wahlkampfs.

Schon vor der Reichspräsidentenmahl ist die ganze Um­gegend unserer Stadt bis Hirsau und Kentheim auf das häß­lichste mit Aufschriften und Parteizeichcn verunstaltet wor­den. Man durste erwarten, daß nach der Reichspräsidenten- wahl die Gemüter sich soweit beruhigen würden, daß eine Wiederholung dieser Entgleisungen ausgeschlossen wäre. Nun ist in den letzten Tagen dieselbe Beschmutzung wiederum allenthalben zu sehen. Wo sind die Parteiführer welche etwas auf Anstand ihrer Partei halten, die ihren aufgepeitsch­ten Mitgliedern sagen, daß die Achtung des Eigentums an­derer an erster Stelle komme, daß es eine Schädigung der Mitmenschen und eine Verunzierung -er Landschaft bedeute, wie sie häßlicher noch nicht geschehen ist? Wenn ein Zirkus alle Wände, Zäune und Scheuern mit marktschreierische» Plakaten vcrpslastert, so empört sich darüber jedermann, der noch einen Sinn für Reinhaltung der Gegend hat Das sind aber Fremdlinge, die von einem Platz zum andern ziehe» und ihr Geschäft daraus machen. Die Bcschmierer mit Par­teizeichen aber sind Einheimische, denen offenbar icder Sinn für die Heiligkeit der Landschaft abhanden gekommen ist. Keine Partei darf glauben, mit solch unschönen Mitteln auch nur einen Wähler zu fangen. Im Gegenteil: Jeder an­ständige Mensch wird durch diese Verschande­lung der Heimat und Schädigung des Eigen­tums Dritter abgc stoßen iverden. Vielleicht tragen diese Worte dazu bei. daß die Führer der Parteien diese Dinge nicht einfach treiben lassen, jondern ihre Mit­glieder ganz energisch zur Ordnung rufen.

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Bezirkspfleger des LanöeSamts für Denkmalspflege.

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