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Nr. 92
Donnerstag, den 21. April 1932
Jahrgang 105
Brünings Genfer Besprechungen
Abrüslungs-, Tribut-und Donaufrage die wichtigsten Probleme — Vor den französischen
Kammerwahlen keinerlei Entscheidung
TU. Genf, 21. April. Bon zuständiger Stelle der deutschen Abordnung werde» über die bisherigen Verhandlungen Dr. Brünings Mitteilungen gemacht, in denen es u. a. heißt:
In den zahlreichen Gesprächen, die der Reichskanzler während seines bisherigen Aufenthaltes in Genf mit den leitenden Staatsmännern geführt hat, sind sämtliche Gebiete der internationalen Politik, insbesondere die Abrüst nngSfrage, Sie Reparationsfrage und die Dona »frage erörtert worden. In den Unterredungen mit dem italienischen und dem englischen Außenminister hat ein außerordentlich weitgehender und wertvoller Gedankenaustausch über die Reparationsfrage und damit eine Vorbereitung der Laufanner Konferenz stattge- fundcn. Uebcr die Einzelheiten dieser Unterredungen können keine Mitteilungen gemacht werden, jedoch ist sicher, daß in den Gesprächen nicht nur eine dringende und schnelle Lösung der Reparationsfrage, sondern im Zusammenhang damit auch die Lösung der Wirtschaftskrise in Angriff genommen werden soll.
Aus den Besprechungen des Reichskanzlers über die Rc- parationsfragc hat sich der begründete Eindruck ergeben, daß keine großen Entscheidungen vor den französischen Kammcrwahten zu erwarten sind Jedoch besteht überall der Wille, von der Umrcißung der Ab- rüstnngsfrage, wenn auch mit aller Vorsicht, zu den konkreten Fragen vorzustohen. Die häufig zutage tretende Auffassung, daß die bisherigen Verhandlungen der Abrüstungskonferenz vom deutschen Standpunkt aus eine Niederlage oder Verschleppungsmanöver darstellen, erscheint nach Auffassung der maßgeblichen deutschen Stelle nicht begründet. ES wird darauf hingewicsen, daß es in Ser Genfer Atmosphäre außerordentlich schwierig ist, rasch zu Formulierungen der deutschen Vorschläge zu gelangen, die der Stimmung in Deutschland entsprechen.
Die außerordentlich schwierige Arbeit der deutschen Abrüstungsabordnung wird von maßgebender deutscher Stelle als rasch und gut unter Berücksichtigung der Gesamtlagc und -er französischen Wahlen bezeichnet. Die notwendig gewor
dene Rücksichtnahme auf die französischen Kammerivahlcn bedeute nicht ein sachliches Zurückweichcn, sondern sei ein Verfahren, das sich aus den besonderen Vcrhandlungsge- wohnhctten Genfs erkläre.
Zu den Besprechungen des Reichskanzlers über die Donaufragen wird erklärt, daß der Inhalt der Verhandlungen der Londoner Konferenz nicht genügend in der Oes- fcntlichkeit bekannt geworden sei. Die Londoner Konferenz bedeute eine Etappe, in der sich geklärt hat, daß an den realen Tatsachen des Wirtschaftslebens nicht vorbeigegangcn werden könne und daß bei der endgültigen Lösung des Donauproblems in erster Linie den Forderungen der Wirtschaft Rechnung getragen werden müsse. Es könne angenommen werden, baß die weiteren Verhandlungen über die Hilfsmaßnahmen für die Donanstaalen von den Londoner Ausführungen des deutschen Staatssekretärs beeinflußt sein werden.
Sachverständigenverhandlunge« über die Donausragc «m 23. April.
Die auf der Londoner Donaukonferenz eingesetzten Sachverständigen Ser englischen, deutschen, italienischen und französischen Regierung werden nunmehr endgültig am 28. April in Genf zur Aufnahme der Verhandlungen znsammentrctcn.
Tardieu kommt mit Macdonald nach Genf
. TU. Paris» 21. April. Der englische Ministerpräsident Maedonald hatte auf der Durchreise nach Genf am Mittwoch abend im französischen Außenministerium mit Tardieu eine längere Unterredung. Im Anschluß an die Besprechung gab Tardieu eine Erklärurig folgenden Inhalts ab-- Er habe mit dem englischen Ministerpräsidenten eine sehr interessante Besprechung gehabt, die sich besonders auf die in Gens auf der Tagesordnung stehenden Fragen erstreckte. Er habe den Wunsch, die Unterredung mit Macdonald fortzusetzen und sei aus diesem Grunde zu dem Entschluß gelangt, gemeinsam mit dem englischen Ministerpräsidenten nach Genf abzureisen. — Wie in politischen Kreisen ergänzend verlautet, will Tardien bereits am Freitag abend wieder in Paris zurück sein.
Tages-Spiegel
Ucber die Besprechungen Brünings in Gens verlautet» daß Abrüstungs-, Tribut- und Donausrage behandelt wurden. Vor den französischen Wahle» glaubt man an keine Entscheidung in diesen Fragen.
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Anf der Abrüstungskonferenz trat England in einem Bor» schlag für die Abschaffung der Angrisfswasfen ein. Deutschland und Italic» unterstützten diesen Vorschlag.
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Macdonald ist nach einer Aussprache in Paris gemeinsam mit Tardieu in Genf seingetrossen. Tardieus Aufenthalt dürfte jedoch nur von kurzer Dauer sein.
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Tsje Aktion der preußischen Polizei gegen die radikale Linke hat Beweise für das illegale Fortbestehen des „Roten Frontkämpferbnndes" erbracht.
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Eine Abordnung des Christ!. Bolksdienstes ist wegen des einseitigen Verbots der nationalsozialistischen Wehrorganisationen beim Reichsinnenminister vorstellig geworden.
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Der Gouverneur der Virginischen Inseln sUSA.-Besitzj gibt bekannt, daß die Handelskammer von St. Thomas Exkaiser Wilhelm zu einem Kuraufenthalt eingeladen habe
nahmen ablehnen, die nicht einen grundsätzlichen Charakter tragen.
Der Vertreter Italiens, Außenminister Grandi, gab eine kurze Erklärung ab, in der er sich uneingeschränkt auf den Boden des englischen Antrags stellte. Der sowjetrussische Außenminister Litwinow gab eine ungewöhnlich scharf formulierte Erklärung ab, in der er den vom Rcdak- tionsausschnß einstimmig angenommenen Entschließungscnt- wurf über Methode und Kriterium der Herabsetzung der Rüstungen eindeutig ablchnte.
Die Boxheimer Dokumeme
Eine amtliche Erklärung der hessischen Regierung
TU. Darmstadt, 21. April. Amtlich wird mitgctcilt: Unter dem bei den Haussuchungen in Hessen anläßlich des SA.- und SS.-Verbotes beschlagnahmten Material haben sich auch Schriftstücke gesunden, die für die Aufklärung des hochverräterischen Verfahrens wegen der Boxheimer Dokumente von nicht unerheblicher Bedeutung sein dürsten. Es ist hier insbesondere ein Schreiben zu erwähnen, das der Leiter der Rechtsabteilung des Gaues Hessen der NSDAP., der Landtagsabgeordnete Dr. B e st, an die Neichsleitung der NSD.- AP. in München gerichtet hat. Es ist bezeichnenderweise mit dem Datum vom 6. September 1931 versehen, woraus her- vorgcht, daß die Behauptungen, das Boxheimer Dokument sei im Zusammenhang mit den Ergebnissen im Juli 1931 entstanden, ebenfalls nicht zutrcffen dürften. Aus diesem Schreiben geht hervor, daß
1. die Boxheimer Dokumente keineswegs eine „Prioat- arbeit" des Assessors Dr. Best sind wie cs seinerzeit von der Reichsleitung der NSDAP, hlngestellt worden ist. Die Boxheimer Dokumente sind demnach vielmehr — wenigstens in wichtigen Teilen — auf Grund von vorheriger Anfrage bei der Reichsleitung der NSDAP, und nach Klärung bestimmter Vorfragen mit der Neichsleitung verfertigt worden. Insbesondere ist die Neichsleitung zur Stellungnahme in der Frage aufgesordert worden, ob die Beschlagnahme aller Lebensmittel durch die Nationalsozialisten entschädigungslos oder gegen Ncquisitionsschetn erfolgen solle. Die im Boxheimer Dokument enthaltene Fassung der entschädigungslosen Enteignung aller Lebensmittel einerlei, ob sie in den Händen des Produzenten oder des Weiterverkäufers sind, dürfte demnach aller Wahrscheinlichkeit nach .auf Gründer Stellungnahme der Neichsleitung und mit ihrem Einverständnis erfolgt sein.
2. Die von niemand ernst genommene Ausrede, daß die Boxheimer Dokumente erst für den Fall eines vorausgegangenen kommunistischen Putsches in Betracht gezogen werden sollten, erscheint nach diesem Schreiben in erncm ganz neuen, besonders beachtlichen Lichte Gesetzt, diese Behauptung wäre richtig, so ergäbe sich die ungeheuerliche Tatsache, daß die NSDAP, gesonnen war, diesem von ihr erwarteten kommunistischen Umsturzversuch nicht ebenfalls sofort mit allen Mitteln cntgcgenzutrctcn. Die NSDAP., so heißt es in dem Schreiben, sei nicht verpflichtet, den Erfolg eines solchen Versuches zu verhindern. Der Plan ging vielmehr dahin, die Städte den kommunistischen Umstürzlern zu überlassen und sich auf das Land zuriickznziehen, um dann die Städte zu zernieren und die Gelegenheit zu bekommen» die Netchsgcmalt an sich z» reißen.
Die Abrüstungsverhandlungen in Genf
Die Fronten scheiden sich - England für Abschaffung der Angriffswaffen - Russische Absage
TU. Genf» 21. April. Der Hauptausschutz der Abrüstungskonferenz verhandelte gestern den dritten Punkt der Tagesordnung:
») Gleichzeitige Anwendung der quantitativen und qualitativen Begrenzung durch absolutes Verbot gewisser Materialien oder gewisser Nüstungskatcgorien:
b) Verbot gewisser Materialen, ausgenommen bestimmter Bedingungen für deren Beibehaltung.
Der englische Antzenminister Simon trat in einer großen Rede mit außerordentlichem Nachdruck und großer Ueberzeugungskraft für den Vorschlag der englischen Abordnung ein, nach dem sich jetzt die Abrüstungskonferenz endgültig für den Grundsatz der qualitativen Abrüstung aussprechen soll. Nach dem englischen Vorschlag erklärt die Abrüstungskonferenz, daß sie den Grundsatz der qualitativen Abrüstung, d. h. die Abschaffung, Vernichtung und das Verbot der Verwendung bestimmter Haupt w affe nkategorien an nimmt. Der englische Vorschlag stellt sich damit vollständig auf den Boden der italienischen und amerikanischen Abrüstungsvorschlägc und in schroffen Gegensatz zu den französischen Anträgen, nach denen die großen Angrisfswaffcn dem Völkerbund zur Verfügung gestellt werden sollen. Außenminister Simon erwähnte zur Begründung des englischen Vorschlags die in gleicher Richtung liegenden Erklärungen der führenden Staatsmänner der übrigen Mächte. Simon betonte, er sei fest davon überzeugt, daß die endgültige Abschaffung und Vernichtung der Grotzangriffswaffen den ersten entscheidenden Schritt für die allgemeine Abrüstung darstcllt. — Die Ausführungen des englischen Außenministers wurden mit stürmischem Beifall ausgenommen
Botschafter Nadolny nahm in einer grundsätzlich gehaltenen Erklärung zu dem neuen Vorschlag der englischen Negierung ans Verbot und Abschattung sämtlicher schweren Angrisfswaffcn Stellung und führte n. a. aus: Der englische Vorschlag liege in der gleichen Nichtuna wie die Abrüstungs- Vorschläge der deutschen Negierung. Die deutsche Abordnung halte ihre Vorschläge uneingeschränkt aufrecht. Sic begrüße daher die englischen Vorschläge aufs wärmste. Es /fei bezeichnend, daß diejenigen Angriffswaffen, die nach dem
Versailler Vertrag den entwaffneten Staaten verboten wurden, nach dem Weltkriege von den anderen Staaten am weitgehendsten ausgebaut und verbessert wurden, wie gerade die schwere Artillerie. Tanks, Militärluftfahrt, Unterseeboote usw. Der amerikanische Negierungsvertreter Gibson habe in seiner Rede bereits den Nachweis geführt, daß die Abschaffung dieser Waffen entscheidend zu der allgemeinen Sicherheit beitragen würde. Diese Beweisgründe gelten in gleicher Weise für die deutschen Abrüstungsvorschläge. Man würde damit einen entscheidenden Schritt zum Schutz der Zivilbevölkerung tun. Die einseitige Abschaffung bestimmter Angriffswaffen habe für die ent- waffnetcn Staaten einen Zustand einseitiger Unsicherheit mit sich gebracht, einen Zustand, der vertraglich nicht mit den Bestimmungen des Artikels 8 des Völker- bundspaktcs in Uebereinstimmung stehe. Die deutsche Abordnung sei daher bereit, sich allen Vorschlägen auf Verbot und Abschaffung einzelner Nüstungskatcgorien anzuschließen: jedoch nur unter der Bedingung, daß diese Maßnahmen gleichzeitig für sämtliche Staaten gelten.
Nadolny wandte sich dann gegen die Forderung „gewisser Abordnungen" auf Jnternationalisicrung von Angrisss- waffen, weil derartige Möglichkeiten noch nicht genügend geklärt seien und da Jnternationalisicrung der Nüstungen niemals als eine wahre Abrüstungsmaßnahme aufgesaßt werden könne. Der englische Vorschlag sehe im wesentlichen ein Verbot der Anwendung der Angrifkswaffen vor: dies genüge jedoch nicht, da auch die Herstellung der Angrifts- wafsen verboten werden müsse. Unter diesem Vorbehalt sei die deutsche Abordnung bereit, den englischen Nn-ttgs-g >- - zunehmen. Nadolny erklärte sodann, die Abrüstungskonferenz stände jetzt vor dem entscheidenden Schnitt in der Erreichung praktischer En Scheidungen. Er sei daher verpflichtet, in aller Offenheit rn ^rechen. Deutschland habe bereits alle Angrisfswaffen avge- schafft und den großen Schritt vollzogen. Es sei jetzt unerläßlich, baß die Abrüstungskonferenz zunäch " rur Abschaffung aller schweren An g r i f f s w a f f e?> als d-,- Gcsamtyroblcms schreite. Die
deutsche Regierung müsse die Verantwortung für alle Miß-