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Nr. 91
Mittwoch, den 20. April 1932
Jahrgang 105
Stufenweise Abrüstung init Vorbehalten
Unbefriedigende Genfer Beschlüsse —
TU. Gens» 20. April. Der vom Sonderausschuß einstimmig angenommene Entschließungsentwurf über die stufenweise Herabsetzung der Rüstungen, jedoch nur unter der Voraussetzung der Durchführung einer entscheidenden ersten Stnse auf der gegenwärtigen Abrüstungskonferenz, führte zu einem lebhaften Zwischenspiel in der gestrigen Sitzung des Hauptausschnsses. Der rumänische Londoner Gesandte Ti tu lese», als Wortführer der französischen Staatengruppe, ging zum Gegcnvorstoß über und suchte die auf amerikanischen Wunsch in der Entschließung angenommene Forderung auf Herabsetzung der Rüstungen auf ein Mindestmaß durch eine einseitige Auslegung dieser Entschließung unwirksam zu madjen, indem er seine Zustimmung zu dem Entwurf von der Annahme eines neuen bisher noch nicht behandelte» Antrages der tchschechoslowakischen Aborü- nung^L-Punkt 2 der Tagesordnung abhängig machte. Der tschechoslowakische Antrag, der deutlich die Entschließung des Sonderausschusses unwirksam machen soll, fordert entsprechend der französischen Sicherheitsthese, daß die Herabsetzung der Rüstungen nur unter Berücksichtigung der nationalen Sicherheit, der geographischen Lage, den besonderen Bedingungen der einzelnen Staaten und den internationalen Verpflichtungen dnrchgefiihrt werden darf.
Dieser offensichtliche Gegenvorstoß der französischen Staatengruppe wurde von Litwinom sofort scharf kritisiert. Nach einer längeren bewegten Aussprache stellte Henüer - son schließlich den Entschließungsentwurf des Sonderausschusses als solchen zur Abstimmung mit Handaufheben Der Hauptansschuß nahm die Entschließung sodann einstimmig an, jedoch erhoben sich Litwinow und Titulescu gleichzeitig und erklärten, die Entschließung nur im Sinne ihrer Auslegung annehme» zu können. Diepraktische Bedeutung dieser Entschließung ist damit in Frage g e st e l l t.
Der En ts ch li e tz ung s a n tra g, in dem die Methoden und die Gesichtspunkte einer möglichst tiefen und in der
— London, 20. April. Im Unterhaus hielt gestern Schatzkanzler Neville Chamberlain seine Haushaltsrede. Der Schatzkanzler unterstrich eingangs die großen Einsparungen, die seit dem letzten November gemacht morden seien, wo der Fehlbetrag 74 Millionen Pfund Sterling betragen habe. Heute sei er in der Lage, einen UeberschNtz von 364 000 Pfund anfzuweisen. Tatsächlich aber sei die Lage um 9 Millionen Pfund Sterling bester als erwartet. Unter anderem seien infolge SeS Rückganges der Arbeitslosigkeit statt 22 Millionen Pfund Sterling 34)6 Millionen Pfund eingespart worden. Der englische Steuerzahler habe seine Aufgabe in hervorragender Weise erfüllt und habe mit Patriotismus die Aufforderung der Regierung beantwortet, die Steuern schon früher als in denBorjahren zu zahlen.
Der Voranschlag für die Aufgaben deskommen- den Jahres stelle sich auf 766 Millionen Pfund einschließlich des Amortisationsfonds für die inneren Schulden Chamberlain wandte sich dann der Z o l l p o l i t i k zu, die durch die Ereignisse gerechtfertigt sei. I« der Annahme daß die Antidumpingzölle, die an sich am 19. Mai «bliesen. aut ihrer gegenwärtigen Höhe verbleiben, würden sie Woogg Psunü und die Dumpingzölle auf landwirtschaftliche Erzeugnisse 750 000 Psund bringen. Die Einnahmen aus dem zehnprozentigen Zolltarif seien mit 27 Millionen Pfund veranschlagt. Er hoffe, noch vor Ablauf der Woche weitere Antidumpingzölle bekanntgcben zu können, die 5 Millionen Pfund cin- bringcn würden. Dennoch rechne er mit einem Fehlbetrag von 1,7 Millionen Pfund.
Durch die Macht der Ereignisse sei er zu dem Entschluß gezwungen worden, zwecks Vermeidung von heftigen und gefährlichen Währungsfchwankungen eine entsprechende Reserve an Gold und ausländischen Devisen be- reitzustellcn, um plötzlichen Kapitalabzügen begegnen zu können. Er ersuche daher das Unterhaus um Genehmigung zu einer Anleihe von 150 Millionen Pfund, die in ein Währungsausglcichskonto getan werden soll. Wenn diese Befugnisse der Regierung übertragen würden, w könne er zwar noch keine endgültige Versicherung geben, »an dann die Währungsschwankungen grundsätzlich beendigt I"" ^*dcn, aber die Negierung würde besser als bisher in oer ^age sei«, die Währung stetig zu erhalten.
besonderen Abschnitt seiner Rede befaßte sich ,»rChamberlain mit den Reparations- und Anzahlungen. Er habe in seinem Haushalt
Brüning verlängert seinen Aufenthalt
ersten Etappe entscheidenden Herabsetzung der Rüstungen scstgelegt werden, wurde in einem Nedaktionsausschuß end -- gültig formuliert. Es gelang dem Lager der Franzosen und der Kleinen Entente, den ausdrücklichen Hinweis ans die Faktoren der Sicherheit und die geographische Lage eines jeden Landes durchzusetzen. Der deutsch-italienische Standpunkt setzte sich gleichfalls durch und fanin folgender Stelle des Entschließungsantrages seinen Ausdruck: „Die anzuwendenden Methoden müssen auf die sofortige und praktische Herabsetzung Ser Rüstungen gerichtet sein".
Stimson bei Brüning
TU. Gens» 20. April. Staatssekretär Stimson und der bekannte amerikanische Finanzsachverständige Norman Davis, der den Staatssekretär auf seiner Europareise begleitet, haben gestern nachmittag dem Reichskanzler und dem Staatssekretär von Bülow einen Teebcsuch abgestattet, an den sich eine längere Unterredung anschloß.
Macdonald reist heute nach Genf
Macdonald wird heute mittag London im Flugzeug verlassen und nach kurzem Aufenthalt in Paris die Weiterreise nach Genf antreten. In London red,»et man damit, daß Macdonalü eine Besprechung mit dem französischen Ministerpräsidenten Tardie« in Paris haben wird.
Wie von französischer Seite verlautet, soll der französische Ministerpräsident Tardieu zunächst nicht die Absicht haben, während dieser Woche noch nach Genf zu kommen.
Brüning bleibt voraussichtlich in Genf
Reichskanzler Brüning wird entgegen der ursprünglichen Absicht voraussichtlich am Samstag nicht nach Berlin zurückkehren, sondern auch in der nächsten Woche noch in Genf bleiben. Seiner Wahlpflicht wird der Reichskanzler am Sonntag wahrscheinlich in der hohenzollernschen Enklave Achberg am Boöensee genügen.
nichts für einkommende Reparationen und Schuldenzahlungen und auch nichts für die von England an Amerika zu leistenden Zahlungen eingesetzt. Er habe es für angebracht gehalten, diese beiden Seiten des Schulden kontos, die sich selbst ausgleichen sollen, bis auf weiteres auszusetzen. Die künftige Lage werde von den Ergebnissen der Lausanner Konferenz abhängen. Die allgemeine Politik der englischen Negierung sei am 2. Februar im Unterhaus eingehend von ihm dargelegt worden. Die damaligen Ansichten und Auffassungen seien auch heute noch das Ziel, ans das die englische Regierung hinstrebe.
Vor neuen Zollerhöhungen
TU. London, 20. April. Die englischen Zollbehörden haben vom Schatzministerium Anweisung erhalten, sich sür Aendernngen in den Zollsätzen bereitzuhalten. In politischen Kreisen rechnet man damit, daß im Lause dieser Tage die neuen Zollverfügungen heranskommen werden, die möglicherweise u. a. einen Schutzzoll von 33'/, v. H. für Stahl und Eisen vorsehen werden. Daily Expreß zufolge ist es bei den Beratungen des Kabinetts über den Haushalt zu Unstimmigkeiten, und zwar vor allem wegen der Zol l- Politik, gekommen, so daß ein oder mehrere Minister mit ihrem Rücktritt gedroht haben sollen.
„Deutschland zahlt für alle!"
Eine Erklärung Borahs über die Cd,uldensxage.
TU. Washington, 20. April. Senator Boray gab am Dienstag eine Erklärung zur Kriegsschuldenfrage ab und betonte, daß die europäischen Nationen sehr wohl in der Lage seien, ihre Schulden zu zahlen. Eine teilweise Streichung der Schulden auf der von Smith vorgeschlagcnen Grunöluae bedeute einen Verlust für den amerikanischen Steuerzahler. „Kein Dollar Schuldenzahlung", hob Borah mit Nachdruck hervor, „kommtvomausländischenSteu- erzahler. Deutschland zahlt für alle. Die Steuerzahler Englands, Frankreichs und Italiens zahlen sür Rü st ungen. Solange für Armee und Marine Riesensummen ausgegcbcn werden, kann eine Herabsetzung der Kriegsschulden unmöglich die Rückkehr zur Prosperität bringen".
Weiter erklärte Borah, Amerika denke gar nicht an eine Schuldenstreichung, solange Europa die Reparationskrage nicht gelöst habe, die den Schlüssel zur
Tages-Spiegel
Der Hauptansschuß -er Abrüstungskonferenz hat unter Vorbehalten -er unter Frankreichs Einfluß stehenden Staatengruppe einer stufenweifen Abrüstung zugestimmt.
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Reichskanzler Brüning wird aller Voraussicht nach seine» Genfer Aufenthalt verlängern. Macbonald wird heute in Genf eintreffen, Tardien wahrscheinlich erst nächste Woche.
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Im neuen englischen Haushalt find weder deutsche Tributzahlungen noch SchnldeuzahlunFen an Amerika eingesetzt. In Amerika hat diese Tatsache großes Aussehen erregt.
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Die preußische Regierung hat Haussuchungen bei kommunistischen Funktionären in ganz Preußen vornehmen lassen
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Der Hessische Landtag lehnte den nationalsozialistischen Antrag ans Auslösung -es Hauses ab.
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Drei ausländische Berichterstatter bestätigen in einer Erklärung, daß Hitler ihnen gegenüber geäußert habe» die Auflösung der SA. sei auf den Druck Frankreichs hin erfolgt.
Lage Europas bilde. Auch Verhandlungen über weitere Anleihen seien vor der Lösung der Rcparationsfrage völlig aussichtslos. _
Eine Voraussage für die Preußenwahlen
TU. Paris, 20. April. Der preußische Staatssekretär Dr. Wetßmann, in der französischen Presse „das andere Ich des Ministerpräsidenten Braun" genannt, hat sich dem Sonderberichterstatter des „Petit Parifien" gegenüber über die mutmaßliche Zusammensetzung des künftigen Preuß. Landtags ausgesprochen. Der neue Landtag würde voraussichtlich etwa 100 Sozialdemokraten, 65 Zcntrumsabgeordnetc und 10 Demokraten zählen, was für die Weimarer Koalition 175 Sitze ergeben würbe. Die Nationalsozialisten würden etwa 140 Mandate, die Deutschnationalen 40 und die Bolksparteiler 35 Mandate erhalten. Was die Kommunisten angehe, so werde ihre Fraktionsstärke nicht mehr als 60 betragen. Dr. Weißmann legt den kleinen Parteien bei den Preußenwahlen entscheidende Bedeutung bet. da sie entweder der Weimarer Koalition oder dem Rechtsblock zur Mehrheit verhelfen könnten. — Wenn diese Zahlen richtig seien» so fügt der Berichterstatter hinzu, dann werde der künftige Landtag mit fast unüberwindlichen Schmierigkeiten zu kämpfen haben, da eine feste Mehrheitsbildung nahezu ausgeschlossen erscheine. Die Hoffnungen der Rechtsparteien gingen allerdings weit über die Voraussagen des preußischen Staatssekretärs hinaus. So rechne Hitler mit 160 und Hugenberg mit 60 Sitzen, was mit Hilfe der Bolks- partci zur Mehrheitsbildung genügen würde.
Die Arbeitsnot in Preußen
TU. Berlin, 30. April. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, find nach der Erhebung des preußische» Statistischen Landesamts vom 81. März 1932 in Preußen L 414 590 vom Arbeitsamt anerkannte Wohlfahrtserwerbslose gezählt worden. Somit ergibt sich im März eine Zunahme um 85 296 Wohlsahrtserwerbslose oder 6,4 Prozent, die fast ebenso stark ist, wie die Steigerung im Februar und annähernd das Vierfache des Zuwachses im Vergleichsmonat des Borjahres beträgt. Gegen den 31. März 1931 ist die Wohlsahrtserwerbslosenzahl um 100,9 Prozent gestiegen. Auf 1900 Einwohner entfallen im Durchschnitt jetzt 37^. Wohlfahrtserwerbslose._
Preußenaklion gegen die illegale Linke
TU. Berlin, 20. April. Aus Veranlassung des preußischen Innenministers wurden gestern in ganz Preußen Haussuchungen bei den kommunistischen Sportverbändcn ourchge- führt. In Berlin wurde nach Auskunst von zuständiger Stelle umfangreiches Material gesunden das zurzeit noch gesichtet wird. 2 Personen wurden verhaftet. — In Köln wurden an insgesamt 28 Stellen Haussuchungen vorgcnom- men. Auch hier wurden wichtige Schriftstücke gefunden, die noch geprüft werden. Bei einem Funktionär wurden zwei Schußwaffen mit Munition beschlagnahmt. — Wie aus Essen gemeldet wird, sind die Haussuchungen im rheinisch- westfälischen Industriegebiet reibungslos verlausen. Das Ergebnis soll überall ziemlich negativ sein. — Ans Breslau» Hannover und Görlitz wird amtlich gemeldet, daß die Haussuchungen ergebnislos waren. In Magdeburg war die Ausbeute sehr gering. Waffen wurden nicht gefunden. Das Ergebnis von Stettin, Kassel und Königsberg ist noch nicht bekannt. Das in Gleiwitz beschlagnahm,r Material wurde dem Innenministerium übersandt. In Erfurt wurde eine große Anzahl von Flugblättern beschlagnahmt.
Der neue englische Staatshaushalt
W aber deutsche Reparationen noch Schuldenzahlungen an Amerika eingesetzt