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Nr. 74
Donnerstag, den 31. März 1932
Jahrgang 104
Frankreich hintertreibt die Biermächte-Konferenz
Brüning nimmt an der Londoner Vorkonferenz nicht teil Die Entscheidung wird erst in Gens fallen
TU. Berlin, 31. März. Es steht nunmehr fest, daß Deutschland auf der sog. Donaukonferenz in London durch den Staatssekretär von Bülow vertreten sein wird. Der Reichskanzler war zwar bereit, seinen Osterurlaub zu verkürzen, um noch in dieser Woche nach London zu fahren und hat dies auch zu erkennen gegeben. Dieser Vorschlag ist jedoch nicht annehmbar gewesen, weil der italienische Außenminister erst nach dem 3. April wieder in Rom eintrifst. Zu einem späteren Zeitpunkt ist der Kanzler jedoch infolge der Reichspräsiöentcnwahl in Deutschland unabkömmlich. Es ist bekanntlich ein umfangreiches Programm für die Reise des Kanzlers vorgesehen, die ihn vom 4. April ab nach Mitteldeutschland, Süd- und Ostdeutschland führen wird, wo er zuletzt am 9. April in Königsberg sprechen wird. Der Staatssekretär von Bülow wird sich voraussichtlich Mitte nächster Woche nach London begeben. Uebrigens dürfte auch der französische Ministerpräsident Taröicn bereits Anfang nächster Woche sich wieder nach Paris begeben, so daß Frankreich auf der Vorkonferenz der vier Großmächte nur durch den Finanzminister Flanöin vertreten sein dürfte.
In Berliner unterrichteten Kreisen mißt man im übrigen der Londoner Vorkonferenz keine entscheiden de Bedeutung zu. Man unterstreicht, daß cs sich nur um eine Vorkonferenz handle, während die eigentlichen Entscheidungen über die Hilfsmaßnahmen für die Donaumächte voraussichtlich erst ans eine Konferenz in Genf M'lte des Monats fallen dürften, zu der voraussichtlich sich dann auch der Reichskanzler begeben wird. Die Londoner Besprechungen Tardieus und MacDonalds hält man rm übrigen in unterrichteten Kreisen auch nicht für übermäßig bedeutungsvoll. Nach dem ganzen Stand der Sachlage wird angenommen, daß diese Besprechung lediglich zu einer Herstellung des persönlichen Kontaktes zwischen Tardieu und MacDonald dienen wird, aber kaum zn irgendwelchen praktischen politischen Ergebnissen führt.
Enttäuschung in England
In englischen Kreisen hat Sie Verschiebung der Viermächtekonferenz, ebenso wie in Rom und Berlin, Enttäuschung hervorgernfen. Der diplomatische Mitarbeiter des Daily Heralü sagt, Sir John Simon habe sich einfangen lassen. Er habe Tardieu eine von einem jungen Kaufmann entworfene Denkschrift über eine Zollvereinigung der Donaustaatcn übersandt. Tardieu habe darauf sofort die Möglichkeit erkannt, die englische Politik auf einen Plan festzulegen, der Deutschland ausschlietze und England in eine enge Entente mit Frankreich hineinzuziehen, um es gegen Deutschland auszuspielen. Auf dieses Ziel habe die französische Politik seit langem htngearbeitet. Nach der
Rückkehr Simons aus Paris habe Macdouald eingreisen und seinen Außenminister darauf Hinweisen müssen, daß die englische Politik sich auf den Gedanken der allgemeinen Zusammenarbeit und nicht auf ein einseitiges Zusammengehen mit einer Mächtegruppe stütze. Seinem Eingreifen sei die Einberufung der Viermächtekonferenz zu verdanken. Da jedoch in der englischen Einladung kein fester Zeitpunkt angegeben war, während Brüning mit den Wahlen beschäftigt sei und sein Kommen von dem Erscheinen des zur Zeit in Rhodus weilenden Grandi abhängig machte, habe Tardieu eine neue Möglichkeit für sich erblickt und die private englisch-französische Zusammenkunft durchgesetzt. Tardieu verfolge mit seinem Plan nur politische Vorherrschaftszwecke. Tatsächlich könne nur eine Wiedererhöhung der Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse den Donauländern helfen.
In Italien herrscht ernste Mißstimmung über die Verschleppung der dringlichen Donauangelcgenheit, denn von der von Tardieu angestrcbten französisch-englischen Einheitsfront wird nicht viel erwartet, nachdem Italien von Anfang an den Standpunkt vertreten hat, daß sowohl Italien als auch Deutschland nicht ausgeschaltet werden könnten, wenn -er Schritt der Großmächte Erfolg haben soll.
Befriedigung in Paris
In Pariser politischen Kreisen herrscht allgemeine Befriedigung darüber, daß es der französischen Regierung — entgegen den ursprünglichen britischen Absichten — gelungen sei, die Viermächtekonserenz über das Donauproblem hin - aus-»schieben und die französische Beteiligung gewissermaßen von einer vorherigen Einigung mit England abhängig zu machen. In England scheine man von dieser Wendung der Dinge wenig begeistert zu sein, doch habe man sich immerhin veranlaßt gesehen, den französischen Wünschen dzuzustimmen. Wenn auch von der Ministerbegegnung keine allzugroßen politischen Ergebnisse zu erwarten seien, so hätten die französischen Minister -och die Möglichkeit, ihren Standpunkt ihren englischen Kollegen gegenüber klar zu erläutern und einen Ausgleich anzubahnen. Nachher werde man mit sehr viel größerer Ruhe und klareren Richtlinien sowohl an die Donaufrage wie an die Lausanner Konferenz herantretcn können. Selbstverständlich werde sich die Aussprache Tardieus mit MacDonald nicht einseitig aus die wichtigsten Etnzelfragen beschränken, sondern alle schwebenden politischen Fragen in einem freundschaftlichen Geiste behin- deln. — In Deutschland herrsche bittere Enttäuschung, nachdem man sich zuvor großen Illusionen hingegebcn und bereits in der Presse einen Sieg über die französische Diplomatie gefeiert habe.
Der Reichshaushallsplan serliggestelll
— Berlin, 31. März. Der vom Rcichssinanzministeriu« jetzt im wesentlichen sertiggestelltc Etat für 1932 wird da Kabinett vermutlich unmittelbar nach der Reichspräsidenten wähl beschäftigen. Da sicherlich eine ganze Reihe von Be ratnngen notwendig sein wird, ehe der Haushaltsplan di Billigung des Kabinetts erlangt, und da er dann erst not den NeichSrat passieren muß, so ist mit der Einberu fung des Reichstags, wenn überhaupt, so sicherlik "ich! vor Anfang Mai zu rechnen. Jedenfalls hat de P^sldent Lübe noch keinen Termin für den Zusammentrit des Aeltestenrats angcsctzt, der im Einvernehmen mit de Negierung über den Beginn der Etatsberatungen zu be finden hat.
Der Kanzler hofft, wie im vorigen Jahr, so auch diesmal den Etat auf ordnungsmäßigem parlamentarischem Weg verabschieden zu können. Zeitlich wäre diese Möglichkeit, da ja das Etatsjahr inzwischen bis zum 80 . Juni verlängert wurde, wohl gegeben' man wird aber starke Zweifel hegen müssen, ob der Reichstag in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung noch in der Lage ist, sachliche Arbeit zu leisten.
Die Einnahmen des Reiches
vom 1. April 1931 bis 29. Februar 1932
Marz. Das Reichsfinanzministerium v< öfsentlicht eine Uebersicht über die Einnahmen des Neil an Steuern. Zöllen und Abgaben für die Zeit vom 1. Am 1931 bis 29. Februar 1932. In den ersten 11 Monaten b laufenden Rechnungsjahres sind darnach aufgekommen in gesamt rund 7 Milliarden 72 Millionen 815 Tausend 8 Mark. Davon an Besitz- undd Verketirssteuern 4 525 867 5 Mark und an Zöllen und Verbrauchsabgaben 2546 947 7 Mark.
Unter den Besitz- und Verkehrssteuern sind aufgekommen u. a. Einkommensteuer rund 1929 551 719 Mark, Umsatzsteuer 997 143 099 Mark, Vermögenssteuer 863 019099 Mark, Körperschaftssteuer 253 368090 Mark, Krisensteuer 179 615090 Mark. Die Reichsfluchtsteuer hat 1924 525 Mark ergeben. Die Einnahmen aus Zöllen betrugen rund 1929 580 090 Mark, aus der Tabaksteuer 729 934 090 Mark, Biersteuer 845 440 009 Mark, Zuckerfteuer 221 513 000 Mark, Spiritusmonopol 162 980 000 Mark.
Hugenberq über das neue Harzburg
Eine Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten
TU. Berlin, 81. März. Der »Deutsche Schnell-Dienst" verbreitet einen Artikel Dr. Hugenbergs »Das neue Harz- burg". in dem sich der deutschnationale Parteiführer über Fragen der Taktik im Hinblick auf den zweiten Wahlgang zur Wahl des Reichspräsidenten, besonders aber im Hinblick auf die Preußenwahl und die Landtagswahlen anderer Länder auseinandersetzt. Zum zweiten Wahlgang am 10 April erklärt er: Es kommt mir selbstverständlich nicht darauf an, ob der eine oder andere von uns am 10. April für Adolf Hitler stimmt oder nicht. Denn das ist praktisch gleichgültig, da die Mehrheit für Hindenburg sicher ist. Vor allem kann niemand, wenn ihm eine Niederlage sicher ist, vom andern verlangen, daß er sich freundlichst an dieser Niederlage beteiligen soll.
Der zweite Mahlgang der Präsidentenwahl gibt mir Anlaß. in einem Augenblick, wo es der Gesamtheit -er nationalen Bewegung nicht schadet, sondern nur nützt, durch Ablehnung der Beteiligung eine weithin sichtbare Kundgebung zu vollziehen. Es liegt darin weit mehr, als der „Angrisf" des Herrn Goebbels sich träumen läßt. Ich habe Anlaß, dies erst nach dem 10. April des näheren auszuführen. Nämlich, wie die NSDAP, seit Oktober die großen praktischen Entscheidungen behandelt hat,
Tages-Spiegel
Reichskanzler Brüning wird nicht an der Londoner Bo«- konferenz über die Donaubundsrage teilnehmen» sonder« erst bei den entscheidende« Verhandlungen in Gens zugegen sein.
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Der ReichshanShaltspla« für 1982 ist nnnmehr fertiggestellt. Wie verlautet, beabsichtigt der Kanzler ihn ans parlamentarischem Wege z« verabschieden.
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Der Danziger BLlkerbnndskommiffar hat eine Verfügung des polnischen Finanzministeriums, die Danziger Zollfragen berührt, als unzulässige Handlung festgestellt.
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Die englische Regierung beabsichtigt, dem irische« Ministerpräsidenten de Balera einen Sitz aus der Weltreichskonferenz z« verweigern, falls Irland anf Abschaffung des Treueides bestehen sollte.
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Die Nankingregiernng hat dem Untersuchungsausschuß des Völkerbundes nahegelegt, seinen Aufenthalt in Nanking nnd Peking abzukürzen «nd sich schnellstens «ach der Mandschurei zu begebe«.
Das württembergische Innenministerium hat alle Versammlungen unter freiem Himmel bis SO. September verboten.
geht eS nicht. Bei einer anderen Behandlung der in dieser Zeit jeweils entscheidenden Fragen könnte die nationale Opposition schon heute im gemeinsamen Besitz der Macht sein.
Bei den Verhandlungen über die Reichspräsidentenwahl habe ich zusehcn müssen, wie deutlich sichtbar ein Fehler nach dem andern gemacht wurde. Ich habe seinerzeit keinen »Reichsausschnß für Las deutsche Volk" zur Bekämpfung des Nonngplans auf die Beine gestellt. An dem Tage nach dem Volksentscheid brach der von Herrn Schiele geführte Reichslandbund in Vorbereitung des Kabinetts Brüning aus Anfang April 1980 die Nationalsozialisten. Ich habe die nationale Opposition im Oktober 1931 in der sogenannten Harzburger Front nochmals vereinigt. Eine Woche später haben sich die Nationalsozialisten schon wieder aus ihr entfernt. Aber sie blieb in den Herzen der Menschen im Lande ebenso bestehen» wie in mir. Die Nationalsozialisten mögen sagen, was sie wollen — nach einer Zeit des Nansens und Lärmens werden sie schließlich genötigt sein, sich an einem neuen Harzburg der gemeinsamen politischen Arbeit zu beteiligen.
Waffenbeschlagnahme in Oberbayern
TU. München, 31. März. Die „Münchener Post" hatte am Mittwoch gemeldet, baß um die Zeit des 13. März im Chiemgau und Jnngau große Wassenlager durch Kriminal- und Landespolizei ausgehoben worden und vor den Nationalsozialisten und der „Neuen Bauernbewegung" in Sicherhett gebracht worden seien. Dazu gibt nun die Münchener Polizei folgende Mitteilung:
»Am 11. März hatten 8 Mitglieder der NSDAP, in Rosenheim von einem Landwirt bei Endorf ein leichtes Maschinengewehr, 3 Jnfanteriegcwehre, eine größere Anzahl Munition und Leuchtpistolen herausgelockt. Diese Gegenstände sind nach Rosenheim in das Anwesen des dortigen forstwirtschaftlichen Gaufachberaters der NSDAP, gebracht worden. Im Verlaufe der weiteren polizeilichen Erhebungen, die zur Beschlagnahme der bezeichne»«« Waffen führten, gelang es, noch weitere Wassenlager polizeilich zu erfassen und eine größere Menge Telephongeröte aus Heeresbeständen sicher zu stellen. Strafanzeige ist erstattet.
Völkerbundskommissar in Syrien löblich verunglückt
TU. Paris» 31. März. Der vom Völkerbund mit der Festlegung der Grenze zwischen Syrien und dem Irak beauftragte Oberst de Reynier ist nach einer Meldung aus Damaskus in der syrischen Wüste verschollen. Oberst de Reynier war mtt einem Begleiter im Flugzeug aufgestiegen, um sich von Beirut nach Bagdad zu begeben und ist dort nicht eingetroffen. Sofort ausgesandte Hilssapparate haben inmitten der Wüste die Trümmer des Flugzeuges aufgefunden. Die drei Insassen des Flugzeuges, der Flugzeugführer, der französische Mechaniker und Oberst de Ney- nier, der schweizerische Präsident des Völkerbundsausschusses für die Festlegung der Grenze zwischen Syrien und dem Irak, waren tot.