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Nr. 46

Amts- unä Anzetgeblatt für äen Oberamtsbezirk Calw

Donnerstag, den 25. Februar 1932

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verantwort!. Zchriftleitung: Friedrich Hans Scheele Druck unä Verlag äer A. Oelschläger'schen Buchäruckerei

Jahrgang 104

Politische Hochspannung im Reichstag

Minister Groener verteidigt den Reichswehrerlaß Wiederum scharfe Zusammenstöße, die Sitzung wegen Tumults zweimal unterbrochen

n Berlin, 25. Febr. Zu Beginn der Mittwoch-Sitzung -eL Reichstags wies der Präsident darauf hin, daß Mitglie­der der verschiedensten Parteien in der DienStag-Sitzung versucht hätten. Hie Redner am Sprechen zu verhindern. Er werde künftig solche Ruhestörer für längere Zeit von den Sitzungen des Reichstages ausschlieben. (Unruhe bei den Nationalsozialisten.) Darauf gab Reich sin neu mini­ster Grüner eine Erklärung ab, in der er die Beleidi­gung des Reichspräsidenten durch den Abg. Göbbels zurttck- wieS. Als Mitglied der Neichsregiernng und als Vertreter der Wehrmacht habe er den Auftrag, diese ungeheuerliche Acußerung des Ab«. Göbbels als eine Beleidigung nicht nur des Herrn Reichspräsident«» (Zuruf rechts: »stimmt ja gar nicht!"), sondern des ganzen Volkes auf das entschie­denste zurückzuwctsen (Beifall in der Mitte. Lärm bei den Nationalsozialisten). Der Präsident schloß den Abg. Dr. Ley (NS.) und Kleiner (DN.) wegen beleidigender Zurufe von -er Sitzung aus. Darauf erwiderte Abg. Dr. Fr ick (NS.) kurz, er müsse feierlichst Einspruch gegen die Erklärung des Ministers erheben. Es Handle sich hier um eine völlige Ent­stellung des wahren Tatbestandes. (Beifall der National­sozialisten. Widerspruch links und in der Mitte.)

Darauf erhielt Abg. Dr. Breitscheib (SPD.) das Wort, der die sozialdemokratische Stellungnahme zur Neichs- prästdentcnwahl darlegte und dabei in üblicher Weise die Nationalsozialisten angrisf. Bei Befürwortung der Kandida­tur Hinbenburgs hatte der Redner sich mit lebhaften kom­munistischen Zwischenrufen auseinanderzusetzen. Er wars dabei den Kommunisten vor, daß ihr Kampf gegen die So­zialdemokratie ein Kampf für Hitler sei.

Sodann erläuterte N e t ch S w ehr in i n i ste r Grüner den Erlaß über Einstellungen in die Reichswehr- Er wies hierbei die Beschuldigungen der Sozialdemokratie, baß er einen Kurswechsel im Reichswehrministerium anstrcbe, zu­rück. Er kenne nur den Weg der Verfassung. Die Wehr­macht stehe über den Parteien. Vorbedingung für den Eintritt in sie sei der Verzicht auf jegliche Zersctzungs- arbeit. Die wiederholt abgegebenen Erklärungen des Füh­rers der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiter-Partei und sein Bekenntnis zur Legalität, erstmals durch Sen Bruch mit dem radikalen Führer Stennes bargetan, zeigten, daß -er Führer der NSDAP, bestrebt ist, illegale Elemente aus seiner Partei auszuschließen. Das stellen auch die Entschei­dungen des Reichsgerichts ausdrücklich fest. Diese Tatsachen hätten ihn bestimmt, das Ehren recht der Landes­verteidigung auch den Angehörigen der N S.- DAP. nicht länger vorzuenthalten. Der Erlaß habe alle Sicherungen getroffen. Der Minister wiederholte noch einmal die Bestimmungen des Erlasses »nd betonte, daß die unveränderte unpo.lttische Haltung der Reichswehr gesichert bleibe.

Nach der Erklärung Gröners sprach der wttrtt. Staats­präsident Bolz (Zentrum). Er fragte, warum die Rechte Brüning stürzen wolle? Das Ziel seiner Außenpolitik könne nicht der Grund sein. In der Neparationspolitik herrsche beim ganzen Volk nur eine Meinung. Die Rechte werde es nicht besser machen können. Unter der Firma der Nationalen Opposition falle man der Negierung bet den wichtigsten Ent­scheidungen in den Rücken. DaS Zentrum wünsche, daß mit dem Abbau an Löhnen, Gehältern und sozialen Leistungen endlich Schluß gemacht werde. Der Eingriff in die Zinsen­frage, in die Mieten, in den Abbau der Gebäudeentschul- -ungsstcuer und jetzt das zweite Santcrungsmerk für die zusammengebrochcnen Großbanken seien doch unbestreitbare Leistungen und notwendige Etappen zur Gesundung der Wirtschaft. Agrarpolitik müsse Deutschland mindestens un­abhängig vom Ausland werden. DaS sei auch die Grundlage für eine dauerhafte Sicdlüngspolitik. Wenn sich die Oppo­sition beschwere, daß man ihr nicht Anteil an der Regierung gäbe, so sei daraus hinzuweisen, daß das Zentrum zur Zu­sammenarbeit mit jeder Partei bereit sei, die auf dem Boden -er Verfassung Aufbauarbeit leisten wolle. Der Redner schloß mit der Erklärung, daß das Zentrum genügend Vertrauen zur Besonnenheit tm Parlament habe, um zu erwarten, baß der vereinigten Opposition von rechts und links ein Sieg am Ende dieser Woche nicht zufalle und baß der 13. März eine «och schwerere Niederlage kür sie bringen werde.

Frhr. von Freytag-Loringhoven (Dntl.) erklärte, so verheerend sich das jetzige System tnnen- und wirtschafts­politisch ausgewirkt habe, so müsse es doch vor allem wegen seiner Außenpolitik bekämpft werden. Diese stelle eine Kette von Mißgriffen und Niederlagen dar. Erste Voraussetzung für einen nachhaltigen Widerstand sei die Bildung einer na­tionalen Negierung Auch der bevorstehende Wahlkampf gelte dem Novembersystem. Es sei die »tragische Schuld Htndeu-

Surgs", daß er dieses System gestützt habe und weiter zu stützen bereit sei.

Dr. Brcöt (W.) warf dem Vorredner vor, aus den Kern der Fragen nicht eingegangen zu sein. Das Kabinett Brüning sei vom Reichspräsidenten von Hindenburg berufen worden als ausgesprochenes Nechtskabinett. Einem solchen Kabinett hätten die Deutschnationalen sich anschließen müssen. Wenn Hugenberg das ablehnte, dann trage er selbst die Schuld an der Entwicklung der Ding« Es sei sonderbar, daß die Deutschnattonalen die Heranbringung der Nationalsozialisten an die Regierungsmacht verlangen und daß Deutschnationale und Deutsche Volksparteei dem Reichskanzler das Mißtrauen aussprcchen wollen, weil er eine Partei mit solchen Forde­rungen nicht in die Negierung hineinnehmen will. Bei den weiteren Ausführungen des Redners Häuften sich laute Zwi­schenrufe und Unterbrechungen aus den Reihen der Deutsch­nationalen und Nationalsozialisten. Vizepräsident Esser er­teilt einen Ordnungsruf für die in einem Zwischenruf auf­gestellte Behauptung, die Wirtschaftspartei habe sich ihre letzte Abstimmung für die Negierung von der Regierung bezahlen lassen. Wir folgen, so schloß der Redner, nur unserem Ge­wissen.

Graf Westarp (Volkstons.), bei dessen Erscheinen auf der Rednertribüne die meisten Deutschnattonalen «nd Nationalsozialisten Len Saal verlassen, erklärte dem Abge­ordneten Dr. Goebbels: »Ich glaube nicht, daß Sie die Ab­sicht hatten, den Reichspräsidenten persönlich anzugreifen. Das von dieser Stelle ausgesprochene Wort bleibt aber stehen und wirkt weiter. Irgendwelches Lob oder irgend­welcher Tadel von Deserteuren hat mit dem Namen Hin- benburg nichts zn tun (Beifall). Deserteure nenne ich nicht in einem Atemzug mit diesem Mann, der für mich und für das ganze Volk das Vorbild eiserner Pflichttreue ist. Dr. Weber-Potsdam (Staatsp.) meinte. Sie Rede des Ab­geordneten Dr. Goebbels habe eine schwere «Beleidigung des Reichspräsidenten enthalten. Die Nationalsozialisten verlan­gen von der Negierung volle Freiheit im Wahlkampf, aber wir können ein Lied davon singen, welche Freiheit die Na­tionalsozialisten ihren Gegnern im Wahlkampf zugestehen würden. Der Redner berichtet dann von blutigen Gewalt­taten, die Nationalsozialisten im Anschluß an Wahlversamm­lungen in der Provinz verübt haben und schildert Einzel­fälle. Die Nationalsozialisten begleiten diese Schilderun­gen mit Lachen und Zurufen. Dr. Weber wendete sich dann gegen den Erlaß des Reichswehrministcrs Grüner und erklärt, Gröners heutiger Rechtfertigungsversuch habe in keiner Weise befriedigt. Der ruhige Bürger könne sich nicht länger gefallen lassen, daß Tag für Tag von den National­sozialisten und Kommunisten Bluttaten begangen werden. Das Geschrei der Nationalsozialisten über Unterdrückung steht einer Partei schlecht an»die selbst auf dem Wege des politischen Mordes vorangcgangen ist". Nach diesen Worten des Redners stürmten die Nationalsozialisten unter lauten drohenden Rufen gegen die Rednertribüne vor. Vizepräsi­dent Esser ruft den Abg. Dr. Weber zur Ordnung, aber der Lärm der Nationalsozialisten hält weiter an, und der Vizepräsident unterbricht daraufhin die Sitzung.

Nach viertelstündiger Unterbrechung wurde di« Sitzung wieder eröffnet. Vizepräsident Esser teilte mit. daß er Sen Abg. Dr. Weber gebeten habe, die Bemerkung, die zur Un­terbrechung der Sitzung führte und deretwcgen Abg. Dr. Weber zur Ordnung gerufen wurde, zurückzunehmen. Dr. Weber habe demgegenüber Sie Absicht geäußert, seine Be­merkung historisch zu begründen. Auf seine, Essers, Bitte habe er für heute darauf verzichtet (Lärm bei Sen National­sozialisten). Der Vizepräsident erteilte daraus dem Abg. Simpfendörfer (Volksdienst) das Wort, der be­dauert, daß die Wieöeraufstellung Hinbenburgs zur Reichs- Präsidentenwahl nicht zu einem machtvollen, geschlossenen Bekenntnis des Reichstages geführt habe. Die Haltung der radikalen Rechten sei geradezu eine Versündigung gegen die nationale Führeriüee und gegen den konservativen StaatS- gedanken. Der Volksdienst bekenne sich zu Hindenburg. Eine Schande für den deutscher, Reichsstaat seien die täglichen Morde und Terrorakte. Die Regierung müsse hier schnell und energisch eingreisen.

Abg. Rosenberg (Natsvz.) erklärte, daß die NeichS- regierung ein klägliches Fiasko in der Mrmellandfrage er­litten habe. Die deutsche Vertretung in Genf habe sich völlig hilflos gezeigt. Unter dem Personal der deutschen Gesandt­schaft in Kowno gebe eS 80-40 Prozent Ausländer, dar­unter auch Litauer. Auf einen kommunistischen Zuruf: »Las­sen Sir sich einen Dolmetscher kommen)" erwidert Rosen­berg: »Ste können ja nach Galizien mauscheln gehen." Der kommunistische Abg. Heuck wirft den Nationalsozialisten

Tages-Spiegel

Im Reichstag begründete gestern Minister Groener den Er­laß über die Einstellungen in die Reichswehr. Die Ans­sprache verlief wieder«« sehr stürmisch.

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Nach dem endgültigen Zählnngsergebnis -es Hindeuburg- «»Sschusses haben sich rund 3 830 lM Wahlberechtigte für Hindenburg eingetragen.

Der Reichsfinanzminister beabsichtigt, zugleich mit der Vier, steuersenknng auch eine Senkung -er Branntweinstenci eintreten z« lassen.

Im Kouserenzansschuß der Abrüstungskonferenz erklärte -er französische Vertreter Tardie«, daß der Versailler Vertrag die Grnndlage für jedes neue Rüstungsabkomme« mit Dentschland bleibe« müsse.

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In mehreren Städte« Englands kan, cs zu Arbeitslosen- «nruhen. In London und Bristol wurde bei Zusammen­stößen mit der Polizei eine große Anzahl Personen verletzt.

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Nachrichten aus Washington zufolge, droht man dort Japan mit -er Kündigung des Nennmächtevertrages.

Die deutsche Afienfliegerin Elly Beinhorn hat das Endziel ihres Fluges, Niederländisch-Jndie«, wohlbehalten erreicht.

in einem Zuruf Landesverrat vor. Rosenberg:Das ist eine Lüge, ein Verbrechen! Ihr wollt wohl eine Ohrfeige haben!" Wieder kommt es zu großen Lärmszenen im ganzen Hause. Die Kommunisten drängen -um Redncrplatz. Präsi­dent Löbe entzieht dem Abg. Rosenberg das Wort, weil er einem Abgeordneten eine Ohrfeige angebvten Hab«. (Bei­fall links Lärm bei den Nationalsozialisten). Der Lärm im Hanse dauert minutenlang an. Von Len nationalsoziali­stischen Bänken ertönen dauernd Pfui-Rufe. Der Präsident droht verschiedentlich mit Ausweisungen aus dem Saal. Der Präsident erteilt Rosenberg einen Ordnungsruf und schließt zwei nationalsozialistische Abgeordnete für zwei Tage a»s.

Als es dem Präsidenten nicht gelingt, die Ruhe herzu­stellen, wird die Sitzung zum zweiten Male unterbrochen. Nachdem der Aeltestenrat mehr als anderthalb Stunden be­raten hatte, wird die Vollsitzung wieder eröffnet. Der Prä­sident erklärte, daß eine Reihe von Mißverständnissen vor­gekommen sei und daß er infolgedessen die Wortentziehung gegenüber dem Abg. Rosenberg wieder rückgängig »-'-hen müsse. Auch die Maßregelung gegen den Abg. Sprenger ziehe er zurück, da dieser nicht drohend die Hand gegen den Präsidenten erhoben habe. Der Präsident warnt nochmals vor allen Beschimpfungen, Beleidigungen und Drohungen. Abg. Rosenberg (Natsoz.) setzte hieraus seine Ausfüh­rungen fort. Uns, so betonte der Redner, geht es nicht um die ehrwürdige Person Hinbenburgs, sondern um das Schick­sal des Deutschtums in der Welt. Das Zentrum ist daran schuld, wenn überhaupt eine Sozialdemokratie entstehen konnte. (Lachen links.) Es hat schuld, daß Tausende von Staatsstellen heute in der Hand von Bonzen sind. Zentrum und Sozialdemokraten stehen heute in einer Front und müssen darin auch zugrunde gehen. Wenn Dr. Brüning in dieser Neichstagstagung nicht fallen sollte, so wird er einige Monate später dem Reichspräsidenten seine Demission ein­reichen und dieser Reichspräsident wird Adolf Hitler fein. Darauf wird die Weiterberatung auf Donnerstag mittag vertagt.

Scharfer Ausfall Tardieus in Genf

Beginn der -entsch-sranzöstschen Abrüsiungs- anseinandersetzung

TU. Gens, 25. Febr. Im Konferenzausschutz der Ab­rüstungskonferenz hat gestern Tardieu an den deutsche« Vertreter Nadolnydie Erklärung gerichtet, daß Frankreich keinerlei Abänderung des Abkommcnsentwurfes des Völ­kerbundes zulaffen werde. Diese Erklärung wird allgemein dahingehend verstanden, daß die französische Negierung nach wie vor uneingeschränkt an dem Art. 53 des Abkommens- cntwurfs festhält, ln dem die Entwafsnungsbestim- mungen des Versailler Vertrages als eine grundsätzliche Voraussetzung eines jeden Ab­rüstungsabkommens aufrecht erhalten werden.

Die sachlichen Ergebnisse der gestrigen Aussprache bestehen darin, daß zwar der Abkommensentwurs als der allgemeine Nahmen für die Verhandlungen angenommen worden ist. daß jedoch die Vorschläge der übrigen Abordnungen und so­mit auch der deutsche Vorschlag gleichzeitig un­gleichberechtigt mit den einzelnen Abschnitten des Abkom­mensentwurfs zur Verhandlung gestellt werden.