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Nr. 31

Amts- unä Anzeigeblatt für äen Oberamtsbezrrk ?a»iv

Montag, den 8. Februar 1932

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Fahrgang 104

Heute Beginn der Generalaussprache in Genf

Reichskanzler Brüning spricht morgen vor der Abrüstungskonferenz Außerordentliche Ratstagung über den Memelputsch

TU. Genf, 8. Febr. Reichskanzler Brüning ist Sonn­tag nachmittag mit seiner Begleitung in Genf eingetrosfen. Wie die deutsche Delegation mittcilt, wird der Reichskanzler bereits morgen nachmittag nach Berlin zurückkehren, da drin­gende Geschäfte des Neichskabinetts seine Anwesenheit am Mittwoch in Berlin notwendig machen. Der Reichskanzler ist nach Gens gekommen, um an dem Beginn der sachlichen Arbeiten der Konscrenz teilzunehmcn. Der endgültige Text der Rede des Reichskanzlers, die er am Dienstag vormittag halten wird, wird erst heute nachmittag nach den Erklärun­gen des englischen Außenministers Simon, des sranzösischen Kriegsininisters Tardieu und des amerikanischen Abordungs- führers Gibson festgcstellt werden. Es wird ausdrücklich be­tont. daß die Rede des Reichskanzlers keine Stellung­nahme zur Abrüstungsfrage vom innerpolitischen, sondern ausschließlich vom außenpolitischen Standpunkt aus darstellen wird. Für die Abfassung der Rede werden die Erklärungen der drei Redner Tardieu, Gib­son und Simon natürlich nicht ohne Einfluß sein.

Ferner wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in den eingehenden Ausführungen des Reichskanzlers über die von Deutschland auf der Abrüstungskonferenz zu machenden Vor­schläge die allgemeinen Richtlinien erörtert werden, die für Deutschland auf der Abrüstungskonferenz maßgebend sind. Auf deutscher Seite ist beabsichtigt, der Abrüstungskonferenz sachliche Vorschläge einzurcichen. Der Zeitpunkt, wann diese Vorschläge der Konferenz vorgelegt werden, steht noch nicht fest und hängt von dem weiteren Verlauf der Hauptaus- sprachc und besonders von den Erklärungen der europäischen Großmächte ab.

Nationalsozialistischer Beobachter auf der Abrüstungskonfe­renz.

Der bekannte nationalsozialistische Führer General von Epp ist in Genf eingetrosfen, um, wie verlautet, als Beob­achter der Nationalsozialistischen Partei an der Abrüstungs­konferenz teilzunehmen.

Frankreichs Sicherheilsvorschläge

Die in Genf bekanntgegebcnen Vorschläge der französischen Negierung zur Sicherheits- nnd Abriistungsfrage haben nach Mitteilungen aus englischen, italienischen, holländischen und Schweizer Kreisen allgemein, selbst bis in die französische Staatengruppc hinein, einen außerordentlich ungünstigen Eindruck hervor- gerusen. Tie Vorschläge werden übereinstimmend als ebenso phantastisch wie zwecklos und undurchführbar bezeichnet, insbesondere, da sie in keiner Weise der Abrüstung, sondern durch Schaffung einer neuen Völkcrbundsarmee nur der Aufrüstung dienen könnten. Die militärische Ueberlcgenheit der heute schwer gerüsteten Staaten würde damit endgültig gesichert sein. Die Pariser Lokalpresse verwirft die Vorschläge als ein plumpes Propagandamittel. Die sranzösischen Vor­schläge. so schreibt der sozialistischePopnlaire", könnten nicht ernst genommen werden, «veil Frankreich sich dadurch nur der Verpflichtung zur Abrüstung entziehen «volle. Der Zweck des ganzen Manövers sei lediglich der, Deutschland die Entwicklung seiner Handelsluftfahrt zu untersagen, da man befürchte, daß die deutschen Handclsflugzcnge eines Tages in Bombenflugzeuge «mgeivandelt werden könnten. Es handle sich darum, eine bestimmte Art von Kriegsmaterial ans dem Papier zu internationalisieren, während diejenigen Staaten, die im Besitze dieses Materials seien, auch weiter­hin frei darüber verfügen könnten.

England vermißt den Abrüstungsgedanlcn

Snnday Expreß gibt die Ansicht amtlicher Kreise Eng­lands zum französischen Abrüstungs- und Sicherheitsvor- fchlag dahin wieder, daß ihin keine allzu große Bedeutung beigemessen werde, da er den Grundgedanken der Abrüstung vollkommen vermissen lasse. Er sei offensichtlich dazu be­stimmt. die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Abrüstung abzulenken. An anderer Stelle sagt das Blatt, daß der Plan für Frankreich als Herr des Völkerbundes gut sei, für Eng­land sei er aber ein Grund mehr, dem Völkerbund den Rücken zu wenden.

Washington lehnt ab

Präsident Hoover wird, wie in Washington versichert wird, die amerikanische Abordnung in Genf anweisen, den französischen Vorschlag für Schaffung einer internationalen Polizei glatt abzulchnen. Zuständige Stellen sehen den Vorschlag einen neuen Versuch Frankreichs an. die Abrüstung zu umgehen. Washington fei durch dieses alte Manöver nicht überrascht.

Senator Borah brandmarkte in einer Unterredung mit einem Pressevertreter den französischen Vorschlag, eine inter­nationale Polizeitrnppe z« schaffen, als einen Versuch. Eu­

ropa in eine Zwangsjacke zu stecken. »Der Vorschlag", so er­klärte Vorah,ist das logische Erzeugnis des Versailler Ver­trages und der anderen Friedensvertrüge. Verträge, die weder aus Würde, noch Gerechtigkeit aufgebaut sind, können eben nur durch Gewalt aufrecht erhalten werden. Die Absicht der Franzosen ist es, den Status quo ohne Rücksicht auf Ge­rechtigkeit und aus die Rechte eines Volkes aufrcchtzucrhal- ten, das im Wachstum und in der Entwicklung begriffen ist." Vorah vertritt die Auffassung, daß nur wenige Regierungen den französischen Vorschlag unterstützen werden.

Eine MMahrl für den Frieden

Genf, 8. Febr. Am Samstag tagte eine außerordent­liche Vollversammlung der Abrüstungskonferenz zur Ent­gegennahme der privaten Vitt- und Denkschriften. Ein ein­drucksvolles Bild bot der Aufmarsch der zahlolen Fraucn- verbände ans allen Teilen der Welt. Viele hundert Frauen legten bündelweise die Tausende von Denkschriften ans den Sitznngstisch nieder. Es ivar ohne Zweifel eine eindrucks­volle Demonstration, die einer Wallfahrt für den Frieden glich. Im Anschluß daran sprachen dann die Ver­treter der kirchlichen Verbände, der sozialistischen Weltver­bände, der Studentenverbänbe und der Bölkerbilnbsvcrbände.

Sehr interessant waren die Ausführungen Vandervel- des als Vorsitzender der sozialistischen Arbclterlntcrnatio- nale. Die Geduld der Völker sei aus das äußerste angespannt, erklärte Bandervelde, und deshalb fordere man von der Ab­rüstungskonferenz endlich vositive Arbeit. Ein Vertrag müsse abgeschlossen werden, der sofort eine großzügige Herabset­zung der Hecresbestänbe und des Kriegsmaterials sowie der Militärausgaben sichere und zur vollständigen allgemei­nen und kontrollierbaren Abrüstung führe. Man sei nicht hier, um Bitten vorznbringen, sondern um Forderungen zn vertreten. Besondere Bedeutung legte Van- dervelde ans das unbestreitbare Mißverhältnis zwischen den von den Besiegten und den von den Siegern seit 1918 auf­rechterhaltenen Rüstungen.

Der wesentlichste Punkt seiner Resolution ist folgender: Das System der Abrüstung kann nur endgültig und stabil auf der Gleichheit des Rechts und der Pslichten aufgcbaut werden. Eine strenge internationale Kontrolle sel elnzuführen, die alle Militärausgaben und Rüstungen, die öffentlichen und privaten Waffen- und Munitionserzeugnisse und den internationalen Waffenhandel überwachen müsse. Der Unterschied zwischen Sieger und Besiegten sei aufzu­heben. Die aufgezmungenc Abrüstung müsse auf alle aus­gedehnt werden. Man fordere dies im Namen derjenigen Völker, die nicht mehr die Möglichkeit haben, hundert Milli­arden für die Kriegsbudgets zu zahlen. Wenn die Konferenz versage, so müsse eine' Katastrophe über die Welt herein- brechen, die bas wiederholen würde, was während des Krie­ges ein Teil Europas erlebt habe.

Sehr bemerkenswert waren auch die Erklärungen Lord Cecils als Präsident der Wcltverbände der Bölkcrbund- ligen. Er forderte 25prozentige Herabsetzung aller Rüstungs- ausgaben. Allgemeinverbot derjenigen Waffen, die den be­siegten Staaten von den Sicgermächtcn verboten worden wä­ren »nd internationale Rüstungskontrolle. Auf dem Gebiete der Sicherheitsfrage seien bereits wesentliche Entscheidungen gefallen, so daß diese Frage nicht mehr in Sen Vordergrund geschoben werden dürfte. Mit großem Nachdruck forderte Cecil die völlige Abschaffung der Unterscebootswaffen, der Bombengeschwader, der Tanks «nd der schweren Artillerie.

Deutscher Antrag auf Sondertagunq des Rats zur Behandlung des Memelkonslikts

Der Memelpntsch amtlich bestätigt.

TU. Berlin, 8. Febr. Den amtlichen Stellen ist eS jetzt gelungen, eine Bestätigung der Nachrichten über den Staats­streich in Meine! zu erlangen. Darnach ist der Landesprösl- dent Böttcher tatsächlich abgesetzt, verhaftet nnd in eine Ka­serne abgeftthrt worden; die Negierung «vnrde dem Groß- litauer Tolischus übertragen. Die Neichsregierung hat den Beschluß gefaßt, angesichts der flagranten Verletzung der Me­melkonvention durch die litauische Regierung an den Gene­ralsekretär des Völkerbundes das offizielle Ersuchen zu rich­ten, den Völkerbnndsrat unverzüglich zu einer antzeror- dentlichen Ratstagung zur Behandlung dieses Fal­les einznbernfen.

Die Rote, die von Reichskanzler Brüning unterzeichnet werden wirb, wird heute vormittag dem Generalsekretär übermittelt werden. Dieser ist pflichtgemäß gebunden, un­verzüglich den Bölkerbnndsrat sodann einznbernfen. Wann die Sitzung des Völkerbundsrates stattsinden wirb, steht noch

Tages-Spiegel

Reichskanzler Brüning ist gestern in Gens eingetrosfen; der Kanzler wird morgen in der Generalanvsprache der 2ib» rüstungskonserenz Ken deutschen Standpunkt vertreten.

Litauen hat durch einen Staatsstreich im Memelgeriet die deutsche Verwaltung gervaUsain beseitigt. Die Re'.-^rcgie- rung hat eine sofortige Sondertagung des Lölkcrbunds- rateS beantragt.

Wie der Hinbenburgausschuß mitteilt, haben sich nach den bisherigen Feststellungen an den ersten vier Tage» sllr die Volkskandidatur HindenbnrgS insgesamt <d7 0b!1 Personen eingetragen.

Die russische Abordnung in Genf befürchtet einen weiß- russischen AttentatLplan aus Litwinow. Nachforschungen der Schweizer Polizei blieben ohne Ergebnis.

In Berlin und Chemnitz fanden in deer Nacht zürn Sonntag mehrere Zusammenstöße zwischen politisch A::?::Sdenlen- dcn statt. Es gab einer größere Anzahl Verletz,?.

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Im Lübecker Prozeß wurden die Aerzte Deqcke nnd Altsiaedt z« Gesängnisstrasen bis zu zwei Jahren verurteilt.

nicht fest, da der Generalsekretär zunächst die litauische Ne­gierung von der Anrufung des Völkerbundes telegraphisch in Kenntnis setzen muß. Die deutsche Abordnung wird so­gleich «nit den vier Unterzeichnerstaaten des Memelabkom­mens. England. Japan. Frankreich und Italien, Fühlung nehmen. Die Lage wird in Kreisen der deutschen Abord­nung außerordentlich ernst beurteilt. Die Neichsregierung ist fest entschlossen, alle Maßnahmen zn ergreifen, um die litauische Regierung zn einer sofortigen Zurückziehung des Staatsstreiches im Memelgcbiet nnd zu Wicdcrgntmachungs- maßnahmcn zu zwingen. Das Vorgehen der litauischen Re­gierung hat in weitesten internationalen Kreisen größte Em­pörung ausgelöst.

Die neue Oslhilfe-Notoerordnunq

TU. Berlin, 8. Febr. Die vom Neichskabinett verabschie­dete Verordnung zur beschleunigten Durchführung der land­wirtschaftlichen Entschuldung im Osthilfe-Gebict, die die «vet­tere Finanzierung der Osthilfc ans eine sichere Grundlage stellen nnd eine beschleunigte Durchführung der Entschnl- dungsvcrfahren in etwa 1 bis 1)4 Jahren ermöglichen soll, ist Samstag mittag vom Reichspräsidenten unterzeichnet worden.

In der Verordnung ist vorgesehen, daß die Gläubiger mit Osthilfc-Entschuldiingsbriefcn abgefundcn werden können, die bis zur Höhe von 500 Millionen ausgegeben, mit 4)4 v. H. verzinst und in Höhe von rund 800 Millionen im Rech­nungsjahr 1935. der Nest dann im Rechnungsjahr 1938 ein­gelöst «verden. Außer den Entschulüungsbriesen stehen für die Durchführung der Entschuldung Varbeträge in Höhe von 100 Mill. Mark zur Verfügung, deren Aufkommen sicher- gestellt ist. _

Das Urieil im Lübecker Eolmelle-Prozeß

TU. Lübeck» 8. Febr. Am Samstag abend verkündete das Gericht im Calmette-Prozetz folgendes Urteil: Professor Deycke «vird wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesüngnisstrase von zivei Jahren verurteilt. Professor Altstedt «vird wegen Vergehens der fahrlässigen Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körper­verletzung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Angeklagten Professor Klotz und Schwester Anna Schütze werden iretgesprochcn. Die Kosten des Verfahrens werden den Angeklagten, soweit sie verurteilt sind, auferlegt. Soweit Freispruch erfolgt ist, trägt sie die Staatskasse.

Immer noch Kämpfe in Schanghai

Schapei vollständig niedergcbrannl

TU Moskau, 8. Febr. Nach einer amtlichen Meldung aus Schanghai find die Kämpfe bei Schapei noch nicht beendet. Der Samstag war der schwerste Tag, den Schapei erlebte. Die Stadt brannte vollkommen nieder. Der Schaden wtrl» auf etwa 1,7 Milliarden Mark geschäht. Die chinesischen Trup­pen haben Verstärkungen erhalten und wollen weiter kämp­fen . Etwa 3000 japanische Infanteristen und 800 Seesolda­ten landeten in Wusung. Sämtliche Forts wurden zerstört. Die Japaner versuchen jetzt, chinesische Truppen bei Schapei zu umzingeln.

Die bisherigen Verluste der Japaner in Schanghai wer- den von maßgebenden Kreisen aus 10 v. H. der gesamten an Land befindlichen Seesoldaten berechnet.