Der neue Seebahnhof für Friedrichshafen

Friedrichshofen, die Hauptstadt des Bodensccgebiets. die als Zentrale des Dampferverkehrs auch große Bedeutung für den Güterverkehr nach der Schweiz und Oesterreich be­sitzt erhalt jetzt diesen neuen Seebahnhof. Der Bahnkörper

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ist höhergclcgt, sv daß die Reisenden unmittelbar vom Dampfer in die Bahnhofshalle gehen können. Das Emp- fangsgebände des Bahnhofs mit seiner stattlichen Seefront enthält auch die Bahnschiffahrtsverwaltung, die Post, den Zolldienst und die Polizei.

Schätze, die der Rost frißt

Etwa «iw Millionen Mark muß die Deutscpc Reichsbahn alljährlich zur Bekämpfung des Rostes und für die ^Neue­rung der durch ihn zerstörten Teile auSgcben. Beträchtlich sind die Schädigungen, die im Schiffskörper und rn Rohrleitungen aller Gattungen durch Wasser und Dampf, durch Sauren und Gase eingerichtet werden und die alle unter den Begriff der Korrosion falten. In jüngster Zeit arbeitet man an eener Art großangclcgten Feedzugsptancs gegen den Rost, dessen Schäd­lichkeit'schon die Bibel kennt, indem sie davor warnt, Schatze zu sammeln, welche die Motten und der Rost sressen. Kürzlich sind in der deutschen Rcichshauptstadt mehr als 600 Chemiker, Techniker, Ingenieure und Angehörige verwandter Berufe zusammcngetretcn, um den Kampf gegen diesen gemeinsamen Feind tatkräftig und in planmäßiger Weise auszunchmen.

Cin Angriff setzt voraus, daß man den Feind kennt. Will man sich den Borgang des Röstens recht sinnfällig vor Augen führen, jo muß man sich die Oberfläche des Mctallcs als eine Landschaft vorstellen. Bei genauer Untersuchung ergibt sich nämlich, daß diese oftmals so glatt scheinende Ebene einem wild zerklüfteten Gletscher gleicht, den tiefe Spalten durch­ziehen. Natürlich hat man sich nicht damit begnügt, sich an dem malerischen Anblick dieser Landschaft zu erfreuen, sondern die Ausdehnungen wissenschaftlich ausgemessen. Dabei stellte sich heraus, daß beispielsweise die wirkliche Oberfläche bei Glas zehn- bis fünfzehnmal, bei poliertem Platin zwei- bis dreimal so groß ist wie die scheinbare Oberfläche. In den Gletscherspalten rumoren die energicreichcn Moleküle mit einer Gewalt, welche die Tätigkeit an anderen Stellen der Oberfläche um das Millionenfache übertrisft.

Von ganz verschiedener Beschaffenheit ist die Haut, die der Rost oder irgend eins jener Actzwässer über die Oberfläche des Metalles breiten. Bei Aluminium und Nickel bildet sich eine Schutzschicht, welche die Widerstandskraft stärkt. Der auf dem Eisen entstehende Rost dagegen, der sich leicht löst, hemmt die weitere Korrosion sehr wenig.

Die im Laboratorium vorgenommcncn Versuche sollen die in den Betriebeil stattfindenden Korrosionsvorgänge in klei­nerem Maßstabe nachahmcn, kranken sedoch sämtlich daran, daß sie jene Einwirkungen auf die Metalle in einem gewisser­maßen summarischen Verfahren zur Darstellung bringen. Nun ist es eine an Metallen gleichwie an wirklichen Lebewesen zu beobachtende Tatsache, daß eine starke Beanspruchung von kurzer Dauer ganz anderen Einfluß ansübt als eine schwächere von längerer Dauer. Die Laboratoriumsversuche werden sich also den wirklichen Betricbsverhältnissen anpassen müssen, wenn sie über das Wesen der Korrosion Klarheit bringen sollen, sind jedoch unentbehrlich, da sich die Naturversuche zu langwierig und umständlich gestalten, und haben letzthin zu Prüfverfahren geführt, die mit praktischen Erfahrungen gut übereinstimmende Ergebnisse zeitigten. Dabei interessieren die Angaben über Gewichtsverlust und Oberflächenändcrung weniger als die Feststellungen mechanischer Eigenschaften wie der Festigkeit, Dehnung und Ermüdungsfestigkeit, wovon Be­triebssicherheit und Wirtschaftlichkeit ja in erster Linie ab- hängen. Es ist deshalb vorgcschlagen worden, die Abnahme der oben genannten Eigenschaften als Maß für die Korrosion zu benutzen. Bei dieser BcurteilnngSweise sind jedenfalls mit einem im Laboratorium dnrchzüführcndcn abgekürzten Ver­fahren der Prüfung von Baustoffen für Flugzeuge Ergebnisse erzielt worden, die der Wirklichkeit entsprachen. Bisher ist all­gemein der Gewichtsverlust innerhalb einer bestimmten Zeit als Maß für die Korrosion benutzt worden. Die heutige Kor- rosionsforschnng beruht auf elektrochemischer Grundlage, von der ans ins einzelne gehende Angaben über das Verhalten der Metalle gemacht werden können. Das Rosten des Eisens, wissenschaftlich als Oxydation bezeichnet, findet in einem Ab­stande von einem tausendstel bis einem Hundertstel Millimeter von der Mctalloberflächc statt. Woraus sich ergibt, daß der Rost sie schlecht bedeckt und kaum daran haften bleibt. Un­schwer lassen sich aus der Erkenntnis dieser Vorgänge Schutz­mittel gegen das Rosten gewinnen. Anders als das Eisen und , » Kupfer erlangt das Aluminium durch die Oxydation eine Deckschicht, der cs seine technische Verwendungs­möglichkeit verdankt.

^"strich und metallische Ucbcrzüge, durch Ver- ^>°"dercn Metallegierungen und Stählen mit r '"cht man dem Rosten cntgegcnznwirkcn.

M Schutzmittel hat eine außcrordcnt-

!-e! ,Ä " 8 cgc>, Korrosion gezeigt. Sollen

reine Metcllle durch Zusätze gegen den Rost geschützt werden,

? ^ darauf an, Legierungen zu schaffen die sich unter

e des korrodierenden Angriffs mit schützenden Deck­

schichten überziehen und die gleichzeitig gute mechanische nnd technologische Eigenschaften besitzen. ^ ^ uns

beschlosseneFcldzugSplan" gegen den Rost ve!üm-^ ^ "^hl von Arbcltszcntrcn vor, in denen die in den o gemachten Erfahrungen qc-

Werd , Zuvcrlaisigkcit und Richtigkeit geprüft

nisse sowü Auswertung der Ergcb-

-ür!teu"--in-V .^''.-tausch zwisc-scn den einzelnen Arbeitszcntrcn t.ten eine wirksame.Bekämpfung der Korrosion ermöglichen.

Eintragungslisten

für die

zur bevorstehenden Neichspröfidentenwahl

liegen vom 3.6. Februar in der Geschäftsstelle desCalwer Tag­blatt" zur Einzeichnung auf.

Im Bezirk Calw wohnhafte Staatsbürger und Staatsbürgerinnen können durch Einzeichnen in die Listen den Wahloorschlag unterstützen, vorausgesetzt, daß sie am Tage der Abgabe der Unter­schrift stimmberechtigt zum Reichstag sind. Erforderlich ist eigenhändige Unterschrift. Stell­vertretung bei Abgabe der Unterschrift ist ausgeschlossen. Die Unterschrift muß leserlich sein, Vor- und Zuname enthalten und durch Hinzufügung des Standes oder Berufes und Angabe der Wohnung so deutlich gekennzeichnet sein, daß den Gemeindebehörden die Ausstellung der Be­teiligung über die Stimmberechtigung der Unterzeichner ermöglicht wird.

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Aus Stadl und Land

Calw, den 3. Februar 1932.

D«s landwirtschaftliche Nachbarrecht Am 1. April dieses Jahres treten neue Vorschriften über das landwirtschaftliche Nachbarrecht in Kraft. Das neue Ge­setz ist ungemein wichtig und sollte in den landwirtschaftlichen Ortsvcrcinen näher erläutert werden. Die Kenntnis dieser Vorschriften wird manchen Zankapfel zum voraus ansschal- teu und vielen Nachbarn unnnötige Aufregung ersparen. Vielfach trifft bei landwirtschaftlichen Nachbarn das be­kannte Wort zu-.Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, wenn cS dem bösen Nachbarn nicht gefällt!" AVer um den Streitigkeiten ans dem Wege zu gehen, müssen sich die Landwirte mit dem landwirtschaftlichen Nachbarrecht vertraut machen und den Hauptinhalt dieses Gesetzes kennen. Es handelt sich hierbei um die Abstände der Einfriedigungen und Pflanzenanlagcn. nm den Schuh der Weinberganlagcn, das Ucberhangs- und Ueberfallsrerht, die Vertiefung und Erhöhung von Grundstücken, den Abstand der Waldungen, Beseitigung von Zweigen und Wurzeln bei Obstbäumcn, um Bäume auf oder längs öffentlicher Wege, um die llcber- sicht der Mindcstabstüuöc außerhalb des geschlossenen Wohn­

bezirks nnd angelegter Ortsstraßcn nach altem und neuem Recht, um Vorschriften über die Erlassung von Gcmeinde- satzungcn nsw. Manche Bestimmungen werden nicht den Beifall aller Landwirte finden. To fordert die Bestimmung zur Kritik heraus, daß mit toten Einfriedigungen gegen­über Grundflächen, die regelmäßig mit Gespannen bearbeitet werden, ein Abstand von 0.50 Meter und wenn die Einfriedi­gungen höher, als 1 ,öll Meter sind, cin noch größerer Ab­stand etngchalten werden muß,- in einem solchen Fall ist cin geordneter Betrieb nicht möglich, da zwischen beiden Grund­stücken ein toter, wirtschaftlich unguter Grenzstreifen ent­steht. Außerordentlich wichtig ist anch Uebcrbau und Dul- dnngspslicht, Berzicht und 'Verjährung des Eigentümers und die Möglichkeit, daß die Gemeinden für näher bestimmte Verhältnisse Gemeinüesatzungen erlassen können. Auf diese Weise können die Interesse» der Grundeigentümer und der Landwirtschaft gut gewahrt werden. Jeder Gütcrbesitzer sollte sich Kenntnis von dem neuen Recht verschaffen.

Vom Rathaus Altensteig

In der letzten GemeindcratSsitzung wurden die neuge- wählten Stadträte cingeführt. Aus diesem Anlaß gab Bür­germeister Pfitzen maier einen Geschäftsbericht über die Gemeindearbeit in den letzten 3 Jahren, dessen Verösfent-

Der Meistchversuch

Verantwortungsbewußte deutsche Wissenschaft. Beim Ver­such denkt der Arzt zunächst an sich selbst. Professor Bier macht den ersten Lendenstich. Pettenkoser ißt Cholera- bazcklen.

Von Karl Bussc-Hellwig.

Der Calmetteprozeß führt in das heiß umstrittene Ge­biet des Menschenvcrsuchs und gibt zu Bcrdächtiann-'eir der Wissenschaft Anlaß, die sich sehr leicht widerlegen "lassen, zur Sicherung des Vertrauens zwischen Arzt und Kranken aber auch widerlegt werden müssen. Ohne Versuch ist jeder wissenschaftliche Fortschritt cin Dir-- der Un­möglichkeit. Ohne Versuch ließe sich auch überhaupt leine Krank­heit Hellen! denn jedcHeilungsbehandlnng ist ,chon cin richtiger Menschenocrsuch, ganz gleich ob jemand nach Urgroßmutter- lveisheit versucht, ein Geschwür durch Auflegen von Spinn­geweben zu heilen oder sich in die Behandlung einev Arztes Le- gibt. Auch der kann nichts anderes tikü, als versuchen. Dabei setzen wir natürlich voraus, daß der Arzt seine Heilniigsvcrsuche mit tauglichen, erprobten Mitteln vornimmt. Das Masscn- ungluck der Lübecker Säuglinge wurde schon für Ncichs- gesundheusamc und Rcichsgesuiidl,eilsrat Bcrcinlassnnq zu einer gründlichen Ucbcrprüfuiig aller mit dem Menj'chcn-- vcrsuch zusammenhängenden Fragen. Bei unserer führenden Acrztcschaft besteht völlige Einmütigkeit, daß die Erprobung neuer Heilverfahren wenn irgend möglich im Tierversuch mUer möglichster Schonung und möglichst vollkommener Schmerzvcrhüiung erfolgen muß.

. Anwendung der dabei gcwonii-nen Erfahrungen ans

den Menschen erfolgt nach Grnndsäpe,' die den sehr scharfen Bestimmungen des Strafgesetzbuches unterliegen. Das gilt vor allem für Bcrsnche zu allgemeinen Erlenickniszwecken. Darauf beziehen sich aber langst nicht alle Versuche, die am wrenschen vorgcnommcn werden müssen. Es gibt an h Ver­suche zur Ermittlung der Krankheit und zur Aiissindig- machung des jeweils günstigsten Heilverfahrens; denn es ist "chU daß alle Medizinen in sedein Körper stets die gleichen Erscheinungen cmslösen. Es besteht eine außer­ordentlich vcrschicde-artige Empfindlichkeit der ein,einen Menschen gegen Med- iucn. selbst solchen, die zu dem sichersten und erprobte,nm Belitz .>7 Wissenschaft gehören Chimn gepvrt beispielsweise zu den wenigen spezifischen Heil­mitteln, also solchen Medizinen, die für ganz bestimmte Kranhciten als sichere Heilmittel zu gelten haben Ehinin ist das großartige, übrigens von einem Laien entdeckte Heil­mittel gegen Malaria, das den Europäern den Aufenthalt ,n den Tropen für längere Zeit überhaupt erst erträglich macht. Dennoch gibt es Menschen, auf die Chiningabcn wie tödliche Gifte wirken, und wer in den Tropen leben will, muß sich deshalb zunächst auf seine Chininempfiiidlichkcit "»Ersuchen lassen, sich also einem Menschcnversuch mit viel­leicht höchst unangenehmen Begleiterscheinungen unterwerfen.

Zur Erweiterung der wissenschaftlichen Erkenntnisse werden von allen verantwortungsbewußten Wissenschaftlern und das sind in Deutschland unleugbar bundert Pro­

zent! Versuche an Menschen nur unter Vorsichtsmaßregeln durchgcführt, die jede Schädigung ausschließen. Es ist ein ebenso lächerliches wie gefährliches Märchen, daß die Kranken der sogenannten dritten Klasse gegen ihren Willen^ Versuchen unterworfen würden. Zudem ist der Arzt selbst für den Mcnschenversuch das am besten geeignete Objekt. Die un­geheure Mehrzahl der gefährlichen oder anch nur schmerz­haften Erkenntnisversuche wird deshalb auch von Acrzten an Aerzten oder von den Forschern an der eigenen Person Vor­genomen.

Tie Geschichte der Wissenschaft kennt solche Menschen- vcrsuche, die von außergewöhnlichem Mut zeugen und in zahlreichen Fällen mit dem höchsten Preis, der Gesundheit und sogar dem Leben bezahlt werden mußten. Nur wenige Namen aller berühmt gewordenen Mediziner Tcutschlanös fehlen in der Reihe derer, die sich selbst mehr oder weniger schwierigen und gefährlichen Menschcnversnchen unterwarfen. Professor August Bier und mehrere seiner Assistenten führten an sich und gegenseitig zu Forschungszwccken znm erstenmal die Lumbalpunktion und die Lumbalaiianästhesic durch. Es ist das der Lendcnstich in das Nückenmarkgebict unterhalb des

-chmerzlosmachttng

hängigen Körpcrbercichc durch Einspritzung von Kokain, Stovain und anderer Mittel in den Kanal der Lendcnwirdet- saulc. Ter amerikanische Nervenarzt Corning hat dieses Ver­loren zuerst empfohlen. TaS war im Jahre 1885. Aber erst cm April 1899 wagte jemand die Verwirklichung des Gedankens, und das war Vier. Der Zeitraum von vierzehn Jahren zwischen Gedanken und A»sf>u>ruiig spricht denckich genug von der Gefährlichkeit des ersten Versuches. Bier und scliic Assistenten dachten deshalb nicht daran, ihre Kranken dafür heranziizichcic, sondern emwickeltcn das Verfahren an ihrem eigenen Leibe.

Nehnlich ist es bei den meisten großen Mcnsckieilvcrsnchen zur Entdeckung oder zum Erweis neuer Wahrheiten gcwe'-en. Pettenkoser strich sich mit seinen Assistenten Eholerabazillen anfs Butterbrot, um zu zeigen, daß für die Ucbertrnanng dieser gefährlichen Erkrankung gewisse örtliche und Persön­liche Voraussetzungen vorhanden sein müssen. Kurl-abn verleibte seinem Oberschenkel echtes menschliches KceöS- geschwür ein, nm zu beweisen, daß der Krebs keine ö.irch Bazillen zu übertragende Krankheit ist. W. Stark mack-le seine Erncihrungsvcrsnche an sich selbst mit tödlichem An - mg. Eine unübersehbare Zahl von Acrzten hat schm.'stmüe Körpercingriffe zn ForschnngS-wecken bei sich vorgenovmen oder Arzneimittel zuerst an sich selbst erprobt: groß ist die Ziffer derer, die sich schwersten Krankheiten nickcrwarsen, um durch Beobachtungen air sich selbst die Wissenschaft zu fördern. Unter anderem zog sich Hunter zn diesem Zwecke Syphilis zu, Manson Malaria, und Earrol erzeugte bei sich Gelb­fieber, während Pasteur nur mit Mühe davon abgelialieir werden konnte, sich dem Biß eines tollwilligen Hnnd.s g,r Erprobung seines so segensreichen Tvllwulsernms ans- znsctzen