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Nr. 23

Lreitag, den 29. Januar 1932

Jahrgang 104

Maßnahmen zur Entpolitisierung der Schule

Konferenz der Kultusminister in Berlin Schutz der Jugend gegen

parteipolitische Einflüsse

TU. Berlin, 2V. Jan. Mit der Frage der Entpolitisierung

-er Schule beschäftigte sich am Donnerstag im Neichsministe- rinm des Innern eine Konferenz der Kultusminister der Länder unter dem Vorsitz des Reichsmlnlsters Dr. Groe - ner. Die Berichte der Minister gaben einen iEnblick in die tatsächliche nnd rechtliche Lage in den einzelnen Ländern und zeigten die Maßnahmen a»f,1>Ie gegen die Politisierung der Schule bisher ergriffen wurden. Auf Grund der eingehen­den Aussprache stellte Neichsmtnister Grocner als einmü­tige Auffassung fest, daß die Parteipolitik nicht in die Schule gehöre. Er werde cs stets begrü­ßen, wenn die Länder entsprechend den verschiedenen Ver­hältnissen scharfe Maßnahmen ergreifen. Ob und in­wieweit den von mehreren Seite» ausgesprochenen Wünschen gemäß von reichswegcn einheitliche Grundsätze für die Ent­fernung der Partcipolitik aus der Schule auszustellen seien und für ihre Ausführung ein einheitliches Verfahren vor­gesehen werden solle, müsse geprüft werden. Die Länder hätten schon jetzt die Möglichkeit, die Teilnahme von Schülern an politischen Versammlungen zu verbieten. Er empfehle, allgemein Gebrauch von dieser Möglichkeit zu mache«. Aufs schärfste zu verurteilen sei die Verteilung von Flugblättern und Zeitungen verhetzenden Inhalts unter den Schülern. Hier komme .es vor allem -arauf an, gegen die Verteiler und Urheber mit allem Nach­druck vorzugchc».

Im übrigen wies der Minister darauf hin, daß die Ent- politisternirg der Schule durch °Pvstttve Maßnahmen gefördert werden müsse; z. B. durch staatsbürgerlichen Un­terricht. sowie durch gute Schnlzettnngen und Einwirkung auf die Elternkreisc. Die Bedeutung eiuer unterstützenden Mitarbeit des Elternhauses hob der Minister besonders her­vor. Er erklärte sich auch bereit, den Anregungen verschie­dener Minister entsprechend einen Appell an die Parteien zu richten, von der parteipolitischen Beeinflussung der Jugend Abstand zu nehmen.

Im weiteren Verlaus der Sitzung wurden die Ansschrei- tnngen der Gottlosenpropaganda erörtert. Es er­gab sich die einmütige Auffassung, daß die bestehenden ge­setzlichen Vorschriften, insbesondere Sie Bestimmung -er Notverordnung des Reichspräsidenten vom 28. März 1931, ausreichen, die Ausschreitungen der Gottloscnpropaganda zn bekämpfen. Sache der praktischen Handhabung sei cs, den geltenden Borschrtften einen wirksamen Vollzug zu sichern.

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Der Rückgang der Reichseinnahmen

Die Steuereinnahmen vam Oktober bis Dezember 1931

Das Reichsftnanzmintsterium veröffentlicht eine Mittei­lung über die Nekchssteuereinnahmen vom Oktober bis De­

zember 1931. Darnach sind in dieser Zeit, also dem dritten Viertel des Rechnungsjahres 1931. an Besitz- und Verkehrs­steuern 1232 jBeträge abgerundet auf Mill. Reichsmark) auf­gekommen, an Zöllen und Verbrauchsabgaben 704. insgesamt 1936. In dem vorhergehenden zweiten Vierteljahr des Rech­nungsjahres betrugen die Einnahmen aus den Besitz- und Verkehrssteucrn 1302, aus Zöllen und Verbrauchsabgaben 737, zusammen 2039. Folglich ist im dritten Viertel des Rech­nungsjahres gegenüber dem zweiten Viertel ein Minder- anfkommcn von 103 zu verzeichnen. An diesen sind haupt­sächlich beteiligt von den Besitz- und Verkchrssteuern die Lohnsteuer minus 24 infolge Kürzung der Gehälter und Löhne und Zunahme der Arbeitslosigkeit. Der Steuer­abzug vom Kapitalerträge minus 5, die Einko m- mensteuer minus 16 infolge Verschlechterung der Wirt­schaftslage und da kein Zahlungstermin für die Zuschläge aus der Notverordnung tm dritten Vierteljahr lag. Die Aufbringungsumlage minus 128, da ebenfalls kein Zahlungstermin in das dritte Vierteljahr fiel. Die Kraft- fahrzeugsteuer minus 10 infolge zahlreicher Abmel­dungen von Kraftfahrzeuge» wegen der schlechten Wirtschafts­lage und die Personenbeförberungssteuer minus 14.

Diesen Mindereinnahmen stehen erwähnenswerte Mehr­einnahmen nur bet der Krisenste« er plus 68 und bet der Umsatzsteuer pluS 7S gegenüber. Die volle Aus­wirkung der Krisensteuer setzte erst im dritten Vierteljahr ein. Sie ist übrigens hinter der ursprünglichen und auch den späteren Schätzungen zurückgeblieben. Bei der Umsatzsteuer führte die durch Verordnung für Betriebe mit einem steuer­pflichtigen Jahresumsatz von mehr als 20000 Reichsmark vvrgeschriebene monatlich Vorauszahlung bisher vierteljähr­lich zu der Mehreinnahme.

Das Minderaufkommen an Zöllen und Ver­brauchsabgaben im dritten Vierteljahr enthält in der Hauptsache auf die Zölle minus 11, die Btersteuer minus 30 und die Mineralwassersteuer minus 4. Mehreinnahmen aus dem Spiritusmonopol plus ö sind saisonmätzig bedingt. Die Tabaksstener und die Zuckersteuer hatten mit 216 und 74 fast den gleichen Ertrag wie im zweiten Viertel des Rechnungs­jahres.

Frankreich verlängert den Reichsbankkredit

aber nnr »m einen Monat.

TU. Paris, 29. Jan. Der Verwaltungsrat der Bank von Frankreich hat am Donnerstag beschlossen, den 2S Millionen- Dollar-Rediskontkredit der Reichsbank um einen Monat zu verlängern, sofern die BIZ. und die übrigen beteiligten Zentralbanken ebenfalls zur Verlängerung ihrer Anteile be­reit find.

Bedrohliche Zuspitzung der Lage in Schanghai

Die Japaner belegen die Chinesensladt mit Bomben Das internationale Freiwilligenkorps mobilisiert Washington erwägt Zwangsmaßnahmen gegen Japan

Schanghai, 29. Jan. Japanische Truppen haben am Donnerstag Sie Chtnesenstadt von Schanghai, Chapcy, be­setzt und das StanSrech« verhängt. Japanische Kriegsschiffe »ahmen das chinesische Fort Wusung unter Feuer, nachdem angeblich die Chinesen vorher die Feindseligkeiten eröffnet hatten.

Nach englischen Meldungen aus Schanghai sind Mische» chinesische» und japanischen Truppen in der Ehinesenstadt Chapcy heftige Gefechte im Gange. Japanische Bomben­flugzeuge haben etwa 40SO Bomben abgeworsen. Mehrere Gebäude gingen in Klammen auf. Die Bevölkerung ist in großer Aufregung und versucht aus der Stadt zu fliehen, was aber durch die Einschließung der Chinesenstadt verhin­dert wird.

Nack der Erklärung des Standrechts ist das interna­tionale Freiwilligenkorps, das aus Engländern, Amerikanern, Franzosen, Russen und Japanern besteht «nd Kavallerie, Infanterie, Artillerie, sowie Panzerwagen und Maschinengewehrabtetlungen umfaßt, mobilisiert worden. Der englische General Fleming hat den Oberbefehl über sämtliche Truppen der internationalen Niederlassungen übernommen. Jnzwischen ist ein neues japanisches Geschwader, bestehend aus einem Kreuzer und 12 Zer­störern, zur Verstärkung eingelausen. Die Zahl -er ln Schanghai an Land gesetzten japanischen Etreitkräfte beläuft sich zurzeit auf 4000 Man».

Erregung in Washington über das Vorgehen Japans

Die Berichte über das japanische Vorgehen in Schanghai riefen im amerikanischen Senat tief sie Empörung her­vor. Senator King iUtah) forderte die sofortige Boykott- »er Hängung gegen Japan. Besonders erregt sind die Vertreter der Paztfic-Staaten. An de» Führer der Pazific- Flottc. Admiral Taylor, in Manila (Philippinen) sind Ge­heiminstruktionen abgegangen. Die Lage in Fernen Osten hat sich in den letzten 24 Stunden außerordentlich zn- gespitzt. Wie zahlreiche Telegramme auS Washington, Lon­don Schanghai und Tokio erkennen lassen, hat die japanisch­amerikanische Spannung durch den Einmarsch der Japaner in Schanghai einen Grad erreicht, der zu ernsten Befürch­tungen Anlaß gibt. Die Amerikaner setzen ihre Bemühun­gen fort, Englands Unterstützung gegen die Landung der japanischen Truppen in Schanghai zu erhalten.

Am Donnerstag abend wurde in Washington an höchster Amtsstelle erklärt, daß die Vereinigten Staaten sich schärf- ftenS jedem japanischen Versuch «übersetzen würden, die internationale Niederlassung ln Schanghai zu besetzen. Gegen die Besetzung des chinesischen Viertels in Schanghai wurden in amerikanischen Regierungskreisen ebenfalls scharfe Be­denken geäußert. Auch in London wird die Lage als sehr ernst bezeichnet, umsomehr als man sich völlig darüber im klaren ist, daß Washington eine Verletzung der chinesischen Hoheitsrechte durch Japan nicht dulden wird.

In englischen politischen Kreisen will man wissen, datz Washington de« Abbruch der diplomatische» ve-

Tages-Spiegel

Im Neichsinnenministeriam traten die Kultminister der Länder z» einem Meinungsaustausch über die Eutpoliti« siernr g der Schule zusammen.

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Im dritte« Viertel des Rechnungsjahres ist gegenüber dem zweiie« Viertel im Reich ein LUinberanslon-rnen an Steu» ern von IV3 Millionen RM. zu verzeichne«.

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Im Zusammenhang mit einem Empfang deS NeichstagSprii- sidente« beim Kanzler vermutet man in Berlin ein« srühere Eiuberusung des Reichstags znr Festsetzung deS Termins der NeichSpräsidentcnwahl.

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Ans der Durchreise «ach Genf nahm gestern der russische Außeukoinmissar Litwinow kurze« Aufenthalt in Berlin; er wurde von Reichskanzler Brüning empfangen.

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Nachrichten ans Paris znfolge finde« die französische» Par- lamsntswahleu am 22. nnd 29. Mai statt.

Die Japaner habe« die Chinesenstadt in Schanghai besetzt, wodurch sich die Lage außerordentlich verschärft hat. Ame­rika erwägt mit Unterstützung Englands Zwangsmaßnah­men gegen Japan z« ergreife«.

-iehungen zu Tokio für den Fall erwägt, datz eine Eini­gung in absehbarer Zeit nicht zustande kommt. In maß­gebenden Kreisen in Tokio wird erklärt» datz wirtschaftliche Matznahmen Amerikas zum Abbruch der diplomatischen Be­ziehungen führen müßten. ES wird allerdings bezweifelt, datz Amerika Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet trifft, da die Vereinigten Staaten ein größeres Interesse an der amerikanischen Ausfuhr nach Japan hätten, als Japan an dem amerikanischen Markt.

Die amerikanische Skegierung hat die Regierung in Tokio ersucht, ihre weiteren politischen Pläne in der Mandschurei und in Schanghai bekannt zu geben.

Der japanische Sonsnlarstab hat Nanking verlasse«.

Wie aus Nanking gemeldet wird, hat der dortige japa­nische Konsularstab Nanking verlassen nnd sich an Bord eines japanischen Kriegsschiffes begeben.

Chinesenjchlacht in Chardin

TU. Berlin, 29. Jan. Wie derLokalanzeiger* meldet, ist es am Donnerstag in Charbin im alten Teil der Stadt zu heftigen Kämpfen Mischen der chinesischen Besatzung und chinesischen Truppen ans KIrin gekommen, die der dortigen unabhängigen Provinzialregierung unterstehen. Ucver 180 Soldaten sind geballen. Von der Zivilbevölkerung sind über 80 Russen und Chinesen getötet oder verwundet worden. Nach Meldungen aus Tokio beabsichtigen die Russen die Ent­sendung eines Panzerzuges nach Charbin zum Schutze der russischen Interessen an der ostchinesischen Bahn.

Von Tschangtschun sin- japanische Truppen nach Charbin in Marsch gesetzt worden, um die dort lebenden 7090 Japa­ner zu schützen. Alle Verbindungen Charbins mit der Außen­welt sind abgeschnitten.

Neue Sowjetrepublik in China?

Die Telegraphen-Agentur der Sowjetunion meldet, datz an der Grenze der Provinzen Wupel und Hunan eine neue chinesische Sowjetrepublik anSgerusen wurde. Die neue Re­publik hat sofort alle sowjetrussischen Gesetze, u. a. die über Nationalisierung des Privateigentums, eingeführt.

Amerikanischer Druck auf die Abriislungskonjerenz

Ohne Abrüstung keine Erörterung der Schuldenfrage.

TU. Genf» 29. Jan. In maßgebenden Kreisen der engli­schen Abordnung erwartet man, daß in der zweiten Woche der Abrüstungskonferenz eine Zusammenkunft -wischen Mac­donald, Laval und Brüning stattfinden wird, in der die wei­tere Behandlung der Tribuifrage erörtert werden soll. Eng- lischerseits nimmt man an, datz die amerikanische Regierung auf der Abrüstungskonferenz zunächst eine abwartenbe Hal­tung einnehmen, jedoch betonen wird, datz für sie eine Er­örterung -er internationalen Schuldenfrage ohne positive Lösung der Abrüftungssrage unmöglich erscheine. Damit wird die Abrüstungskonferenz in die Zwangslage verseht sein, in den Abrllstungssragen zu praktischen Ergebnissen zu gelangen. Im Hinblick auf die außerordentlichen Gegen­sätze, die nicht nnr zwischen der deutschen und französische« Auffassung, sondern auch auf dem Gebiet der Seeabrllstung »nd der Stellung Sorvjetrnßlands bestehen, herrscht bereit» vor Beginn der Abrüstungskonferenz in den unterrichtete« Kreisen eine anberordentlich pessimistische Stimmung.