Der Ratstagung entgegen /

Paul Boncour Vorsitzender

TU. Genf, 21 . Jan. Von französischer Seite wird mit- -eteilt, daß Senator Paul Bonconr, der Vertreter der französischen Regierung den Vorsitz auf der am 2S. Januar beginnenden Tagung des Völkerbundsrates übernehmen wird.

Die deutsche Abordnung für die am kommenden Montag beginnende Tagung des Völkerbundsrats steht unter Füh­rung von Geheimrat von Weizsäcker. Der Abordnung gehören ferner an: Der Völkerbundsreserent des Aus­wärtigen Amtes, Gcheimrat von Kamphövencr, für Wirt­schaftsfragen Ministerialdirektor Posse und Gesandtschafts­rat Ullrich, für Ostfragen Ministerialdirektor Meyer und Geheimrat Noebel, für die Mandschureifrage Gehcimrat von Schön, für Minderheitenfragen Legationsrat Rüdiger und für Saarfragen Voigt.

Ein Vorschlag zur Sanierung ^ " des deutschen Kreditwesens

Umstellung der Noter.dcckung

Prof. Wage mann vom Statistischen Neichsmnt ver­öffentlicht einen WLHrungsvorschlag, der eine grundsätzliche Umstellung unserer Währungsgrundlage vorsieht. Der Vor­schlag knüpft an das angelsächsische Währungssystem an, bei dem ein Teil des Notenumlaufs durch eineewige Staats­schuld" gedeckt ist.

In ähnlicher Weise sollen etwa 3 Milliarden des deutschen Notenumlaufs durch eine ewige Schuld des Reichs gedeckt oevden. Das Reich soll auf Grund dieser Schuld tu gleicher höhe öffentliche Schulden decken. Außerdem sollen weitere zwei Milliarden des Geldumlaufs von der Golddeckung frei werden und durch Dcpositenreservcn der Banken und besten Warenwechsel oder Lurch mündclsichere festverzinsliche Wert­papiere gedeckt werden. Der S Milliarden übersteigende Geld­umlauf soll durch Gold gedeckt bleiben.

Der Vorschlag geht davon aus, daß der Umlauf an Zah­lungsmitteln für den inländischen Konsum ziemlich gleich bleibt (ewig") und daher unabhängig vom Gold sein kann. Dagegen ist -er Umlauf an Zahlungsmitteln für den Geld­ausgleich mit dem Ausland und für die Produktion (große Noten und Giralgeld) starken Acuderungcn unterworfen. Dieser Geldumlauf soll daher Lurch Gold abgedrckt werden. Von der Golddeckung frei würde also der kleine Vargelü- umlauf (Konsumverkehr). In der Golddeckung bleiben würde der große Bargelöverkehr und neu in die Golddeckung käme das Giralgeld, das außerdem mit 10 Prozent Lurch Giroein­lagen und im übrigen mit Handelswechseln zu decken wäre.

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Amtlich wird dazu bemerkt, daß der Vorschlag rein priva­ter Art sei und daß weder die Regierung noch die Reichsbank etwas damit zu tun haben. Er dürfte auch keine Aussicht auf Verwirklichung haben, da die mit dem Vorschlag beabsich­tigte Kreditausweitung nicht an dem Deckungssystem, son­dern an den währirngspolitischen Voraussetzungen scheitert.

Reichstaqspräsidenl Lobe zur Lage

TU. Breslau, 21. Jan. In einer Kundgebung der SPD. sprach Neichstagspräsident Löbe über die politische und wirtschaftliche Lage. Zur wirtschaftlichen Lage erklärte Löbe, daß wir jetzt zwar statt 7 Millionenbloß" 6L Millionen Arbeitslose hätten. Bedacht werde dabei aber nicht, daß der niedrigste Punkt der Konjunktur stets erst im Fe­bruar erreicht werde. Während früher die internationale Verschuldung gegenseitig gewesen sei, stelle sie sich heute ein­seitig dar. Hieraus ergebe sich die Forderung nach Auf­hebung der Reparationen. Es sei das stete Streben der Sozialdemokratie gewesen, die Weltmeinung für den Ge­danken einer Streichung der Tribute reif zu machen. Jetzt fordere auch die SPD.: Schluß mit den Reparatio­nen, selbst wenn die Kriegsschulden st rei­cht! ng nicht auf dem Fuße folge. Brüning habe die Genesung Deutschlands durch eine übertriebene Sparpolitik herbeizuführen gesucht. Bereits in einem Vierteljahr würden sich die Folgen dieser Tendenz durch neue Lücken im Haus­halt bemerkbar machen, wenn man nicht in vier Wochen auf diesem Wege abstoppe.

Es sei in Deutschland eine Unmenge Arbeit vorhanden, die mit eigenen Rohstoffen und Arbeitskräften geleistet wer­den könne. Der Redner streifte weiter Pläne, dem Charakter einer. Arbeitsdienst Pflicht ähnelnd, und erklärt«, daß die Auseinandersetzungen hierüber bald im Mittelpunkt des deutschen Interesses stehen würden. Da die bisherigen Bemühungen zu keinem Ziele geführt hätten, werde man sich neu entscheiden müssen. Diese Maßnahmen seien so gut und einsichtig zu treffen. Laß eine Unrstellung ohne große Opfer oder großes Blutvergießen von statten gehe. Die Arbeiter­schaft habe endlich in eine gemeinsame Front gegen dieKatastrophenpolitiker zu treten. Sei di« Wahl Hindenburgs, so erklärte Lobe, die einzige Möglichkeit zur Verhinderung einer Kandidatur etwa der des Generals von Epp, so ziehe die SPD. Hindeuburg vor.

Kürzunq der Beamlengehäller im Saargebiet

TU. Saarbrücken, 21. Jan. Die Negierungsko-mmifsion des Saargebiets hat beschlossen, die Bezüge der Staats­beamten ab 1. Februar zu kürzen. Die Kürzungen sind ge­staffelt und bewege» sich je nach der Höhe des Einkommens zwischen 5,75 bis 7,5 v. H. Auch eine Kürzung der Pensionen ist geplant. Der neue Gehaltsabbau wird besonders hart empfunden werden, da im Daargcbiet die von Frankreich abhängenden Preise in letzter Zeit außerordentlich gestiegen sind und eine weitere Tendenz nach oben zeigen.

VeftM Sie Sar Calwer Tagblail!

Die arbeitslose Well ,-

--- Genf, 21. Jan. Das Internationale Arbeitsamt ver­öffentlicht soeben eine Uebersicht über die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den Jahren 1930/31 und gelangt zu fol­genden Feststellungen:

Deutschland von 3,g Millionen auf 6,3 Millionen 34 v. H.

England von 2,3 Millionen auf 2,6 Millionen 12 v.H.

Italien von 550 000 auf 809 000 63 V.H.

Oesterreich von 237 000 auf 273 000 15 v.H.

Schweiz von 34 000 auf 58 000 66 v.H.

Die Ver. Staaten zeigen eine Steigerung von 30 v. H., Polen von 24 v. H. und Frankreich von 5,66 v. H.

Politische Kurzmeldungen

Wie aus Kreisen, die der Regierung nahestehen, ver­lautet, wächst Hindenburgs Widerstand gegen seine Wieöer- aufstellung, falls nicht sämtliche Parteien, außer den Kom­munisten, darauf verzichten, einen Gegenanwärter aufzu­stellen. Im Reichsinnenmintsterium und Reichsjustiz- ministerium hört man von Besprechungen, die eine Not­verordnung vorbcreiten, durch welche die polizeilichen und gerichtlichen Verfahren erheblich vereinfacht werden sollen. Wie der Neichskommifsar für die Osthilfe mttteilt, sind bis zum 31. Dezember 1931 bei den Lanüesstellen rund 58 000 Anträge eingegangen, ein Sicherungsverfahren im Nahmen der Osthilfc einzuleitcn. Eine Berliner Korrespondenz hatte behauptet, daß im Neichsinnenministerium erwogen werde, die Polizei von den Ländern auf das Reich zu über­nehmen. Wie das Neichsinnenministerium mitteilt, ist diese Meldung frei erfunden. Der französische Abgeordnete Leon Blum hat in der Kammer die Einsetzung eines inter­nationalen Ausschusses angeregt, der feststellen soll, wie hoch die Schäden im französischen ehemals besetzten Gebiet bzw. die dafür von Deutschland bereits geleisteten Zahlungen sind. Die Londoner Presse bringt allgemein zum Aus­druck, daß sich die neue deutsche Zollnotverordnung besonders gegen England richte. Die englischen Kohlengrubenbesitzer setzen sich für Wiedervergeltungsmaßnahmcn gegen Deutsch­land ein. Aus London kommen Nachrichten, die darauf schließen lassen, daß England bald eine rein konservative Negierung haben wird. In den Kreisen der Londoner Vank- wclt erzählt man sich mit großer Bestimmtheit, daß Mac­donald zurücktreten wolle. Im Haushaltsausschuß des polnischen Sejm wies der Handclsminister auf den Auf­stieg Gdingens als Hafenstadt hin und bezeichnete die Klagen Danzigs über Zurücksetzung als perfide. Bis jetzt habe Polen für den Gdinger Hafen 139 Millionen Zloty aus- gegeben. Für die nächsten 31L Jahre seien weitere 52 Mil­lionen Zloty vorgesehen. Die Verhandlungen für einen finnisch-russischen Nichtangriffspakt sind nach einer Meldung aus Helsingfors abgeschlossen worden. Der Vertrag wurde unterzeichnet. Nach britischen Meldungen hat die chine­sische Negierung Haftbefehl gegen den ehemaligen Kaiser Puji, den Gouverneur von Charbin und andere japan­freundliche Persönlichkeiten erlassen.

Unruhen in Schanghai

TU. Schanghai, 21. Jan. In Schanghai brachen am Mittwoch früh große Unruhen aus. Tausende von Ja­panern strömten durch die Straßen und griffen die chine­sische Bevölkerung an, um sich wegen eines am Samstag erfolgten chinesischen Angriffs auf 5 japanische Mönche zu rächen. Die Japaner bewarfen die Chinesen mit Steinen, zertrümmerten Hunderte von Schaufenstern und setzten drei chinesische Fabriken in Brand. An verschiedenen Stellen kam es zu Feuergefechten zwischen der chine­sischen Polizei und Demonstranten. Dabei wurden zwei chinesische Polizeioffiziere und ein Japaner getütet. Später ging die Menge gegen dieinternatio- nale Niederlassung vor. Auf beiden Seiten wurde scharf geschossen und eine ganze Anzahl von Personen wurde schwer verwundet, darunter ein englischer Polizeioffizier.

Die Behörden der internationale» Niederlassung mobili­sierten sofort sämtliche Polizeikräfte. Die im Hafen liegenden japanischen Kriegsschiffe wurden in Gefechtsbereitschaft ge­setzt und japanische Matrosen patroullieren durch die Stadt. Der Oberbefehlshaber des japanischen Geschwaders hat nach Tokio um Verstärkung telegraphiert.

Das Eisenbahnunglück bei Paris

In St. Just au der Strecke ParisAmiens, etwa 80 Kilometer von der Hauptstadt entfernt, sprangen drei Wagen eines Personcnzuges kurz vor der Einfahrt in den Bah-nHvf aus den Schienen. Ein vollbesetzter Wagen dritter Klaffe

stürzte um und wurde von den nachfolgenden Wagen buch­stäblich zermalmt. Ei« anderer Wagen raste in ein uahe- gelcgenes Wärterhäuschen und verletzte drei Bahnangestellte. Insgesamt forderte Las Unglück IS Tote und N» meist Schwer­verletzte.

Aus den Parteien - -

Der Landesparteitag des Württ. Bauern- uuS W eingärtncrbu nöes fand kürzlich in Anwesenheit der Minister Bazille und Dehlingerin Stuttgart statt. Den Bericht über die Bun- öesarbeit erstattete Lanötagsabgeoröneter Schriftleiter Dr. Häcker-Stuttgart. Nach dem Bericht hat sich der Mit­gliederstand des Bauernbundes behauptet. Im Kampf gegen den Noungplan stand d«r Bauernbund in Württeinberg an vorderster Stelle. Bei der Neuwahl der Landwirtschastskam- mer am nächsten «onntag soll der Streit der politischen Par­teien aus dem Spiel gelassen werden. In den Wahlkampf zu den wurttembergischcn Landtagswahlen geht der Bund wie seit 37 Jahren selbständig und mit frohem Mut. Die Mtt- beteiligung und Mitverantwortung in der württ. Regierung bat der Bauernbund stets dahin ausgeübt, eine sparsame Verwaltung, eine geordnete Staatswirtschaft und die ge­botene Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Landwirtschaft durchzusetzen Es folgten zwei Begrüßungsansprachen. Major a. D. Colshorn überbrachte die Grüße des Stahlhelms und der Vertreter des badischen Landbundes, Schmid. be­zeichnete das Musterland Württemberg als das Land der Sehnsucht der badischen Bauern. In zwei Referaten sprachen dann Laudtagsabgeordneter Frühwalö, Vorsitzender der mittelfränkischen Krcisbauernkammer, über ,^8auernnot Volksnot" und Junglandbunöführer S e u m e - Thüringen überDie Aufgaben der Landjugend in der Notzeit unserer Landwirtschaft". Nachdem noch die Land- und NeichstagS- abgcordneten Berichte über die Land- und Neichstagsarbcit erstattet hatten, wurde einstimmig eine Entschließung angenommen, in der zur Außenpolitik Umkehr von der leichr- sinnigen und verkehrten Erfüllungspolitik, Streichung der Tributlasteu, gleiches Recht in der Abrüstungsfrage, zur Jn- nenpoplitik Schutz der bäuerlichen Verodelungswirtschast, besonders Ser Vieh- und Milchwirtschaft, gerechte Preise, Schutz Ser Waldwirtschaft, Erhaltung der Selbständigkeit der Länder gefordert werden. Die Anfänger und Stümper im Regieren haben, so heißt cs in der Entschließung zum Schluß, nach dem verlorenen Krieg gewirtschaftet wie nach einem ge­wonnen«« Krieg, die Erfüll»ngspolitiker haben die Wirt­schaftskraft, die Exportfanatikcr Len Binnenmarkt zer­schlagen, die auf eine» kranken Parlamentarismus sich stützende Regierung scheint nicht mehr die Kraft zu finden zu durchgreifenden wirksamen Maßnahmen. Ter Bauern­bund fordert, daß bald eine auf die bodenständigen und natio­nalen Kräfte des Volkes sich stützende Reichsrcgierung den Weg zu einer besseren Zukunft freimachen wird.

Aus Württemberg

Hagelschäden in Württemberg

Das Jahr 1931 hat an Hagelschäden alle früheren Jahre weit übertroffen. Auf Württemberg entfielen 23 704 Schäden mit 40 500 Hektar verhagelter Flüche und beinahe 6 Mil­lionen Mark Entschädigung. Die Hagelschäden zeichneten sich wieder wie im Vorjahr durch starke Verzettelung über ganz Württemberg aus,- es wurden alle 62 Oberämter mit 1284 Markungen vom Hagel betroffen. In der Zeit vom S. Mai bis 23. September 1931 gingen in Württemberg 67 Gewitter mit Hagelschlag nieder, so daß also jeder zweite Tag Schade« brachte. Besonders bemerkenswert ist, daß eine Reihe vo« Hagelschäden in den Nachtstunden eintraten, was man bis­her in diesem Ausmaß nicht für möglich gehalten hätte. Am schwersten und zahlreichsten waren die Ernteschäden vom 5. und 6. August (über 6000 Schäden).

Aus aller Welt

Der Flnch der böse« Tat

Durch ungewöhnlich raffinierte Fälschungen in den Lohn­büchern bei der Möbelfabrik in Wendlingen gelang es dem 31 Jahre alten verheirateten Kaufmann Hermann Kienle von Nürtingen, in den Jahren 1929 bis 1931 seine Firma um annähernd 50 000 Mark zu schädigen. Als er sich durch eine Kontrolle der Lohnbücher vor der Entdeckung sah, wollte er die Lohnbücher mit Sprit übergießeu und verbrennen. Bei diesem nächtlichen Beginnen wurde Kienle von der Kriminalpolizei gefaßt. Er hatte sich nun vor dem Schöffen­gericht Stuttgart zu verantworten und erhielt fünf Jahre Zuchthaus, 600 Mark Geldstrafe und fünf Jahre Ehrverlust. Das veruntreute Geld hat Kienle zu Autofahrten, Sekt und Liebesabenteuern gebraucht.

Seine Familie und sich selbst niedergestochen

In Memmingen stach ein Hilfsarbeiter aus bisher noch unbekannten Gründen seine 16 Jahre alte Tochter nieder, die nach einigen Minuten starb. Dann wandte sich der Rabiate gegen seine Frau und seinen 14jährigen Sohn, die er schwer verletzte. Schließlich brachte sich der Täter selbst einen Schnitt am Halse bei.

Belohnung für die Rettungsmannschaft aus Karsten- Zentrum

Der Landeshauptmann von Oberschlesicn hat den Ret­tungsmannschaften, die sich auf Karsten-Zentrum jür die Rettung ihrer verschütteten Kameraden eingesetzt habe», einen Betrag von 3300 zur Verfügung gestellt, der mit einem Schreiben des Landeshauptmanns an die beteilig!:« Bergleute zur Verteilung gelangen soll. Die restlichen Ver­schütteten sind jetzt tot geborgen worden.

S Bergleute in Ostoberschlesien verschüttet

Auf derMaxgrube" in Michalkowitz (Ostoberschlesten) ereignete sich ein Streckenzusammenbruch, wobei 3 Bergleute verschüttet wurden. Nach mehrstündigen Rettungsarbeiten konnten 2 Bergleute mit schweren Verletzungen lebend ge­borgen werden. Der dritte Bergmann war bereits tot.

Erdbeben in Per«.

Nach einer Meldung aus Lima haben sich innerhalb 24 Stunden zwei wellenförmige Erdbeben ereignet. Es brach eine Panik aus. Die elektrische Beleuchtung versagt« und Gebäudeteile stürzten auf die Straßen. Mehrere Autvmo- bile sollen auf den nicht beleuchteten Straßen in die flüch­tende Menge Hineingefahre» sein.