Aus Stadt und Land

Calw, den 13. Januar 1932.

Dienstnachricht

DaS Forstamt Stamm heim ist Oberförster Schiebt ln Baiersbron« übertragen worden.

Ei« umfangreicher Dienst an Arbeitslose» konnte im vergangenen Jahre vom Jugenderho­lung s h e i m M o n b a ch t a l bei Bad Liebenzell, das vom Christlichen Verein sür Jugendwohlsahrt e. B. Stuttgart un­terhalten wird, getan werden, und zwar in mancherlei Ge­staltung entsprechend den verschiedenen Anlagen und Be­dürfnissen, Geschlechtern, Altersklassen und auch der Jahres- zeit. Den größten Raum nehme« kaufmännische Berufs- schulungslehrgänge von te 6 Wochen ein, die t» Verbindung mit dem Lanbesarbeitsamt Südwestbeutschland -urchgeführt werden und die ein« sehr gründliche Berufsschulung zur Ausfüllung von Lücke» und Gewinnung neuer Kenntnisse in Verbindung mit einer Reihe von allgemeine» Btldnngs- sächern ILebenSkunde, Volksgeschicht«, Literatur, Psychologie usw.j bringen. Es konnte» drei solcher Lehrgänge durch­geführt werde«. Für Handwerker fand eine Freizeit statt, in welcher sie »eben jugrudpslegerischer Betreuung die Mög­lichkeit zu han-praktischer, möglichst de« Beruf entsprechen­der Tätigkett in Werkstätten der Liebenzeller Handwerks­meister fanden. Andere arbeiteten im Gelände des Jugend­heims. Der Sommer brachte eine ander« Freizeit, bei der Lebenskunde, Wandern und Sport im Vordergrund standen und eine für Mädchen mit dem praktischen Hauptinhalt Gymnastik. Ein Treffen früherer Freizeit- und Kursteil­nehmer im Herbst sollte auf den kommenden Winter rüsten. Im Herbst und um die Neujahrszeit fanden zwei Stngwochen mit Arbeitslosen statt, bet denen sich erwies, baß diese in be­sonderer Weise geeignet sind, Arbeitslose wieder seelisch frisch und stark zu machen. Das Hochwasser vom 7. Mat gab Anlaß zur schnellen Einrichtung eines freiwilligen Arbeits­dienstes mit Arbeitslosen aus dem gerade zu Ende gehenden kaufmännischen Lehrgang und aus der Umgebung. Durch diesen wurden die allerbringendsten Wieberherstellungsar- beiten im Laufe des Monats Juni getan, namentlich in Wiederherstellung der Wege und Brücken. Im ganzen wur­de» für 309 Teilnehmer 6500 Verpflegungstage geleistet, un­gerechnet die zahlreichen arbeitslosen Teilnehmer an den üb­rigen Jugendveranstaltungen, und die Mittel dafür in dan­kenswerter Weise von öffentlichen Stellen und Einzelstiftern zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmer kamen aus Würt­temberg, Baden und Hohenzollern. Alle diese Veranstaltun­gen zielten darauf ab, dem Arbeitslosen wieder einen Tages- tnhalt zu geben, aus dem ihm ein neuer Lebensinhalt er­wachsen kann, ihm wieder zur Freude an der Arbeit zu hel­fen, die zu neuer Freude am Berns und am Leben führt, vor allem aber darauf, ihm den Blick sür die Kampfaufgabe« unserer Zeit zu geben und ihm dazu Mut und Hoffnung zu vermitteln, damit er auch das seinige tut zur Ueberwindung der Gegenwartsnöte. Daß dem Jugendheim dabei die christ­liche Weltanschauung Grundlage sein muß, versteht sich von selbst. Bei allem Unglück dieser Zeit ist diese doch nicht sinn­los. Sie kann am ehesten die Menschen stellen, die fähig sind, die Zukunft unseres Volkes zu tragen. Wer seine un­gewünschte Freizeit zur Selbstschulung und Selbsterziehuna verwendet, kann schwerlich untergehen, wohl a-er viel ge­winnen. Ein neuer Lehrgang für Kaufleute beginnt An­fang nächsten Monats und für das Frühjahr ist ein freiwil­liger Arbeitsdienst zur Behebung der Hochwasserschäden in Vorbereitung.

Landwirtschaftliche Versammlung in Sommenhardt

In Sommenhardt fand letzten Sonntag im Gasthof zum Löwen eine landwirtschaftliche Versammlung statt, wobei Landwirtschastslehrer Pf et sch, Vorstand der Landwirt­schaftsschule in Calw, in einem längeren Vortrag die Frage erörterte:Kann bet der heutigen Lage der Landwirtschaft auf eine intensive Betriebsweise verzichtet werden?" Er kam zu dem Schluß, baß nur bei intensiver Bodenbearbeitung, zweckmäßiger Düngung, richtiger Svrtenwahl und rechtzei­tigem Saatgutwechsel noch eine kleine Rente aus einem landwirtschaftlichen Betrieb herauszuwirtschaften ist. Anschlie­ßend folgte ein lehrreicher Filmvortrag von Diplomlanb- wirt Ils von der Kalksttckstoffberatungsstelle. In Wort und Bild führte der Vortragende Anwendung und Erfolge deS Kalksttckstoffes vor Augen. Die beide» Vorträge wurden mit sichtlichem Interesse und größter Aufmerksamkeit von der aus Sommenhardt und der Nachbargemeinbe Zavelstein gut besuchten Versammlung ausgenommen. Zu hoffen und wün­schen bleibt, baß das Gehörte und Gesehene, praktisch ange­wandt, reiche Früchte tragen möge.

Schulfeiern z«m Andenken a» Goethe und Haydn.

Am 22 . März 1982 sind IM Jahre vergangen, seit Johann Wolfgang Goethe gestorben ist und am 31. März 1932 jährt sich zum 290. Male der Geburtstag Josef Haydns. Nach einem Erlaß des Kultministeriums werden Sie Vorstände aller Schulen ersucht, dafür zu sorgen, daß im Unterricht aller Klassen der Bedeutung und Stellung dieser Männer im deutschen Geistesleben und in der deutschen Musik in geeig­neter Weise gedacht wird. Es ist den Schulen freigestellt, besondere Feiern, etwa in Verbindung mit Schulschlußfeiern, d» veranstalten.

Experimentalvortrag

Am Donnerstag abend hält Herr Christensen r Stuttgart im Saale der Brauerei Weiß einen Vortrag ü indische Astrologie, Graphologie, Pendel und Heilmaguei mus. Herr Christensen war lange Zeit in fernen Erdteil davon 15 Jahre allein in Indien, als Forscher tätig und mit den Sitten und Gebräuchen dieses Landes vertraut, wirb manches aus seinen Erfahrungen erzählen und a mit praktischer Vorführung von Experimenten aufwarten.

Wetter für Donnerstag und Freitag ,

Bei Fortdauer der westlichen Warmluftzufuhr ist Donnerstag und Freitag vorwiegend trockenes und zeitiv, »ucheiterndes Wetter zu erwarten.

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SCB. Pforzheim, 12. Jan. Gestern nachmittag brach im alten Schlachthof in de» »ühlzellen ein Brand aus. Die Feuer­wehr mußte bei dem starken Rauch Gasmasken anlegen. Trotzdem diese Schutzvorrichtungen nach den Erfahrungen beim Stuttgarter Schloßbrand erneuert und wesentlich ver­bessert worden find, mußten doch die Feuerwehrleute sich stets nach kurzem Aufenthalt an dem Brandplatz zurück­ziehen und durch Sauerstoff gestärkt werden. Trotzdem muß­ten insgesamt 13 Feuerwehrleute wegen Rauchvergiftung ins Städt. Krankenhaus verbracht werden. Der Feuerwehr gelang es, den Brand niederzukämpfen. Die Branbursache ist noch nicht festgestellt. Der Schaden ist erheblich. Für etwa 30 909 sind Fleischwaren verbrannt oder durch den Brandgeruch verdorben. Der Schlachtbetrieb wurde während des Brandes nicht unterbrochen. Biele Metzger brachten aber vorsorglich ihre im Schlachthof lagernden Vorräte in Sicher­heit.

SCB. Pforzheim, 13. Jan. Gestern nacht vernahm man hier zwei Detonationen, die wie Donnerschläge anmuteten. Im Hause Lameystraße S7a gab eS im S. Stock eine furcht- bare Explosion, deren Ursache in Benzindämpfen zu suchen sein dürfte. Die Wohnung wird von einer Frau Dr. Schil­ler mit ihrer Tochter und einer Handarbeitslehrerin be­wohnt. In der Wohnung ist zuvor noch Wäsche getrocknet und gebügelt worden. Die Wirkung der Explosion war eine ganz furchtbare. Die Küche, wo anscheinend der eigentliche Herd der Explosion zu suchen ist, bot einen trostlosen An­blick. Die eine Wand wurde vollständig, die beiden anderen Wände weniger stark ausgedrückt. Sämtliche Türe« und Fenster sind eingedrückt. Der Kreuzstock des Wohnzimmers wurde samt de« Blumentöpfen über den Vorgarten auf die Straße geschleudert. Das Treppenhaus ist mit Glasscherben übersät. Der 3. Stock wurde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Auch bas Dach wurde sehr stark beschädigt. Per­sonenschaden konnte glücklicherweise nicht festgestellt werden, dagegen ist der Sachschaden auf etwa 8999 Rm. zu beziffern.

SCB. Stuttgart, 12. Jan. Der kommunistische Reichs- tagsabgeorbnete Schlaffer von Stuttgart wurde am 9. No­vember vom Schnellgericht zu drei Monaten Gefängnis ver­urteilt, weil er am 7. November bet der kommunistischen Revoluttonsfeier bas Redeverbot des Polizeipräsidiums übertreten hatte. Die Berufungsverhandlung vor dem Land­gericht endigte mit der Verwerfung der Berufung. Es bleibt somit bei der Gefängnisstrafe von 3 Monaten.

SCB. Tübingen, 13. Jan. Der Gemeinderat beschloß die Senkung des Lichtstrompreiscs um 19 Prozent. Der Strom­preis beträgt künftig 45 Pfg. gegenüber 48 Pfg. Einer Kostenersparnis von jährlich 44 099 Rm. steht infolge der Tarifsenkung eine Einnahmeminderung von 48 909 Rm. gegenüber. Der Gaspreis ist von 29 auf 19 Pfg. ermäßigt worden, während der Wasserzins derselbe bleibt.

SCB. Reutlingen, 12. Jan. Ein ganz unglaubliches Stück hat sich einige Tag« vor Weihnachten hier zugetragen. Zwei hiesige junge Männer stellten sich in der Wohnung einer alleinstehenden Frau alsBeamte der Kriminalpolizei" vor, angeblich um irgend einenFall", Le» sie -usammenkonstru- tert hatten, zu untersuchen. In einem raffiniert ausgedach­ten Manöver gelang eS ihnen, die Frau derart in ihre Hände zu bekommen, baß sie in ihrer Angst den beiden Beamte« insgesamt die Summe von 8890 Rm. aushändigte. Als sich nach einigen Tagen der verhängnisvolle Irrtum heraus­stellte, war es schon zu spät. Wohl ist eS den eifrigen Be­mühungen der Kriminalpolizei gelungen, die beiden Täter festzunehmen, -och fand mau bet ihnen von dem Gelde kei­nen Pfennig mehr.

SCB. Ulm, 12. Jan. Die Milchhändlerschaft hat beschlos­sen, den Mtlchpreis erneut zu senken. Nichtpasteuristerte Milch kostet künftig 29 Pfg. frei ins Haus. Die Milchver­sorgung Ulm ermäßigt ab morgen die vorbehandelte Milch auf 21 Pfg. das Liter.

SCB. Lansfe» a. N 12. Jan. Das hiesige Elektrizitäts­werk hat mit Wirkung vom 1. Januar ab den Preis für die Kilowattstunde von 4V Pfg. auf 88 Pfg. herabgesetzt. Wegen Ermäßigung des Gaspretfes, der bisher 22 Pfg. pro Kubik­meter betrug, sind Verhandlungen eingelettet.

SCB. Heilbron», 13. Jan. Die technische Abteilung des Gemeinderats hat gemäß der 4. Notverordnung beschlossen, den Gasprets um 1 Pfg. pro Kubikmeter (wie in Stuttgart > zu senken. Der Kubikmeter HauShaltSgas, der bisher 18 Pfg. kostete, wird ab Januaraufnahme 17 Pfg. kosten. Der Koksprets wurde um 16 Pfg. pro Zentner bzw. 19 Pfg. ge­senkt. _

Geld-, Volks- und Landwirtschaft

Die Notlage der Landwirtschaft.

Eine fränkische Bauernkammer faßte eine Entschließung zur Notlage der Landwirtschaft, in der der folgende Vergleich ausgestellt wurde- Der Landwirt brauche einen geeichten Ei­mer Milch, um einen Liter Bier zu erwerben,' eine ganze Ochsenhaut sei erforderlich, um ein Paar gute Werktags- Arbettsschuhe zu kaufen, und zwei Kälber müßten verkauft werden, um einen Sonntagsanzug beschaffen zu können.

L. C. Berliner Produktenbörse vom 12. Januar.

Weizen, märkischer 224226,- Roggen, märkischer 198-299) Braugerste 156165,- Futter- und Jndustriegerste 149 - 154 ) Hafer, märkischer 135143,- Weizenmehl 27^631,26) Rog- genmehl 2729,25,- Weizenklete 9,5919) Roggenkleie 9,50 bis 9,75) Biktoriaerbsen, 2127F0; kleine Speiseerbsen 21H9 bis 24) Futtererbsen 1517) Peluschken 1618) Ackerbohnen 1416) Wicken 16-19) Lupinen, blaue 1912) dto. gelbe 14 bis 15,59) Seradella, neue 2227) Leinkuchen 11,9912) Erb­nußkuchen 12,10) Erbnußkuchenmehl 12) Trockenschnitzel 6,59; Kartoffclflocken 12,19-12,39) Rauhsutter: drahtgepreßtes Roggenstroh 9,891) dto. Weizenstroh 0,699,79) dto. Hafer- strvh 9,799,85) dto. Gerstenstroh 9,659,75) geb. Roggen­langstroh 0,851) bindfadengepr. Roggenstroh 0,659,75) dto. Weizenstroh 9^5-9,65) Häcksel 1,25IM,- handelsübliches Heu 1,291,49) gutes Heu (erster Schnitt) 1,791,99) Luzerne, lose 2.402,79) Thymotee, lose 2,352,65) Klcehen, lose 2,25 bis 2,55; drahtgepr. Heu in Psg. über Notiz 39. Allgemeine Tendenz: Fester.

Stuttgarter Schlachtviehmarkt Dem Dienstagmarkt am Städt. Vieh- und Schlachthof wurden zugesührt: 34 Ochsen, 35 Bullen, 268 Jungbullen, 279 Kühe, 495 Rinder junverkanst 49), 1369 Kälber, 1795

Schweine.

Preise sür 1 Pfund Lebendgewicht:

Ochse«:

auigemästet oollfleischig leischig B«Se«: ausgemästet vollflrischig fleischig Smtgrinva«: auaaemästet vollfleischig fleischt,

gering genährte

rr»h«:

«»«gemästet

vollflelschig

12. 1.

7. 1.

Pfg.

Pfg.

30-32

_

25-23

21-24

86-26

23-24

2022

>

34-37

26-32

21-24

2226

17-21

Kühe:

fleischig

gering genährte

Kälber:

feinste Mast- und beste Saugkälber mittl. Mast- und gute Saugkälber geringe Kälber Schweine: Über 399 Psd.

249300Pfd. 290-249 P d. 160209 P d. 129-169 Pd.

unter 129 Sauen

ifd.

Marktverkauf: mäßig belebt.

12 . 1 . Psg-

1215

10-11

4144

3S38 28-31

4446

4446

41-43

38 40

39- 36

7. 1.

Pfg-

42-43

4042

383»

Eingesandt

M, »n «Mr un,r RudrU Lbrriümmt

»n ««NftMti-,, »«in v«r«Ul»»rrui>,.

Milcherzenger und Milchhändler.

Eine Antwort zu dem Eingesandt in Nr. 3 des C. T.

Mehreren Mtlchhänblern sirid anscheinend -te beiden Ar­tikel imCalwer Tagblatt" recht peinlich gewesen, denn sie berichtigen und stellen fest, daß die Gewinnspanne vor dem Kriege nicht 23 Pfg sondern 34 Psg. betragen haben soll. Ja, eS soll der Gewinn tetlweise 5 Pfg. eingebracht ha- ben. Sie geben also selber zu, daß der Verdienst am Liter Milch heute das Doppelte beträgt. Wir fragen die Milch- Händler, wo ist derjenige Bauer, Handwerker, Arbeiter und Gewerbetreibende, der heute noch mit 189209 Prozent Ge­winnspanne arbeitet? Sie finden keinen. Der Bauer er­hält heute für sein Vieh 3049 Prozent unter dem Vor» kriegsprets. Bet dem Schweinepreis ist es genau so. Beim Handwerker und Gewerbetreibenden sind die Betriebe zum Teil lahmgelegt. Es fehlt am Einkommen. Ein großer Teil der Arbeiter hat vollends gar keine Arbeit! Und da bäumen sich mehrere Milchhändler dagegen auf, wenn man die Wahr­heit schreibt. Der Milchproduzent hat, seit die rückläufige Bewegung eingesetzt hat, am Milchpreisabschlag bereits 8 bis 8 Pfg. getragen, denn der Stallpreis betrug einmal 23 Pfg-, jedoch nur auf kurze Zeit. Hätte der Milchhanöel 1 Pfg. an dem Abschlag getragen, dann wäre dieser Gedankenaus­tausch sicher unterblieben. Fest steht, daß in den Oberämteru Nagold, Horb usw., wo der Milchpreis ebenfalls um 2 Pfg. zurückgegange« ist, der Abschlag gemeinsam (zwischen Pro­duzent und Handel) getragen wurde. Bemerkt sei noch, baß es viele Händler gibt, die mit einem Verdienst von 5 Pfg. pro Liter auskomme« und auch davon leben könne». Daß die steuerliche Belastung für den Milchhändler eine wesent­lich höhere ist als vor dem Krieg ist ja Tatsache. De» üb­rige» Berufsgrnppe» geht es aber genau so in dieser Hin­sicht. Schuld daran tst der Gesetzgeber. Es wird in dem Artikel noch erwähnt, wenn der Abschlag auf einer anderen Grundlage erfolgt wäre, -an» hätte man sich auf einer an­deren Linie einigen können. Die andere Linie war doch genau vorgezeichnetl Jedoch es hieß: Mein guter Wille ist nichts! ES wird sodann geklagt über Schäden des Händ­lers, sowie über eintretende Schwankungen in Ser Mengen- anlieferung, über Verdienstausfall, wenn er Milch nach Hause nehmen muß. Es muß doch gesagt werden, baß -er Milchhändler im allgemeinen nicht mehr Milch abnimmt von seine» Lieferanten als er eben täglich braucht. Hat er dann und wann Milch übrig, so kann er die Milch separieren, den Rahm verkaufen oder zu Butter verarbeiten. Es handelt sich da nur um kleine Mengen von 1929 Liter. Im Winter kann er die Milch bei niedriger Temperatur am anderen Tag noch an ben Mann bringen. Die Schäden sind also klein. Verschwinden würden sie durch Kauf einer gereinigten und tiefgekühlten Milch seitens einer neuzeitlich etngerich- teten Molkereigenossenschaft. Die Tatsachen sprechen dafür. Daß die beiden Einsender im Calwer Tagblatt (und auch Chr. Birkle, Hof Dike) die Milchproduzenten ermahnt haben zur Gründung von Molkereigenossenschaften, das sollte kein direkter Vorstoß gegen die Milchhändler sein, sondern ein Ansporn zum gemeinsamen Zusammenschluß. Daß der Er­zeuger dann in der Prcisbildungsfrage ein Wörtlein mit- zureüen hat, ist ein« absolute Notwendigkeit. Daß die ge­nossenschaftliche Aufwärlsvewegung auf milchwirtschastlichem Gebiet fortschreitet, ist eine bekannte Tatsache und sie tst auch lohnend. Das beweist der Jahresumsatz der nächstgrle- genen Molkereigenossenschaft Alt- und Neuhengstett bei Calw. Er betrug im letzten Jahr 5-909 009 Liter, davon wurden rnnb 490 900 Liter als Frischmilch abgesetzt, der Nest ver­arbeitet zu Rahm und Butter. Im Durchschnitt werS-n täglich in dieser Genossenschaft 121390 Liter Frischmilch verkauft. Wie war es nun vor der Gründung der Genossen­schaft? Es wurden täglich nur 2499 Liter als Frischmilch abgesetzt, der Rest der angefallenen Milch mußte selbst ver­arbeitet werden zu Butter, ein Teil wurde den Schweinen verabreicht. Der Betrieb war also nicht lohnend. Heute dagegen erfreut sich der Molkereibetrieb der Genossenschaft allgemeiner Beliebtheit der Mitglieder. Den alten Zustand im Milchabsatz sehnt kein Mensch mehr herbei. Der Schuß ging bei dieser Genossenschaft bis heute nicht nach hinten hinaus, sondern geradeaus nach vorne. Sie ist ein Segen für die Gemeinde. Was die kindische Bemerkung anüclrisft, man könnte vom Vorstand zum Obervorstand ausrücken, so muß hier gesagt werden, daß die Borstandsstelle znm großen Teil eine ehrenamtliche ist. Sie ist nicht in Gehaltsgruppe so und soviel eingereiht. Die Bezahlung ist eine ganz geringe im Verhältnis zum Zeitaufwand. Sie schwankt -wischen 5 bis 10 Mark pro Monat im Bezirk.

Eugen Fischer

Borstand der Molkereigenossenschaft Alt- und Neuhenastctt.