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Kmts- unä /lnzeigeblatt für äen OberamlsbSzirk Lalw

Nr. 279

Samslag. den 28. dtovember 1931

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Lahrgang 1^4

Der internationale Abrüstungskongreß in Paris

Frankreichs Standpunkt gleichgeblieben Wüste Lärm- und Prügelszenen

TU. Paris, 27. Nov. Die große öffentliche Abrüstungs- kundgebung in dem mit den Karben aller beteiligten Länder geschmückten Riesensaal desTrocadero" begann am Freitag «m 21.80 Uhr MEZ. unter dem Vorsitz Herriots. Wie ein um die Rundung der Kuppeln herumlaufendes Band in Rieseubuchstaben verkündete, nahmen an der Berstaltung 1013 Vertreter von 862 Verbänden aus 80 verschiedenen Ländern teil. Der mehr als »000 Personen fassende Raum war nahezu bis aus den letzten Platz besetzt. Schon die kurze Eröffnungsansprache Herriots wurde durch' Protcstrufe und Gegenknndgebungen minutenlang unterbrochen. Von der Knppelgaleric erklangen immer wiederNteder-Ruse", die von starkem Lärm gefolgt waren. Der größte Teil der Reden ging im Lärm unter und erst am Schluß konnte sich der Bei­fall der Anhänger durchsetzen. Im Anschluß daran versuchten die Vertreter der konsessioiiellen Verbände sich Gehör zu ver­schaffen, was jedoch nur zum Teil gelang. Ausgesperrte Ruhe­störer versuchten durch die Seitentüren in die Logen ein- zudrtngen und vergrößerten den Tumult durch dauerndes Klopfen an die Wände. Von der Botschaft des Pariser Erz­bischofs, Kardinal Verdiers, wurde nichts vernommen, da Sprechchöre jede Verständigung unmöglich machten. Kaum «tue halbe Stunde nach Eröffnung der Sitzung entwickelte sich bereits eine heftige Prügelet in einer Seitenloge, die vom Publikum mit leidenschaftlicher Parteinahme verfolgt wurde. Die Polizei entfernte einige Rädelsführer. Ein alter Herr wurde von jungen Burschen beohrfeigt und zu Boden geschlagen, woraus er an die Versammlung eine Ansprache hielt. Auch die Worte der Generalsekretärin der Kundgebung, Fräulein Weiß, blieben ungehört, da die Galerie sich in Zischen und Hahnengeschrei gefiel. Dazwischen wurden ab­wechselnd die Marseillaise und andere Lieder gesnnaen.

Als der deutsche Neichstagsabgeordnete Joos das Wort erhielt, erhebt sich ein durch Sprechchöre unterstütztes Pfetf- konzcrt, das jeden Laut verschlang. Der Tumult erreichte einen aller Erfahrung spottenden Höhepunkt. Die Prngel- szenen nahmen immer tollere Formen an. Kein Mensch mehr hörte aus den Redner, so daß der Reichstagsabgcord- nete JooS eine Unterbrechung etntretcn lassen mußte und erst fortsuhr, als einigermaßen Ruhe eingetreten war. Joos führte u. a. aus: Kein Volk könne ein aufrichtigeres Bedürf­nis nach einem positiven Ausgang der allgemeinen Ab­rüstungskonferenz des nächste» Jahres haben als das deut­sche, denn das deutsche Volk habe aufgrund der Bestimmun­gen des Versailler Vertrags die eigene Abrüstuirg bereits seit vielen Jahren durchgcführt. Es habe durch seine Ab­rüstung eine Vorleistung auf die allgemeine Abrüstung voll­zogen, aus die das deutsche Volk in all seinen Schichten seit Jahren warte. Mit tiefer Besorgnis sehe das deutsche Volk, daß inner- und außerhalb Europas immer gewaltigere Men­gen von Kriegsmaterial und von Rüstungen jeder Art auf­gehäuft würden, denke mit größter Sorge an die Möglichkeit künftiger Konflikte. Deshalb erhebe das deutsche Volk seine Stimme in dem selbstverständlichen Verlangen, Saß die Ab­rüstungskonferenz des nächsten Jahres eine wirkliche und bedeutsame Herabsetzung der Rüstungen mit sich bringen und daß es künftig keinen Rechtsuntcrschied mehr gebe zwischen abgerüsteten und nicht abgerüsteten Staaten. Friede und Sicherheit würden unlebendige Begriffe bleiben, solange nicht ehrliche und durchgreifende Abrüstung aller Völker ihnen die wirkliche Grundlage gegeben habe.

Fast ebenso unfreundlich wurde der italienische Redner Senator Scialoja anfgenominen, doch ebbte die Erregung im Saale langsam ab.

Lord Cccil wurde als Sprecher Englands mit starkem Beifall empfangen, Loch erregte er sofort die Unzufrieden­heit der Masten, als er englisch sprach. Immerhin verschaffte sei» bekannter Name ihm Gehör.

Ungeheurer, nicht endenwollendcr Beifall empfing und begleitet« den Hauptredner Frankreichs, Painleve, des­sen Eintreten für die französische Abrüstungsthese am Don­nerstagabend durch Sic Presse bekannt geworden war. Heftige Unruhe entstand wiederum, als Pichot eine allgemeine, gleichzeitige und kontrollierte Abrüstung forderte sowie für die Schaffung einer internationalen Polizelgrnppe eintrat. Wiederum ertötne die Marseillaise und die Prügelei im Saal flammte erneut auf. Pfiffe schrillten, das wüste Treiben machte jede Verständigung unmöglich. Ans der Abrüstungs­versammlung ivurde ein Tollhaus.

Reichstagsavgeordneter Schreiber ans der Abrüstungstagnng in Paris

. 2?- Nov Auf der letzten der drei, anläßlich

° ^ -Troeadero- abgehaltenen

Versammlugen hielt der Reichstagsabgeordnete Prälat Pro- feflor Dr. Schreiber eine große Rede, in der er die Notwendigkeit einer schnellen Lösung der Abrüstungsfrage

vom menschlichen, europäischen und deutschen Standpunkt beleuchtete. Schreiber wies auf den die Welt heute erfüllen­den Pessimismus hin, der in dem durch das Wettrüsten ver- ankaßtcn und gesteigerten Mißtrauen einen seiner Haupt­gründe habe. Die übersteigerten Rüstungen vieler Staaten, die ungeheure Masse von Kriegs- nnü Mordwerkzeugen ständen wie eine große Drohung vor den Augen der Mensch­heit. Alles, was dnrch Gründung des Völkerbunds, durch Locarno-Vertrag, Kellogg-Bertrag und Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit für die Sicherung des Friedens und Stärkung des Vertrauens erreicht worden sei, drohe ver­loren zu gehen, wenn nicht schleunigst den lauernden Göt­tern des Krieges ein entscheidender Teil ihrer Waffen ge­nommen werde. Jeder Ausbau des Völkerrechts, alle zur Sicherung des Friedens abgeschlossenen Abkommen blieben wert- und wirkungslos, wenn das Wettrüsten andauere. Das Wettrüsten gefährde den Frieden. Wenn der Völker­bund in das allgemeine Mißtrauen und die Weltsttmmung des Pessimismus einbezogen werde, so hauptsächlich des­wegen, weil seine Bemühungen um die Abrüstung bisher ohne praktisches Ergebnis geblieben seien. Obwohl Briand bei Eintritt Deutschlands in den Völkerbund vor füns Jah­ren ausgcrufcn kabe:Weg mit den Kanonen, weg mit den Gewehren!* sei die Zahl der Kriegs- und Mordwerkzengc jeder Art nnr immer gestiegen. Am sinnfälligsten sei dies bei der Lnftrüstung. Während in Genf über den Ausbau einer Friedensorganisation der Welt gearbeitet werde, werde von den Generalstäben die größte und furchtbarste Nnmensch- lichkeit des Krieges vorbereitet, die es je gegeben habe. Es sei eine schwere Anklage gegen den Völkerbund, daß der Gedanke des Rüstnngsstillstandes, den schon die BvlkerbundS- versammlung von 1020 gefordert habe, erst 1081 verwirklicht worden sei. Die Abrüstungskonferenz des nächsten Jahres

Tages-Spiegei

Aus der Pariser Abrüstungsversammlung, die die mora» lischc Vorbereitung der Abrüstung übernehme« soll, sind wüste Lärm- «nd Prügelszene« «orgekommen.

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Im Hanshaltsansschntz des Reichstags nmrdc die Winter» hilf« für Erwerbslose beraten» wobei eine Verbilligung von Kohlen, Fleisch «nd Brot ««gekündigt »nrde. Die Reichsminister Dietrich «nd Schiele machte« eingehende Ausführungen.

Reichsarbeitsminister Dr. Stegermald hat in einer Berliner Zentrnmsversammlnng über Lohnsragen, Sozialversiche­rung und die Wirtschaft gesprochen.

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Das Reichsjuftizministerinm veröffentlicht aufklZrende Aus» sührungen über die Vorfälle in Hessen.

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In Finkcnburg hat ein Irrsinniger 4 Frauen und Mädchen niedergestoche« und sich dann selbst der Polizei gestellt.

müsse dem Rüstungsftillstand eine einschneidende Rüstungs- Verminderung folgen lasten. Nur dann könne man sagen, daß die Völkerbundsmitglieder mit den Verpflichtungen des Artikels 8 -er Satzung ernst zu machen begonnen hätten. Die Abrüstung könne nur allgemein oder gar nicht sein. Es könne hinsichtlich der Abrüstungsfrage nicht länger Staa­ten zweierlei Rechts geben. Der Grundgedanke des Völker­bundes, der ein Bund freier und gleichberechtigter Völker sei, stehe dem entgegen.Die Zeit drängt, wir können nicht länger warten, der Boden Europas schwankt unter unseren Füßen. Das Gefühl, daß wir wieder auf festem Boden stehen, die Sicherheit können wir nur erreichen, wenn wir die Ab­rüstung, die allgemeine und gleiche Abrüstung aller Vchikcr schnell und durchgreifend verwirklichen.*

Der Haushallsausschuß im Reichstag

Ausführungen von den Ministern Dietrich und Schiele Verbilligte Lebensmittel

Der Haushaltsausschuß des Reichstags wählte am Frei- I Ncichsfinanzminister Dietrich betonte, für die Erklärung tag anstelle des bisherigen stellvertretenden nattonatsoztatt- I Her DVP. habe er insofern Verständnis, als es schwer stischen Vorsitzenden Avg. Reinhardt den Abgeordneten s W^Olich sei, über eine neue Belastung der Finanzen zu Dr. Cremcr sDVP.) zum stellvertretenden Vorsitzende«.. sprechen, solange über die Gestaltung der öffentlichen Fianzen

Reich, Ländern und Gemeinden und bei den sozialen

Dann beriet der Ausschuß Fragen einer zusätzlichen Winter­hilfe. Abg. Dr. Crem er erklärt« zunächst, daß eine Be­ratung über die Winterhilfe, die erhebliche finanzielle Mittel erfordern werde, nicht möglich sei, ehe nicht dir Regierung dem Ausschuß Auskunft über die Finanzlage gegeben habe. Da die Regierung zu einer solchen Auskunft noch nicht be­reit sei, könnten sich die Vertreter der Deutschen Volkspartei an der Beratung nicht beteiligen. Das beziehe sich jedoch nur auf die Besprechung der Winterhilfe.

TU. Berlin, 38. Nov. ReichSeriiährungsminister Schiele wies zunächst ans die Bedeutung der einzelnen LebenSmitHtt- erzeugnisse hin. Etwa 28 v. H. der Ernährungsausgaben ß entfielen auf Fletsch und tierische Fette, 1630 v. H. auf Brot- und sonstige Backwaren, 14 v. H. aus Milch und Molkereierzeugntffe und 3,84 Prozent auf Kartoffeln. In Berlin werde z. B. an Minderbemittelte Erwerbslose aus Grund von Abmachungen zwischen Groß- und Kleinhandel ein Zentner Kartoffeln zu einem um 8090 Pfennig ver­billigten Preis abgegeben. Aehnlich sei es in anderen Städ­ten. In fast allen Großstädten sei auch der BrotpreiS für Erwerbslose gesenkt worden. Die Reichsregierung sei be­strebt, «ine Kürzung der Spanne im BrotpreiS allgemein herbeizuführen. Der Minister ging dann besonders auf die Frage einer Verbittigungsaktion für Frischfleisch zugunsten der Erwerbslosen ein. Handelspolitische Maßnahmen hätten, da der Schwetnebestand von 25 Millionen Stück um 5 Mil­lionen und der Rinderbestand um eine halbe Million zu hoch sei, für die Gestaltung deS Viehmarktes nur geringe Bedeutung. In den ersten neun Monaten d. I. seien ins­gesamt je Kopf der Bevölkerung 70 Gramm weniger Fleisch verzehrt worden als im Vorjahr. Trotz dieses Minder­verzehrs an Fleisch seien etwa 3 Millionen Schweine mehr verbraucht worden, so daß -adurch etwa 6800 000 Rinder weniger verbraucht worben seien. Wenn man für etwa 6 Millionen Unterstützungsempfänger das Pfund Fleisch um 30 Pfennig für die Dauer von 8 Monaten verbillige, so erwachse damit dem Reich ein« Belastung von etwa 18 Millionen Mark. Diese Summe würde vom Reichsernäh­rungsministerium aus den Mitteln deS MaiSmonopolS vom Ostkommissar «nd vom Reichsfinanzminister getragen wer­den. Dieser löse damit auch das Versprechen ein, eine Ver­billigungsaktion für einheimische- Frischfleisch als Ersatz für die Gefrterfleischetnfuhr in di« Wege zu leiten.

Verficherungsträgcrn noch Verhandlungen schwebten. Vom Standpunkt seines Ministeriums müsse er wünschen, daß augenblicklich die Reichsfinanzen durch die Winterhilfe nicht groß belastet würden. Znr Verbilligung der Kohlenpreise, bet der es sich um die Ergänzung einer privaten Aktion han­delt, seien Maßnahmen in die Wege geleitet, deren Ergebnis iroch unübersichtlich sei. Einige Kohlenbezirke hätten zu­gesagt, Kohlen kostenlos zu liefern, andere zu verbilligten Preisen. JnS Gewicht fielen hierbei die Frachten. Die bei Berlin gewonnene Braunkohle verursache keine hohen Frachtkosten nach Berlin. Dagegen betrügen die Frachtkosten für Ruhrkohle nach Borltn 14 Mark je Tonne. Die Nilhr- kohlcnindustrie habe eine Million Tonnen zu 10 Mark zur Verfügung gestellt, so daß der Zentner 80 Pscnnig kosten würde. Wenn eine Familie 10 Zentner bekomme, so würden diese eine Million Tonnen für 2 MMonen Familien aus- reichen. Berücksichtige man die Hilfe der anderen Reviere, so konnten über 2 Millionen Tonnen verbilligt an Erwerbs­lose abgegeben werden. Das Reich sei bereit, noch 13 Mil­lionen Reichsmark bereitzustellen, um die freiwillige Aktion der Kohlensyndkate zu verstärken. So würde es möglich sein, die 3 Millionen Tonnen Kohle aus den verschiedenen Re­vieren noch einmal um 8 Mark di« Tonne zu verbilligen. Er persönlich sei der Meinung, daß eine Neichsaktion zur Verbilligung von Lebensmitteln für Erwerbslose nnr noch beim Fleisch eingesetzt werden müsse.

Dt« Christlichen Gewerkschafte« znr gegenwärtigen Lag« TU. Berlin, 27. Nov. Der Vorstand deS GesamtverbandeS der Christlichen Gewerkschaften Deutschlands hat sich heute in einer dringenden Eingabe an die Reichsregierung ge­wandt. In der Eingabe werben die Gesichtspunkte ins Auge gerückt, die bei den Maßnahmen der Reichsregierung be­rücksichtigt werden müßten. Es wirb darin n. a. ausgeführt, daß es ein Irrtum sei, daß durch die bloße Senkung der Löhne «nd Gehälter die Preise in entsprechendem Ausmaße von selbst fielen. Di« Preise sind längst nicht dem vor mehr als Jahresfrist eingesetzten Absinken der Löhne i« hinreichen­dem Maße gefolgt. Bet angestellten Vergleichen wird meist außer Acht gelassen, baß die tarifmäßigen Stundenlöhne kei­nen zuverlässigen Vergleichsmaßstab abgeben. ES kommt auf den Effektivverdtenst an, «nd dieser ist in weit stärkerem Maß« gefnnken. als der GesamtlebensbaltiingSlndex.