Gewinnbeteiligung als Ausgleich für Lohnausfall?

Erörterungen innerhalb der Montanindustrie

Esten, 25. Nov. Im Nahmen der jetzt abgeschlossenen Beratungen des WirtschaftsbeiratcS hat der Großindustrielle Dr. Bögler den interessanten Vorschlag zur Debatte ge­stellt, als Gegenleistung für den als nötig angesehenen star­ken Lohnabbau eine Regelung einzuftthren, die den Ar­beitern bei Wtedereintreten der Rentabilität der Werke eine Beteiligung an dem bann sich ergebenden Reingewinn bieten könnte. Es handelt sich hierbei um eine Idee, die man seit einiger Zeit im Rahmen der gesamten deutschen Wirtschaft erörtert. Es scheint, daß die Neichsregierung sich der Mei­nung der Arbeitgeberkreise anschließen wird, die eine sehr weitgehende und sofortige Senkung des Lohnniveaus für unbedingt nötig hält; namentlich scheint hierbei der Abwehr­gedanke gegen den Selbstkostenvorsprung, den die englische Industrie durch die Pfundentwertung erhalten hat, eine Rolle zu spielen. Während nämlich vor der Pfunbentwertung das englische Lohnniveau bas höchste war, steht heute das deut­sche Lohnniveau an der Spitze der europäischen Industrie­länder.

Ueber die technische Durchführung einer etwaigen Gewinn­beteiligung besteht noch keine Klarheit. Die Summe, die gegebenenfalls in irgend einer Form zur Verteilung an die Arbeitnehmer eines Werkes kommen würde, soll nach den feststellbaren Ideen aus dem Reingewinn abgezweigt werden nach Deckung aller üblichen Unkosten, normalen Abschreibungen und Rücklagen laber ohne außerordentliche Abschreibungen und Sonderrücklagen) und vor der Aus­zahlung von Aufsichtsratstantiemen und Dividenden. Die Reichsregierung scheint die Ausführung solcher Pläne wohl als politischen und psychologischen Ausgleich für die geplante Lohnsenkung anzusehen.

Einigung

über die Kommunal-Umschuldung

Umschuldungsanleihe 4»g Mill. RM?

Berlin, 25. Nov. Nach der Notverordnung des Reichs­präsidenten vom 6. Oktober ist bekanntlich für die Umschul­dung kurzfristiger Kommunalkreöite der Weg der freiwilligen Vereinbarung zwischen Schuldnern und Gläubigern vorge­sehen, wobei sich das Reich, soweit dies erforderlich wird, vermittelnd einschaltet. Es soll ein Verfahren vor einer Umschulönngsstelle eingeführt werden, die sich aus Vertretern verschiedener Gruppen, auch von Gläubigern und Schuldnern zusammensetzt.

Ueber bas Verfahren dieser UmschulSungSstelle haben nun, wie der DHD. hört. Besprechungen im Reichsfinanz­ministerium mit den kommunalen Spitzenverbänden und einer Anzahl von Ländervertretern stattgefunden, die zur völligen Einigung aller Beteiligten geführt haben. Die Aus­führungsbestimmungen bürsten jedoch erst tn einigen Tagen veröffentlicht werden. Die in Anlehnung an di« Notverord­nung herauszugebenbe Obligationsanleihe, die zur tetlweisen Tilgung der kurzfristigen Schulden verwendet werde» soll, wird wahrscheinlich den ursprünglich vorgesehe­nen Betrag von 600 Mill. RM. nicht erreichen, sondern sich um etwa 400 Mill. RM. bewegen. Ueber Verzinsung, Tilgung und Auslosung der Umschuldungsanlethe sind zur Zeit zu­verlässige Angaben noch nicht in Erfahrung zu bringen. Es ist jedoch mit einem Zinssatz von 6 Prozent und völ­liger Steuerfreiheit für die Anleihe zu rechnen.

Vorschläge

des Industrie- und Handelstaqes

zur Abänderung der Osthilseverordnnng

TU. Berlin, 25. Nov. Der deutsche Industrie- und Han- -elstag hat in zwei Anträgen bei den zuständigen Reichs- bchörden zu der Verordnung zur Sicherung der Ernte und der landwirtschaftlichen Entschuldung im Osthilfegebiet Stel­lung genommen. Der Industrie» und Handelstag geht zu­nächst davon aus, baß die Notverordnung den einseitt- gen Schutz der Schuldner in den Vordergrund stellt. Sie berücksichtigt nicht, baß die Gläubiger selbst wiederum Schuldner anderer Gläubiger sind. Die Vorschläge betonen, baß nur schutzwürdige Schuldner und erhaltungsfähige Be­triebe in den Genuß der Vorteile der Notverordnung kom­men sollen. Der Antrag auf Sicherungsverfahren müsse durch ausreichende Unterlagen belegt sein. Es müsse eine Schiedsstelle, die die Notverordnung nicht vorsieht, geschaf­fen werden. Das Sicherungsverfahren habe zur Folge, daß die Verwertung verpfändeter oder zur Sicherung übereigneter Gegenstände unzulässig wird.

Diese Erschütterung des Vertrauens tn die Vertrags­und Rechtssicherheit müsse dadurch gemildert werden, baß in solchen Fällen entweder die Eröffnung des Stche- rungsverfahrens überhaupt abgelehnt werden oder die Rechte des Gläubigers durch besondere Anordnungen geschützt werden. Eine Benachrichtigung des Gläubigers müsse für den Fall der Beantragung des Sicherungsverfah­rens obligatorisch sein. Der Lauf der Antragsfrist bis zum 81. Dezember schaffe einen Zustand außerordent­licher Unsicherheit. Deshalb wirb eine Vorschrift empfohlen, daß Schuldner in einer unwiderruflichen Er­klärung gegenüber der zuständigen Stelle einen Verzicht auf die Einleitung des Stcherheitsverfahrens aussprechen können.

Devisen-Ausgleichstelle bei der Reichsbank?

Berlin, 25. Nov. Da mit Hinblick auf die schwache De- v'?enstellung der Reichsbank vorläufig mit der Wiederein­führung eines Terminhandels keineswegs gerechnet werden kann, ist man in den an diesen Fragen besonders interessier­ten Wirtschaftskreisen einem Plan nähergetreten, der die Schaffung eines Devisenclearings mit Hilfe der Reichsbank zum Gegenstand hat. Dieser Vorschlag, der zur Zeit Gegen­stand von Besprechungen der am Jinport- und Exporthandel

interessierten Wirtschaftsverbände und der Reichsbank ist, sieht zunächst vor, eine Anmeldestelle zu schaffe», bei der die Jntereffenten Angebot und Nachfrage Mitteilen solle», deren Ausgleich auch in Zukunft der Neichsbank obliegen soll.

Um den Kreis der an dieser Ausgleichsstelle Teilnehmen­den von vornherein nicht zu groß zu machen, steht der Plan vor, nur bestimmte Firmen und auch diese nur gegen Ein­zahlung eines gewissen Beitrags, der gegebenenfalls irgend­wie zur Verrechnung kommen wird, dem Clearing anzu­schließen.

Rückreise Grandis über Paris?

Paris, 25. Nov. Briand empfing gestern den italienischen Botschafter, Grafen Manzoni, der mitteilte, daß die fran­zösische Regierung über die Ergebnisse der Washingtoner Reise Grandis unterrichtet werde, sobald dieser aus Amerika zurückgekehrt sei. Es wird außerdem als sehr wahrscheinlich bezeichnet, daß das ursprüngliche Reiseprogramm des ita­lienischen Außenministers geändert wird, und daß er vor seiner Rückreise nach Rom Paris einen Besuch abstattet, um mit den Führern der französischen Regierung Fühlung zu nehmen.

Französische Maßnahmen aeqen die englischen Zölle

Einfuhrbeschränkungen für englische Waren?

TU. Paris, 25. Nov. Der französische Handelsmintster hat einen Ausschuß eingesetzt, der sich eingehend mit den Auswirkungen der englischen Zölle auf die französische Aus­fuhr befassen soll. Man glaubt, daß die französische Negie­rung ein neues Zollgesetz und eine strenge Beschränkung der englischen Einfuhr nach Frankreich vornehmen wird.

Arbeitslosenkrawalle in London

Londoner Arbeitslose versuchen eine Zahlstelle zu stürme«

TU. London, 25. Nov. Am Dtenstagnachmittag versuch­ten im Londoner Stadtteil Pancras etwa 500 Arbeitslose die Zahlstelle zu stürmen. Mehrere Fensterscheiben wurden eingeworfen. Berittene Polizei trieb die Demonstranten aus­einander.

Rückkehr zur Sechstagewoche in der Sowjetunion

TU. Moskau (über Kowno), 25. Nov. Wie die sowjet­amtliche Telegraphenagentur mitteilt, hat der Rat der Volks­kommissare beschlossen, daß beginnend mit dem 1. Dezember probeweise die Sechstagewoche tn solchen Unternehmungen und Behörden eingeführt werden soll, die nicht unmittelbar mit dem ununterbrochen arbeitenden Teil der wirtschaftlichen Unternehmungen verbunden sind. Die Entscheidung liegt jeweils bei den Vollzugsausschüssen der Bezirke. Für den Uebergang zur Sechstagearbeitswoche sind bestimmte Aus­gangstage nach der Verordnung festgelegt, und zwar jeweilig der 6., 12., 18., 24. und 30. Tag des Monats. Der s. Tag der Woche wird in diesen Unternehmungen generell als der Ruhetag gefeiert. Zu gleicher Zeit wird die tägliche Arbeits­zeit von 6)H auf 6 Stunden herabgesetzt.

Neue Schwierigkeiten im Völkerbundsral

--- Paris, 25. Nov. Die Lage im Völkerbundsrat ist wieder kritisch, da der Vertreter Chinas zur Entsendung eines Völkerbundsausschusses in die Mandschurei Vorbehalte gemacht hat. Japan hat hingegen den Ratsvorschlag tn seinen Grundzügen angenommen. Der Rat verhandelt wie­derum in nichtöffentlichen Sitzungen.

Gefecht zwischen japanische« und chinesischen Truppen

Nach Meldungen aus Mukden stießen die Japaner auf ihrem Vormarsch an der Mukben-Eisenbahn in der Nähe von Hstnminting mit chinesischen Truppen zusammen. Es kam zu einem Gefecht. Bet Taian griffen die Japaner 8000 chinesischeBanditen" an, die den Verkehr auf der süd- mandschurischen Eisenbahn störten. Wie aus Tokio gemeldet wirb, ist bei Mukden ein mit japanischen Truppen beladener Zug entgleist. Die Ursache ist eine durch chinesische Banditen vorgenommene Beschädigung des Bahnkörpers. Die Ver­luste der Japaner sind beträchtlich.

Politischer Massenmord in der französischen Konzession in Schanghai

In der französischen Konzession Schanghai wurde eine grauenvolle Mordtat aufgedeckt, der 11 Menschen zum Opfer gefallen sind. Es handelt sich um die Verwandten eines Beraters des Marschalls Tschiangkaischek namens Kutschen- scheng, die im Sommer d. I. nach und nach verschwunden sind. Wie sich jetzt herausgestellt hat, sind sie von Kommunisten entführt und ermordet worden. Es handelt sich um einen Racheakt. _

Politische Kurzmeldungen

Der SchutzverbaitS geschädigter Auslanösdeutscher weist auf die Notwendigkeit hin, bet den kommenden Verhandlun­gen über die Reparationen die durch Zurücklassung, Beschlag­nahme und Enteignung des deutschen Privateigentums den ehemaligen Feinbstaaten geleisteten Tributzahlungen geltend zu machen. Der Gegenwert dieses deutschen Privateigentums, das den ehemaligen Feindstaaten als erste Tributleistung Deutschlands ausgeliefert wurde, wird auf rund 24 Milli­arden Goldmark geschätzt. Der Kurs des englischen Pfun­des hat wieder zu sinken begonnen. Gegenüber dem Dollar, dem Franken und der Reichsmark ist das Pfund Sterling um volle 25 Prozent entwertet, und die ständige Abschwä­chung seit Mitte der vorigen Woche beutet darauf hin, daß

die untere Grenze des Rückganges noch nicht erreicht ist. Die kurzfristige Verschuldung Englands an Frankreich wird auf rund 100 und Englands an Amerika auf rund 50 Mill. Pfund geschätzt. Zu her italienischen Forderung über Süd­tirol Stillschweigen zu bervahrcn, schreiben dieInnsbrucker Nachrichten": Die für Italien so begueme Parole des Schwei­gens wird vielleicht von der offiziellen deutschen Außen­politik aus Gründen politischer Raison befolgt werden. Wir hoffen aber, daß das deutsche Volk auch weiterhin die Wie­dergutmachung dieses großen weltgeschichtlichen Unrechtes fordern wirb." Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung in den gegenwärtigen russisch-japanischen Beziehungen spielt die Frage der Petroleumversorgung Japans. Dieses ist bet der Deckung seines Petroleumbeöarfes von den Vohrkonzes- stonen auf der Insel Sachalin abhängig, die sich auf sowjet­russischem Gebiet befinden. In der Brooklynwerft (Neu- York) wurde nach einer grobangelegten Jagd auf Alkohol- schmuggle! ein 500 Tonnen großes Tankschiff sowie zwei Boote beschlagnahmt. Die Besatzungen wurden verhaftet. Der beschlagnahmte Alkohol hat einen Wert von 4 Millionen Mark. Argentinien hat die Einladung Chiles, eine Zwei- machtekonferenz abzuhalten, auf der eine Verständigung über die Abrüstungsfrage vor der allgemeinen Abrüstungskonfe­renz erzielt werden soll, günstig ausgenommen.

Sprengstoffdiebstahl in Sachsen

TU. Dresden, 25. Nov. Vermutlich in der Nacht zum 2g. November sind durch Einbruch aus einem Pulver-Häuschen bet Glashütte 10 Kg. Rompertt, 600 Stück Aluminium- Sprengkapseln, 44 kupferne Sprengkapseln und 2 Kg. grob­körniges Schwarzpulver gestohlen worden.

Tabakschmugqel Holland-Hamburg

TU. Hamburg, 25. Nov. Wie aus Bentheim an der hol­ländischen Grenze gemeldet wird, ist es gelungen, eine gro^e Tabakschmugglerbande dingfest zu machen. ES wurde ermit­telt, daß Hamburger Schmuggler größere Mengen Tabak in den Nacht-D-Zügen Holland-Hamburg nach Deutschland eingeschmuggelt haben. Im Ganzen konnten bisher 12 Per­sonen festgenommeu und des Tabalschmuggels überführt werden.

Aus aller Welt

Zwei Schriftsteller wegen Landesverrats zu je 18 Monate» Gefängnis verurteilt

In dem Lanöesverratsprozeß gegen den Herausgeber der Weltbühne", von Ossictzky, und den Journalisten Walter Kreiser als Verfasser des unter Anklage gestellten Etar- kritikartikelsWindiges aus der deutschen Luftfahrt" hat das Reichsgericht folgendes Urteil verkündet: Die Angeklag­ten werden wegen Verbrechens gegen 8 1 Abs. 2 des Gesetzes gegen den Verrat militärischer Geheimnisse jeder zu 1 Jahr 6 Monaten Gefängnis und zur Tragung der Kosten ver­urteilt. Für die Verkündung der Urteilsgründe wurde die OefsentNchkeit ausgeschlossen.

Hirsch tötet «ine» Treiber

Ein eigenartiger Jagdunfall ereignete sich bet einer Treib­jagd auf einem dem Herzog von Natibor gehörenden Jagü- gelände in Oberschlesien. Als die Treiber eine Kette ge­schloffen hatten, wurde darin ein kräftiger Hirsch festgestellt, der gegen die Tretberkette stürmte. Das Tier wandte sich gegen einen Treiber und stieß ihm das Geweih durch das rechte Auge in den Kopf, so daß die Spitze des Geweihs am Htnterkopf heraustrat. Der Treiber war auf der Stelle tot.

Dänisches Schiff gestrandet

Bet Wulfen im Fehmarnsund strandete abends das dä­nische MotorschiffHelene". Das Schiff war leck und wurde durch das tn den Motorraum eingedrungene Wasser manöv­rierunfähig. Der Schiffer Beck und sein 18jähriger Schiffs­junge Frode standen bis zu den Knien im Wasser. Alle Versuche des Schiffers, sich durch Nebelhornsignale bemerk­bar zu machen, waren vergeblich. Während der ganzen Nacht waren die Wellen über das Wrack geschlagen. Als man am anderen Morgen von Land aus das gestrandete Schiss be­merkte und heranruderte, fand man den Schiffsjungen er­froren auf, während der Schiffer in halberstarrtcm Zustande geborgen wurde.

Kampf zwischen rumänischen und russischen Fischern Aus bisher nicht aufgeklärten Gründen fand aus dem Schwarzen Meer ein ernster Zusammenstoß zwischen ru­mänischen und sowjetrussischen Fischerflottillen statt. Nach den bisher eingetroffenen Nachrichten scheint der Zusammen­stoß, der auf stürmischer See erfolgte, zu einem Kampf ge­führt zu haben, der mit Handwaffen, Rudern und Haken erbittert durchgesührt worden sei. Auf beiden Seiten sollen mehrere Boote zum Kentern gebracht worben sein. Ob Menschenleben zu beklagen sind, konnte noch nicht festgestellt

werden.

24 Tote bei einem Schisfsunglück Nach Meldungen aus Buitcnzorg ist bei dem General­gouverneur von Ntederländisch-Jndien die Nachricht etn- gegangen, daß auf einem Fluß in der Provinz Djambi sSumatra) ein Dampfer bei einem Zusammenstoß mit einer Fähre umgeschlagen und gesunken ist. Von den an Bord befindlichen Personen sind 24 ertrunken, s Personen wurden

gerettet.

Wetter für Freitag und Samstag Im Osten liegt noch Hochdruck, im Nordosten eine star e Depression. Für Freitag und Samstag ist zwar zeitweilig aufheiterndes, aber veränderliches Wetter zu erwarten.

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