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Nr. 242

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Freitag, den 16. Oktober 1931

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§ernsprecher Nr. 9

verantwort!. Schriftleitung: Frieärtch Han» Scheel« Druck unä Verlag äer A. Oelschläger jchen Duchäruckerei

^ar)rgaug 104

Die zweite Redeschlacht im Reichstag

Noch keine Klärung der Lage Konflikt der^olksparlei mit Brüning Zn den Abendstunden fällt die Entscheidung

TN. Berlin, IS. Ott. Der heutige dritte Tag der Reichs­tagsaussprache über die Regierungserklärung wird noch nicht den Abschluß der Debatte bringen. Man rechnet damit, daß mindestens noch am Freitag die Aussprache fortgesetzt wirb. Die Entscheidung über die Mißtrauensanträge ist noch immer ungewiß. Die Spannung besteht weiter an, da die Entscheidung der Mittelpartcien zum Teil noch aussteht.

Vor Eintritt in die Tagesordnung der Donnerstag­sitzung erhebt Abgeordneter Becker- Breslau (Komm.) Ein­spruch gegen Betriebseinstellung auf der Wenzeslaus-Grube bei Neurobe. Der Redner verlangt die Beratung eines An­trags, wonach die Wenzeslaus-Grube beschlagnahmt und den Arbeitern und Angestellten zur eigenen Bewirtschaftung übergeben werden soll. Aus Reichsmitteln sollen zwei Milli­onen Mark zur Verfügung gestellt werden.

In der fortgesetzten Aussprache über die Regierungs­erklärung erhält zunächst Abg. Simpfendörfer sChristl. Soz.) das Wort. Er fordert eine Außenpolitik, die alle Kräfte in den Dienst der nationalen Befreiung stelle und zum Kampf um die Achtung und Gleichberechtigung unter den Großmächten benutze. Schwere und große Aufgaben ständen in der Revisionspolitik noch bevor. Nichts wäre verfehlter und darin stimme er dem Reichskanzler zu als im ge­genwärtigen Augenblick durch vorzeitige Lösung die Zukunft Deutschlands zu verschachern. Der Sieg im Revisionskampf werde eine Frage der stärksten Nerven sein. Der Erfolg könne nur gesichert werden, wenn Lasten und Opfer gerecht verteilt würden. Der Volksdienst fordere ein rasches und energisches Durchgreifen auf dem Gebiete des Kartcllwesens. Leider sei schon viel versäumt worden. Nur durch soso2..gs Beseitigung aller ungerechtfertigten Preisbindungen könne das Schlimmste verhütet werden und nur dann könne auch die notwendige Anpassung der Lohntarife durchgeführt wer­den. Zu einer Diktatur werde der Volksdienst nicht die Hand bieten. Die Regierung Brüning habe bisher die Zusam­menfassung aller nationalen Kräfte noch nicht erreicht. Die Umbildung der Negierung sei leider zu spät erfolgt. Nur durch eine innere und äußere Umstellung der Vertretung der politischen Ziele und Maßnahmen der Regierung in der Oeffeutlichkeit werde es möglich sein, auch wertvolle Kräfte auf der Rechten, die heute noch zweifelnd und ablehnend der Regierung gegenüSerstänöen, zu gewinnen.

Unter großer Spannung des Hauses nahm dann der Führer der Deutschen Volkspartei, Abg. DingelLcy, das Wort. Während seiner Rede erschienen auch die National- wzialisten und Deutschnationalen wieder im Sitzungssaal. Dingeldey ging davon aus, daß seine Partei dem Reichs­kanzler Brüning seinerzeit ihre Unterstützung gegeben habe, weil er an die Spitze seiner Tätigkeit die Notwendigkeit einer von dem bisherigen Wege abweichenden Entwicklung auf finanz- und wirtschaftspolitischem Gebiet gestellt habe. Die Negierung habe es versäumt, die psychologische Vor­bereitung für ihre Maßnahmen im Volke zu schaffen. Auch in den schwersten Krisenmonaten des Sommers habe es wieder an dem erlösenden Wort des Kanzlers gefehlt. Der Kanzler, Ser noch vor der Neichstagspanse erklärt habe, er werde sich jeder Erhöhung der Produktionskosten widersetzen, -et in der ganzen Zeit, wo er frei von parlamentarischen Hemmungen gewesen sei, nicht an die entschlossene Durch­führung seines sachlichen Programms herangegangcn und habe entgegen allen Zusicherungen die Wirtschaft mit neuen schweren Steuern belastet. Der Privatwirtschaft sei durch die Gesetzgebung jede Freiheit genommen worden. Maßnahmen zur Auflockerung des Systems der Preis- und Lohnbindung seien oft angekündigt, aber nie ergriffen worden. In der Negierungs-Erklärung habe der Kanzler davon gesprochen, es müsse im Tarif- und Schlichtungswesen eine wachsende Selbstverwaltung der Parteien unter möglichster Ausschal­tung des Eingreifens der staatlichen Macht herbeigeftthrt werden. Was aber habe im Wege gestanden, einen solchen Grundsatz nicht schon vor einem halben Jahr oder vor einem Jahr öurchzuführcn? Bei diesen Worten erhob sich Reichs­kanzler Dr. Brüning von seinem Platz und erklärte- »Wir waren auf zwei Stunden im Vorjahre zu Pfingsten so weit, diese Arbeitsgemeinschaft zustande zu bringen und dann Ist sie von einem bestimmten Teil der Industrie im letzten Augenblick zerschlagen worden." Dingeldey erklärte dann weiter, daß für die Volkspartei eine Zusammenarbeit mit der Rechten nur denkbar sei auf gegenseitiger Achtung. Er schloß mit der Erklärung, daß der Versuch des Reichs­kanzlers, mit dem veränderten Kabinett, das eine Vcrstär- kung^auf einer verbreiterten Basis nicht öarstclle, und mit den -Sozialdemokraten als Bundesgenossen zu regieren aus­sichtslos sei. Trotz -es Vertrauens, bas seine Partei dem Kanzler persönlich entgcgenbringe, sei er nicht überzeugt, daß auf dem Wege der immer weiter schwächende« Politi­

schen Basis der schwere Winter überstanden werben könne. Die Volkspartei sei daher nicht mehr in der Lage, den Reichskanzler zu unterstützen.

Abgeordneter Leicht (Bayer. Volkspartei) sprach dem Reichskanzler Anerkennung dafür aus, daß er unermüdlich für das Wohl des Vaterlandes gearbeitet habe. Gewisse Maß­nahmen der Regierung aber müßten kritisiert werden. Not­wendig sei die schleunige Inangriffnahme der Winterhilfe und die Verständigung zwischen Arbeitgebern und Arbeit­nehmern. Die Notverordnung dürfe nicht dazu benutzt wer­den, um in allen möglichen Fragen die Länderhohett zu ver­letzen. Der Redner verlangte außerdem Einschränkung der Einfuhr ausländischer Nahrungsmittel. Eine Negierung, die nochmals eine Inflation herbeiführen wollte, würbe mit Recht vom Volke hinweggefegt werden. In christlicher Liebe sollten alle Zusammenarbeiten und sich gegen diejenigen wen­den, die bei dem Rettungswerk die Schläuche zerschneiden wollten.

Der Redner der Staatspartei, Abg. Weber, wandte sich zunächst gegen die Notverordnung gegen die Pressefreiheit. Er erklärte dann weiter, er sei erstaunt gewesen, daß ein Führer der Wirtschaft wie Dingeldey sich hier nicht mit den Problemen des Nationalsozialismus auseinandergesetzt habe. Unter einer nationalsozialistischen Regierung wäre die Außenpolitik in der schwersten Gefahr. Dem früheren Reichs­bandpräsident Dr. Schacht warf der Redner wegen seiner Harzburger Rede Leichtfertigkeit vor.

Abg. Döbrich jLandvolk) erklärte, daß die Zusammen­setzung des neuen Kabinetts nicht wesentlich mehr als das erste -Kabinett Brüning die Möglichkeit gewährleistet, die vom Kanzler übernommenen grundsätzlichen Forderungen auszuwerten. Er erkannte an, - Minister Schiele seine ganze Kraft für die Erfüllung seiner Aufgaben eingesetzt habe, aber leider nur Teilerfolge zu erzielen in der Lage gewesen sei. Für den Kanzler seien die Fragen der Land­wirtschaft Fragen zweiten Grades gewesen. Das Landvolk habe nicht das Vertrauen, daß die Regierung ihre Aufgaben zur Rettung des Bauernstandes lösen werde. Es wolle den Weg für neue Verhandlungen und eine mögliche andere Re-

Japau im Völkerbund überstimmt. Amerika in Gens

TU. Genf, IS. Okt. Der Völkerbundsrat hat am Donners- ' tag abend in einer außerordentlich stürmischen Geheimsttzung mit 13 Stimmen gegen die Stimme Japans grundsätzlich beschlossen, die amerikanische Regierung zur offiziellen Teil­nahme an Ser Regelung des japanisch-chinesischen Konfliktes einzuladen. Man erwartet hier jetzt, daß die amerikanische Negierung unverzüglich auf Grund der fortgesetzten, in den letzten Tagen zwischen Washington und Genf geführten Füh­lungnahme die Einladung annehmen und ihren Botschafter beim Völkerbund beauftragen wird, am Ratstisch Platz zu nehmen, um an der Konfliktsregelung tetlzunehmen.

Der Abstimmung ging eine stürmische und mühsame De­batte voraus. In der Sitzung, in der hauptsächlich Briand, und Lord Reading das Wort führten, wurden mit allen nur denkbaren Mitteln und Gründen versucht, die japanische Re­gierung zur Aufgabe ihrer ablehnenden Haltung zu bewegen und ihre Zustimmung zur Hinzuziehung der amerikanischen Negierung zu erteilen. Die Verhandlungen verliefen in der Form einer rein geschäftsordnungsmätzigen Debatte, ob ein derartiger Beschluß die Einstimmigkeit des Völkerbundsrats verlange oder nicht. Der japanische Botschafter forderte Ein­stimmigkeit auch für die Entsendung der Einladungsnote. Man suchte daher zunächst die Frage zu klären, ob der Be­schluß über die Einladung Amerikas eine Verfahrensfrage sei, für die allein keine Einstimmigkeit erforderlich ist, oder ob es sich um enen ordnungsmäßigen Ratsbeschluß handelt. Schließlich sah sich Briand veranlaßt, entgegen den lang­jährigen Gewohnheiten des VölkcrbnndSrates zum ersten Mal in einer grundsätzlich entscheidenden politischen Frage zur Abstimmung zu schreiten, die die Ueberstimmnng Japans ergab.

Angesichts dieser Zwangslage ist das heutige ungewöhn­liche Vorgehen des Völkerbundsrats gegen Japan und das schroffe Uebergehcn des japanischen Standpunktes zu ver­stehen. Welchen Verlauf jetzt die Verhandlungen im Völker- bnndsratcs in der Regelung nehmen werben, ist zur Zeit «och «icht zu übersehe».

Tages-Spiegel

In der gestrigen Anssprache im Reichstag erregten die Aus­führungen des ReichStagsabgeordneten Dingeldey gege« die nene Negierung besondere Ausmerksamkeit.

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Die Laudvolkpartei wird in ihrer Mehrheit für die Miß» »ranensanträge gegen die Regierung stimmen. Die Wirt­schaftspartei steht in Kompromißverhandlungen mit der Regierung.

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Die Abstimmung im Reichstag ist hente abend zu erwarte«.

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Die chinesische Nationalregiernng beabsichtigt, die chinesisch« Hauptstadt von Nanking nach Loyang zu verlegen. Die japanisch« Kolonie räumt Nanking.

Am kommenden Montag beginnen in Bern RevisionSver» Handlungen zum beutsch-fchwcizerischeu Handelsvertrag.

gierungsbildung freimachen, die der Schwere der Lage ent­spreche und stimme deshalb den Mißtrauensanträgen zu.

Abg. Ziegler fSoz. Arbeiterpartei) sagte der Regie­rung Brüning schärfsten Kampf an.

Die sozialdemokratische Reichslagsfraktion schickte als zweiten Redner den SM. Aufhäuser vor, der sich be­sonders mit der Harzburger Tagung beschäftigte.

Nachdem noch Abg. Heckert (Komm.) eine etwa zwei­stündige Rede gehalten hatte, in der er die Mitteilung machte, daß seine Fraktion alle abwesenden Mitglieder, selbst die im Auslande befindlichen telegraphisch herbeigerufen habe, um bei der Abstimmung gegen Brüning teilzunehmen, ver­tagte sich Las Haus auf Freitag mittag 12 Uhr.

Die Abstimmungen werden wahrscheinlich in Len späte« Nachmittagsstunden vorgenommen werden.

Druck auf Dingeldey

Freiburg i. Br., 18. Oktober. Eine Anzahl Industrieller in Oberbaden, die der Deutschen Volkspartei nahestehen, haben dem Vorsitzenden der Partei mitgeteilt, daß sie der Partei den Rücken kehren werden, wenn die Deutsche Volks­partei sich nicht für das Weiterverblriben des Reichskanzlers Dr. Brüning im Kabinett einsctzen würde.

Japan, Amerika und der Völkerbund TU. London, 18. Ott. Aus Tokio wird gemeldet: Die Japaner lehnen es ab, der Hinzuziehung des amerikanischen Beobachters zu den Beratungen des Völkervnndsrates zu- zusttmmen, es sei denn, daß Amerika bereit ist, an der Er­örterung aller künftigen Streitigkeiten vor dem Völker­bundsrat teilzunehmen.

Verlegung des Sitzes der Nanking-Regierung TU. London, 18. Okt. Nach einem bei der Kantonregie­rung eingetroffenen Telegramm beabsichtigt die National­regierung die chinesische Hauptstadl vor^Nanking nachötzoyang tHonanfu) zu verlegen.

Die japanische Kolonie räumt Nanking TU. London, 18. Ott. Der englische Gesandte Sir MileS Lampson und der amerikanische Gesandte Johnson sind in Nanking eingetroffen, um sich mit der dortigen Negierung über die mandschurische Frage zu besprechen.

Die gesamte japanische Kolonie in Nanking mit Aus­nahme der Beamten hat beschlossen, die Stadt wegen der japanfeindlichen Haltung der Chinesen zu verlassen.

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Die amerikanische Kommission von den Japanern ansgehaltcn

TU. Moskau jüber Kowno), 16. Okt. Nach einer rus­sischen Meldung aus Schanghai haben die japanischen Trup­pen die amerikanische Kommission, die aus Mukdcn nach Peking abgereist ist, um die politische Lage zu studieren in einer Station angehalten. Den Vertretern der amerika­nischen Botschaft wurde erklärt, daß die Kommission nicht Weiterreisen könne. Der japanische Oberst Nakastma erklärte, er bedauere, daß die amerikanische Kommission noch zwei Tage warten müßte. Dann werde für sie ein Sonderzug zur Verfügung gestellt werden. Der Versuch der Amerikaner, drei Kraftfahrzeuge von den Japanern zu leihen, wurde mit der Begründung abgelehnt, daß das japanische Oberkom­mando im selben Augenblick keine Fahrzeuge für die Kom­mission auftreiben könne. Die Amerikaner haben sich bei der amerikanischen Botschaft in Peking telegraphisch beschwert.

Stellung des Völkerbundes gegen Japan

Die Lage im Fernen Osten verschärft sich Japan gegen Teilnahme Amerikas an

den Genfer Verhandlungen