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verantwort!. Schriftleitung: Frirärich tzanr Scheele Druck unä Verlag äer Ü. vrlschläger'schen . guchäruckerei
Nr. 237
Samstag, den 10. Oktober 1931
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Das zweite Kabinett Brüning gebildet
Die Neuerungen im Kabinett: Brüning Kanzler und Außenminister, Gröner Wehrund Innenminister. Warmbold Wirtschaftsminister. Treviranus Verkehrsminister
TU. Berlin, 10. Okt. Reichspräsident ». Hinden- b« rg hat gestern abend den Reichskanzler vr. Brüning in feinem Amte als Reichskanzler bestätigt. Aus Vorschlag -es Reichskanzlers hat der Herr Reichspräsident den Neichs- minister Dietrich als Neichsministcr der Finanzen «nd Stellvertreter des Reichskanzlers, den Reichsminister vr. b. o. Gröner als Reichswehrministcr, den Reichsminister vr. K. e. Stege rmald als Reichsarbeitsminister, den Reichsminister vr. Schätzet als Reichspostminister, den Reichsminister vr. k. v. S ch i el e als Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft bestätigt und mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Neichsministers des Auswärtige« den Reichskanzler vr. Brüning, mit der Wahrnehmung der Geschäfte -cs Reichsministers des Innern de« Reichswehr- minister vr. b. e. Gröner beauftragt. Zum Neichswirt- schaftsminister hat der Herr Reichspräsident aus Vorschlag des Reichskanzlers de« prenß. Staatsminister a. D. Prof, vr. Warmbold, znm Rcichsverkehrsminister den bisherigen Reichsminister ohne Geschäftsbereich Tren'.ranus «nd zum Reichsminister der Justiz den Staatssekretär im Reichsjustizministerium vr. Joel ernannt.
Ncichspostminister vr. Schätzelhat seine endgültige Erklärung über sein Verbleiben im Amte dem Herrn Reichspräsidenten gegenüber noch bis heute Vorbehalten. Das bisher vom Reichsminister ohne Geschäftsbereich Treviranus verwaltete Amt des Reichskommissars für die Oststelle wird anderweitig besetzt werden. Die Entscheidung hierüber steht noch offen.
Die parlamentarischen Aussichten der neuen Regierung lassen sich zahlenmäßig etwa folgendermaßen beurteilen: Der Kanzler braucht, um sich im Reichstag durchsetzen zu können, rund 289 Stimmen. Ihm stehen im günstigsten Fall 268 Abgeordnete zur Verfügung, die sich aus den Sozialdemokraten, dem Zentrum, der Bayerischen Volkspartei, der Deutschen Staatspartei, den Christlich-Sozialen und den kleineren Mittclgrnppen rekrutieren würden. Gegen diese Front konzentrieren sich 238 Stimmen der Opposition, die sich aus Nationalsozialisten, Deutschnationalen, Kommunisten, Deutsch- Hannoveranern, den Sezessionisten des Landvolks und den Mitgliedern der neuen sozialistischen Arbeiterpartei zusammensetzen. Unsicher sind rund 75 Stimmen aus dem Lager der Deutschen Volkspartei, der Wirtschaftspartei und des Deutschen Landvolks. Der Kanzler müßte also den Versuch machen, von diesen Gruppen noch etwa 21 bis 22 Abgeordnete zu gewinnen. Er rechnet offenbar auf die Absplitterung von sechs bis zehn Volksparteilern und einer geringen Unterstützung aus den Kreisen des Landvolks. Nach diesem arithmetischen Exempel wäre es möglich, daß das zweite Kabinett Brüning mit einer geringen Mehrheit sich im Reichstag behauptet.
Die „Germania" schreibt u. a.: In wenigen Tagen wird das neue Kabinett vor dem Reichstag Gefolgschaft fordern für eine Politik, die sich an nichts anderem orientieren will, als an den sachlichen Lebensnotwendigkeiten unseres Volkes. Diese große Stunde des Reichstages wird eine Schicksals stunde Deutschlands sein. Die personelle Basis ist gewiß schmäler geworden, als sie vom Kanzler angcstrebt wurde. Die Uevernahme des Außenministeriums durch den Kanzler verbindet die politische Gesamtlei- urit dxr Führung der außenpolitischen Geschäfte, die künftig eine für Deutschland lebenswichtige Bedeutung erlangen. Auch die Verbindung des Wehrministerinms und des Innenministeriums in der Hand Gröners wird man als die Vereinigung zweier wichtiger Funktionen der staatlichen Macht ebenso bewerten dürfen. Die Männer des Kabinetts haben nur die Bindung an eine große Sache- an die Aufgabe nämlich, aus Deutschlands größter Notzeit einen Weg zn bahnen, aus dem Land und Volk gesichert werden können.
Sie wissen, daß das Vertrauen des Reichspräsidenten unerschüttert hinter ihnen steht. — Die „Vosstsche Zeitung" meint, den Angriff im Reichstag werde die Regierung abwehren können. Die Probe auf ihre Lebensfähigkeit werde sie erst nach der Vertagung des Reichstags bis zum Frühjahr zu bestehen haben. — Der „B ö r s e n - C o u r i e r" begrüßt es besonders, daß der Kanzler auch mit Ler Wahrnehmung der Geschäfte des Auswärtigen betraut worden ist. In der Betrauung Gröners mit dem Reichswehr- und dem Reichsinnenministerium liege die entscheidende Ueber- raschung, die auch auf die an der Harzburger Tagung teilnehmenden Politiker nicht ohne tiefen Eindruck bleiben könne. Alles in allem: Brüning habe jetzt wieder über den Winter hin einen starken Rückhalt. — Die „D A Z." betont, die jetzige Regierung sei kaum stärker als die frühere. Das zweite Kabinett Brüning stelle eine schwere Enttäuschung dar. Die Persönlichkeiten, die sich weigerten, in das Kabi, nett einzutreten, hätten anscheinend die ihnen angebotenen Garantien nicht für ausreichend gehalten. Dieser Geburtsfehler des neuen Kabinetts sei zugleich seine schwerste Belastung. Eine Wahrscheinlichkeitsrechnung beweise, wie sehr die Dinge bei Abstimmung des Reichstags auf des Messers Schneide ständen. — Die „B ö r s e n z e 1 tu n g" unterstreicht, daß Brüning nicht den Mut gefunden habe, nach rechts zu optieren, obwohl er dunkel empfunden habe, Laß eine solche Opposition sich nicht mehr länger aufhalten lasse, wenn man nicht die Spannungen in. der Öffentlichkeit noch erhöhen wolle. Die Rechtsorientierpng, der einzige Sinn der Re- . gierungskrise, sei unterblieben. Man müsse hoffen, daß sie nur um kurze Zeit hinausgeschoben sei.
Bolkspartei «nd Landvolk wünsche» eine Rechtsregierung Der Ehrenvorsitzende der Deutschen Volkspartei, Reichsminister a. D. Scholz, hat in einem Schreiben an den Reichskanzler einen Eintritt in bas Kabinett abgelehnt. Er erklärt darin, auf Grund seiner langjährigen parlamentarischen Erfahrungen sei er zu d^r Ueberzeugung gekommen, daß es jetzt an der Zeit sei, die Rechte zur Verantwortung heranzuziehen. Damit ist die Haltung der Bolkspartei gegenüber dem neuen Kabinett deutlich Umrissen. Von Bedeutung ist ferner die Tatsache, daß sich die gesamte Grüne Front lnicht nur der Reichslandbund, besten Oppositionsstellung bekannt ist) darüber einig geworden ist, daß angesichts des bisherigen agrarpolittschen Versagens der Neichsregierung unter Brünings Führung auch einem umgebildeten Kabinett Brüning, das in Wirklichkeit eine neue Auflage des zurückgetretenen sein werde, kein Vertrauen entgegengebracht werden könne.
Dr. Goebbels znr politischen Lage Am Freitag sprach im Berliner Sportpalast auf einer Massenkundgebung der Nationalsozialisten Dr. Goebbels über das Thema: „Was muß geschehen? Warum gehen wir in den Reichstag?" Er verwahrte sich gegen die Behauptung, man habe den Nationalsozialisten Gelegenheit gegeben, an der Verantwortung teilzunehmen. Das Reichskabinett habe der NSDAP, lediglich sein Sanierungsprogramm mitgeteilt und ihr die Frage vorgelegt, ob sie willens sei, es mit zur Durchführung zu bringen. Das habe die Partei ablehnen müssen. Sie habe aber keinen Zweifel darüber gelassen, daß der Kanzler die ganze Verantwortung auf sich nehmen müsse, wenn er die Opposition weiter aus der Macht ansschließe und mit diktatorischen Methoden regiere. Die NSDAP, fei nicht bereit, den Kanzler aus der Verantwortung zu entlassen. Er habe die Pflicht, den Platz anderen zu räumen. Die Opposition gegen Brüning sei im Aufmarsch begriffen. Sie wolle einen Wechsel der Ideen und des Systems. Der Sinn der Harzbnrger Tagung sei der grundlegende Systemwechsel. Die Opposition sei sofort bereit, die Verantwortung zu tragen.
Sprengstoff-Funde in der Oberlausitz l
TU. Niesky fOberlansitz), 10. Okt. In einem Waldstück zwischen Cosel und Pctcrshain wurden größere Mengen Sprengstoff gefunden und von den Landjägereibcamtcn sichergestcllt. Bei der näheren Untersuchung stellte es sich heraus, daß es sich um 66 Kilogramm Romborit, 206 Sprengkapseln, 2 elektrische Zünder und um 2 Päckchen Zündschnüre weiß und schwarz handelte. Da der Verdacht, die Sprengstoffe verborgen zu haben, sich insbesondere gegen mehrere Personen aus der Umgebung wandte, wurde in Petershain eine umfangreiche Razzia vorgenommen, von der kaum ein Häus verschont blieb. Ein großes Aufgebot Görlitzer Schutzpolizei durchsuchte unter Führung von Landjägereibeamten die einzelnen Häuser und stellte verschiedene Fnnde sicher, die mit der Angelegenheit in Zusammenhang stehen. Verhaftet wurden bisher insgesamt 10 Personen.
Wie die Oberstaatsanwaltschaft Görlitz zu Len Spreng- stoffunden bei Niesky noch mitteilt, wurden bei den in Petershain Festgenommenen Blechkannen gleicher Art wie die im Walde gefundenen, Zündschnüre, Leitungsanlagen und Waffen gefunden. Die Funde lasten darauf schließen, daß die Beschuldigten mit bekannten Sprcngstosfanschlägen in Verbindung stehen oder ihrerseits Sprengstoffanschläge beabsichtigten.
Streik auf deutschen Dampfern
TU. Moskau, 16. Okt. Die Mannschaften der deutschen Dampfer, die sich zur Zeit in russischen Gewässern befinden, sind am Freitag wegen der Herabsetzung der Löhne in Streik getreten. In Leningrad streiken die Besatzungen von insgesamt 81 Dampfern, in Odessa die der beiden Dampfer „Amatea" und „Vier".
Tages-Spiezei
Reichskanzler Brüning hat gestern abeud sein zweites Kabi» nett gebildet. Der Kanzler selbst wird das Außenministerium, Neichswehrminister Gröner das Wehr- «nd Innen» ministerinm» Pros. Warmbold das Wirtschaftsministerium «nd Minister Treviranus das Verkehrsministerium übernehme«. Die Besetzung der übrigen Ministerien hat sich nicht geändert.
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Reichspräsident v. Hindenburg hat das nene Kabinett bestätigt, -essen Aussichten im Reichstage keineswegs günstige sind. Wen« eine Mehrheit für Brüning zustande kommt, dürfte sie nnr sehr gering sei«.
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Reichspostminister Schätze! hat sein Verbleibe« im zweite« Kabinett Brüning von einer Aussprache mit seiner Partei, der Vayr. Volkspartei, abhängig gemacht.
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Der Völkerbundsrat ist znm 13. Oktober «ach Genf znr Stellungnahme zum japanisch-chinesische« Konslilt einbe» rufen worden.
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Die dentschen Großbanken habe» beschlossen, in der Zeit des börseulose« Zustandes ausländische Vcrkaussanträge für deutsche Effekte« nicht mehr anznnehmcu.
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Rach dem letzten Reichsbankausweis habe« sich di« Gold- «nd Devisenbestände der Reichsbank erneut «m 78,7 Millionen verringert. Die Notendecknng beträgt gegenwärtig 80,1 Prozent. E'ne Diskonterhöhung wird trotz de« Vorgänge« in Paris «nd Neuyork nicht erwogen.
Bundespräsidenlemvahl in Oesterreich
Miklas wieder Bundespräsident TU. Wie», 10. Okt. Die Bundesversammlung wählte gestern mittag de» bisherigen Bnndespräsidenten Miklas mit 109 Stimme« erneut znm Bnndespräsidenten. Auf Karl Renner sS.) entsieleu 93 Stimme«.
Zur Wahl des österreichischen Bundeskanzlers durch die Bundesversammlung sagt die „Germania" u. a.: Es ist nicht zu leugnen, daß die österreichische Sozialdemokratie durch ihren Verzicht auf eine Volksbefragung einen Beweis von staatspolitischer Einsicht gezeigt hat, der unter den gegenwärtigen Krisenumständcn einem Gebot der Vernunft entsprach. Die Vorgänge und Maßnahmen in Oesterreich legen angesichts des heranrückenben Termins der deutschen Reichspräfidentenwahl gewisse Parallelen nahe, zumal in Deutschland die innere Lage in noch stärkerem Matze diesen einfachen und natürlichsten Weg empfiehlt.
Der Völkerbundsrat cinberufen
Zur Regelung des Konflikts im Kerne» Osten TU. Genf, 16. Okt. Das Generalsekretariat -es Völkerbundes teilte am Freitag amtlich mit, daß der Völkerbundsrat auf Dienstag den 13. Oktober zur Behandlung deS japanisch-chinesischen Konfliktes einberufen worden sei. Gleichzeitig veröffentlicht das Völkerbundssekretariat ein Telegramm, daß der Generalsekretär im Aufträge des Natspräsidenten im gleichen Wortlaut an die chinesische und die japanische Negierung gerichtet hat. Es heißt darin, in- und außerhalb der Mandschurei hätten sich Zwischenfälle ereignet, die Beunruhigung unter der Bevölkerung hervorgerufen hätten und eine Regelung des Konfliktes erschwerten. Unter diesen Umständen sehe sich der Ratspräfl- dent verpflichtet, im Hinblick auf den bevorstehenden Zusammentritt des Rates die beiden Regierungen an das Ersuchen des Rates während der letzten Verhandlungen über den Konflikt z» erinnern, sich jeglicher Handlung zu enthalten, die zu einer Erschwerung der Lage führen könnte. Er habe die feste Hoffnung, baß die beiden Parteien in Uebereinstimmung mit den vor dem Rat abgegebenen Erklärungen die notwendigen Maßnahmen zur Beilegung des Konfliktes ergreifen würden.
Einladung Briands nach Rom?
TU. Paris, 16. Okt. Außenminister Briand empfing am Freitag den italienischen Botschafter. „Paris Soir" behauptet, daß er aus zuverlässiger Quelle erfahren habe, Laß der Botschafter im Namen Mussolinis Briand zu einem Besuch in Rom etngeladen habe.
Französische Vorverhandlungen in Amerika.
Der Pariser Mitarbeiter der „Morningpost" sagt, die Annahme, daß Morgans Reise nach Paris im Zusammenhang mit Lavals Besuch in Washington stehe, werde dadurch bestärkt, daß am Donnerstag zwei hohe Beamte der Bank von Frankreich nach Neuyork gefahren seien, wo sie mit füh- renden amerikanischen Finanzmännern den Weg für die Besprechungen zwischen Hoover und Lava! vorberetten sollen.