Aufwertungsablösung und Kapitalmarkt
Angesichts der schwierigen Lage am Gelb, uns Realkreditmarkt ist neuerdings die Frage aufgetaucht, ob sich bet der Abwicklung der Aufwertungsablösung nicht unerträgliche Störungen des Wirtschaftslebens ergeben werden. Wenn sich auch die Lage für die nächste Zukunft am Geld- unb Kapitalmarkt noch keineswegs übersehen läßt, so erscheint es nicht uninteressant, die mit der Aufwertung verbundenen Fragen unter dem Gesichtspunkt der Kapitalmarktverhältnisse zu betrachten, zumal uns nur noch ein knappes halbes Jahr vom ersten Stichtag des Aufwertungstermins trennt. Nach den Ermittlungen des Instituts für Konjunkturforschung werden ab 1. Januar 1932 schätzungsweise 7ch bis 8,5 Milliarden Mark Aufwertungshypotheken fällig. Die Folgen dieser Zusammenballung von Fälligkeiten in solchem Ausmaß wären aber unübersehbar, wenn nicht die Hypothekenbanken, Sparkassen und zum Teil auch die Versicherungsgesellschaften vorerst von einer Kündigung von Aufwertungshypotheken Abstand genommen und mit ihren Schuldnern die iveitere Gewährung des Kapitals über den ersten Januar 1932 hinaus gegen höhere Verzinsung vereinbart hätten. Der in den sogenannten Anstaltshypotheken organisierte Kredit umfaßt nahezu erststelligc Aufwertungshypotheken in einer Höhe von etwa 4,2 Milliarden Mark. Von hier aus sind Störungen nicht zu erwarten, da diese Summe zum weitaus größten Teil zu dem erhöhten Zinssatz von 7,5 Prozent bis auf weiteres ruhen wird. Lediglich bei den Lebensversicherungsgesellschaften durfte ein kleiner Teil der Aufwertungsstocks flüssig gemacht werben, da diese Gesellschaften im Hinblick auf die eigenen Auswertungsverpflichtungen sich selbst liquide halten müssen. Indes wirb in den meisten Fällen eine Prolongation gegen höhere Zinsleistungen erreicht worden sein.
Anders verhält es sich bei dem in den Aufwertungshypotheken enthaltenen Privatkapital, das in den weitaus meisten Fällen von dem Kündigungsrecht zum 31. Dezember 1931 Gebrauch gemacht hat. Es handelt sich hier meist um zweit- und mehrstellige Hypotheken, deren Höhe ans 3,3 bis 4,3 Milliarden geschätzt wird. Es liegt auf der Hand, daß die Rückzahlung dieser gewaltigen Kapitalsummen von den Schuldnern aus eigenen Mitteln nicht bewerkstelligt werben kann. Einmal ist der Grundstückseigentümer nicht in der Lage, eine angemessene Rente aus seinem Grundbesitz zu erzielen — kaum, daß er die auf seinem Besitz ruhenden Belastungen tragen kann. Der Gläubiger wird andererseits nach der katastrophalen Entwicklung, die der Grnndstttcks- markt in den letzten Monaten genommen hat, einsehen müssen, daß er seine Ansprüche auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht immer wird durchsetzen können, denn die Erschütterung des gesamten Grnndstücksmarktes müßte als unausbleibliche Folge eine Entwertung des Grundbesitzes nach sich ziehen, letzten Endes auch den Gläubigern zwcitstelliger Grundstücksrechte, die durch den Versteigerungserlös nicht gedeckt werden, die schwersten Verluste zufügen wurde. Die Schwierigkeit der Ileberwindung des Nufwertungstermins liegt also bet den nachstelligen Aufwertungshypotheken.
Die vom Auswertungsschlußgesetz vorgesehene Auswcr- tungsablösung vollzieht sich in großem Umfange im Wege der Umschuldung. Ist es dem Schuldner jedoch nicht möglich, die Aufnahme einer neuen Hypothek zu erreichen, so bleibt ihm kein anderer Weg, als bei der Aufwertnngsstelle die Gewährung einer Zahlungsfrist zu beantragen. Nachdem am 31. März d. I. erstmalig die Einspruchsfrist für die Kündigung zum 31. Dezember 1931 abgelanfen war, läßt sich ein ungefährer Ueberblick über den Umfang der eingelegten Einsprüche gewinnen. In Preußen ist für einen Kapitalbetrag von nur etwa 460 Millionen Mark Auswertungshypotheken von dem Einspruchsrecht Gebrauch gemacht worden. Das stellt einen verhältnismäßig geringen Netrag dar und spielt gegenüber der Gesamtsumme aller aufgewerteten Papicr-
mavkhyphvcheken kaum eine Rolle. Man kann daraus schließe», daß für die übrigen Auswertungshypotheken, soweit sie zum 1. Januar 1S32 fällig werden, entweder Abmachungen über die Verlängerung der Laufzeit getroffen worden sin- oder baß der Schuldner in der Lage ist, die fällige Hypothek zurückzuzahlen, was allerdings nur einem verschwindend kleinen Teil möglich sein dürfte.
Die Befürchtungen, Saß der Aufwertungstermin große Umwälzungen am Kapitalmarkt hervorufen wird, scheinen sich demnach nicht zu erfüllen. Der Großteil der Aufwertungsablösung erfolgt buchmäßig im Wege der Umschuldung, so baß den den Realkredit finanzierenden Instituten hieraus eine bedeutende volkswirtschaftliche Ausgabe erwächst. Die Hypothekenbanken haben sich darauf bereits eingerichtet, das Umschulöungsgeschäft als Ersatz für die bisherige Belei- hungstätigkeit in den nächsten Jahren besonders zu pflegen. Wieweit es unter den gegenwärtigen Verhältnissen möglich sein wird, eine wünschenswerte Senkung der Beleihungskosten für Neubeleihungen durchzusetzen, erscheint im Augenblick noch recht wenig deutlich, nachdem durch die Vorgänge der letzten Wochen die Pfandbriefknrse wieder völlig in Unordnung geraten find. Handelt es sich um eine bloße Prolongation, so wäre es eine unbillige Härte, wenn die Banken oder Versicherungsgesellschaften sich für eine verhältniSmäß kurze Verlängerung der Aufwertungshypotheken bis 1934 bezw. 1936 eine besondere Gebühr zahlen lassen wollten. Es soll Institute geben» die sich tatsächlich eine Prolongationsgebühr bis zu 3 Prozent bewilligen lassen und darüber hinaus
Von links nach recht: der engl. Außenminister Henöer- s o n, der italien. Außenmin. Grandi, Reichsautzenminister Curtius, Reichskanzler Brüning, der englische Ministerpräsident Macbonalü, Frankreichs Außenminister Briand und der französische Ministerpräsident Laval, hinter Laval der französische Finanzminister Fl and in.
de« Schuldner mit weiteren Unkosten für NeuaHschätzunge« des Grundstücks, außer der Erhöhung -es Zinssatzes, belasten. Selbstverständlich sind derartige Forderungen unangemessen, sie stehen in gar keinem Verhältnis zur Gegenleistung. Die Mitteldeutsche Bodenkrvöit-Anstalt, die den Haus- und Grundbesitzer-Organisationen nahesteht, hat auf die Möglichkeit eines Sonderverdienstes im Interesse -es Hausbesitzes ver-> ö'wtet. ^ großen Hypothekenbanken pflegen irgendwelche Gebühren für die Prolongation nicht zu berechnen. Eine Neuabschätzung des Grundstücks auf Kosten des Schulö- ners wird in der Regel nur dann vorgenommen, wenn der das Grundstück besichtigende Architekt sie für notwendig erachtet.
Eine bedeutungsvolle Rolle bet der Umschuldung dürften die Sparkassen spielen, soweit es sich um Neubekeihungen handelt. Ihnen werden wohl in der -Hauptsache die kleinen Objekte zufallen, und zwar in einer durchschnittlichen Höhe von 7590 Mark, soweit die städtische Beleihung in Frage kommt. Freilich wird es bei ihnen besonders schwierig sein, eine fühlbare Senkung der Beleihungsbcdingungen eintreten zu lassen, da sie durch die anhaltende Arbeitslosigkeit und den damit verbundenen Rückgang des Einlagezuwachses in ihrer finanziellen Stärke geschwächt worden sind. Die bei ihnen laufenden alten Hypotheken dürften dagegen den Kapitalmarkt kaum in Mitleidenschaft ziehen, da sie durchweg nicht gekündigt sind. Somit ist die Annahme berechtigt, daß der Kapitalmarkt durch die AufwcrtungSablösung nicht übermäßig belastet wird und dem Wirtschaftsleben besondere Gefahren, entgegen den bisherigen Befürchtungen, von dieser Seite jedenfalls nicht drohen.
Reichskanzler Brüning, Sieichsaußcnminister Curtius, die Staatssekretäre und der Pressechef der Reichsregierung rei- sten keste vormittag über Brüssel nach Berlin ab.
Schatzamtsseketär Mellon und Staatssekretär Stimso« waren gestern abend Gäste des Reichskanzlers im Carlton- hotel.
Europas Staatsmänner in London versammelt
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NEE
Fahrt in die Grenzmark
Von Lutz Heine-Schneidemühl.
Es würde merkwürdig anmuten, wenn man in Mitteldeutschland oder gar noch weiter westwärts die Absicht laut werden ließe, seine Urlaubswochen in der Grenzmark Posen- Westpreußen zu verleben. So wenig kennt man im allgemeinen unsere liebe deutsche Ostmark, und so häufig spielt ein spöttisches Lächeln um die Lippen derer, die westlich von Küstrin wohnen, wenn ein Ostmärker von der Schönheit seiner Heimat spricht. Wer aber den deutschen Osten kennt und Wurzeln in seiner armen und doch so herrlichen Erde geschlagen hat, der mag sich so leicht nicht wieder losreißen.
Heute bietet eine Wanderung durch die Grenzmark bei allen ihren Schönheiten allerdings sehr viel Herbes. Wie oft steht man vor den schönsten Winkeln und darf keinen Schritt weiter, weil dort die polnische Grenze läuft. Erst wer die Tatsachen sieht, kann die Willkür ermessen, mit der man hier zusammengehöriges Land zerschnitten hat. Wieviel Elend hat dieses Unrecht von Versailles über Tausende deutscher Menschen gebracht! Die Grenzlandbewohner sind hart geworden. Wenn jemand von ihrer Not spricht und dabei auf die Hilfe des Reiches anspielt, zuckt ein verbissenes Lachen über ihr Gesicht. Niemand glaubt mehr daran, und sobald von der Osthilfe die Rede ist, hört man häufig die verbitterten Worte: „Bei denen, die noch nicht bis zur Hälfte verschuldet sind, ist eine Hilfsaktion noch nicht nötig,- und wo die Hälfte erreicht ist, erscheint eine Unterstützung nicht mehr notwendig, da das Ende ja von selbst kommt." Die Leute haben mit ihrem Galgenhumor nicht unrecht; denn wer glaubt heute im Ernst noch an eine Osthilfe? Man dürfte über ihre Wirksamkeit auch berechtigte Zweifel hegen; denn in manchen Ortschaften genießen die Bauernwirtschaften bald bis zu 50 v. H. den Vorzug der Zwangsbewirtschaftung.— Falls in Kürze keine Linderung in der Lage der Landwirtschaft eintritt, treibt die Notlage im Osten zur Katastrophe. Wer den Jammer in seiner ganzen Ausdehnung sieht und hört, wundert sich überhaupt über die Ruhe, mit der man bisher alles ertragen hat. Die nationale Not können sie aushalten. Tag für Tag schaue« unsere Bauern hier mit harten Augen nach Polen hinüber, aus dem vielleicht einmal das Feuer des Krieges über ihr Land hereinbricht. Und wenn man davon spricht, dann ballen sie die Fäuste: „Wir wehren uns mit dem. was wir haben.
aucy wenn ye uns Dahinten" — Der Wmr gnr Denen rin Reiche — „im Stich lassen."
Die Bauern am Wege wundern sich, wie wir da die Straße entlang ziehen mit dem Rucksack auf dem Rücken. Obwohl sie uns nicht kennen — ein fröhliches „Grüß Gott" haben sie immer übrig. Fremdlinge in ihren Feldern? Das ist ein Ereignis, das sie nicht alle Tage erleben. Sie haben es nicht leicht auf ihrem Sandboden, der dazu noch Steine und Felsblöcke birgt, die in saurer Arbeit gesprengt und aus- gegraven werden musien. Toq io unglaublich mühselig die Feldarbeit sein mag, die Bauern hängen mit einer Liebe an ihrem Land, wie man sie selten findet. Und ein Blick rundherum verrät leicht die Ursache solcher Erdverwachsenheit; denn soweit das Auge reicht, unterbrechen und umrahmen mannigfache Schönheiten die Felder. Wiesen und Heide, Laub- und Nadelwälder. Moore und herrliche Seen. — Diese Abwechslung verleiht der Grenzmark einen eigenen Liebreiz. Die Natur offenbart sich stellenweise in einer Unberührtheit, wie sie selten in anderen Gebieten unseres Vaterlandes zu finden ist. Da stehen Wälder, so dicht, daß sich ein Mensch kaum hindurchzwängen kann. Zahllosem Wild dienen sie als begehrter Unterschlupf. Und mitten hineinverflochten in eine Romantik von Wildheit und Anmut birgt dieser Teil der Grenzmark Sehenswürdigkeiten, die man in Mitteldeutschland längst zu Wallfahrtsorten der Wanderlustigen gemacht hätte. Aber hier ruhen sie — nur den Einheimischen bekannt — versteift in den ausgedehnten Wäldern. So beherbergt zum Beispiel der H a m m e r st e i n e r Forst in seinem erstaunlich abwechslungsreichen Waldgebiet tausendjährige Eiben, die sonst nur noch einmal in Süddeutschland als die letzten Reste früherer weiter Eibenwälder in unserem Vaterlande zu sehen sind. Und in der Nähe von Prechlau nisten auf herrlichen Buchen die letzten Kormorane Deutschlands. Sie teilen sich die gewaltigen Bäume mit einem Reihervölkchen. Der preußische Staat hat diese Seltenheiten zu Naturschutzgebieten er- klart, und die Kormorane haben sich bereits so vermehrt, daß jährlich sechzig dieser großen Vögel abgeschossen werden dürfen, da sie sonst an den Bäumen und unter dem Fischbestand zu fühlbaren Schaden anrichten.
Neben diesen Schönheiten und Seltenheiten ist unser ostdeutsches Vaterland reich genug an Erinnerungsmalen deut«
rruenlyaiven ragen Die NUliicn Der L)rocnsvurgen zum Fimmel empor als Wahrzeichen, die unseren Geschlechtern künden, wie die Vorfahren ernst in hartem Kampfe um dieses Land rangen.
Wir wissen genau, daß wir heute nicht die Möglichkeiten haben, einen Kampf mit Waffen um verlorenes Land zu führen. Aber der Pole selbst zeigt tagtäglich mit einer unglaublichen Zähigkeit, wie man kämpfen und einem fremden Volkstum Stück für Stück seiner Macht abbrcchen kann. Der Pol- nische Westmarkenverein — mit allen Mitteln von seiner Regierung unterstützt — läßt durch seine Mittelsleute heute planmäßig die Grundstücke der durch die wirtschaftlichen Mißverhältnisse ruinierten Deutschen in der Grenzmark aufkaufen. So geht Stück für Stück deutschen Landes an den Feind ver- ^ loren. Rücksichtslos wüten Finanzämter und Gerichtsvoll, zieher und vernichten dabei das wertvollste deutsche Volksgut.
Es ist traurig genug, daß in deutschen regierenden Krei- sen bisher keine Neigung dafür^ aufkommen konnte, unseren nahezu verzweifelnden Grenzmärkern mit glichen Mitteln — wie es in Polen geschieht — beizustehen. Die Osthilfe war nur eine schöne Geste und wird eine solche bleiben, swänge nicht ein entschiedener nationaler und gerecht sozialer R I gesteuert wird. Ein Sozialdemokrat, der (nach Crispien) k n ' Vaterland kennt, wird auch niemals den Werr einer deutschen Ostmark begreifen können. Man erhofft deshalb auch hier viel von den Neuwahlen in Preußen, falls es bis dahin ch
Krzeln schlugen - finden in ihrer Ferienzeit den Weg
^"^Darum ihr Deutschen in Stadt und Land in Schulen und Verbänden, wacht auf und helft euren Volksgenossen in der Ostmark. Zeigt ihnen, daß ganz Deutschland ihrer und ihrer Not gedenkt. Die Ostmärker danken euch diese Muhe dadurch, daß sie hier auch für euch den erbitterten Grenzkampf bestehen. Habt ihr Zeit und Geld zum Reisen, dann kommt einmal auch in unsere Wälder, erholt euch m 'hrer Luft und badet einmal in unseren Seen, und wenn >hr he »9 ^ chann kündet, wobin ihr immer kommen mögt, von un,er«. armen und doch io reichen Ostmark