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Nr. 167

Dienstag, den 21. Juli 1931

Jahrgang 104

Beginn der Londoner Ministerkonferenz

Macdonold über die Bedeutung der bevorstehenden Verhandlungen Lava! berichtet über die Pariser Aussprache, Brüning über die deutsche Finanzkrise

London, 21. Juli. Die Londoner Ministcrkonfercnz ist gestern abend zu ihrer ersten Sitzung zusammcngetrctcn. Am Schluß der Sitzung wurde folgende offizielle Mit­teilung herausgegeben:

Die erste Zusammenkunft der Ministerkonfercnz wurde unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten Macdonald in dessen Amtszimmer im Parlamentsgebäude eröffnet. Der Ministerpräsident'leitete die Konferenz mit einer Begrüßung der Delegierten ein und gab eine längere Erklärung ab, in der er auf die Vorgeschichte und die Ursachen der Krise und auf die gegenwärtige Lage eingiug, sowie die Aufgaben der Konferenz näher umschrieb.

Herr Laval berichtete anschließend den Anwesenden über die in Paris stattgefundenen Verhandlungen und kcnn- zeichnetc den Geist in dem die Besprechung zwischen den deutschen und den französischen Ministern geführt worden waren. Er legte weiter die Lage Frankreichs im Zusammen­hang mit den bevorstehenden Erörterungen bar und drückte nochmals seine Hoffnung für eine loyale Zusam­menarbeit zwischen Deutschland und Frank­reich zur Wiederherstellung des Vertrauens und des Kre­dites in der Welt aus.

Dr. Brüning bestätigte den Geist der Zusammen­arbeit und gab an Hand von Statistiken einen Ueberblick über die finanziellle Lage Deutschlands und erklärte die Maßnahmen, die ergriffen worden seien, um der Schwierigkeiten Herr zu werden. Er betonte die drin­gende Notwendigkeit einer Hilfeleistung, um die be­stehenden Schwierigkeiten beseitigen zu können.

Die Frage der Einsetzung eines Arbeitsausschusses wurde aus die nächste Zusammenkunft (heute vormittag 10 Uhr im englischen Außenamt) vertagt."

lieber die 1. Sitzung der Londoner Ministcrkonfcrenz wird von deutscher Seite in Ergänzung der offiziellen Mit­teilung vermerkt, daß Reichskanzler Brüning in seiner Rede die Erfüllung zweier Bedingungen für notwendig erachtet habe.

1. Die Abziehnng von Krediten aus Deutschland sei zu verhindern.

2. Die Golddcckc sei zn vergrößern.

Macdonalds Eröffnungsrede.

Während die Ausführungen des französischen Minister­präsidenten und des Reichskanzlers der Oeffcntlichkeit nicht übergeben wurden, wurde die Ansprache Macdonalds im vollen Wortlaut bekannt. Macdonald erklärte u. a.: Die Konferenz hat nicht nur die Maßnahmen zu erwägen, die notwendig sind, um die Hoovcrvorschläge in Kraft zu setzen, sondern hinzu muß die Erörterung des dringenden Notzustandes treten, der seitdem in Deutschland entstanden ist. Andernfalls ließe sich die Flut nicht hemmen, die das politische, soziale und finanzielle Leben Zcntraleuropas be­drohten. Die Lage Deutschlands zeigt hinsichtlich des Haus­halts der Handelsbilanz, der wirtschaftlichen und der indu­striellen Organisationen keine radikalen Fehler. Es ist also die Aufgabe der Konferenz, das Vertrauen der aus­ländischen Geldgeber zu Deutschland wieder h e rz u st e l l c n. Dieses Problem hat eine politische und eine finanzielle Seite. Aber die Konferenz hat sich auf die letztere zu konzentrieren. Man müsse berücksichtigen, daß auf der einen Seite Hemmungen der öffentlichen Meinung da sind, daß aber auf der anderen Seite auch niemand er­niedrigt werden darf. Man muh also ein Kompromiß finden, das allen Parlamenten genehm sein würde. Der Wille zum Erfolg muß die Konferenz beseelen.

Tie finanzielle Seite der Krise und die Frage, was getan werden kann, muß den Bankiers und Finanziers Vor­behalten bleiben. Es gibt anscheinend zwei Möglichkeiten. Der eine Weg ist, Mittel für neue Anleihen und Kredite für Deutschland zu finden. Ties ist in Paris erwogen worden. Aber es bestehen wohl noch Schmierig­keiten, die überwunden werden müßten, ehe eine Anleihe auf dem Markte aufgelegt werden könnte. Der andere Weg würde sein, die Frage direkt in Angriff zu nehmen, wie man durch Stärkung der inneren deutschen Lage der übrigen Welt eine Sicherung ihrer Stabilität geben könnte, um auf diese Weise nicht nur den Abfluß des noch in Deutschland befindlichen Kapitals zu verhindern, sondern au i Einen Rückfluß zu ermöglichen. Es kann keine Frage len,, daß die deutsche Wirtschaft stark ist, vorausgesetzt, daß pe über die notwendigen Kapitalquellen verfügt. Aus diesem Grunde hat Präsident Hoover die Aussetzung aller Kriegs- «nd Reparatwnsschulben für 1 Jahr vorgeschlagen und die­ses schon bedeutet für Deutschland eine sehr wirksame un­wichtige Hilfe. Es kann sein, daß sie noch nicht genügt, aber dies ist eine Krage, die erst später zu klären wäre.

Macdonald empfahl zum Schluß größtmöglichste Be­schleunigung der Konferenz. Jeder Tag vergrö­ßere die Gefahren eines völligen Zusammenbruches, der sich menschlicher Kontrolle entzöge.

NurStillhaltekredit" ohne Frankreich?

Eine Londoner Meldung desVorwärts" deutet die Äußerungen Macdonalds in seiner Eröffnungsansprache, wo er u. a. von der direkten Inangriffnahme der Frage sprach und die Erklärung des Kanzlers, in der er die Verhinde­rung der Abziehung von Krediten aus Deutschland und die Vergrößerung der Golddecke forderte, dahin, baß dem Plan einer großen internationalen 2 Milliardenanlcihe der Gedanke eines sogenannten Stillhaltekredites ent­gegengesetzt wird, den die amerikanischen und englischen Banken unter Umständen auch ohne Frankreich aufzubrin­gen imstande wären. Dieser Kredit, dessen Höhe noch nicht genannt werde, würde zur Verfügung der Reichsbank stehen, um die normale Golddeckung wieder herzustellen. Er könne je nach Bedarf in Anspruch genommen werden.

Wie offiziell nach einer Konferenz Hoovers mit Mills, Dawes und Morrow in Washington bekannt gegeben wird, werden die amerikanischen Vertreter auf der Londoner Kon­ferenz am heutigen Dienstag amerikanische Hilfsvorschläge zugunsten Deutschlands unterbreiten.

Zuversicht in Berlin

TN Berlin, 21. Juli. Nachdem nun in Berlin ausführ­liche Berichte über den Verlauf der deutsch-französischen Verhandlungen vom Sonntag eingetrofsen sind, wird an unterrichteter Stelle noch einmal betont, daß Deutschland alles, was man glaubte in Paris erwarten zu können, er­reicht habe. Die Versuche der französischen Presse uns vor ein Ultimatum zu stellen, seien fchlgeschlagen. Als besonders erfreulich wird in Berlin die Tatsache bezeichnet, daß das finanzielle Problem nicht in Paris verhandelt worden sei, sondern in der günstigeren Londoner Atmosphäre verhan­delt werde.

Eine Erklärung Brünings vor seiner Abreise «ach London

Reichskanzler Brüning gab vor seiner Abreise nach London einem französischen Pressevertreter folgende Erklä­rung-Im Augenblick, wo wir Frankreich verlassen, um uns nach London zu begeben, möchten der Außenminister und ich selbst nicht versäumen, zu erklären, wie tief gerührt wir durch den liebenswürdigen und warmen Empfang gewesen sind, den uns die französische Negierung bei unserem Be-

Tages-Spiegel

Die Ministerkonserenz in London ist gestern abend durch Macdonald eröffnet worden. Laval berichtete über die Ergebnisse der Pariser Aussprache», woraus Brüning über die deutsche Finanzkrise sprach.

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D>e deutschen Minister habe,, die Reise ParisLondon ge» meinsam mit den französische«, belgischen «nd italieni­schen Staatsmännern zurückgelegt. Mährend der Fahrt wurden politische Besprechungen geführt.

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In Berlin zeigt man sich über den Ausgang der Pariset Anssprache befriedigt und sicht den Londoner Verhand­lungen mit Zuversicht entgegen.

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Das Reichskabinett hat «nter Leitung von Vizekanzler Die» trich gestern die gesamtpolitische Lage erörtert und eine neue Notverordnung über Zuschläge auf Steucrrück- stäude verabschiedet.

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Die Auflockerung -es Zahlungsverkehrs hat z« keinem ver­mehrten Andrang bei den Bankanstalten geführt.

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Das für die Polarsahrt «mgebante LuftschiffGraf Zeppe» lin" wird voraussichtlich am Freitag über Berlin nach Leningrad fahre«, von wo aus die Arktisexpedition an- gctreten werde« soll.

such in Frankreich bereitet hat. Wir haben uns darüber ge­freut, daß wir in aller OffeiMit unsere gMnseitigen Mei­nungen mit unseren französischen Kollegen austauschen konnten und wir sind überzeugt davon, daß diese direkte Fühlungnahme für eine immer fruchtbarer werdende Ent­wicklung der deutsch-französischen Zusammenarbeit, an der uns aufrichtig gelegen ist, begrüßenswerte Auswirkungen haben wird".

Bei der Abreise der deutschen Minister aus Paris zeigte die Pariser Bevölkerung eine sehr freundliche Haltung. Wäh­rend der Reise nach London fanden dann zwischen den Mini­stern weitere Unterredungen statt, die zur Klärung mancher Fragen bcigetragen haben dürften. In London wurden die ausländischen Gäste vom englischen Ministerpräsidenten mit Herzlichkeit empfangen. Vor dem Bahirhof ereignete sich ein Zwischenfall, der durch einige deutsche Nationalsozialisten hervorgerufen wurde. Sie riefen plötzlich:Heil Hitler! Nieder mit Brüning!" und zwar gerade in dem Augenblick, als an der Menschenmenge der belgische Außenminister Hymans vorbeifuhr. Sie hatten anscheinend die Flagge an dem, belgischen Auto mit der deutschen Flagge verwechselt.

Die Zollunion vor dem Haager Gerichtshof

Der deutsche Vertreter widerlegt die Einwände Frankreichs

Zuschläge auf Steuerrückstände

TU. Haag, 21. Juli. Der Ständige Internationale Ge­richtshof im Haag ist am Montag in öffentlicher Sitzung zu­sammengetreten, um sich auf Antrag des Völkerbunüsrates mit dem deutsch-österreichischen Zollabkommen zu beschäfti­gen, über dessen Vorbereitung die deutsche und die öster­reichische Regierung durch Protokoll vom IS. März 1931 übcreingekvmmen sind.

Nachdem der Schiodsgerichtshof einen österreichischen und einen tschechoslowakischen Antrag auf Berufung von Rich­tern ad hoc abgclehnt hatte, ging er zur Verhandlung der Frage des deutsch-österreichischen Zollabkommens über. Zu­erst erhielt der deutsche Vertreter Pros. Dr. Bruns das Wort. Er wies einleitend darauf Hin, daß die zur Verhandlung stehende Angelegenheit nicht von wirtschaft­lichen oder politischen Gesichtspunkten aus betrachtet werden dürfe. Es handelt sich vielmehr um eine rein juristische Frage. Der Redner behandelte dann die von Oesterreich im Art. 88 des Vertrages von St. Germain und dem Genfer Protokoll übernommenen Verpflichtungen, wobei er fest- stelltc, daß das Protokoll keinerlei Auslegung des Wor­tesUnabhängigkeit" enthalte, wie dies im Vertrage von St. Germain angewandt sei. Die französische Denkschrift mache keinen Unterschied zwischen der Bedeutung der Be­griffe Unabhängigkeit, wie sie im Vertrage und im Proto­koll festgelegt seien. In dieser Hinsicht sei die französische Regierung der gleichen Ansicht wie die deutsche und die österreichische Regierung. Die Auffassung -er italienischen und tschechoslowakischen Regierungen, die einen Unterschied machten, sei unhaltbar.

Prof. Bruns wandte sich dann der Frage zu, ob die Un­abhängigkeit Oesterreichs, sei es juristisch, fei es tatsächlich, irgendwie Schaden gelitten hätte. Er bestritt dabei das fran­zösische Beweismittel, daß der Begriff Unabhängigkeit so­wohl im Vertrage als auch im Protokoll nicht nur rechtliche sondern auch politische und wirtschaftliche Bedeutung habe.

TU Berlin, 21. Juli. Amtlich wird mitgeteilt: In den letzten 2 Wochen sind die Steuereingänge außerordentlich stark zurückgegangen. Das ist ein unerträglicher Zustand, der den ganzen Berwaltungsapparat auf die Dauer lahm legen würde. Deshalb ist eine pünktliche Steuerzahlung öringend ersordcrlich. Um dieses Ziel zu erreichen, und den ord­nungsmäßigen Eingang der Stenern des Reiches, der Län­der, Gemeinden und GemeinLevcrbände zu gewährleisten, ist am Montag eine Verordnung über Zuschläge für Steuerrückstände erlassen worden. Diese Verordnung enthält im wesentlichen die gleichen Bestimmungen, wie sie im Dezember 1923. die zweite Steuernotverordnung, getrof­fen hatte. Die wichtigste der Bestimmungen lautet dahin, daß für rückständige Beträge an Einkommensteuer, Körper- schaftssteucr, Vermögenssteuer, Ortschaftssteuer, Uinsatz- steuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer oder Hauszinssteuer für die Zeit vom 1. August 1931 ab Verzugszuschläge in Höhe von 5 Prozent halbmonatlich erhoben wer­den. Eine Erhöhung von Verzugszuschlägen findet jedoch insoweit nicht statt, als die Steuerbehörde für die rückstän­dige Steuer Stundung bewilligt hat. Gestundete Steu­ern sind, sofern nicht Zuschlägestundung bewilligt ist mit jährlich 69 Prozent (je nach der besonderen Lage des einzelnen Falles) zu verzinsen. Für die sogenann­ten Aufschubzinsen beträgt der Zinssatz in Zukunft 10 Prozent jährlich. Doch bleibt es für Beträge die vor der Verkündung der neuen Verordnung ausgeschoben find, bei dem bisherigen Zinsfuß. Bei denjenigen Steuern, bei denen nicht die neuen Vorschriften über Verzugszuschläge Platz greisen (z. B. bei den Verbrauchssteuern) werben bei nichtrechtzeitiger (unbefugterweise unterlassener) Zahlung Verzugszinsen erhoben.