Aus Stadt und Land

Calw, den 30. Juni 1931.

Tnrneranszeichnung

Dem Mitglied der Männerriege, Herrn Ernst Stähle, des Turnvereins Calw v. 1848 wurde vom Deutschen Reichs­ausschuß für Leibesübungen das Deutsche Turn- und Sportabzeichen in Gold verliehen. Die vorgeschrie­benen Leistungen sind von dem 45jährigen Turner einwand­frei bewältigt worden, was erneut beweist, daß ein geübter Körper auch im vorgeschrittenen Alter beachtenswerte Lei­stungen im Turnen und Sport zu erreichen vermag.

Vom Rathaus Altensteig.

Zu Beginn der Sitzung wurde der an Stelle des verstor­benen Geineinderatsinitglicds Henßler getretene Ersatzmann Wilhelm Maier, stüdt. Musikdirektor, gemäß der Gemeinde- orduung durch Ablegung eines Diensteides verpflichtet.

Die Latein- und Realschule hat um Uebcrnahme der Kosten iür Lernmittel an wenig bemittelte Schüler auf die ^stadt- kasse nachgesucht, da die der Schülerwohlfahrtspflege zur Verfügung gestellten Mittel nicht ausreichen. Bei einem Teil der Schüler wird die Bedürftigkeit durch den Gemeinde­rat festgestellt, dementsprechend werden deren Lernmittelkosten auf die Stadtkassc übernommen. Die durch den Auszug des Stadttierarztes Dr. Schneider freigewvrdene Wohnung im städt. Elektrizitätswerk soll auf Kosten der Stadt ausgebes- iert und in zivei Wohnungen aufgeteilt werden. Bezüglich .der im letzten Jahr angeschafften Kreiselpumpe in der neu- -erbanten Pumpstation für die Hochdruckanlage hat sich heraus- ^estellt, daß dieselbe für die hiesige Hochdruckanlage zu schwach ist. Der Gcmeinderat hat daher beschlossen, bei der Liefer­firma Auskunft darüber einzuholen, wie hoch sich die Kosten .ee.' Einbaues einer stärkeren Pumpe stellen, und um welchen Preis sic die eingebaute Pumpe zurücknimmt. Der Vor­anschlag über die Verwaltungskvstcn der städt. Sparkasse Äüensteig für das Geschäftsjahr 1931, entworfen von der .städtischen Sparkasse, wird gemäß den neuen Vorschriften vom -Gemcindcrat sestgestcttt. Gegen den von der Gemeinde Füiisbrontt znr Einsichtnahme vorgelegten Haushaltsplan für

Rechnungsjahr 1931 wird eine Einwendung nickt erbo­sen. Alsdann wird in die Beratung des heutigen Haupt- :ge?.eustandcS, nämlich Feststellung des Voranschlags 1931 der Slad.gemeindc, eingetreten. Die Gesamteinnahmen betragen 20! 000 Nm. und die Ausgaben 333 790 Rm., der Abmangel -also 132 700 Rm. Hiezu kommt noch eine Unzulänglichkeit vom Vorjahr mit 1500 Rm., so daß sich ein Gesamtabmangel von 131 200 Nm. ergibt, welcher wie folgt gedeckt werben soll: durch 1. Gemcindeumlage mit 20 Prozent leine Erhöhung des Umlagesatzes läßt die Notverordnung nicht zu) mit einem Ausbringen von 80 000 Nm., 2. Ucberschnß vom Elektrizitäts­werk 23 000 Nm., 3. Verkauf von nicht zum Liegcnschafts- ornndstvck gehörenden Grundstücken 5000 Rm., 4. Beitrag aus dem Ansgleichstock und Staatsbeitrag zu den Lehrergehäl- tcrn zusammen 20 000 Nm., so daß noch 6200 Rm. ungedeckt wären, welche durch Einsparungen im Laufe des Rechnungs­jahres aufgebracht werden sollen. Die Einnahmen für das Jahr 1931 sind gegenüber 1930 um etwa 60 000 Rm. geringer, was hauptsächlich auf den bedeutenden Rückgang der Holz­erlöse zurückzuführen ist. Der Voranschlag ist ganz und gar von dem Steigen und Fallen der Hvlzcrlöse abhängig. Das katastrophale Sinken der letzteren bedingt daher die Ergrei­fung außerordentlicher Sparmaßnahmen. Bis zur nächsten Sitzung des Gemeinderats sollen weitere Vorschläge gemacht werden mit dem Ziel, nicht zwangsläufige Ausgaben dikta­torisch herabzusetzen. Außerdem wird es Aufgabe der städti­schen Verwaltungen sein, bis in alle Einzelheiten äußerste Sparsamkeit walten zu lassen.

SVjähriges Jubiläum des Lehrerseminars Nagold Das evangelische Lehrerseminar Nagold beging am Sonntag die Feier seines 60jährigen Bestehens. Aus nah und fern waren zahlreiche Gäste in die festlich geschmückte Seminarstaöt herbeigeeilt. Den eigentlichen Festakten zum Seminarjubiläum gingen am Samstag zwei Gedenkfeiern auf dem Nagolber Friedhof und am Gefallenendenkmal des Seminars voraus. Die Lehrer und Seminaristen marschier­ten in geschlossenem Zug zum Friedhof. An jedem der vier Gräber der in Nagold beerdigten früheren ständigen Lehrer des Seminars sprach der Seminarvorstand, Oberstudien- birektor Bauser, einige Worte des Gedenkens. Anschließend versammelten sich Lehrer und Schüler am Gefallenendenk­mal des Seminars. Oberstudiendirektor Bauser hielt auch hier die Gedenkrede. Den Auftakt zu den programmäßigen Festlichkeiten gab der Begrüßungsabend am Samstag im Löwensaal. Am Sonntagvormittag fand der offizielle Fest­akt im Löwensaal statt. Als Gäste waren anwesend Kult­minister Bazille, Ministerialrat Dr. Beitzwänger, der Prä­sident der evangelischen Oberschulbehörde Dr. Rcinöhl und verschiedene Abgeordnete des Württembergischen Landtags. Oberstudienbirektor Bauser hielt die Festrede. Er begrüßte die Gäste, erwähnte die Gratulationsschreiben des Staats­präsidenten Dr. Bolz und des Finanzministers Dr. Dehlin- ger und gab seiner Freude Ausdruck, daß die Vertreter der Vorgesetzten Behörde das Seminar und die Stadt mit ihrer Anwesenheit erfreuten. Das Fest trage dreifachen Charakter, als Schulfest, als Fest für Stadt und Bezirk und als Fest, das das ganze Land angeht. Glttckwunschansprachen hielten Präsident Dr. Reinöhl namens des Kultministeriums, Ober­studiendirektor Melber-Eßlingen für die Seminar-Schwe­steranstalten, Oberstudienbirektor Hettler-Heilbronn für den Württembergischen Seminarlehrerverein, Bürgermeister Mater für die Stadt Nagold, Dekan Otto-Nagold, Studien­direktor Nagel-Nagold für die anderen Nagolder Schulen. Das gemeinschaftliche Festessen fand im Traubensaal statt. Kultminister Bazille bedankte sich für die vielseitige Ehrung und freute sich, daß man nun auch anderer Meinung gewor­den sei über seine Stellung gegenüber der Volksschule. Wenn das Nagolber Seminar nicht aufgelöst wurde, so sei dies kein persönliches Verdienst von ihm, vielmehr eine Folge­rung aus seiner Auffassung, daß Kulturzentren auf dem ganzen Lande erhalten bleiben müßten. Es schloß sich eine Besichtigung des Seminars an. Nachmittags fand im Trau­

bensaal die Aufführung der Oper »Orpheus" von Gluck statt. Der Abend brachte als Ueberraschung eine prächtige Illumination des Seminars. Am Montag fanden noch sportliche Wettkämpfe und Aufführungen statt, ebenso noch Kursversammlungen.

Wetter für Mittwoch und Donnerstag.

Hochdruck erstreckt sich von Westen nach Osten und läßt für Mittwoch und Donnerstag immer noch mehrfach heiteres, aber in stetgenbem Maße zu Gewittern neigendes Wetter er­warten.

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SCB. Pforzheim, 29. Juni. Beim Baden in der Enz sprang gestern nachmittag am Eiizbamm ein zu Besuch bei Anverwandten in Weiler wohnender junger Mann kopfüber ins Wasser und schlug mit dem Kopf so hart auf einen Stein ans, daß er sofort bewußtlos und vom Wasser abgetrieben wurde. Der in der Nähe badende Arthur Kleylc sprang dem Verletzten sofort nach und brachte ihn ans Ufer. Der Ver­letzte wurde bewußtlos ins Städtische Krankenhaus trans­portiert. Dort wurde ein Bruch der Halswirbelsäule fest­gestellt. Es besteht Lebensgefahr.

Höfen a. E., 29. Juni. Gestern fand unter Leitung von Landrat LempP die Ortsvorstehermahl statt. Dabet wurde Bürgermeisteramtsverweser Otto Hahn mit 458 von 718 gültig abgegebenen Stimmen gewählt. Der Gegenkandidat, Rechnungsrat Schaiger, erhielt 259 Stimmen.

SCB. Frewdenstadt, 29. Juni. Bürgermeister Dr. Blai- chcr hatte unlängst scharfe Kritik an der Regierung geübt und Finanzmintster Dr. Dehlinger hatte ihm darauf erwi­dert. Nun hat neuerdings Bürgermeister Dr. Blaicher auf diese Erwiderung geantwortet und an den Finanzmintster ein längeres Schreiben gesandt, worin darauf hingewiesen wird, daß die Stabtgemeinde sowohl die Bürgersteuer wie auch die Biersteucr eingeführt habe, daß aber bet dem Ver­bot der Umlageerhöhung sicher nicht daran gedacht worden sei, daß Städte, die ihre Haupteinnahme aus dem Waldbesitz haben, in eine derartige Notlage durch die dauernd sinken­den Waldeinnahmen kommen würden. Der Finanzminister wird aufs dringendste und ergebenst gebeten, in irgend einer Richtung auf dem Gebiete der Straßenbauvcrwaltung eine größere Arbeit für den Bezirk Freudenstadt zu ermöglichen, um so einen Teil der unerträglichen Lasten auf sich zu neh­men.

SCB. Freudenstabt, 29. Juni. Am Samstag unternahm der 19jährige Gerhard Ertle von hier mit einigen Kamera­den eine zweitägige Wanderung über Gernsbach nach Ba­den-Baden. Sonntag früh befanden sich die jungen Leute auf dem ebenen Felsplatcau des Battertfelsens. Ertle machte einen Schritt über einen Felsabsatz, stolperte nnd stürzte kopfüber lautlos in eine Tiefe von 3540 Metern. Der Unglückliche schlug zweimal auf den Felsen auf. Die entsetzten Kameraden, die sofort hinabeilten, fanden de» Un­glücklichen entseelt auf dem Weg am Fuße des Felsens. Der Tod muß augenblicklich eingctreten sein. Die von Baden- Baden herbeigerusene Sanitätsmannschaft verbrachte die Leiche nach Baden-Baden.

wp. Stuttgart, 29. Juni. Sonntagfrüh fuhr ein mit sechs Personen besetzter Lieferkraftwagen von Stuttgart aus in Richtung Böblingen. An der starken Kurve veim Mönchs­brunnen, etwa 3 Kilometer vor Böblingen, geriet das Fahr­zeug infolge übermäßiger Geschwindigkeit iu den linksseiti­gen Straßengraben, wobei es noch zwei Telegraphenmasten umriß. Das Fahrzeug wurde stark beschädigt. Der Lenker, der ledige Kraftwagenführer Karl Krähler, 24 Jahre alt, wohnhaft in Degerloch, ist tot. Ein Insasse, Albert Ulmer, lediger Metzger, erlitt an beiden Unterschenkeln Prellungen.

SCB. Waldenbuch, OA. Stuttgart, 29. Juni. In der Nähe von Waldenbuch wollte Sonntagabend ein Postomnt- bus einen Privatomnibus überholen und streifte dabet das Vorderrad des Privatwagens, so daß dessen Lenker die Herr­schaft über sein Fahrzeug verlor. Der Wagen stürzte über eine Böschung, wobei er sich mehrmals überschlug. Von den Insassen wurden drei schwer verletzt und mußten ins Kran­kenhaus gebracht werben. Die Zahl der leichter Verletzten beträgt 9.

SCB. Lustnau, OA. Tübingen, 29. Juni. Heute nacht um 1.15 Uhr fuhr ein mit 5 Personen besetzter Personenkraft­wagen etiva 200 Meter unterhalb der Frottterweberet in Lustnau die Uferböschung hinab, wodurch die Insassen her­ausgeschleudert wurden und in den Neckar stürzten. Glück­licherweise wurde niemand verletzt.

SCB. Brenz» OA. Hetdenheim, 29. Juni. Landrat Eber- Hardt und Oekonomierat Stahl weilten hier und in Sont­heim a. Br., um mit den Ortsvorstehern über die Lage der Gemeinden zu sprechen. Die Hilfsaktion zur Linderung des großen Schadens wird durch das Oberamt und den Vczirks- wohltätigkeitsverein durchgeführt. Da die Kosten der Repa­raturen an den Häusern noch viel größer sind, als man ur­sprünglich annahm, wird vor allem auch an den Staat her­angetreten zwecks Hergabe von niederverzinslichen Geldern zur Bezahlung der entstehenden unerwarteten Ausgaben.

Die Physiker auf dem Rückzug

Von Professor vr. Paul Kirchverger.

Nur ein ungewöhnlich tüchtiger Mensch wird über­raschende, blendende Erfolge zum Anlatz gründlicher Selbst­besinnung nehmen, um dann, wenn nötig, seine Ziele be­scheidener zu stecken. In der Lage eines solchen Mannes befindet sich augenblicklich der Physiker.

Als sich vor etwa 100 Jahren die Leistungen der rechnen­den Naturwissenschaft in erstaunlicher Weise mehrten, war die Begeisterung darüber so grotz, daß der berühmte fran­zösische Mathematiker und Astronom Laplace als Ideal die Forderung einer allgemeinen Weltformel aufstellte. Diese wllte so etwa war die Meinung über alles und jeg­liches Weltgeschehen Auskunft geben können. Man brauche dem Beherrscher der Formel nur Ort und Zeit anzugeben, und schon rechne er aus, was am verlangten Ort zur ge­gebenen Zeit geschieht.

Das war natürlich als unerreichbares Ideal gedacht, aber es zeigt deutlich, was man damals als Ergebnis er- tvartete. wenn di« Wissenschaft die ia erkolareich besonnene«

Wege zu Ende gegangen wäre. Heute sieht die Sache et« wenig anders auS.

Wollen wir die Natur wirklich beherrschen, so müssen wir erstens wissen, wie sie augenblicklich ist, und zweitens die Gesetze kennen, nach denen sie sich ändert. Die Lehr­bücher freilich sprechen nur von diesen, aber die allein helfen nichts; denn wenn ich noch so genau die Fallgesetze kenne, kann ich doch nicht angeben, wann und wo ein Stein zur Erde fallen wird, sofern ich nicht weiß, wo und wie er in die Höhe geschleudert wurde; und wenn mir die Gesetze der Weiterbildung bis ins kleinste hinein vertraut sind, so vermag ich doch nicht zu sagen, Wa8 für Wetter morgen oder später eintritt, falls ich nicht weitz, wie es im Augenblick mit Luft­druck, Wind, Temperatur, Bewölkung und dergleichen be­stellt ist. Das wird jedem klar sein, der einmal eine Wetter­karte studiert und die Wettervorhersage gelesen hat.

Erst neuerdings hat man verstehen gelernt, welche un­überwindlichen Schwierigkeiten sich einer wirklich genauen Kenntnis des tatsächlichen Zustandes der Welt in einem bestimmten Augenblicke entgegenstellen; denn die Welt be­steht aus Atomen, und streng genommen ist jedes einzelne von ihnen sozusagen ein wichtiges Ding, das wir kennen müssen, wenn wir es mit der genauen Erforschung des Alls ernst nehmen. Allerdings kommt es glücklicherweise in de« meisten Fällen auf das einzelne Atom nicht an, sondern nur aus einen gewissen Durchschnitt, und darauf beruht eben die Möglichkeit, die Natur wenigstens halbwegs kennen zu lernen. Es gibt aber Ausnahmen. Wir können z. B. unter dem Mikroskop kleine Teilchen beobachten, die sich in unregel­mäßigen Zuckungen hin und her bewegen, weil sie von Atomen angestoßen worden sind. Bei diesen Zuckbewegungen also kommt es in der Tat auf das einzelne Atom an. Nun wird deren Anzahl für jedes Gramm durch eine Ziffer von etwa 22 Stellen wiedergegeben. Es wäre, selbst im Klotzen Ideal, ein bißchen vielverlangt, wenn wir über jedes einzelne Atom Buch führen müßten, wie es zu einer wirklich genauen Kennt­nis der Welt nötig ist.

Noch größeren Eindruck als dieser Gcdankengang machte ein ganz neuerlich hinzugekommener. Es ist nämlich nicht nur die Zahl der an sich notwendigen Beobachtungen größer, als sie geleistet werden kann, sondern auch ihre Genauigkeit genügt nicht. Jedes einzelne der Atome, von deren riesiger Zahl wir eben sprachen, stellt wieder ein Gebilde von wunder­barer Feinheit dar, in dem dauernd ungeheuer schnelle Ver­änderungen vor sich gehen, so daß es nie so aussieht wie im Augenblick vorher. Die Feinheit des Atombaus ist so groß, daß wir ihn schon durch unsere Beobachtung stören; denn ohne Licht können wir nichts sehen; und die Lichtwcllen, die wir zur Beobachtung eines Atoms brauchen, beeinflussen schon die Vorgänge in ihm, während wir doch das ungestörte Atom kennen zu lernen wünschen. Man sieht, die Genauigkeit einer jeden Beobachtung ist nicht unbegrenzt, und alle Sorgfalt, alle Hebung und aller Fortschritt im Bau der Instrumente, z. B. des Mikroskops, können-an dieser schlechthin unverrück­baren Grenze nichts ändern. Diese neuerliche Entdeckung hat großen Eindruck auf die Physiker gemacht.

So ist es also mit der Möglichkeit, die Welt ganz genau kennen zu lernen, sehr schwach bestellt. Das war aber nur die eine Voraussetzung für unsere Weltformel; die zweite bestand in einer genauen Kenntnis der Gesetze, nach denen die Aenderungen vor sich gehen. Es würde hier zu weit führen, wollten wir von ihnen so ausführlich sprechen wie vom ersten Punkt, also kur) und gut: Unsere Naturgesetze, so wunderbar und erstaunlich unsere Kenntnis von ihnen ist, leisten doch Wohl nicht soviel, sind nicht in dem Maße scharf und zwingend, wie man das im ersten Rausch der Be­geisterung erwartet hatte. Auch aus diesem Grunde kann es eineWeltformel" nicht geben.

Alle diese Gedanken werden augenblicklich in der Wissen­schaft oft und eifrig erörtert; denn mit vollem Recht kann sich die Forschung so leicht nicht darüber beruhigen, daß eS gerade ihre unerhörten Erfolge waren, die den Rückzug ver- anlaßten.

Anekdoten von Asttonomen und Physikern

Von Walter P. Schmalvach.

Früher ist es an kleinen Universitäten oft vorgekommen, laß die Anfangsvorlesungen junger unbekannter Dozent« sehr schwach besucht waren. Der bekannte Jenaer Physikei Herrmann Schaeffer erzählte oft aus der Anfangszeit seine, Dozentenlaufbahn, daß sich zu einer vielstündigen Vorlesung bei ihm ganze zwei Hörer eingefunden hatten. Der eine wa, ein baumlanger Riese, der andere Student zufällig ein äußerst winziges Kerlchen. Aber auch diese beiden kamen nicht regel­mäßig zur Vorlesung. Das eine Mal war nurGoliathl anwesend, dann wieder saßDavid" allein zu Füßen seine« Lehrers. Ein älterer, boshafter Kollege fragte den jungen Schaeffer oft, wie er denn mit dem Kollegbesuch seiner Stu­denten zufrieden sei.Oh, danke", antwortete Schaeffer, wenn gerade an dem TageGoliath" seine Vorlesung besucht hatte, die größere Hälfte meiner Zuhörer war heute anwesend." Wenn es nurDavid" war, dem Schaeffer sein Wissen vor­tragen durfte, erwiderte er schlagfertig:Heute ging's, die kleinere Hälfte meiner Hörerschaft war vollzählig erschienen."

Der berühmte Astronom Wilhelm Klinkerfues aus Göt­tingen war in jeder Hinsicht ein Original. Eines Tages kam zu ihm eine Wäscherin, die sich für den nächsten Tag Sonnen­schein zum Wäschetrocknen wünschte.Tja, tut mir leid", sagte Klinkerfues.Wären Sie man eine halbe Stunde früher gekommen, Frauchen! Eben habe ich dem Gärtner drüben mit Bestimmtheit für morgen Regen zugesagt. Und mein Wort kann ich doch nicht brechen."

Am nächsten Tage hagelte es. Eine Zeit darauf traf unsere Wäscherin den alten Klinkerfues wieder:Na, Sie haben ja wieder schön geschwindelt, Herr Professor. Ick weeß ja, umsonst Heeßen Sie nicht ,Flunkerkies'."

Der Vater der Meteorologie, Wilhelm Dove, wurde, wo er sich auch blicken ließ, andauernd nach dem Wetter und ähnlichen Dingen gefragt. Gar manches Mal mußte unser guter Vater Dove, um einen allzu aufdringlichen Frager oder unwissenden Schwätzer zufrieden zu stellen, den größten Un­sinn von sich geben. Einmal fragte ihn ein Bekannter, wie es denn komme, daß es in Berlin immer fünf Grad kälter sei als auf dem Lande. Dove wollte sich mit dem Unwissenden nicht streiten, daß es grade umgekehrt sei, daß auf dem freien Felde immer eine größere Kälte herrsche als in der Stadt. Auch hätte diese Belehrung keinen Zweck gehabt. Der Man« wünschte für seine falsche Beobachtung eben ein Erklärung, und die gab ihm Dove:Ja, wissen Sie, das kommt nun daher, die Leute in den Städten Heizen so sehr ihre Woh­nungen. Die ganze Kälte aus den Häusern fluchtet auf die Straße und kommt hier dichter zusammen. Daher also die Bärenkälte."

Sehen Sie", meinte der Frager wichtig,das habe ich mir nämlich auch schon gedacht." Stolz ging er also belehrt von dannen.