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Nr. 134

Freitag, den 12 Juni 1931

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Jahrgang 104

Umbildung des Kabinetts Brüning?

Vor der Einberufung des Reichstages Die Pläne der Reichsregierung / in der Revisionsfrage

Tages-Spiegel

Das Reichskabinett trat gestern zur Entgegennahme deS Berichts über die Englandreise zusammen. Der Reichs­kanzler unterrichtet heute in Neudeck den Reichspräsiden­ten über die Ergebnisse von Cheqners.

TU. Berlin, 12. Juni. In der Reichskanzlei begann am Donnerstag vormittag um 0.30 Uhr eine Ministerbespre­chung, in der Brüning und E'urtius Bericht über die Reise nach Chequers erstatteten. Die Besprechung war gegen Mittag beendet. Eine amtliche Mitteilung über das Ergebnis der Besprechung wurde nicht ausgegeben.

Ueber die Sitzung des Rcichskabinctts berichtet dieV o s- s i s ch e Z e i tu n g" u. a.: Das Referat über Ehequers nahm mehrere Stunden in Anspruch. Das Kabinett ist sich über den WcgzurNcvision des Ävungplanes, den es einschlagen will, anscheinend bereits klar geworden und hat dabei völlig mit der Auffassung Dr. Brünings und des Außenministers übereingestimmt. Der Reichskanzler wird darüber heute dein Reichspräsidenten Vortrag halten.

Zu der Frage, daß der T r a n s f e r a u f s ch u b in Sicht sei, berichtet dann das Blatt weiter: Von vornherein waren für die Einleitung der Revision zwei Möglichkeiten gegeben: Diplomatische Verhandlungen mit den Gläubigcrmächten, oder die Inanspruchnahme des Aoungplancs selbst. Von di­plomatischen Verhandlungen, die zudem sehr langwierig wären, kann man sich vor allem nach der Rede Briands nicht viel versprechen. Es bleibt also nur der zweite Weg, die Be­rufung auf das Sachverständigengutachten vom 7. Juli 1929, auf das der Aoungplan fußt.

In Berliner politischen Kreisen hat ein Artikel des früheren Neichsfinanzministers Moldenhauer in der D.A.Z." starke Beachtung gefunden, in dem dieser darauf hinweist, daß Deutschland, wenn es nicht vertragsbrttchig werden, wohl aber ernstlich die Nevisionsfrage aufrollen «volle, zürn 1. Oktober den ersten zulässigen Termin, das Transfer-Moratorium (Zahlungs-Aufschub) erklären müsse.

Parteiführerempfänge beim Reichskanzler.

Im Anschluß an die Ministerbesprcchung empfing Reichs­kanzler Dr. Brüning verschiedene Parteiführer zur Er­örterung der gesamtpolitischen Lage. Außer dem Landvolk­führer Dr. Gereke stattete der Parteiführer der DVP., Abg. Dr. Dingeldey, Dr. Brüning einen längeren Be­such ab, bet dem die Notverordnung und die außenpolitischen Notivendigkciten besprochen wurden. An« Abend empfing dann der Reichskanzler noch die Unterhändler der sozial­demokratischen Neichstagsfraktion. Wie dieLandvolksnach- richtcn" erfahren, trug die Ausshrache des Kanzlers mit dem Landvolkführer informatorischen Charakter.

Nach der Rückkehr be§ Reichskanzlers aus Neudeck wer­den in der Reichskanzlei die Besprechungen mit den Par­teien fortgesetzt werden. Für Samstag sind Unterredungen mit den Wortführern der Staatspartei, der Wirtschaftspar­tei und -es Christ. Soz. Bolksbienstes vorgesehen. Ob der Kanzler auch noch in Verhandlungen mit den Oppositions­parteien eintritt, steht z. Zt. noch nicht fest. Sicher ist nur, daß er für den gegenwärtigen Zeitpunkt materielle Ab­änderungen in der Notverordnung ablehnt, und daß er zu den äußersten Konsequenzen entschlossen ist, falls die Negierung durch die Einberufung des Reichstages unter politischen Druck in der Frage der Notverordnung ge­setzt werden sollte.

Die Besprechung der Sozialdemokraten mit dem Reichs­kanzler.

In der Besprechung der Vertreter der Sozialdemokratie mit dem Reichskanzler wurde, wie derVorwärts" berichtet, ein endgültiges Ergebnis nicht erzielt. Die Besprechungen über die von der Sozialdemokratie gewünschten Abänderung der Notverordnung sollen nach Rückkehr des Reichskanzlers von Neudeck und nach einer Fühlungnahme mit dem Neichs- kabtnett fortgesetzt werden.

Nach einer weiteren Mitteilung des sozialdemokratischen Pressedienstes soll die Negierung zu Aenberungen unter der Voraussetzung bereit sein, daß dadurch die finanziel­len Erträgnisse der Notverordnung nicht beeinträchtigt werden. Die eventuellen Abänderungen sollen jedoch weder durch den Reichstag noch durch den Aus­schuß beschlossen, sondern auf dem Wege interner Verhand­lungen vereinbart werden.

Die Fraktion der DVP. für Einberufung »es Reichs «nd Neubildung des Neichskabinetts. der gestrigen Sitzung der Reichstagsfraktion P-, die sich bis gegen Mitternacht hinzog, berichtet Parteivorsitzenbe, der Abg. Dingeldey, über die ii und außenpolitische Gesamtlage und über seine Verhan Reichskanzler. Nach eingehenden Berat« ^»t die Fraktion mit Mehrheit beschlossen, für -D.I " ngdesReichstages einzutreten.

- ^e Entscheidung der Fraktion wird vor allem dam gründet, daß nach ihrer Auffassung der Nation neu? L ur dann Mgeumtet werden könztM wenn g leichze itig

entscheidende Aktionen in der Neparationsfrage erfolgten. Außerdem wird von volksparteilicher Seite betont, daß man in der vorliegenden Notverordnung weder eine wirkliche Sanierung der öffentlichen Haushaltswirtschaft «hoch eine Aisbahnung der WirtschastSgesundung zu erblicken vermöge. Dem Reichskanzler gegenüber ist zum Ausdruck gebracht worden, daß die Haltung der DVP kein Mißtrauens­votum für seine Person bedeute. Dagegen erwarte man von Dr. Brüning, daß er nunmehr zu der seit langem ge­forderte» Neubildung des Kabinetts schreitet.

Falls mit der Entscheidung der DVP. im Aeltestenrat des Reichstages sich eine Mehrheit für die Einberufung des Par­laments ergeben sollte, wird mit der Gesamtdemission des Kabinetts Brüning gerechnet, da der Reichs­kanzler in den Parteiführerbesprechungen des Donnerstag seine Auffassung nach dieser Richtung hin schon mehrfach deut­lich zum Ausdruck gebracht hat.

Von den Berliner Blättern wird darauf hingewiesen, daß durch den volksparteilichen Beschluß, für Einberufung des Reichstages zu stimmen, die Lage für das Kabinett Brü­ning eine erhebliche Zuspitzung erfahren hat. Die Börsen­zeitung weist darauf hin, daß die Entscheidung jetzt bei den Fraktionen des Landvolkes und des christl. soz. Bolks- öienstes liege. Schon wenn eine der beiden Fraktionen sich der DVP. anschließe, würde das genügen, um im Aeltesten­rat eine Mehrheit für die Einberufung des Reichstages zu­stande zu bringen. DieD A Z." hebt hervor, daß mit dem Beschluß der DVP., falls er bestehen bleibe, eine wichtige Entscheidung gefallen sei. Sie könne nach der gegenwärtigen Lage ilicht anders gedeutet werden, als daß der Rücktritt des gegenwärtigen Kabinetts Brüning gewünscht werde, um die Berufung eines stärkeren Kabinetts Brü­ning zu ermöglichen. Das Blatt «veist weiter darauf hin, daß Abg. Dingeldey dem Reichskanzler empfohlen habe, auf Grund der jetzigen Gesamtlage die sofortige Gesamtdemifsion des Reichskabinetts einzureichen. Er habe ihm nahe gelegt, diese Demission und möglichst die Entscheidung des Reichs­präsidenten über die Betreuung eines neuen Kabinetts um­gehend herbeizusühren, weil dann die» Beschlußfassung des

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Wie in Berlin verlautet, laufen die Pläne der Reichsregie­rung in der Revisionsfrage zunächst'auf die Stellung eines Zahlungsaufschubantrags hinaus.

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Reichskanzler Brüning empfing gestern mehrere Partei­führer zu informatorischen Besprechungen. Er stellte sich hierbei auf den Standpunkt, daß die Notverordnung ab­geändert werde» könne, wenn brauchbare Vorschläge ge­macht würben.

Die Neichstagsfraktion der Deutschen Bolkspartei hat be­schlossen, im Aeltestenrat für die Einberufung des Reichs­tags zu stimmen und eine Umbildung des Kabinetts zu fordern.

Im Falle der Reichstagseinberufung wird Reichskanzler Brüning mit dem gesamten Kabinett zurücktrete«.

Der französische Außenminister Briand hat dem Völkerbund eine Beschwerdeuote über Deutschland zugehen lassen.

Aeltestenrates am nächsten Dienstag unter einem wesentlich anderen Gesichtspunkt zu erfolgen hätte.

Neuer Reichsüberbrückungskredit abgeschlosse«.

Die in den letzten Tagen geführten Verhandlungen zwi­schen der Reichsregierung und dem unter Führung der Reichsbank stehenden Bankenkonsortium über die Gewährung eines neuen Zwischenkredites an das Reich find, rvie der Deutsche Handelsdtenst hört, endgültig abgeschlossen worden. Das Vankenkonsortium übernimmt einen Betrag von 250 Millionen Mark für mit 1 v. H. über Reichsbank­diskont zu verzinsenden Schatzanweisungen, die in der Zeit vom 16. Januar bis 16. April 1932 ratenweise fällig werden. Der eingehende Ertrag der Emission, deren Plazierung am offenen Mark nicht beabsichtigt ist, die jedoch reichsbanklom- bard-fähig sein wird, dient zunächst zur Ablösung der im Juni fällig werdenden 33 Millionen RM. Schatzanweisungen und der im Juli fälligen 122 Millionen RM. Fälligkeiten.

Beschwerdenoie Briands an den Völkerbund

Angebliche Verstöße Deutschlands gegen die Entwafsnungsbestimmungen

der Botschafterkonferenz

TU Genf, 12. Juni. DasJournal Officiel" -es Völker­bundes veröffentlicht heute eine Note, die der französische Außenminister Briand in seiner Eigenschaft als Präsident der Botschafterkonferenz bereits am 16. März an den Gene­ralsekretär des Völkerbundes gerichtet hat und die sodann am 10. April von« Generalsekretär -es Völkerbundes den Mit­gliedern des Vülkerbundsrates zur Kenntnisnahme über­mittelt worden ist. In dieser Note macht Briand die Rats­mächte darauf aufmerksam, daß seit der Zurückziehung der interalliierten Militärkontrollkommisfion am 81. Januar 1930 airs Deutschland keinerlei Kontrollorgane mehr für die Durchführung der Deutschland auferlegten Av- küstnngsverpflichtungen bestehen.

Briand weist darauf hin, - die Deutschland nach Zurück­ziehung der interalliierten Militärkommission auferlegten Abrüstungsverpflichtungen von der deutschen Regierung nicht zufriedenstellend erfüllt worden seien. Der der Note angcfügte Artikel des Versailler Vertrages behan­delt diejenigen Punkte, in denen Deutschland nach -er Auf­fassung Briands seinen Abrüstungsverpflichtungen noch nicht voll nachgekommen sein soll. Die Not? Briands an die Ratsmächte trägt zunächst einen rein informatorischen Cha­rakter.

Das Schwergewicht der Note liegt darin, daß in ihr das Verbot jeder militärische,« Ausbildung des Stahlhelms gefor­dert wirb. Das Ziel dieser, auf Einflüsse -es französischen Generalstabes zurückgehenden Note Briands, liegt nach über­einstimmender Auffassung in dem Wunsch der französischen Regierung, für die Zukunft Handhaben zu besitzen, um die Durchführung -er deutschen Abrüstungsverpflichtungen vor dem Völkerbundsrat jederzeit von neuem aufrollen zu kön­nen.

Im Schußfatz der Note hebt Briand hervor, dem Bölker- buwdsrat müsse es Vorbehalte« bleiben aus den berichteten Tatsachen die ihm geeignet erscheinenden Schlußfolgerungen zu ziehen. Die französische Regierung hat sich damit für die Zukunft die Möglichkeit gesichert, die deutschen Ent- MLmMsNPwÜWWgen zu jedem ihr geeignet erscheinen­

den Zeitpunkt vor den Völkerbundsrat zu bringen, um da­mit einen unmittelbaren Druck auf die deutsche Regierung ausüben zu können.

Zurückweisung in Berlin.

Die Note Briands wird an zuständiger Stelle in Berlin als eine völlig belanglose Angelegenheit be­zeichnet, die jeder aktuellen Bedeutung entbehre. ES handele sich uin die geschäftsorönungsmäßige Erledigung eines Vor­ganges aus dem Jahre 1927, der eine einseitige und daher nicht beweiskräftige Darstellung der EntivasfnungSverhand- lungen enthalte. Was die Schlußfolgerungen des Berichtes angehe, so habe der Völkerbundsrat als solcher kein Initia­tivrecht in der Frage der deutschen Abrüstung. Das Schrift­stück wird nach Ansicht der Berliner zuständigen Stellen zu den Akten gelegt werden müssen.

Sei« Besuch des Reichskanzlers in Paris.

Von amtlicher deutscher Seite werden die hier umgehen­den Gerüchte dementiert, denen zufolge die Neichsregicrnug schon in der nächsten Woche der französischen Regierung konkrete Vorschläge für eine engere Zusammenarbeit -wi­schen Berlin und Paris zu unterbreiten gedenke. Ebenso werden die Gerüchte von einer angeblichen Absicht des Reichs­kanzlers und des Reichsaußenministers der französischen Regierung in Paris einen Besuch zu machen, entschieden de­mentiert. Man erwartet mit Spannung die Rede des Reichs­kanzlers in HildeSheim, die man als eine Antwort aus die Erklärungen Briands betrachtet.

Polnischer Protest in Berlin

TU Berlin, 12. Juni. Die polnifche Regierung hat in Berlin wegen der Breslauer Stahlhelmkundgebung eins Note überreichen lassen, die, wie verlautet, iw ziemlich schar­fem Tone gehalten fein soll.

Da der Inhalt der Note zur Zeit noch geprüft wird, be­schränkt man sich an zuständiger Stelle auf die Feststellung, daß es sich bei -er Breslauer Stahlhelmkundgeb-ung um eine private Veranstaltung gehandelt habe, für die die Reichs- regisrung nicht verantwortlich gernacht werden könne. «i