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Nr. 130

Montag, den 8. Juni 1931

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Jahrgang 104

Die Notmaßnahmen der Reichsregierung

Ein Ausruf zu neuer Opferbereitschaft: Die Grenze ist erreicht! Bedeutung und

Inhalt der neuen Notverordnung

Berlin, 8. Juni. Gleichzeitig mit dem Erscheinen öer neuen Notverordnung erläßt die Reichsregierung folgenden Aufruf:

Die Erwartung, daß die Weltwirtschaftskrise mit dem Frühjahr 1931 abebben und damit die Not und Arbeitslosig­keit aller Industriestaaten und noch mehr der Rohstoff- und Agrarländer zurückgehen werde, hat sich als trügerisch er­wiesen. Deutschland ist in dem Güteraustausch der Erde mit einer jährlichen Summe von 23 Milliarden Reichsmark ver­flochten. Es kann sich allein aus der gemeinsamen Not nicht retten, unter der selbst die im Kriege siegreichen Staaten schwer leiden.

Unsere Sorgen »nd Schwierigkeiten sind verschärft, weil wir neben der Gesamtkrise, in der wir leben, noch die besondere Last tragen, als die Unterlegenen des großen Kr'eges Zahlungen leisten zu müssen.

Schwerste Lasten und Opser muß die Reichsregierung dem deutschen Volke zumuten, um die Zahlungsfähigkeit des Reiches aufrecht zu erhalten. Diese ist die Voraus­setzung für die Fortführung der deutschen Wirtschaft, von ihr hängen Millionen und Abermillionen von Kriegsteilneh­mern, Sozialrentner», Beamten und Angestellten in ihrer Existenz ab.

Im In- und Ausland ist vielfach der Vorwurf erhoben worden, daß wir nicht sparsam genug gewirtschaftet hätten. Dieser Vorwurf trifft jedenfalls für die Gegenwart nicht zu. Ans der ganzen Linie sind die stärksten Anstrengungen ge­macht worden, die Ausgaben zurttckznschrauben.

Nach dem Vollzug der neuen Notverordnung «erden die Ausgaben des Reichs einschließlich der Abstriche im

vorigen Jahre die Riesensumme von mehr als 1,3 Milliarden weniger betragen.

Soiveit man unter den heutigen Verhältnissen überhaupt et­was Voraussagen kann, wird damit öer Reichsetat für das laufende Jahr ins Gleichgewicht gebracht. Nach dem festen Willen der Reichsregierung soll diese Notverordnung der letzte Schritt zu diesem Ziele sein.

In ähnlicher Lage wie das Reich befinden sich Länder und Gemeinden. Auch sie haben sich weitgehend einge­schränkt und werden es noch mehr tun müssen. Die Reichs- regicrung gibt sich über die Schwere der von allen Be- völkerungskreisen zu bringenden Opfer keiner Täu­schung hin, aber die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts der öffentlichen Haushalte und die Schonung unserer Wirtschaft im Hinblick auf ihre schmierige Lage und den heftigen Kon­kurrenzkampf auf dem Weltmarkt rechtfertigen die getroffe­nen Maßnahmen.

Wir haben alles angespannt, um unseren Bei 'lichtungen aus dem verlorenen Kriege nachzukommcn. Auch auslän­dische Hilfe haben wir hierfür in weitein Ausmaß in An­spruch genommen. Das ist nicht mehr möglich.

Tie Einsetzung der letzte» Kräfte «nd Reserven aller Vcvölkernngskreisc gibt der deutschen Regierung das Recht «nd macht cs ihr dem eigenen Volke gegenüber zur Pflicht, vor der Welt auszusprechen: Die Grenze dessen, u>as w'r unserem Volke an Entbehrungen aufzuerlegen verinögen, ist erreicht!

Die Voraussetzungen, unter denen derNeue Plan" zu­stande gekommen ist, haben sich durch die Entwicklung, die die Welt ge immer, hat, als irrig erwiesen. Die Erleichterung, die der Nene Plan bringen sollte und fürs erste auch zu brin­gen versprach, hat er nicht gebracht. Die Regierung ist sich bewußt, daß die aufs äußerste bedrohte wirtschaftliche und finanzielle Lage des Reiches gebieterisch zur Entlastung Deutschlands von untragbaren Reparationsverpslichtungen zwingt. Auch die wirtschaftliche Gesundung der Welt ist hier­durch mitbebingt.

Das deutsche Volk steht in einem entscheidende» Ringen um seine Zukunst. Vor dem Aberglauben, man könnte ohne Opfer zu einem gedeihlichen Erfv.g gelangen, muß eine ver­antwortungsbewußte Regierung warnen. Wenn das deutsche Volk an seine Zukunft glaubt, so muß es entschlossen sein, da­für alles einzusctzen. Oft haben die Deutschen in ihrer Ge­schichte verkannt, daß in kritischer Lage nicht der Kampf der 'Parteien, sondern der Wille des gesamten Volkes sich zu be­haupten entscheidend ist. Eine solche Stunde ist gekommen. Die Reichsregierung kann nicht glauben, daß die neue Gene­ration so klein und die ältere so schwach geworden ist, daß sie nicht vereint imstande wären, t« friedlichem Kampf um unseren Wiederaufstieg di« Größe und Len JveaftS- mus wie in früheren Schickfaksstnnden zu beweisen. Mm Ver­trauen aus Lebenskraft und V-8e »S w « « u d«S Bo»,

kes wir- dt« R egi e, «« « ... ^

Der Inhalt -er neuen Notverordnung.

Berlin, 7. Juni. Die letzte Woche vom Reichspräsi­denten Unterzeichnete Notverordnung ist der Ocffent- lichkeit übergeben worden. Zu ihrer Bedeutung und ihrem Inhalt wird gesagt:

Die Bestimmungen der Notverordnung bedeuten eine Fortsetzung der bisherigen Wirtschafts- und Finanzpolitik der Reichsregierung. In einer Senkung der Gestehungs­kosten und Preise erblickt die Reichsregierung eine wesent­liche Voraussetzung dafür, daß Deutschland im wirtschaft­lichen Wettbewerb gestärkt wird. Im Handel mit Lebens­mitteln müssen die Preise in allen Orten erkennbar sein. Im Steinkohlenbergbau wird eine Verbilligung dadurch ermög­licht, daß der Bergbau unterläge von den Beiträgen der Arbeitslosenversicherung befreit wird. Die Rechte der Ver­sicherten werden dadurch nicht berührt. Auch die Lasten, die auf der Landwirtschaft ruhen, müssen weiter gesenkt wer­den. Die Möglichkeit der Aufhebung des Nachtbackverbots die dreischichtige Betriebe in Großstädten, Aenderung des Brotgesetzes und die Ermächtigung zur Aufhebung der er­höhten Umsatzsteuer für alle Lebensmittel sind in Aussicht genommen. Die Reichsregierung schafft in der Notverord­nung den Rahmen für einen freiwilligen Arbeitsdienst. Zu seinen Trägern werden in erster Linie Vereinigungen und Berbände gehören, die aus ihren Reihen Dienstwillige zur Verfügung stellen. Die Ansschöpfnng dieser Arbeitsmög­lichkeiten bleibt allerdings gebunden an die knappen Mit­tel der öffentlichen Hand. Freiheit der Dienstttbernahme, die Auswahl und Zusätzlichkeit der Arbeiten schließen unzu­lässigen Wettbewerb mit dem freien Markt aus. Den Teil­nehmern soll der Erwerb eines Eigenheimes oder einer Siedlerstelle erleichtert werden. Die Durchführungsbestim­mungen werden mit größter Beschleunigung ergehen.

Mit Ser Reichsbahn ist vereinbart, daß für 200 Millio­nen Reichsmark Arbeiten über den Voranschlag von 1931 hinaus beschleunigt ausgeführt werden. Dafür werden in­nerhalb weniger Wochen über 120 000 Arbeiter neu einge­stellt werden. Weiter wird die Negierung Mittel der Kri- senstener zur Beschaffung weiterer Arbeitsmöglichkeiten verwenden. In der Notverordnung wird die Reichsregie- rnng weiterhin ermächtigt, mit Zustimmung des Reichs-

TU. London, 8. Juni. Am Sonntag abend wurde folgen­der amtlicher Bericht über die Zusammenkunft in Chequerst herausgegeben:Während des Wochenendes haben der Reichskanzler und der Reichsautzenminister ihren Besuch in Chequers abgestattet. Von englischen Ministern waren an­wesend: der Ministerpräsident, der Außenminister und der Handelsminister. Am Sonntag gab der Ministerpräsident ein Frühstück.

Der Besuch war vor einigen Monaten zum Zwecke per­sönlicher Fühlungnahme vereinbart worden. Bet Gelegen­heit dieser zwanglosen Zusammenkunft wurde in freund­schaftlicher Weise die Lage erörtert, in der sich bas Deutsche Reich und andere Industriestaaten im gegenivärtigen-Augen­blick befinden. Die deutsche« Minister betonte« mit beson­derem Nachdruck die Schwierigkeiten der augeublickllcheu Lage in Deutschland und die Notwendigkeit der Schaffung von Erleichterungen. Die englische« Minister ihrerseits wie­sen auf den internationale» Charakter -er gegenwärtige» Krise «n- ihre besondere» Rückwirkungen ans England hi«.

Beiderseits herrschte Uebereinstimmung darüber, daß ne­ben den Maßnahmen, die jedes einzelne Land für sich zu er­greifen hätte, die Wiederherstellung des Vertrauens nnd die wirtschaftliche Belebung von internationaler Zusammen­arbeit abhängig seien. In diesem Sinne werden beide Re­gierungen sich bemühen, die gegenwärtige Krise in enger Zusammenarbeit mit den Regierungen andere« Länder zu überwinden."

Ueber den Inhalt des Lommnniquös sagte Dr. Cur- tius in einer Pressekonferenz, er wolle nochmals betonen, saß er nicht von einer Konferenz, sondern von einem freund­schaftlichen Besuch zurückkehre. Die deutschen Herren hätten eine Aussprache gesucht «nd gefunden. Ts sei ihnen gelun­gen, eingehend die finanziell«, die inner« «nd äußere Lage Deutschlands und die Möglichen Erleichterungen -« bespre­chen. Sie hätten freundschaftliches Verständnis Kunden Der ^SunchaM stmmychaft-

Mgeweio«. '

Tages-Spiegel

In Chequers fand gestern die deutsch-englische Ministeraus­sprache statt. Eine gemeinsame amtliche Verlautbarung be­stätigt den ««verbindlichen Charakter der Besprechungen, die die Wirtschaftslage «nd die Abrüstung znm Gegenstand hatte«.

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Reichsanßenminister Dr. Curtins -entete de« deutschen Pressevertretern gegenüber an» daß möglicherweise ein eng­lischer Gegenbesuch in Berlin ftattfinde« soll.

Die nunmehr veröffentlichte «ene Notverordnung wird von der gesamten Berliner Presse abgelehnt. Die Ankündigung der einschneidende« Notmatznahmen hat allgemeine schwerste Besorgnisse hervorgernseu.

*

Der Zusammentritt -es Aeltestenrates des Reichstages ist für Mittwoch nachmittag in Aussicht genommen. Aus der Tagesordnung stehe« die Anträge der Nationalsozialisten «nd Kommunisten ans sofortige Einberufung des Reichs­tags zur Stellungnahme z« der «enen Notverordnung.

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Jn Düsseldorf «nd Chemnitz ereigneten sich schwere kommu­nistische Ausschreitungen, die 2 Todesopfer forderten.

Der päpstliche Nuntius in Litauen ist wegen angeblicher ak­tiver Beteiligung am litauische« Kulturkampf ausgcwicsen worden.

rates für einzelne Gewerbe- oder Arbeitnehmergruppen, abgesehen von Kleinbetrieben, die Arbeitszeit bis auf 4V Stunden herabzusetzen und die Zulässigkeit tariflicher Mehrarbeit von einer behördlichen Genehmigung abhängig zu machen. In erster Linie soll die Arbeitsstrcckung im Wege freiwilliger Vereinbarung durchgeführt werden. Um voranzugehen, hat die Reichsregierung beschlossen, in den Betrieben und Verwaltungen des Reiches die regelmäßige Arbeitszeit auf 40 Stunden wöchentlich herabzusetzen nnd nur da längere Arbeitszeiten zuzulassen, wo die Verkür­zung aus bestimmten Gründen nicht durchführbar ist. Auch ein entsprechendes Vorgehen der Länder und Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechtes wird mit allen Mitteln hingewirkt werden, mit dem Ziel, die Wirtschaft aus allznstarren Bindungen zu lösen, wurde be­schlossen, das Kohlcnsyndikat nur um zwei Monate zu ver­längern.

Aus eine Frage gab Dr. Curtius zu, ^» die grundlegen­den Beziehungen zwischen England und Deutschland, wie sie sich zuletzt noch aus dem Locarnovertrag ergeben hät­ten, nicht erwähnt worden seien. Das Wort Locarno n r« nicht gefallen. Dte A b st u n g s f r a g e, so sagte d > nister auf eine weitere Frage, sei nur gestreift wvrd. - sei unausbleiblich gewesen, daß in den Besprechungen rn. r« lich auch die mögliche Haltung Amerikas erwähnt we . u set. Er bestätigte ferner, baß sowohl Handels- wie indi-ä ie- politische Fragen zur Erörterung gelangt wären. Aui ciue weitere Frage über die Bedeutung des Eommnuieu s äußerte sich der Außenminister dahin, daß man zunächst die Rückwirkungen der Veröffentlichungen und des deutschen Be­suches auf die innere und die äußere Lage abwarten mi ßte.

Der Eindruck des amtlichen Berichts über den Besuch in Chequers ist in englischen politischen Kreisen im allgemeinen günstig. Es herrscht die Auflassung, daß die englischen Mun­ter die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Deutschlands aner­kannt haben, und man erwartet, daß die englische Negierung die klargelegten Tatsachen genau untersuchen und ihre Ein» brücke und Mutmaßungen den anderen Hauptstädten, vor ellem Paris und Washington, tn der geeigneten Weise Mit­teilen wird.

Starker Eindruck -er Notverordnung in Amerika Die Notverordnung und der Aufruf der Reichsregierung mtt seiner rückhaltlosen Offenheit haben in den amtlichen Kreisen Washingtons wie eine Bombe gewirkt. Be­deutsam ist, - nunmehr auch Schatzsekretär Mellon diese Woche eine sechswöchige Reise nach England und Frankreich antritt. Wenn diese Reise auch als halb privater Art ge­kennzeichnet wird, so glaubt man doch, daß Stimson «nd Mellon auf ihrer Europareise bereits die Kriegs schiel- denfrage mit den maßgebenden europäischen Staatsmän­nern besprechen werden. Verschiedentlich ist man in Washing­ton der Ansicht, daß Hoover jetzt die Frage der Schulöenher- «bsetzung mit der Frage der europäischen Rüstuugser-, sMüßigung verknüpfen werde.

Die Ministerbesprechungen in Chequers

Unverbindliche Aussprache über Wirtschaftslage und Abrüstung Starker Ein^nck

der Notverordnung in Amerika