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In Süllen HSHerer SevxU« besteht kein Anspruch aus Ltesernn» cker Leitung oller aus Rückzahlung ll«, vezxgeprelse-

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§ür Platzvorschriften kann keine Sewähr übernommen weräen

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Amts- unä Knzeigeblall für äen Oberamlsbezirk calw

Samstag, den 30. Mai 1931

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Jahrgang 104

Nr. 123

Der Entwurf der neuen Notverordnung

Die Grundzüge: Weitere Etatstreichungen, Erhebung einer Krisensteuer, Erhöhung des Beamtennotopfers, Leistungsabbau und Beitragserhöhung bei der Arbeitslosen­versicherung. Kürzung der Renten. Verschärfung indirekter Steuern

TU. Berlin, 80. Mai. Das Reichskabinett hat gestern vormittag mit der ersten Beratung der neuen Sanierungs­notverordnung begonnen. Die neue Notverordnung wirb aus mehreren Abschnitten bestehen, von denen einer den sachlichen Ersparnismahnahmen gewidmet sein wird. Die Höhe der hier zu erzielenden Ersparnisse steht endgültig noch nicht fest. Sie wird bis auf 120160 Mil­lionen Mark geschätzt, wovon ein größerer Teil auf den Etat des Wehrministeriums enfallen wird. Gesprochen wird in diesem Zusammenhang von Abstrichen am Wehr­haushalt in Höhe von 50 Millionen Mark.

Ein zweiter Teil befaßt sich mit den Reformmatz­nahmen bei den Sozialversicherungen. Wäh­rend die Invalidenversicherung zur Zeit noch von den Plä­nen» die der Reichsarbeitsminister und der Neichsfinanz- minister ausgearbeitet haben, verschont bleiben dürfte, wird bei der Arbeitslosenversicherung und bei den übrigen Einrichtungen der Erwerbslosenfürsorge voraus­sichtlich ein gewisser Leistungsabbau Platz greifen. Vorgesehen ist, wie bereits gemeldet, auch eine Erhöhung der Bei­tragssätze zur Arbeitslosenversicherung. Eine Einbezie­hung höherer Einkommensklassen in die Arbeitslosenver­sicherung, von der in diesem Zusammenhang früher einmal die Rede war, ist, sicherem Vernehmen nach bisher nicht ge­plant. Wie verlautet, sollen die Kriegsbeschädigten- renten für die geringeren Grade der Kriegsbeschädigung, das heißt bei 2080 Prozent Beschädigung der Erwerbs­tätigkeit fortfallen, und die Reichsaufwcndung für die Kri­senfürsorge, durch Einführung einer Vedürftigkeits- prüsung gekürzt werden.

Die ursprünglich als Bcschäftigungsfteuer vorgesehene Notabgave ist in den Besprechungen zwischen Dr. Die­trich und Dr. Stcgerwald auf sämtliche Einkommen ausgedehnt worden, so daß sie heute als reine Kri­sensteuer anzusprechen ist, die in der Form eines be­sonderen Zuschlages zur Einkommen- und Lohnsteuer bei den Beamten in der Form eines Gehaltsabzuges <48A) in Erscheinung tritt. Die Prozentsätze, nach denen sie er­hoben wird, werden gestaffelt sein, wobei die Höhe der Sätze zur Zeit noch offen ist.

Die Umsatzsteuer, von deren Erhöhung früher einmal ge­sprochen wurde, spielt in den Vorschlägen, die der Reichs­arbeitsminister und der Reichsfinanzminister dem Kabinett unterbreitet haben, keine Rolle mehr. Dagegen scheint mit einer Heranziehung der Zuckersteuer sowie einer Neuordnung der Besteuerung von Benzin undTabak zum Ausgleich -es Haushaltsfehlbetrages ziemlich sicher zu rechnen sein.

Nach den Berechnungen des Finanzministeriums muß ein Fehlbetrag für das laufende Jahr gedeckt werden, -er sich beim Reich allein auf 730 Millionen RM. beläuft. Mel­dungen, die davon wißen wollen, daß mit den Maßnahmen der neuen Sanierungsverordnung zugleich auch die Fehl­beträge der beiden vorhergegangenen Rechnungsjahre ab­gedeckt werden sollten, ist irrig.Jnsgesamt ergaben die geplan­ten Spar- und Steuermaßnahmen gegenüber dem errech- neten Fehlbetrag ein Plus von rund 200 Millionen Reichs­mark, die als Reserve dienen sollen, falls der Fehlbetrag -och größer sein sollte, als das Reichsfinanzministerium annimmt.

Die Finanzminister -er Länder am Dienstag in Berli«.

Die Kinanzminister der Länder werden voraussichtlich am kommenden Dienstag in Berlin zu einer Konferenz zu­sammentreten, um über den endgültigen Inhalt der Notver­ordnung unterrichtet zu werden. Die Kabinettsverhandlungcn werden heute und wahrscheinlich auch iiber Sonntag fortge­

setzt werden. Die Veröffentlichung der Notverordnung wird voraussichtlich von einem Aufruf der Neichsregierung be­gleitet sein, über den jedoch noch nichts Näheres bekannt ist.

Rücktrittsabsichten des Neichssinanzministers?

Rheinische Blätter bringen die Nachricht, daß der Rücktritt des Reichsfinanzministers Dr. Dietrich bevorstehe. Als sein Nachfolger wird der Oberbürgermeister von Essen ge­nannt. Dazu verlautet, daß Dr. Dietrich schon vor Monaten Rücktrittsabsichten aus gesundheitlichen Gründen geäußert hat. Man nimmt aber an, daß der Rücktritt nicht vor der endgültigen Erledigung des Sanierungsprogramms stattfin­den wird.

Kein festes Programm für den Ministerbesuch in Chequers.

An den Ministerbesuch in Chequers sind vielfach falsche Kombinationen geknüpft worden. Aus diesem Grunde wird von zuständiger Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hin­gewiesen, baß es sich bei den Besprechungen in Chequers nur um einen Meinungsaustausch über alle dringenden Fragen handle, baß aber ein konkretes Programm nicht vor­liegen werde. Die Auffassung, daß die deutsche Regierung die Moratoriumsfrage betreiben werde, ent­spreche nicht den Tatsachen. Daß über die Repara­tionsfrage, als dem wichtigsten Problem überhaupt, gespro­chen werde, sei selbstverständlich.

Minister Siegerwald über Wirlschafts- und Sozialpolitik

TU. Berlin, 30. Mai. Reichsarbeitsminister Steger- wald äußerte sich gegenüber dem Berliner Vertreter der Kölnischen Volkszeitung über Wirtschafts-, Sozial- und Lohnpolitifche Fragen. Man verlange, so führte er u. a. aus, zur Zeit stürmisch eine grundlegende Reform der Sozialversicherung. Darüber brauche man sich nicht die Köpfe heiß zu reden.

Im Jahre 1931 trete für die gesamte Sozialver­

sicherung derselbe Einnahmerückgang ein, wie er bei Reich, Ländern und Gemeinden zu beobachten sei. Bei dem glei­chen prozentualen Beitragssatz wie im Jahre 1929 dürfte die gesetzliche Sozialversicherung einschließlich der Arbeits­losenversicherung in 1931 um 1 bis 1,25 Milliarden Mark weniger Einnahmen aufweisen, als im vorausge­gangenen Jahre. Zur Zeit leisteten Arbeitgeber und Ar­beiter alles in allem rund 18 Prozent des Lohnes an Bei­trägen zur Sozialversicherung. Wenn die gegenwärtigen ge­setzlichen Leistungen in allen Verstcherungszwcigen beibehal­ten werden sollten, dann müßten die Beiträge insgesamt um 6 bis 6 Prozent erhöht werden. Das sei sowohl für die Arbeitnehmer, wie für die Wirtschaft eine wahre Un­möglichkeit. Bet der heutigen Kapitalverknappung vermehre in Deutschland jede wesentliche produktionsbelastende Er­höhung der Sozialbeiträge die Arbeitslosigkeit.

Zur Frage der Lohnpolitik erklärte -er Minister «. a. folgendes: Im Jahre 1931 rechnet die Arbeitslosenver- stcherungsanstalt aus 1 Prozent Beitrag mit 212 ch Mill. Einnahmen, also mit über 78 Millionen Jahreseinnahmen weniger als im Jahre 1929. Das bedeute, daß di« Arbeits- losenrerficherten im Jahre 1931 21,26 Milliarden oder um 7.6 Milliarden weniger an Löhnen und Gehältern bezögen als i» 1929. Es ergebe sich dreierlei. 1., daß die Behauptung, die deutschen Löhne seien zu unbeweglich und zu starr im ganzen gesehen nicht richtig fei, 3., Laß die staatlichen Schlich- tungSinsta, zen auf die Lohnpolitik in ihrer Gesamtheit gar nicht den üb« tragenden Einfluß hätten, -er vie fach fälsch- '.ich angenommen worden sei, 8., - eine »weite allgemeine Lohnsenk: ngöwelle durch di« staatliche Schlichtungsinstanz, ' in nächster Zeit nicht mehr durchgeführt werden könne.

Tages-Spiegel

D«s Neichskabinctt begann gestern mit der Veratnug -eS vorgelegten Entwurfs zur neue« Notverordnung.

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Die Notverordnung bezweckt durch Einsparungen «nd «en« Steuermatznahmen die Mittel zur Deckung des Fehlbetrags des Reichshaushalts in Höhe von 7SV Millionen RM. z« beschaffen.

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Den Finanzministern der Länder wird am Dienstag in einer Konferenz der Inhalt der Notverordnung bekanntgegeben werden.

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Die Reichsregiernng hat in Paris Segen die sich mehrende« Grenzverletzungen dnrch französische Flieger Protest ein­lege« lassen.

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Im österreichischen Nationalrat wnrden heftige Angriffe gegen Vizekanzler Schober gerichtet und -er Anstritt Oesterreichs gemeinsam m>t Dentschland aus dem Völker­bund beantragt.

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Wie aus Washington gemeldet wird, soll der Fehlbetrag im amerikanischen Staatshaushalt 1 Milliarde Dollar 0^ Milliarde» Mark) überschritten haben.

Antrag auf Völkerbundsaustrill im österr. Nationalrat

TU. Wie«, 30. Mai. Im Nationalrat wurde von den Abgeordneten des Heimatblocks eine dringende Anfrage betr. die Zollunion-Verhandlungen in Gens einge­bracht. Es wird darin verlangt, Dr. Schober möge erschöp­fende Auskunft darüber geben, in welcher Form und in welchem Umfang er verpflichtende Zusicherung gab, in der Frage der Zollunion nichts zu unternehmen. Weiter wurde an den Bundeskanzler die dringliche Anfrage ge­stellt, ob die Bundesregierung vollinhaltlich das würdelose Verhalten des Vizekanzlers Dr. h. c. Schober in Genf billige. Hält die Bundesregierung eine Weiterführung der auswärtigen Angelegenheiten von diesem Herrn im Inter­esse des Ansehens Oesterreichs noch für tragbar und ist die Bundesregierung bereit, mit der deutschen Reichsregiernng unverzüglich das Einvernehmen in der Frage des geboten erscheinenden Austritts der beiden Staaten auS dem Völkerbund herzustellen? Die Dringlichkeit dieser Anfrage wurde jedoch von den übrigen Parteien abgelehnt. Justizminister Dr. Schür ff hat seinen Rücktritt erklärt.

Der Rücktritt erfolgte in Schürffs Eigenschaft als Ver­treter der Großdeutschen Volkspartei in der Regierung, da trotz des Einspruchs der Großdeutschen -ieVorlageüber die Gehaltskürzung der Beamten eingebracht worden ist. Der Ministerrat trat sofort zu einer Beratung zusammen, doch wurde die Sitzung unterbrochen, um mit den Vertretern -er Partei noch einmal zu verhandeln.

Durch Sen Rücktritt Schürffs wird Lie Stellung Schobers nicht berührt, da dieser ja als Führer des Gesamtblocks, von dem die Grotzüeutsche Volkspartci nur ein Teil ist, nicht durch die Beschlüsse der Partei beeinflußt wird. Die Groß- deutsche Volkspartei wünscht ausdrücklich, daß die persön­liche Kontinuität in der Führung der Außenpolitik aufrecht erhalten bleibe.

Sanierung der Oesterreichifche« Creditanstalt.

Nach einer Mitteilung der BIZ. haben sich 10 der grüß- ten Zentralbanken bereit erklärt, der Oesterreichischen Natio­nalbank einen Devisenkredit zur Verfügung zu stellen, der in Verbindung mit den übrigen Maßnahmen ausrcichen wird, die Stabilität der österreichischen Währung aufrecht zu erhalten.

Politische Zusammenstöße

Deutscher Protest in Paris

wegen -er wiederholten Verletzung deutschen Hoheitsgebiets dnrch französische Flieger.

TU. Kehl, 30. Mai. Gestern vormittag übersog eine An »ahl französischer Militärflieger ungeniert die deutsch Grenze, machte allerhand militärische Uebungen über beut schem Gebiet und drang zum Teil kilometerweit nach Deutsch v"*' Kreits am Pfingstmontag morgen halt ein Geschwader von 18 französischen Flugzeuge» bas Gebte von Kehl überflogen.

Der Reichsrat hat gestern den deutschen Botschafter i, Paris beauftragt, bet -er französischen Regierung wege, ?1-^rhEen Ueberfliegung deutschen Gebietes durc französische Militärflugzeuge ernste Vorstellung«, i»u erheben.

Die Zollunion vor dem Haag

TU. Amsterdam, 30. Mai. Der Präsident des ständigen Internationalen Gerichtshofes im Haag beabsichtigt, den 20. Juli als Termin für die öffentliche Behandlung der deutsch-österreichischen Zollunion festzusetzen. Der Gerichts­hof ist zu einer außerordentlichen Tagung für die Zeit »wi­schen dem 16. und 20. Juli einberufen worden.

Anschlag auf den Simplon-Expreß

TU. Bukarest, 80. Mai. Bei Ptteszi wurde von einem Streckenwärter ein Anschlag auf -en Simplon-Expreß ver­hindert. Auf ein«» Kontrollgaug entdeckte er ein« Schte- neuuuterbrechung von 13 Metern. Dt« Täter sind entflohen.

TU. Berlin, 30. Mai. Am Freitag in den späten Abend­stunden wurden verschiedene Berliner Stahlhelmgruppen, die sich auf dem Weg zum Bahnhof befanden, von Kommu­nisten überfallen. Dabei wurde ein Stahlhelmmann getötet, ein Stahlhelmmann, drei Kommunisten und zwei Passan­ten »um Teil schwer verletzt. Der erste Ueberfall ereig­net« sich am Senefelderplatz, wo eine Stahlhelmgruppe» die sich zum Abmarsch nach dem Bahnhof sammelte, von Kom­munisten aus der Dunkelheit heraus beschossen wurde. Bon de« Polizeibeamten, die die Abteilung begleiteten, wurden mehrere schwer verletzt. Außerdem erhielt ein Unbeteiligter einen Kopfschuß. Um die gleiche Zeit fand ein Feuerüber­fall beim Lehrter Bahnhof statt auf zum Bahnhof marfchte- reude Stahlhelmer. Ein Wjähriger Maurer wurde durch zwei Kopfschüsse getütet, während ein anderer Stahlhelnrer schwer beschädigt wurde.