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Nr. 113
Montag, den 18. Mai 1931
Jahrgang 104
Die Genfer Aussprache über die Wirtschaftskrise
Außenminister Turiius über Aufgaben und Ziel« der Zollunionen Eine Takilosigkeii Briands — Mutige Haltung des österreichischen Außenministers
TU. Gens, 18. Mai. Die große wirtschaftspolitische Aussprache im EuropaauSschuß wurde am Samstag durch einige kurze Begrüßungsivorte eröffnet, die Briand an die zum ersten Mate an der Sitzung teilnehmenden sowjetrnssischen, türkischen und Danziger Abordnungen richtete. Er erteilte sodann als erstem Redner
Außenminister Dr. Curtius das Wort, der u. a. ausfnhrte:
„Uebcr Schwere und Tiefe der Krise brauche ich nicht viel zu sagen. Die Krise steckt uns in allen Gliedern. Die Not unserer Völker spornt zu höchsten Kraftanstrengungen an. Wir sind durchdrungen von der Verantwortung, neben de» eigenen Hilfsmaßnahmen am großen Hilsswerk für Europa in stärkster Hingabe zusammcuznwirkcu. Als Deutscher habe ich besondere Veranlassung, so zu sprechen. Die Krise trifft einen Volkskörper, welcher durch die Erschütterungen des Krieges, durch Revolution und schwerste soziale Störungen, durch ungeheure Vermögensverluste und dauernde Kapitale ntzich ungen ohne Gegenleistungen empfindlicher «nd schwerer als irgendein anderes Land getroffen ist. Wir sind daher ans das höchste an allem interessiert, was uns eine Besserung unserer Lage verspricht. Kein Land ist gleichzeitig so an der Sanierung des gesamten europäischen Körpers beteiligt, wie Deutschland, das in der Mitte des Kontinents von allen Strömungen Europas durchzogen und von allen Störungen am leichtesten getroffen wird. Wir fassen unsere letzten Kräfte im Innern zusammen, um uns soweit wie möglich selbst zu sanieren. Wir stehen gleichzeitig in der vordersten Reihe derjenigen, die in der zu- sammcnsassendcn Arbeit aller europäischen Nationen die Heilung der europäischen Wirtschaftskrise sich zur solidarischen Aufgabe gestellt haben."
„Neben den großen Hauptursachen, die sich über Europa hinaus in der gesamten Wirtschaft fühlbar machen, sehen wir", so erklärte Curtius, „als weitere Ursache eine spezielle europäische, das ist der Zerfall Europas in eine Unzahl von kleineren Wirtschaftsgebieten. Aus dieser Lage führt nur ein Weg heraus: die fortschreitende Vergrößerung der Wirtschaftsgebiete." Dr. Curtius ging hierauf auf die Arbeiten der letzten Weltwirtschastskonfercnz ein. Er wies nach, daß eines so nach dem anderen kam und man schließlich dazu gelangte, auf dem Wege rcgionalerVer- ständigung über Wirtschaftsfragen zu arbeiten. In diesem Zusammenhang sprach der Reichsaußenminister über die Entstehung des Welttelegraphenvereins, der sich allmählich im Verlaufe des vorigen Jahrhunderts, von einigen Staaten ausgehend, nämlich vom deutsch-österreichischen Tclegraphcn- verein, zu einem Welttelegraphenverein zusammenschloß, der im Jahre 1865 in Paris verwirklicht wurde.
Der Ncichsaußenminister wies nach, daß die Zollunion ein zwangsläufiges Ergebnis der europäischen Wirtschaftspolitik sei. Ohne Namen von Staaten zu nennen, sprach er von dem 'Zollabkommen zwischen Oesterreich und Deutschland und er erinnerte daran, das, dieser Gedanke alle freihändlerischen Kreise mit großer Genugtuung erfülle. Er zeigte dann einige Beispiele und zitierte die Zollunion zwischen Estland und Lettland, die Zoll- unionsvcrhandlungen zwischen Südslawicn und Rumänien, den Plan, zwischen Frankreich und Belgien eine Zollunion zu schaffen. Am Schluß seiner Rede erklärte Dr. Curtius mit besonderem Nachdruck, daß er als Wirtschaftsminister stets für eine deutsch-österreichische Zollunion eingetreten sei und daß die deutsche Negierung stetsbereitsei, über diesen Plan inweitestemRahmenzu verhandeln. — In dieser letzten Erklärung des deutschen Außenministers sieht man in Genf einen unmittelbar an sämtliche europäischen Machte gerichteten praktischen Vorschlag.
Der französische Außenminister Briand gab unmittelbar nach der Rede Dr. Curtius eine Erklärung ab, in der er das deutsch-österreichische Zollabkommen aufs schärfste ablehnte und im Namen Frankreichs erklärte, Frankreich könne das Zoklnnionabkommen nicht zulasten, da cs gegen die internationalen Vertrüge und Abmachungen verstoße. Außenminister Curtius erwiderte hierauf, cs sei für ihn eine große Ueberraschung, daß Briand diesen Gegenstand hier vor den Studienausschuß gebracht habe. Diese Angelegenheit würde vor den Rat kommen und dann sachlich und eingehend nepriist werden. Dr. Curtius protestierte gegen den Vorstoß des französischen Hauptdelegicrten und gab deutlich zu ver- stehen, daß eine Diskussion, so wie Briand sie wünschte, nicht möglich sej. — Die Ausführungen Briands werden allgemein als eine schwere Entgleisung angesehen.
Der italienische Außenminister Grandi setzte die Aussprache fort. Er erklärte, die gegenwärtige Wirtschaftskrise sei eine unmittelbare Folge des Weltkrieges. Die zahlreichen internationalen Wirtschaftskonferenzen seit 1 SSV hätten ledig
lich zu einer weiteren Verschärfung der Lage geführt, und sofort zu ergreifende praktische Maßnahmen seien notwendig. 'Vier grundsätzliche Fragen müßten jetzt geregelt werden: 1. Die Frage der internationalen Kredithilse, 2. der internationalen industriellen Kartelle, 8. des Präferenz-Systems und 4. der Zollunionen. Die italienische Regierung sei bereit, an de» internationalen Kreditplänen mitzuarbeiten, ohne darin jedoch die alleinige Lösung zu sehen. Der Zusammenbruch des Zollwaffcn still st andsabkom- mens habe die protektionistischen Tendenzen weiter verschärft. Der Gedanke des Präferenz-Systems sei gesund, doch sei cs schwer, auf dieser Grundlage zu einer allgemeinen Regelung zu kommen.
Es sei die Krage, obderAbschlußeinzelnerZoll- Unionen heute der einzige Ausweg sei. Einige Schwierigkeiten seien aber zu überwinden, insbesondere hinsichtlich der Frage der übrigen Zölle, die das System der Meistbegünstigung berühre. Ferner könnten gegen solche Pläne Bedenken politischen Charakters unter Hinweis auf die damit verbundene Unsicherheit und Unruhe geltend gemacht werden. Es sei jedoch die Auffassung der italienischen Regierung, daß solche Zollunionen den Abschluß von Sonderabkommen mit dritten Staaten nicht verhindern, und daß sie sich nicht gegen irgendeinen anderen Staat richten dürften. Ferner «rüste beim Abschluß von Zollunionen Rücksicht auf den gesamten Warenaustausch und die Rechte dritter Staaten genommen werden.
Grandi betonte zum Schluß, es gebe heute kein alleiniges Allheilmittel und keine Formel, die gleichmäßig auf alle Staaten angewendet werden müsse. Tie italienische Regierung vertrete den Standpunkt, daß der Weg der direkten regionalen Abmachungen und Verständigung zwischen den einzelnen Staaten einzuschlagen sei.
Nach der Rede Grandis entwickelte der französische Staatssekretär beim Ministerprästdium Poncet in etwa ein- stündigem Vortrag die französischen Pläne. Er empfahl die französischen Vorschläge als die am besten geeignete Methode zur Lösung der Weltwirtschaftskrise. Deutlich trat in dieser Rede die Absicht zutage, den Gedanken einer Zollunion als eine die allgemeinen Interessen schädigende Etnzelmethode hinzustelleu, die durch die französischen Vorschläge bereits überholt sei. Der französische Staatssekretär ging insbesondere ausführlich auf die von Frankreich an die österreichische Adresse gerichteten Sanierungsvorschläge ein.
Dann gab der österreichische Außenminister Schober eine längere Erklärung ab, in der er auch auf das deutsch-österreichische Zollabkommen einging. Er betonte, eS bleibe für
TN. Gens, 18. Mai. Ein neuer französischer Vorstoß gegen das österreichische Zollabkommen ist völlig unerwarteterweise am Sonntag erfolgt. Der französische Außenminister hat durch den Generalsekretär des Völkerbundes sämtlichen Mitgliedern des Völkerbundes eine umfangreiche Denkschrift übermittelt, in der gefordert wird, das deutsch-österreichische Zollabkommen solle im Völkerbundsrat — entgegen dem englischen Antrag — nicht nur nach rechtlichen, sondern auch nach politischen und wirtschaftApolittschen Gesichtspunkten geprüft werden.
In der Denkschrift wird die Unabhängigkeit Oesterreichs nach den Bestimmungen der Friedensvcrträge und des Genfer Protokolls untersucht und in Gegensatz zu den Bestimmungen der Protokolls über di« deutsch-österreichische Zollunion gestellt. Ferner untersucht die französisch« Denkschrift dieses Protokoll vom Standwinkt des internattonalen Rechtes, ferner die Folgen einer Wirtschaftsunion -wischen Deutschland und Oesterreich für Oesterreich und die gesamte vnropäifche Wirtschaft, sowie öl« politischen Vorgänge, die zu dem Abschluffe des Abkommens geführt haben und komutt schließlich zu der Feststellung, daß die durch das deutsch-österreichische Zollabkommen geschaffene Tatsache eine Verneinung der entscheidenden Grundsätze sei, auf denen gegenwärtig der Friede und die Anerkennung der internattonalen Verträge beruhen.
In maßgebenden Kreisen der deutschen Abordnung rvird die Denkschrift Briands auf das entschiedenste abgelehnt. Di« von Briand eingcschlagene Methode, am Vorabend -er Ratsverhandlungen über das Zollabkommen den Mächten eine einseitige Darstellung -er Sachlage zu übermitteln, hat allgemeines Befremden erregt, da ein derartiges
Tages-Spiegel
I« der große« Aussprache im Europaausschuß über die Wirts schastssrage« kam es «ach der Rede des deutscheu Außenministers zu einer desremdliche« Koutroverse mit Briaud. I« mutige« Ausführung-« trat der Vertreter Oesterreichs für die Zollunion ei«.
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Der Vertreter KraukreichS gab i« EuropaauSschuß det Gegeupla« Briauds bekannt; man glaubt in Gens nicht au sei«« praktische Durchführbarkeit.
Zu der heute degiuueude» Bölkerbundsratstaguug hat Briand eine» erneuten Vorstoß gegen die Zollunion unternommen; r« einer Denkschrift fordert er dereu Prüfung «icht nur vo« juristischer, sonder« auch von politischer Seit« durch de« Rat.
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Mau erwartet i« Geus, daß die juristische Prüfung der Zulässigkeit -er Zollunion »or de« Haager Schiedsgerichtshof kommt.
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Die Angestellten-Gewerkschaften haben i« ei»er Eingabe au die Neichsregieruug die BeitragspfliO der Beamte» M« Arbeitslosenversicherung gefordert.
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Ans dem FlngMtz Gchweinfnrt find gestern zwei armiert^ französische Militärflugzeuge gelandet; di« Führer gäbe« »n, sich verflöge« zu habe«.
Staaten, die, wie Oesterreich, nicht einfach zu allsettigem Freihandel übergehen könnten, die aber doch eine wesentliche Erleichterung ihres Handelsverkehrs erlangten, nurdie Methode der Zollunion als Lösungsmöglichkeit. Gewiß fordere die Zollunion Risiken und Opfer. Oesterreich stelle dem die wesentlichen Vorteile gegenüber, die große Wirtschaftsgebiete der wirtschaftlichen Entwicklung böten. Der Zollunionsplan gehöre in das System der regionalen Vereinbarungen, die er, Schober, bei -er Septembertagung 1930 dem Völkerbund vorgetragen habe. Oesterreichs Absicht, sich von seiner regionalen Aktion aus in das europäische Regime einzufügen, sei durch die Geschichte der letzten zehn Jahre bewiesen. Oesterreich sei bereit, an jedem Vorschlag, den andere Staaten machten, mitzuarbeiten. Es müsse aber auf positiven Verhandlungen bestehen und müsse bereits im voraus zum Scheitern bestimmte Konferenzen ablehnen.
Die östereichische Regierung sei ernsthaft und loyal entschlossen, sich im gesamteuropäischen Rahmen zu bewegen und das Regionalabkommen der europäischen Lage anzupassen. Schober schloß mit -er Erklärung, daß die österreichische Regierung jedoch «uter keinen Umständen jetzt mehr länger warten kvnne.
Vorgehen von einer im Rate vertretenen Großmacht bisher in Genf nicht üblich war. Die französische Denkschrift, die dem englischen Antrag widerspricht, wird im Völkerbundsrat von dem österreichischen Außenminister Dr. Schober auf das nachdrücklichste zu rückgewiesen werden.
Heuderson als Vermittler?
Die gegenwärtigen Genfer Erörterungen seien vielleicht, so sagt der diplomatische Korrespondent -es „Observer" die wichtigsten und schwierigsten seit dem Kriege. Heuderson falle die Rolle des Vermittlers zu. Im Hinblick ans die Möglich- keit, daß Deutschland bei einem Fehlschlagen der Verhandlungen aus dem Völkerbund anstreten könnte, müßte Hen- derson die Führung übernehmen. Henderson beabsichtige u. a., die ganze Angelegenheit zu vertagen und die französischen Vorschläge einem technischen Unterausschüsse zu überweisen, um Zeit zu gewinnen.
Französische Militärflugzeuge landen in Schweinfurt
TU. Schweinfurt, 18. Mai. Am Samstag abend sin- auf den, Flugplatz in Schweinfurt drei französische Flugzeuge gelandet. Sie waren mit Militärpersonen besetzt, und zwar mit einem Leutnant, einem Feldwebel und einem Korporal. Jede Maschine hatte zwei Maschinengewehre an Bord. Die Insassen wurden verhaftet und die Flugzeuge beschlagnahmt. Die Verhafteten rvurben im Hotel „Bayerischer Hof" inter- «iert und »och am gleichen Abend einem eingehenden Verhör durch Vertreter -es Reichswehr- «nd ReichsverkehrS- ministeriums unterzogen. Das Reichswehrministerium hatte Offiziere de» Standortes Nürnberg mit der Vernehmung beauftragt.
Der Kampf um das Zollabkommen
Ein neuer Vorstoß Briands: Prüfung des Abkommens auch von der politischen Seite
durch den Völkerbund