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Kernsprecher Nr. S

verantwort!. Lchriftleituna: Krteärich Hans Scheel« Druck unä Verlag äer A. Oelschläger'schen vucharuckerei

Nr. 112

Samstag, den 16. Mai 1931

Jahrgang 104

Die Genfer Europa-Tagung eröffnet

Dertrauensknndgebung für Briand Fühlungnahme der Außenminister

Englisch-italienische Zusammenarbeit

TU Genf, 1«. Mat. Die dritte Tagung der Europakom­misston ist gestern durch den Präsidenten Briand eröffnet worben. Briand hielt eine Eröffnungsrede, in der er die Größe der Gefahren und den drohenden Charakter der heu­tigen Wirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft unterstich und die Notwendigkeit so­fortiger praktischer Maßnahmen hervorhob. Briand berich­tete sodann über die zahlreichen Ausschußverhandlungen der Europakommisston in Paris und Genf und ging hierbei auf die Regelung der Agrarfragen und die Notwendigkeit der Absatzbeschaffung für die landwirschaftlichen Staaten Süb- osteuropas, sowie auf die Vorschläge für die Schaffung einer internationalen Hypothekenbank ein. Die Kommission werde sich nunmehr auf Grund des Antrages von Dr. Cur- ttus mit der entscheidenden Frage der Orientierung der europäischen Zollpolitik und mit dem heuti­gen europäischen Wirtschaftssystem zu befassen haben. Zum Schluß hob Briand den Zusammenhang zwischen der Eu­ropakommisston und dem Völkerbunbsrat hervor und ver­langte, daß der Rat richtunggebend auf die Arbeiten der Europakommisston einzuwirken habe.

Hierauf gab Henderson im Namen -er Ausschußmit- glieder der Hoffnung Ausdruck, daß Briand auch weiterhin Leiter der französischen Außenpolitik bleiben möge. Briand fei nicht nur ein großer französischer, sondern darüber hin­aus ein großer internationaler Staatsmann. Henderson betonte, es liege ihm fern, sich in die innenpoli­tischen Verhältnisse Frankreichs einzumischen. Jedoch be­sitze Briand heute das allergrößte Vertrauen, wenn auch seine Stellung heute nicht die gleiche sei wie vor wenigen Tagen.

Briand dankte für das Vertrauensvotum. Er habe sein ganzes Leben lang versucht, für den Frieden zu wirken und beglückwünsche sich, daß er in der Genfer Atmosphäre und in der friedlichen Zusammenarbeit der Völker eine lei­tende Stellung habe einnehmey können. Unabhängig von allen Schwankungen und Zwischenfällen -es öffentlichen Le­bens werbe er weiter im Sinne des Friedens wirken. Der Völkerbund und die Europakommission seien Organe des Friedens. Frankreich würde Mitarbeiten an der Sicherung des Friedens, ob er Leiter der französischen Außenpolitik bleibe, oder als alter Pilger mit dem Stabe in der Hand sein Leben weiter wandern werbe.

Unterredung Cnrtius, Grandi, Briand und Henderson.

Auf Einladung des englischen Außenministers Henderson hat gestern nachmittag eine gemeinsame Unterredung zwischen Curtius, Grandi,, Briand und Henderson im HotelReau Rivage" stattgefunüen. Unmittelbar nach -er Unterredung fand eine Zusammenkunft »wischen Curtius und Schober statt. Ueber das Ergebnis der Aussprache zwi­schen den beiden Außenministern wird Stillschweigen bewährt. In der Unterredung »wischen Curtius, Henderson, Briand und Grandi ist nach Ueberwindung gewisser Gegensätze ver­einbart worden, daß in der heutigen Sitzung des Euro­päischen Ausschusses die grundsätzliche Aussprache über die großen wirtschaftlichen Fragen stattfiuden soll. In dieser Aussprach« rverden der deutsche und der österreichische Außenminister entsprechen- dem deutschen An­trag auf die grundsätzliche Krag« der Orientierung der euro» patschen Zollpolitik, die Fragen der Präferenzen und der Regionalverträge eingehen. Hierbei wird von deutscher Seite in einer größeren Rede auch die Stellungnahme der deutschen Regierung »u den wirtschaftspolitischen Problemen Europas, insbesondere den bisher im Völker­bund behandelten zollpolttischen Fragen dargelegt werden. In diesem Zusammenhang wird sodann von deutscher Seite auch bas Ziel und das Wesen des deutsch-österreichischen Zoll- abkoimnens im Rahmen -er Gesamtbcstrobungen für regio­nale wirtschaftliche Verständigung nnd Senkung der Zoll­tarife dargelegt werden.

Es wird angenommen, - der Europäische Ausschuß einen Sonderausschuß einsctzen wird, in dessen Händen die weitere Prüfung der verschiedenen vorliegenden Pläne lie­gen soll. Briand erklärte gestern Pressevertretern, daß über die Rechtsfrage bezüglich der Uebcreinstimmung des deutsch-österreichischen Zollprotokolls mit den Bestimmungen des Genfer Protokolls von 1922 ein Rechtsgutachten vom Haager Gerichtshof eingeholt werden würde.

In unterrichteten Kreisen herrscht übereinstimnren- die Auffassung, - in der Haltung der italienischen un- englischen Regierung zum Zollabkommen weitgehende Uebereinstimumng erzielt worden ist und Laß die italienischen Vorschläge auf Neubelebung -es Zollwaffenstillstandes min­destens weitgehende Unterstützung von englischer Seite fin­den werben. Dem Vernehmen nach beabsichtigt Grandi all­

kimmission vorzulegen, die sich insbesondere in der Richftnrg -er neuen Handelsvertragsverhandlungen »wischen Italien, Oesterreich und Ungarn bewegen und eine wesentliche Er­leichterung de-* gesamten Handelsverkehrs herbeiftihren sol­len. Der deutsch-österreichische Plan könnte nach Auffassung unterrichteter Kreise Lurch diese Vorschläge eine Unterstützung und Ergänzung erfahren.

Verhandlungen -es Kontrollansschnfles für di« österreichische Völkerbnndsanleihe.

Der Kontrollausschuß für die österreichische Völkerbunüs- anlethe hat gestern die grundsätzliche Frage erörtert, in­wieweit eine Zollunion der österreichischen Regierung die für die Völkerbundsanleihe verpfändeten Zolletnnahmen und Las Tabakmonopol berühre. Eine Erörterung -er wich­tigen Frage, ob daS deutsch-österreichische Zollabkommen mit den Bestimmungen des Genfer Protokolls von 1922 übereinstimmt, steht dem Kontrollausschuß nach den Bestim­mungen des Genfer Protokolls nicht zu In den Verhand­lungen hat sich der Ausschuß, in dem die S Siegerstaaten des Genfer Protokolls: England, Frankreich, Italien, die Tschechoslowakei, Belgien, Holland, Schweden und Däne­mark vertreten find, auf den Standpunkt gestellt, - der Kontrollausschuß grundsätzlich für die Beurteilung dieser Frage zuständig fei. Da jedoch zunächst lediglich ein Proto­koll über den Abschluß einer künftigen Zollunion zwischen Deutschland und Oesterreich, nicht jedoch bereits ein« fertige Zollunion vorliege, fei eine Prüfung, wiewett daS gegen­wärtige deutsch-österreichische Zollprotokoll die verpfändeten österreichischen Zolleinnahmen berühre, zurzeit nicht not­wendig. Erörtert wird jedoch die Frage, ob der Kontroll- auSschuh grundsätzlich Richtlinien darüber ausarbeiten soll, was bei einer Zollunion Oesterreichs berücksichtigt werben müßte, um eine Entwertung Ser für die VölkerbundSanlethe garantierten Pfänder zu vermeiden oder ob er sich die Prü-

Tages-Spiegel

I« Genf wnrd« gestern di« Tag««- des Snvopaansschnsses mit einer Rede Briands eröffnet. Hente soll die grobe Anssprache über die enrop. Wirtschaftsfragen degiune«.

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Die Eröffnungssitzung -es Europaansschnsses gestaltete sich M einer BertranenSkundgebuug für Briand. Dieser spielte darauf an, -atz er sich von -er französische« Außen­politik völlig znrüctziehen werde.

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I« einer bedeutnugSvolle« Konferenz legte« gestern di« Hauptvertreter -er europäische« Großmächte Deutschland, Frankreich, England «nd Italien das Arbeitsprogramm für die Snropatagnng fest.

Bo« italienischer Seite ist soeben Briands Gegenplan zur» Zollabkommen veröffentlicht worden, kr stellt einen recht zweifelhaften LSsnngsversnch der Wivtschaftsnot i« Mit« tel- und Südostenropa dar.

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Der internationale Gerichtshof im Haag hat das vom Völker« bnndsrat ««geforderte Gutachten im deutsch-polnische» Schnlstreit in Oberschlefien bekannt gegeben. Es ist z«, gnnste» der deutschen Minderheiten ausgefallen.

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Ans Grönland find Spure« -er Expedition des verschollenen Polarforschers Wegener gefunden worden. Man nimmt an, -atz -er Forscher in einer Eisspalte ««gekommen ist.

fung eines Zollabkommens Oesterreichs vor der endgülti­ge« Ratifizierung Vorbehalten soll.

Die sowjetrusfische Abordnung in Genf.

Der sowjetrusfische Außenkommissar Litwinosf ist ge­stern nachmittag an der Spitze einer größeren Abordnung in Genf eingetroffen. Dte Delegatton ist im Hotel Metro- pole, -er Unterkunft -er deutschen Abordnung, unterge­bracht.

Briands Gegenplan zum Zollabkommen

Zweifelhafte Vorschläge zur Lösung der zentral- und osteuropäischen Wirtschaftsfragen

TU Rom, IS. Mai. Der »Lavoro Fa seist«* ist in der Lage, die genauen Einzelheiten des Brtandschen Gegen­

plaues im Wortlaut zu veröffentlichen. Der Plan geht aus von der deutsch-österreichische« Zollunion, gegen welche die beretts hinlänglich bekannten französischen Argumente vor­gebracht werden. Es heißt darin: Die franzöfische Regie­rung ist der Ansicht, daß ein Plan eingebracht werde« muß, der geeignet ist, für die aktuellen Wirtschaftsfragen sofor­tige und praktische Lösungen zu bringen, die Deutschland und Oesterreich genügend« Erleichte­rung verschaffen. Dieser Plan könnte von vier Fragen auSgehen:

1. dem Getreideabsatz der Agrarländer Mittel« »nd Ost­europas; 8. -er Absatzkrise der Industrieländer; ». de« Mangel an Kapital »nd den Schwierigkette«, die für die meiste« mitteleuropäische« Staate« bei der Beschaff»«« von Krediten vorliege« «nd 4. der schwierige» Lage Oesterreichs.

Was die «orzngSzolwehandlnng angehe, so brauch« man sich nicht gleich darüber zu äußern, ob eS zweckmäßig set, einen Gegenposten zugunsten der Einfuhrländer vorzusehen. Auf keinen Fall brauche dieser Gegenposten PrSferenzial» charakter zu tragen, sondern er könne nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung behandelt werden, widrigen­falls daS vorgeschlagene System ans den formellen Wider­stand -er Ueberseelänber stoßen werde. ES mützte« ferner Maßnahmen getroffen werden, Latz angefichtS eines er­leichterte« Absatzes von Donaugetreide die Erzeugung in Mittel« «nd Osteuropa nicht »«nehme. Z« diesem Zweck und zur Feststellung der Höhe der Vorzugszölle scheine eS für die Agrarländer ratsam zu sein, eine Art Gemeinschaft der Verkaufsländer zu errichten mit etnem Organismus, der befähigt sei, in ihrem Namen mit den kaufenden Län­dern zu verhandeln. Die Einfuhrländer müßten sich zu dem gleichen Zweck zusammentun. Die Förmlichkeiten des Prä- fercnzialsystem könnten entsprechend der Gesetzgebung und den Gepflogenheiten der kaufende« Länder verschieben sein. Dte französische Negierung würbe ein System bevorzugen, das die Rückzahlung der Differenz zwischen den eigentli­chen Zollsätzen und den Präserenzialiarisen an das Konsor­tium der Agrarländer vorsehe.

Ein weiterer Abschnitt des franzöfische« GegenpkaneS be­faßt sich mit der Forderung lnbnstrieller nnd landwirtschaft­licher iniernationaler Abkommen. Diese Abkommen müßten eher bestimmte Erzeugnisse, nicht dte Gesamterzeugnng um­fassen. Zur Finanzierung der Ernten und zur Organisie- ruug landwirtschaftlicher Kredit« kurzer «nd mittlerer Frist

gemeine Anregungen zollpolitischen Charakters der Europa- I würde» praktische Maßnahme« vorbereitet. Unter der Vor­

aussetzung, - in Europa Vertrauen und Frieden einkchre, würde Frankreich gern finanzielle Mitarbeit leisten, set eS für Staatsanleihen, sei eS für Einzeloperattonen, Frank­reich würde die Schaffung einer besonderen Organi­sation des Völkerbundes begrüßen, durch die der­artige Anleihen vorbereitet und kontrolliert werden könn­ten. Frankreich sei auch geneigt, die Frag« der Zulassung neuer europäischer Werte in Paris unter Gewährung von Krediten zu mittleren Fristen für die Finanzierung der Erzeugung »« prüfen.

Das letzte Kapitel behandelt das Sonder«-kommen mit Oesterreich. ES würde sich darum handeln, di« in Art. 22 deS Vertrages von St. Germain enthaltenen Bestimmun­gen weiter zu entwickeln. Als Gegenleistung für seine pri­vilegierte Stellung könne Oesterreich seine» Klienten die Aufrechterhaltung deS stainS quo sowie neue handelspoli­tische Vorteile bieten, dte aber selbstverständlich gleichmäßig für alle Staaten gelte» müßten, dt« mit Oesterreich durch dt« MetstbegünsttgnngSklausel verbunden seien. Frankreich sehe Sie Schaffung neuer Präferenztalsysteme nur als Aus­nahme «nd als Provisorium an, daS eine zugunsten deS Getreides der Agrarstaate«, das andere zngunsten der öster­reichischen Wirtschaft.

Der Madrider »El Sol* schreibt zum dentfch-öfterreichi- sche« Zollabkommen, baß damit -er erste würdige Schritt zu den Bereinigte« Staaten von Europa getan werde, de» Frankreich aber nicht mitmachen will. Trotz Briand tritt eS täglich klarer zutage, daß Frankreich sich zum ausschließ­lichen Schiedsrichter über Europa machen will.

Krisenstimmung in Oesterreich

TU. Wien» IS. Mai. Der Entschluß der Regier«»«, -er Kreditanstalt in ausgiebiger Weise zu Hilfe »u kommen, hat »war die österreichische Wirtschaft vor einer Katastrophe ge­rettet, die innerpolitische Lage jedoch wesentlich verschlechtert. Wie bekannt, spielt in k«m Sparprogramm der Regierung die Souderbestenernng -er Besoldeten in irgend einer Form eine maßgebende Roll«. Die Verhandlungen darüber haben fich in letzter Zeit immer schwieriger gestaltet. Dt« Tatsache, daß es notwendig war, von staatswegen für die Kreditanstalt nicht nur fast 69 Millionen Schilling zur Er­werbung neuer Aktien aufzuwenden, sondern auch dem In­stitut über 41 Mill. Schilling zur Deckung des Verlustes glatt zu schenke«, hat jetzt in de« Verhandlung«« alle Hin­dernisse so vergrößert, daß ein« kritische Zuspitzung -er rnuerpolittschen Lag« im Smch e d« nächst« Woche im Beveich der Möglichkeit steht. ^

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