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Nr. 98 Mittwoch, den 29. April 1931 Jahrgang 104
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Kompromißformel für die Agrarzölle
Teileinigung im Neichskabinett über die Zollforderungen des Ernährungsministers
Die Bullerzollerhöhung vorläufig vertagt
TN. Berlin, 29. April. Amtlich wird mitgeteilt: „Das Neichskabinett »ahm in seiner Dienstag-Sitzung unter dem Vorsitz -es Reichskanzlers und in Anwesenheit des Reichs- bankpräsidcntcn den Bericht Uber die Ergebnisse der Montags-Verhandlungen zwischen den beteiligten Ministerien entgegen, die im Neichsmtnisterium für Ernährung und Landwirtschaft stattgefunden haben. Darauf wurde die gesamte agrarpolitischc Lage durchgesprochen. Die Entscheidung des Reichskabinctts steht unmittelbar bevor."
In Ergänzung der amtlichen Mitteilung verlautet von unterrichteter Seite, -aß die endgültigen Entscheidungen der Reichsregicruug über die Agrarzölle erst in den nächsten Tagen gefällt werden. Man erwartet, daß das Kabinett sich mit Mehrheit der Anffassung des Reichsernährungsmini- sterS hinsichtlich der meisten Zolländerungen anschließt. Weiter wird damit gerechnet, daß das Kabinett in den nächsten Tagen für ein bestimmtes Kontingent eine Senkung der Brotgetrcidezölle vornimmt. Offen ist zur Zeit noch die Höhe des Kontingents, La der Bedarf bis zur neuen Ernte verschieden hoch geschätzt wird.
Die umstrittenste Frage, die Erhöhung des Butterzolls, will man einstweilen vertagen, sodaß also voraussichtlich der Schwcinezoll erhöht und die Zwischenzölle für Schmalz und Speck beseitigt werden. Gleichfalls wird der Hafcrzoll wie der Satz für einige andere Fnttermittel her- aufgesetzt, der Weizenzoll aber für ein bestimmtes Einfuhrkontingent ermäßigt werden.
Reichstagszusammentritt im Jnni?
Jr> unterrichteten parlamentarische» Kreisen nimmt man an, daß der Reichstag nun doch vor dem Herbst noch einmal zu einer kurzen Tagung zusammentreten wird. Der von den Kommunisten vor einigen Tagen eingebrachte Antrag auf sofortige Einberufung des Reichstags werde allerdings keine praktische Wirkung haben, da Me Regierungsparteien und die Sozialdemokraten entschlossen seien, diesen Antrag abzulehnen. Es sei aber anzunehmen, daß Mitte oder Ende Mai die Sozialdemokraten selbst einen Antrag aus Einberufung des Reichstages stellen würde», der dann natürlich eine Mehrheit finden werde. Man glaube, daß die bevorstehenden neuen Notverordnungen für die Sozialdemokraten die äußere Veranlassung zu diesem Schritt sein würden, da die neuen Notverordnungen Bestimmun-
TU. Genf. 29. April. Der Generalsekretär des Völkerbundes hat an die drei Signatarstaaten des ersten Genfer Protokolls von 1922, die Nichtmitglieder des Völkerbund-, rates sind lOcsterreich, Belgien und Tschechoslowakei) ein Schreiben gerichtet, in dem darauf hingewiesen wird, daß mit dem auf der Tagesordnung der Maitagung des Rates stehenden de utsch-ö st erreicht scheu Zollabkommen eine Frage zur Verhandlung gelangt, dte diese drei Mächte als Signatarstaaten des Genfer Protokolls berührt. Den drei Regierungen wird anheimgestellt, ihre Vertreter für die Verhandlungen des Völkcrbundsrats bereits jetzt zu benennen. Die offizielle Einladung der 3 Mächte erfolgt in der geheimen Eröffnungssitzung des Rates. Oesterreich, Belgien und die Tschechoslowakei werden an den Verhandlungen über das Zollabkommen nach der Bestimmung des Artikels 4 des Völkerbundspaktes als gleichberechtigte un- stimmberechtigte Mitglieder des Völkerbundsrates teilnehmen. Es ist hierbei darauf hinzuweisen, daß das Schreiben des Generalsekretärs lediglich an die Signatarstaaten des ersten Genfer Protokolls gerichtet ist, das die Bestimmungen über die Unabhängigkeit Oesterreichs enthält. Die Signatarstaaten der beiden anderen Genfer Protokolle, in denen die allgemeinen Anlethebedingungcn festgelegt sind, und durch die die Kontrollkommission geschaffen wurde- sind nicht eingeladen worden. Man erwartet, daß der österreichische Vizekanzler Schober, der tschechische Außenminister Benesch und die belgische Außenminister Hymans an den Ratsverhandlungen im Mai teilnehmen werden.
Keine Einberufung -er 1922er Finanzkommission.
Der in der ausländischen Presse aufgetauchte Gedanke zur Vorbereitung der Verhandlungen des Völkerbundsrates über das deutsch-österreichische Zollabkommen, die im Genfer Protokoll v. 1922 vorgesehene Kontrollkommission einzube- rusen, wirb an Genfer maßgebenden Stellen als auf 1 rr 1 - Vvraus4etz«naen beruhend bezeichnet. Das 2.
gen enthalten sollen, die, wie man behaupte, die Sozialdemokraten nicht hinnchmen könnten, ohne wenigstens den Versuch zu machen, sie durch eine Entscheidung des Reichstags zu beseitigen. Die Lage für die Sozialdemokraten sei gegenwärtig sehr schwierig, da der sozialdemokratische Parteitag, der zum 31. Mai nach Leipzig einberufcn worden ist, vor der Tür stehe. Auf diesem Parteitag werde dte sozialdemokratische Rcichstagsfraktion ihre Haltung rechtfertigen müssen, ebenso wie die neun sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten, die ln der Panzerkreuzerfrage gegen ihre Fraktion gestimmt haben, ihre Gründe vortragen würden. Der sozialdemokratische Parteivorstand werde daher, um der radikalen Stimmung in weiten Kreisen der Sozialdemokratischen Partei nachzugeben, auf Einberufung des Reichstags dringen. Man nehme an, daß der Reichstag dann im Juni zu einer kurzen, etwa einwöchigen Tagung zusammentreten werde. Für diesen Zusammentritt würden sich auch die Deutschnationalen, die Nationalsozialisten und die Kommunisten erklären, vielleicht sogar auch die Vertreter der Wirtschaftspartei und des Landvolks.
Vorstands-Sitzung -er Zentrnmsfraktion -es Reichstages.
Der Vorstand der Rcichstagsfraktion -es Zentrums hielt am Dienstag im Reichstag eine Sitzung ab, an -er u. a. Reichskanzler Dr. Brüning, sowie die drei Kabinettsmit- glieder des Zentrums teilnahmen. Der Reichskanzler gab einen Ueberblick über die gegenwärtige Lage. In der Aussprache berichteten die Vorstandsmitglieder über ihre Erfahrungen im Lande. Die westdeutschen und schlesischen Abgeordneten gaben u. a. Kenntnis von dringlichen Wünschen der Bevölkerung in den West- und Ostgebieten. Lebhaft bedauert wurde, daß die Ausführungsbestimmungeri^zum Osthilfegesetz noch nicht erlassen seien. Die schwebenden agrarpolitischen Fragen waren Gegenstand sachlicher Erörterung. Der Vorvertrag mit Oesterreich wurde als im Interesse einer gesunden europäischen Entwicklung liegend gebilligt. Nach der parteiamtlichen Mitteilung herrschte in allen berührten Fragen völlige Uebereinstimmung der Vorstandsmitglieder mit der klar erkannten und zielbewußten Haltung des Reichskanzlers. Der Fraktionsvorstand wird am 20. Mai erneut zusammentreten, um in Fortsetzung der politischen Erörterungen die notwendigen Maßnahmen zu beraten.
Genfer Protokoll von 1922 legt in den Artikel» 6, 10 und 11 ausdrücklich die Befugnisse der Kontrollkommission fest, die sich ausschließlich auf dte Festsetzung der Anleihebedingungen und die Kontrolle -er Zolleinnahmen bezieht. Die Kontrollkommission war fr. Zt. nach Genfer Auffassung geschaffen worden, um eine Inanspruchnahme der garantierenden Mächte für die österreichische Finanzanlethe zu verhindern, jedoch waren ihr ausdrücklich lediglich finanztechnische Befugnisse eingeräumt worden.
Der Bericht -es Danziger Bölkerbundskommiffars Gravina ist am Dienstag in Genf eingetroffen. Er wirb in den nächsten Tagen sämtlichen RatSmitgltedern übermittelt werden. Der umfangreiche Bericht, dem zahlreiche Anlagen betgefügt sind, trägt den Charakter einer allgemeinen Unterrichtung des Rates über die letzte Entwicklung der B e- ziehungen zwischen Danzig und Polen, ohne daß jedoch darin Vorschläge gemacht werden Als feststehend kann angenommen werden, daß der Bericht auf die Tagesordnung der Maitagung des Rates gesetzt wird, womit die Möglichkeit einer allgemeinen grundsätzlichen Beratung über die Beziehungen zwischen Danzig «nd Polen gegeben würde.
Italien droht mit Austritt aus dem Europa-Ausschuß
TU. Rom, 29. April. „Lavoro Fascista" ist in einer ausführlichen redaktionellen Stellungnahme der Ansicht, daß Italien nichts anderes übrig bleibe, als seinen Austritt aus dem Europaausschuß zu beschließen, da durch die Art der Einladung Rußlands und der Türkei und durch die beschränkte Zulassung der genannten Staaten zu der Maitagung die beabsichtigte gleichberechtigte Zusammenarbeit aller europäischen Staaten durchbrochen sei. Wie könnte, so fragt das Blatt, «ine gesamteuropäische Solidarität erreicht werden, ohne daß zuerst eine Solidarität -wischen de» einzelne» europäischen Staate« bestehe?
Tages-Spiegel
Das Reichskabinett ist gestern erneut znsammengetreten, nm -ie Erörterungen über die Agrarzölle sortznsetze«. Es soll »nter Vertagung -er Bntterzollfrage eine Sinignngssormel zuftandegekommen sein.
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In parlamentarischen Kreisen Berlins erwartet man eine Reichstagseinbernfnng im Jnni.
Wie verkantet, beabsichtigt der Reichssinanzminister eine gehaltliche Ungleichung der Länderbeamten an die Reichsbeamten.
Oesterreich, Belgien und die Tschechoslowakei sind anfgefor- -ert worben» au de« Verhandlungen des Völkerbundsrats über die deutsch-österreichische Zollunion teilznnehmen.
Wie der französische Nationalist Franklin-Bouillon bekannt gibt, beabsichtigt Donmergne» «och einmal für die Staats» Präsidentschaft z« kandidiere«.
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Im sächsische« Landtag kam es z« Prügeleien zwischen Nationalsozialisten, Kommunisten und Sozialdemokraten.
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Nach ans Buenos Aires vorliegenden Meldungen soll im brasilianischen Staat Sao Paolo «ine revolutionäre Bewe- gnng ansgebrocheu fei«.
Der Stapellauf des Panzerkreuzers 2^
Taufe durch de« Reichspräsidenten.
Berlin, 29. April. Das Panzerschiff K, das am 19. Mai in Kiel vom Stapel läuft, wird, wie nunmehr feststeht, vom Reichspräsidenten getauft werden. . Das Programm für den Besuch -es Reichspräsidenten in Kiel am 19. und 20. Mai steht den Stapellauf für den Mittag des 19. Mai vor. Nach Beendigung des Stapellaufs nimmt der Reichspräsident einen Imbiß auf den Deutschen Werken ein und fährt abschließend zum Kreuzer „Königsberg", auf dem er während seines Kieler Aufenthaltes Wohnung nimmt.
Der Kreuzer „Königsberg" läuft um 19.39 Uhr aus. In Begleitung des Reichspräsidenten befinden sich an Bord des Kreuzers der Neichswehrminister, -er Chef der Marineleitung und der Flottenchef. Gegen 29.45 Uhr wohnt der Reichspräsident Nachtschießübunge» des Kreuzers „Köln" bet, die aus der Höhe von Schleimünde burchgeführt werden. Im Anschluß hieran finden bis gegen 22.39 Uhr Torpedobootsangriffe der 2. Torpedobootsflottille auf die Kreuzer „Königsberg" und „Köln" statt. Gegen 24 Uhr trifft der Kreuzer „Königsberg" wieder im Kieler Hafen ein.
Am 20. Mai versammelt sich die Flott« um 7.48 Uhr bei Siel-Feuerschiff. Von 9 Uhr vormittags ab wohnt der Reichspräsident Len Fahrübungen der Flotte bet. Die Hebungen werden abgeschloffen mit einer Parade sämtlicher Seestreitkräfte vor dem Reichspräsidenten. Die Flotte läuft dann nach Kiel eist, welches der Reichspräsident um 14.58 Uhr verläßt.
Hochwasser der Düna
Katastrophale Ueberschwemmnnge« — Millionenschade«
TU, Riga» 29. April. Vom Oberlauf der Düna wird katastrophale- Hochwasser gemeldet, das noch irnmer im Steigen begriffen ist. Bei Polozk (Rußland) ist der Wasserstand 14 Meter über normal, an det russisch-lettischen Grenze 11H Meter, bei der zum Teil übersch "inrnten Stadt Kres» lawka 10 Meter und bet Dünaburg d Meter. Bei dem schwer gefährdeten Dünaburg arbeii»..i Truppen fieberhaft an der Sicherung der Dämme. In Griwa gegenüber Dünaburg sind bereits 699 Häuser durch das Hochwasser überschwemmt. Der Schaden beträgt viele Millionen Mark. Bisher sind etwa 189 Brücken zerstört oder davongetragcn worben. Die Eisenbahnlinie Riga-Moskau ist stellenweise unterspült, sodaß der Verkehr unterbrochen und umgeleitet werden mußte. Mehrere Personen haben in den Fluten den Tob gefunden.
Entgegen früheren Meldungen ist auch Riga durch daS Hochwasser bedroht. Die Ursache des gewaltigen Ansteigens der Düna ist in der warmen Witterung und der ungewöhnlich starken Schneeschmelze zu suchen.
Erdbeben im Kaukasus
TU. MoSka« (über Kowno), 29. April. Nach einer amtlichen Meldung ans Nachitschewan sArmenien) wurde die Stadt von einem starken Erdbeben hetmgesnchk, durch bas zahlreiche Häuser zerstört wurden. Nach vorläufigen Feststellungen wurden 19 Personen getötet. Auch in Tiflis, daS etwa 290 Kilometer entfernt liegt, wurden stärkere Erdstöße verspürt.
Die Vorbereitungen zur Genfer Ratstagung
Oesterreich» Belgien und die Tschechoslowakei zur Teilnahme eingeladen