Die künftige Stellung der Frau
Von Gräfin MargitBethlen.
< Bon allen Seiten hört man von der wachsenden Macht lier F-rau in Berufen, die früher nur dem Mann offen waren. Man könnte glauben, es wäre etwas ganz Neues, bah Frauen an den täglichen Geschehnissen tätiges und verständiges Witter. 5kl- neftmen Je mehr ich in den verschiedenen Landern hcrum- r°m5w um so "staunter bin ich,.w°S für ein Aufsehen um D-t-Nuna der Frau gemacht wird.
* Man könnte auf den Gedanken kommen, die Frauen mären keine Menschen, sondern irgend welche andere Wesen, die aeboren sind, um ewige Feinde anstatt Gehilfinnen und Kameradinnen des Mannes zu sein. Denn daS ist doch schUch- lirb der Beruf der Frau. Genau so wie die Kleidermode wechseln auch die Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Ein mal wird die Frau nur als Gattin und Geliebte angesehen, das andere Mal ist sie Freundin und Gefährtin. Aber im Grunde bleiben ihre Beziehungen zueinander immer dieselben. Die Frau wird immer den Mann anziehen und umgekehrt auch der Mann immer die Frau. Die Formen des Verkehrs andern sich wohl von Zeit zu Zeit, doch die gegenseitige Anziehungskraft wird immer bleiben.
Nicht nur in dem zwanzigsten Jahrhundert bedeutete die Frau ihrem Manne mehr als Gattin und Mutter seiner Kinder. In meinem Vaterlande, in Ungarn, haben Frauen immer eine wichtige Nolle in den Angelegenheiten ihrer Männer gespielt. Man muh daran denken, dah Ungarn 600 Jahre lang immer mit dem einen oder anderen Feind Krieg führte. In diesen Zeiten muhte sich doch jemand um die inneren Angelegenheiten des Landes kümmern, und diese Ausgabe fiel den Fraucu zu. Diese hatten bei uns damals genau so viel Macht und Freiheit wie die heutigen Frauen irgend eines Landes, und darum setzt es mich in Erstaunen, dah jetzt in einigen Ländern ein so scharfer und erbitterter Streit um die „Rechte der Frau" geführt wird. Vielleicht haben wir diesen in Ungarn nicht, weil wir niemals für diese Rechte zu kämpfen brauchte» und sie deshalb nicht so hoch einschätzen.
Ich bin keine Frauenrechtlerin, aber ich fühle eS ganz bestimmt, dah die Zeit bald kommen wird, in der Sie letzten Vorurteile, die noch gegen die Frau vorhanden sind, fallen werden. In allen kultivierten Ländern wird sie dasselbe R-cht wie der Mann haben. Wir werden nicht mehr nachsichtig sagen:
„Sie ist eben eine Frau." Die einzige Frage wird sein: „Kann sie die Arbeit leisten?" Die Natur hat die Frau körperlich schwächer gestaltet als den Mann, und darum wird immer ein Unterschied zwischen den Arbeiten des Mannes und denen der Frau bestehen. Es ist auch wahr, dah die Frau auf der heutigen Stufe der Entwicklung im großen und ganzen weniger geistig begabt ist als der Mann. Wahrscheinlich besteht dieselbe Begrenzung in den körperlichen wie auch in den geistige»! Eigenschaften. Der weibliche Verstand wird nie gleich dem ocs Mannes sein. Es ist dasselbe, als ob man das Rapier mit einem Säbel vergleicht. Der Verstand der Frau ist feiner und Unmittelbarer. Diejenigen Berufe werden ausschließlich von Männern besetzt werden, die mehr Anforderungen an die männlichen Eigenschaften stellen. Doch eS gibt im Leben so Viele Wirkungskreise, wo das Napier, um bei dein Vergleich zu bleiben, eine bessere Waffe sein wird, und in diesen Berufen wird die Frau vorherrschen. Wenn auch der starke Mann,' ob nun seine Stärke auf dem körperlichen oder geistigen Gebiete liegt, iminer der starken Frau überlege» sei» wird, so wird es doch Raum für beide geben.
Aber dieser Fortschritt in der Entwicklung der Frau wird niemals ihre häuslichen Neigungen zerstören. Heiraten, Kindercrzeugung und Kindererziehung sind zu tief wurzelnde und wesentliche Aufgaben dcS weiblichen Geschlechts, als dah sie von anderen verdrängt werden können. Plato dachte an eine Republik, in der kleine Kinder, sobald sie geboren waren, ihren Müttern fortgenoinrnen und in einem Hort aufgezogen werden sollten. Ich kann es mir unmöglich denken, daß diese Art einer klugen Frau zusagen würde. Es mag Wohl das Ideal eines Mannes gewesen sein, doch es wird nie ernstlich von einer Frau in Betracht gezogen werden. Es ist allem in der Natur so widersinnig, dah es jenseits der Grenze des Möglichen liegt.
Wir wissen alle, dah es Frauen gibt, für die das häusliche Leben eine sehr geringe Nolle spielt. In der Natur sind Abnormitäten vorhanden, warum soll es diese nicht auch inner Mensck'-n neben? Wenn eine Kenn keine känSlicben Eiaen-
»qaften desitzt, so kann sie nur als eine Ausnahme betrachtet werden, welche die Regel bestätigt. Ob wir nun in der einen Generation Krinolinen anziehen und in der anderen kurze Röcke, alles tragen und tun wir doch nur. um dem Manne zu gefallen. Wenn Frauen täglich ins Geschäft gehen und ihren Verstand bilden, so geschieht das im allgemeinen unbewußt, weil sie genau spüren, dah die langweilige Frau keinen Mann inehr fesseln kann. Der Mann sucht heute bei der Frau geistige Freundschaft und Sympathie. Er möchte einen Freund und Gefährten haben, denn da«, was man allgemein als „Liebe bezeichnet lmeistcns ist eS auch nur körperliche Anziehungskraft). ist sehr oft vergänglich. Freundschaft und Kameradlchaft aber bleiben bestehen, gegenseitige Zuneigung und Ver,tehen überdauern den Prüfstein der Zeit, wenn die Flammen der physischen Liebe schon längst erloschen sind.
Aus Stadt und Land
C a l w. den 23. Februar 1931.
Gkiwettlaus «« B«b Danach
Kein großer, nur ein ganz interner der hiesige» Schnee- schuhabteilung, aber dennoch eine Leistung. Schon bas ist als Leistung zu erwähnen, daß sich bei den günstigen Schneeverhältnissen und der rührigen Arbeit sportbeflissener Schneeschuhmänner hier in kürzester Zelt eine verhältnismäßig starke Schar zusammengetan hat, um den Skisport zu pflegen. Am Sonntag früh nun veranstaltete die Leitung einen Wettlauf mit allerlei Geländeschwierigketteu auf sechs bzw. drei Kilometer. In drei Klassen traten die »Brettles- hupfer" zum Spurt an, der unter der Leitung der Herren Single, Stockburger und Lehmann prächtige Leistungen ohne jeglichen Unfall aufwteS. Mit ersten Preisen und Ehrenurkunden wurden bedacht Adolf Watzecker, Hanna Reh in und Martha Lutz. Skiheilt
Altenfewr in Tachtel
Vorvergaiigeueil Sonntag wurde in der Gemeinde Dachtel zum erstenmal eine Altenfeier begangen, um deren Zu- standxkomme,i sich Pfarrer Elwert und Bürgermeister Lehrer in gemeinsamer Arbeit bemüht hatten. Im Gast- Hof zum Hirsch wurden die Alte» der Gemrittde vom 03. Lebensjahr ab mit Kaffee. Backwerk und Wetn bewirtet. Ansprachen von Pfarrer Elwert und Bürgermeister Lehrer sowie Ausführungen und Gesänge junger Mädchen unter Leitung von Frau Pfarrer Elwert verschönten die Veranstaltung. Auch der Kranken, welche an der Feier nicht teil- nehmen konnten, wurde mit freundlichen Gaben gedacht.
Aufsehenerregende Verhaftungen in Stuttgart.
wp. Stuttgart, 22. Febr. Dr. Friedrich Wolf, der bekannte Stuttgarter Arzt und Schriftsteller, der Verfasser des gegen den Abtreibungsparagraphen gerichteten Stücks »Cyankali", ist wegen Vergehens nach Paragraph 218 verhaftet worden. Ebenso die Stuttgarter Fachärztin für Hautkrankheiten, Freu Dr. Else Jacobowitz-Kienle. Dr. Friedrich Wolf und die Aerztin haben in gegenseitigem Einvernehmen gehandelt. Dr. Wolf stellte Frauen, die sich hilfesuchend an ihn wandten» ein Zeugnis aus, daß die Unterbrechung der Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen notwendig sei und wies sie an die Aerztin, die dann häufig Eingriffe vornahm. Man spricht von IM bis ISO Fällen. Da Dr. Wolf und die Aerztin Honorare angenommen haben sollen, wird vermutlich die Anklage wegen gewerbsmäßiger Abtreibung erhoben werden. Dr. Wolf ist 48 Jahre alt, die Aerztin 31 Jahre.
Die Rechtsvertreter der Verhafteten erkläre», daß ihre Mandanten auf das entschiedenste bestreiten, sich straffällig gemacht zu haben. Sie werden Haftentlassungstermin beantragen.
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Al-bnrg, 22. Febr. Bei Ausübung des Wintersports in Spcßhardt hat der hiesige Schneiderlehrling Stoll einen
Kuß gebrochen. Der jung« Mann wnrde sogleich in ärztliche Behandlung verbracht.
SCB. Stuttgart. 22. Febr. Die Kürzung der Löhne und Gehälter kann ans die Dauer nur ertragen werden, wen» ihr «ine entsprechende Senkung sämtlicher Kosten der Lebenshaltung folgt. Dazu gehören auch in erster Linie die Mieten. Bisher wankten diese noch nicht. Nun hat die Baugenossenschaft der Finanzbeamte» in Württemberg und Hohenzollern, die in Stuttgart und tm ganzen Lande zahlreiche Wohnungen verunetet hat, einen Anfang gemacht. Ste setzt ihre Mieten ab 1. Februar 1931 um 5 Prozent herab.
SCB. Stuttgart, 22 Febr. Vom Polizeipräsidium wird mitgeteilt: In der Nacht vom Samstag auf Sonntag kam es -wischen Nationalsozialisten und Reichsbannerleuten in der Gegend Hauptstätterstraße—Weitzenburgstraße zu größeren Auseinandersetzungen. Es gab aus beiden Seiten Verletzungen durch Stich, Hieb und Wurf. Ein Nationalsozialist erlitt eine Schußverletzung am Fuß. Am Tatort wurde nachher eine Pistole vorgefunden. Insgesamt wurden 9 Verletzte in das Katharinenhospital eingeltefert, jedoch bis auf einen, der erhebliche, aber nicht lebensgefährliche Stichverletzungen hat, wieder entlasten.
SCB. Nentlingc«, 22. Febr. Anläßlich der gestrigen Versammlung der Nationalsozialisten im Lindachsaal gab eS in der Lindachstraße wiederholt große Ansammlungen. Schon bei der Anfahrt der SA.-Leute wurden diese mit Pfuirufen und »Hitler verrecke" empfangen, so daß die Lindachstraße um 8.80 Uhr gesäubert werden mußte. Nach Schluß der Versammlung fanden wieder Ansammlungen statt, die die Versammlungsteilnehmer Spießruten lausen lasten und aus die SA.-Leute warten wollten. Dabei fielen gehässige und gemeine Zurufe. Um diesem Treiben ein Ende zu machen, griff die Polizei scharf ein und säuberte die angrenzenden Straßen. Hiebet wurden die Pvlizetbeamten schwer beschimpft und ihren Aufforderungen, wetterzugehen, wurde vielfach Widerstand entgegengesetzt, so baß mit dem Poltzet- knüppel Ordnung geschasst werden mußte.
Geld-, Volks- und Landwirtschaft
Börse
SCB. Stuttgart, 22. Febr. Die Börse zeigte am Wochenende bet sehr geringem Geschäft keine nennenswerten Kurs- veränöerungen.
L.C. Stuttgarter Obst- und Gemitsegrostmarkt vom 81. Februar.
Tafeläpfel 25-40; Kartoffel 3-^, Wirsing jKöblkrautt 10-12; Weißkraut rund 0-7; Rotkohl 5-8; Blumenkohl 20 bis 50; Rosenkohl 25—30; Grünkohl 10—12, Rote Rüben 0-8; Gelbe Rüben 7—8; Karotten 10-20; Zwiebel 5—7; Rettiche 5—8 Monatrettiche neu 20—25; Sellerie 10; Schwarzwurzeln 30—36; Spinat 80—35.
Schwetnepretse
Balingen: Milchschweine 12—23 — Crailsheim: Läufer 80—35, Milchschweine 15—30 — Giengen a. Br.r
Mtlchschwetne 17—22, Läufer 80—45 ^k. — Güglingen: Milch- schwelne 12—10, Läufer 22—25 — Jlshofen: Milchschiveine
18—23 ^k. — Künzelsau: Milchschweine 10—27 ^k. — Nürtingen: Läufer 88—44, Milchschweine 12—23 — Oehrlngeu;
Milchschweine 17—25 — Nottweil: Milchschweine 15—21
Mark. — Vaihingen a. E.: Milchschweine 15—22 Fruchtpreise
Giengen a. Br.: Gerste 9.85, Haber 7.25, Weizen 14—14.20 Mark. — Tübingen: Weizen 14—15, Gerste 10.50—12.50, Haber 8—8.20 — Winnenden: Weizen 13.80—14, Haber 7.70
bis 8, Dinkel 10.20, Gerste 11.20
W
Dl« örtlichen Kletn-qndel-preffe dürfen selbstverstönbllch nicht an de« VSrsen* mck Großhandel-Preisen gemessen werden, da für lene noch die sog. rvlrtl^ftltchen Ver- lebrSkoÜen ln Aufchlao kommen. Die Schrtstlto.
Kinder unter Affen und Wölfen
von Pavianen geraubt und wiedergefunden. — Eine Weiße, die im Urwald verwilderte. — Die „Wolfskindcr".
Von Ludwig Haßlinge r.
Vor einiger Zeit ging eine etwas phantastisch anmutende Meldung durch die Airslandspresse. Irgendwo im afrikanischen Urwald sollte ein Europäer auf ein Wesen geschossen haben, das er für einen Menschenaffen hielt. Er traf. Doch als er neben der Beute stand, entdeckte er zu seinein Entsinn, daß es sich um ein vollkommen verwildertes Weißes Madcyen mit blonder Mähne handelte. Auf die Nachricht von diesem ungewöhnlichen Vorfall hin erinnerte man sich daran, daß Vor rund zwei Jahrzehnten in der Gegend das Kind eines nordischen Forscherpaarcs von Menschenaffen geraubt sein sollte. Es war ganz natürlich, wenn man diesen Vorfall mit dem erschossenen blondhaarigen Mädchen in Ver- ibindung brachte. Der Beweis für die Nichtigkeit einer solchen Annahme wird freilich niemals geführt werden können.
Dagegen bestätigt ein Vorfall, der erst kürzlich bekannt wurde, durchaus die Möglichkeit, daß Kinder von Affen groß- gezogen worden sind. Ein Negicrnngsarzt aus Port Alfred jsSüdafrikanische Union) besuchte anläßlich einer Dienstreise klnter anderen auch ein vollkommen abgelegenes Kafferndorf. Hier fiel ihm ein etwa dreißigjähriger Schwarzer aus, der Idurchaus nicht unintelligent aussah und sich doch wie ein Tier benahm. Anscheinend sollte dieses merkwürdige Wesen !de» Augen eines Weißen verborgen bleiben, denn ein Kaf« fcrnweiv schoß erschrocken ans den jungen Schivarzen zu und zerrte ihn eiligst in einen Pontok. Natürlich wurde die Aufmerksamkeit des Arztes hierdurch erst recht erregt, und er verlangte vom Dorfältesten Aufklärung.
Tie Auskunft wurde ungern gegeben: Vor beinahe dreißig Jahren halte die Kasfernsrau ein kleines Kind besessen. Eines Tages schnitt sie Mais auf dem Felde. Sie hatte das Kleine mitgenommen und am Rain niedcrgelegt. Plötzlich hörte sie das Kind schreien, sie wandte sich und sah eben noch, wie ein großes Pavianwe.bchen den Jungen Packte und blitzschnell mit ihm im Busch nutertauchte.
Dreizehn Jahre lang hörte und sah niemand im Dorfe etwas vom geraubten Kinde. Tann erwies es sich eines Tages als dringend notwendig, eine Pavianherde zu jagen und zu toten, weil die Affen die Felder verwüsteten. Ein Teil «er -mere entkam. Eines war allein Anschein nach im Lau
ten vchlndert und blieb hinter den anderen zurück. Als eS schließlich keinen anderen Ausweg mehr wußte, kletterte eS auf einen Baum. Einer der Schwarzen wollte schon den Speer nach ihm Wersen, als er die Hand erschrocken sinken ließ. Denn das Wesen, das ihn aus den Zweigen mit ängstlich aufgerissenen Augen anstarrte, war kein Asse, sondern ein verwilderter Mensch. Die Koffern wollten ihn fangen, doch er erwies sich ihnen im Klettern weit überlegen, so daß den Schwarzen nichts anderes übrig blieb, als den Baum zu fällen. Ihr Gegangener war ein vierzehnjähriger Junge.
Sie brachten den Kleinen, der sich wie ein Affe wehrte, biß, kratzte und auf allen Vieren lief, ins Dorf, und hier beanspruchte die Mutter des vor dreizehn Jahren Geraubten ihn sofort als ihr Kind. Es war ihr zwar nicht möglich, zu Mgcn woran sie ihr eigenes Blut wieder erkennen wollte, doch sie erwarte fest: „Ich weiß, eS ist me-'n Kind!"
Mit unendlicher Geduld lehrte sie nun den Verwilderten, aufrecyt zu gehen, ein paar Worte zu sprechen und dann und wann bei festlichen Gelegenheiten einen Lcildenschurz zu dul- oen. Langgam gewöhnte sich der Junge auch daran, ans einer Schale zu trinken anstatt aus dem Fluß. Dagegen weigerte er sich hartnäckig, irgend etwas Gekochtes zu essen. Seine Nahrung bestand weiterhin bis auf den heutigen Tag aus rohen Witzeln und Früchten, rohen Fischen uno Jnse-wn.
Die Mutter fürchtete, die weißen Behörden würden ihr den Wicdergefundencn nehmen, falls sie von ihm erführen, und hielt ihn deshalb ängstlich versteckt, sobald ein Europäer sich in der Nähe anfhielt. Doch ihre Befürchtung erwies sich setzt als grundlos, denn die Behörden beschränkten sich darauf, die Aussage des Arztes zu Protokoll zu nehmen.
Vor Jahren tauchte in Südafrika ein anderes verwildertes Geschöpf auf. Eine Polizeistreife jagte einer Pavianherde einen etwa sechs Jahre alten Jungen ab, der sich in jeder Beziehung wie ein Äffe gebärdete. Er wurde einem Weißen Fariner zur Erziehung zu einem Menschen übergeben nnd lernte, da er bedeutend jünger war, viel leichter als sein vorerwähnter Landsmann gehen, sprechen und arbeiten, lieber seine Erlebnisse unter den Pavianen bewahrte er da- gegen zwanzig Jahre lang Stillschweigen, als schämte er sich, davon vor Mei/schen zu sprechen. Doch schließlich erzählte er, er erinnere sich daran, daß ihn ein Pavianweibchen mit Fruchten aus ihren Backentaschen gefüttert und ihn später gelehrt habe, sich seine Nahrung selbst zu beschaffen. Wenn er dann nach etwas Giftigem gegriffen habe, so sei er von ferner »Mutter" durch eine« Lieb a» die Obre« davor ae-
warm worvcn. Nachts wollte er, eng an vie nessln geklammert, zwischen Steinen geschlafen haven. Angeblich hatte sie ihn verschiedentlich bei drohender Gefahr einen Baum hinauf gejagt und dann erst sich selbst in Sicherheit gebracht.
Allgemein wurde angenommen, LucaS, welchen Namen man dem Paviankind gab, sei als einziger dem Blutbad entronnen, das einem Kaffernüberfall auf ein feindliches Torf folgte. Warum soll nicht ein Pavianweibchen, das irgendwie sein Kleines verloren hatte und sich nach einem Wesen sehnte, das es betreuen konnte, das Jammern dcS Kindes gehört und in natürlichem Instinkt den Hunger des Mutterlosen gestillt haben, um ihn dann ganz bei sich zu behalten?
Man hat ja mit anderen Tieren ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Sagen fast eines jeden Volkes wissen von solchen Fällen zu berichten. Die bekannteste hierunter ist sicher die von Nomiiliis mid Nemrrs, den angeblichen Gründern von Nom. Uns Deutschen noch näher liegt die von Hugdictrichs Sohn Wolfdietrich. Doch auch ans der neuesten Zeit sind amtlich beglaubigte ähnliche Fälle bekannt, bcwn- ders lener der beiden Wolfskinder Amala und Kamala: Vor ungefähr einem Jahrzehnt hörte ein Missionar aus Midna- pur, Inder hätten zwei kleine menschliche Wesen in Gesellschaft dreier Wölfe gesehen. Obwohl er diesen Erzählungen nicht glaubte, hielt er es doch für seine Pflicht, den Gerüchten nachzugehen, mir ,nn sie voll bestätigt zu finden. Er kroch selbst in die Molfshöhle hinein und brachte, zerbissen und zerkratzt, zwei verwilderte Mädchen ans Tageslicht. DaS jüngere, das zwei Jahre alt zu sein schien, starb nach einigen Monaten, das ältere, damals acht Jahre alt, lebt noch heute. Kamala, wie es getauft wurde, ist freilich noch weit davon entfernt, ein vollwertiger Mensch zu sein. Es dauerte Jahre lang, bis sich Kamala daran gewöbnte, nur auf den Füßen allein zu laufen, die Hände zum Esten zu benutzen und andere Menschen außer dein Missionar und besten Frau nicht mit Zähnefletschen zu begrüßen.
Ein ähnlicher Fall wurde kürzlich ans Mahabad gemeldet, in besten Nähe ein Inder in einem Wolfslager einen zehnjährigen Jungen fand, der zum Tier geworden war.
Die Erklärung für solche seltsamen Vorkommniste ist, wie bei den von Pavianen geraubten Kindern, einzig und allein darin zu suchen, daß Muttertiere ihre Jungen verloren hatten und sich darum ein anderes Wesen suchten, dem sie ihren Ueberschuß an instinktiver Liebe zuwenden konnte«.