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Nr. 44
Amts- unä Anzeigeblatt für äen vberamtsbezirk calw
Montag» den 23. Februar 1931
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Jahrgang 103
Die Kabinettsberatungen über die Agrarvorlage
Erörterung der genossenschaftlichen Probleme — Die Landwirtschaft stellt ein Zndustrieprogramm aus
TU. Berlin, 28 . Febr. Amtlich wir- mitgeteilt: Die agrar- volitifchen Beratungen -es Reichslabinetts unter Vorsitz -es Reichskanzlers Dr. Brüning, an denen auch -er inzwischen nach Berlin zurnckgekehrte Neichsbankpräsident Dr. Luther teilnehmen konnte, würben Samstagvormittag fortgesetzt. Im Vordergrund der Erörterung standen vor allem di« genossenschaftliche« Probleme, die tags zuvor mit dem Neichsverbanü -er Deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften in der Reichskanzlei ausführlich durchgesprochen worden waren. Anfangs dieser Woche ist eine eingehende Aussprache der zuständigen Stellen mit dem Ziel der Zinsverbilligung tn Aussicht genommen. Die Agrarpolitischen Beratungen des Reichskabinetts werden heute vormittag fortgesetzt.
Ein Jndnstricprogr»>nm -er Landwirtschaft.
Wie die »Landwirtschaftliche Wochenschau" erfährt, hat die Haltung des R, ichsverbandes der Deutschen Industrie und des Industrie- und Handelstages zu den Agrarvorlagen in führenden landwirtschaftlichen Kreisen den Plan reifen lassen, ihrerseits ein Jndustrieprogramm aufzustellcn. Es dürfte nicht bestritten werden können, daß die Industrie durchaus nicht überall vorbildlich sei. Gerade die von -er Industrie selbst immer wieder betonte« Schwierigkeiten der Zndustrieniirtschast, insbesondere die große« Stillegungen der letzten Zeit, bewiesen, daß unsere deutsche Industrie «och in mancher Richtung verbesserungsbedürftig set. Das beziehe sich u. a. auch aus die Absatzvrganisation und auf die Werbung, bet der gerade die letzte Grüne Woche in Berlin schlagend bewiesen habe, wie rückständig die Industrie nicht nur gegenüber der ausländischen Konkurrenz, sondern auch gegenüber Ser Landwirtschaft set. Die volkswirtschaftlich verfehlte und schädliche Absatzpolitik der Industrie zeige sich auch in -er von landwirtschaftlicher Seite seit Jahren kritisierten Praxis, industrielle Produktionsmittel für den intensiven landwirtschaftlichen Betrieb der ausländischen Landwirtschaft z« erheblich billigeren Preise«, als der deutschen Landwirtschaft zur Verfügung zu stelle», so daß die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft beeinträchtigt und zugleich durch die vielfach unter den Selbstkosten liegende» Auslandspreise das Dcrlustsoldo Ser Industrie vergrößert werde.
Graf Kalckreuth zur Osthilse.
Auf der Gcsamtvvrstandssttzung des LandbunLcs, Provinz Sachien, in Halle hielt der Präsident des Reichslandbun» des, Gras von Kalckreuth, ein Referat über die agrarpolitische Lage, tn dem er das geplante neue Osthilfeg^setz
einer Kritik unterzog. Nach eingehender Würdigung -er Osthilfe stellte er abschließend fest:
„Das Osthilfcgesetz muß ln seiner Gesamtheit als unzureichend und unzulänglich bezeichnet werden, besonders deshalb, weil die generelle Lastensenkung nicht in den Vordergrund der Hilfsmaßnahmen gestellt ist. Auch die vorgesehene Art der landwirtschaftlichen Entschuldung läßt nicht die Hoffnung aufkommen, daß die Umschuldung schnell Platz greift. Der Einfluß Preußens kan» nicht als gebrochen angesehen werden. Die Mirtwirkung -er Landwirtschaft ist nicht in genügendem Matze sichergestellt. Auch eine Verlängerung des Bollstreckungsschutzes ist nicht erfolgt. Mit Rücksicht darauf, daß die Voraussetzung für eine erfolgreiche Osthilfe, nämlich die Wiederherstellung der Rentabilität der Landwirtschaft nicht erfüllt ist und die eben erwähnten Hauptforderungen des Reichslandbundes unberücksichtigt geblieben sind, wird auch dieses Gesetz dem deutschen Osten keine Rettung bringen.
. E<n Appell Hinde«b«rgs
Der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Wege-Lud- wigsdorf hatte an den Reichspräsidenten ein Schreiben gerichtet, in dem er u. a. a» den Reichspräsidenten die dringende Bitte richtet, dafür Sorge zu tragen, daß ungesäumt etwas burchgreiferrdeS für die Landwirtschaft des Ostens geschehe» möge. Der Reichspräsident hat hierauf dem Abgeordneten Wege folgendermaßen geantwortet:
„Von Ihrem Schreibe» vom 18. Februar habe ich mit vollem Verständnis für die tm Landvolk der Grenzmark herrschende sorgenvolle und ernste Stimmung Kenntnis genommen. Ich verfolge die Lage der deutschen Landwirtschaft mit besonderem Interesse und begleite alle brauchbaren Vorschläge zur Besserung der Not, namentlich im Osten, mit tätiger Mithilfe. Durch die in Len letzten Tagen vom Reichs- kaüinett verabschiedeten Gesetzentwürfe soll dem Osten durch weitere vor der Verabschiedung stehende Maßnahmen der deutschen Landwirtschaft insgesamt eine durchgreifende und alsbaldige Hilfe gebracht werden. An meiner Mitarbeit hierbei hat es bisher nicht gefehlt und wird eS auch künftig nichit fehlen. Leider muß ich aber zur Zeit Ihre und Ihrer Fraktionskollegen praktische Mitarbeit bei der Gesetzgebung des Reiches vermissen. Ich muß daher Ihren Appell an mich damit erwidern, daß ich an Sie und Ihre Parteifreunde den dringenden Ruf richte, bei den bevorstehenden, für die deutsche Landwirtschaft lebenswichtigen gesetzgeberischen Arbeiten nicht abseits zu stehen, sondern tatkräftig mitznhelfen."
Michsbannerausmarsch in Berlin
TN. Berlin, 28. Febr. Das Reichsbanner Schwarz-Not- Gold veranstaltete Um Sonnkag im Lustgarten seinen ange- künöigten Appell, mit dem die erste Phase der inneren Orga- nisation abgeschlossen sein soll. In Truppen rückten die einzelnen Formationen lStaffelformatione», Schutzformationen, Jnngbanner) nnd FahnenabteilungeN durch die festgesetzten Straßen. Kleinere kommunistische Trupps, die zum Lustgarten vorzudringci, versuchten, wurden von -er Polizei mühelos abgedrängt.
Nachdem die Mannschaften vor dem Schloß Aufstellung genommen hatten, hielt Vundesführer Hörsing eine Ansprache, in der er u a. ausfnhrte: Jeder Neichsbannermann -ln seinem Gau set jederzeit bereit, zu marschieren, zu kämpfen nnd zrt siegen, wenn es die Verteidigung der Republik und der Demokratie erforderten. 160 000 Mann seien im Laufe der letzten Monate in einem ersten Kursus einer besonderen Ausbildung unterworfen worden. Ein erstes Aufgebot, dem je nach Notwendigkeit ei» zweites und drittes folgen würden, stehe heute tn 82 Ganen marschbereit. Das set keine Soldatcnspicleret, die Bereitstellung und Ansbildung sei Notwehr- nnd Abwehrhandlung derjenigen unter den Republikanern gewesen, die rechtzeitig und richtig erkannt hätten, daß die Gewalthausen, die gegen die Republik vorstießen, zurückgewiesen werden müßten. Das siebenjährige Ringen mH dem Gegner und leider auch mit dem Unverstand in den Rethen der Republikaner sei hart nnd opfer- voll, aber Nicht vergeblich gewesen. Hakenkreuz und Sowjetstern hätten im Parlament versagt oder seien ihrer Pslicht entflohen. Auf der Straße würbe mau sie nicht anskvmmen lassen.
Der Gegner set von heute an unmöglich, denn alle ge- waltanbetenden ober kriegslüsternen Gegner der Demokratie sähen heute die Macht -er staatstreuen Organisation und würden sich hüten loszuschkagen. Das Reichsbanner könne seine Aufgabe nur erfüllen, wenn eö niemals Partei werde.
Es könne nur die überxarleiliche Schutzorgaui
jatton der Republik und der Demokratie sein und bleiben. Die republikanischen Parteien sollten endlich Schluß machen mit der Duldsamkeit gegenüber den Feinde» der Demokratie. Sein, Hörstngs, Kriegsplan zur Niederringung der Arbeitslosigkeit müsse Programm werde». Des deutschen Volkes Not sei der Feind, -er überwunden werden müsse. Mit ihr würde der Radikalismus von selber falle«. Der Redner schloß mit einem Hoch auf die Republik.
Weitere große Reichsbannerkun-gebungen fanden gestern in Magdeburg, Frankfurt und München statt.
Hillerkundgebung in Braunschweig
Hitler übex de» Ideengehalt -es Nationalsozialismus
TU. Brannschweig, 23. Febr. Auf dem Parteitag deS Gaues Hannover-Braunschweig -er NSDAP, sprach Hitler am Sonntag über den Ideengehalt -es Nationalsozialismus. Viele sagten, so begann er, von der nationalsozialistischen Idee könne man nicht leben. Di« Wirklichkeit sei hart und es sei in ihr kein Platz für ideales Handeln. Der Gegner aber erringe mit seinem Realismus auch keine Erfolge. Das Proletariat stehe nicht auf, wie ihm verheißen worden sei, sondern es sinke immer tiefer. Die Nationalsozialisten träten für den Idealismus ein, well derhöchste Idealismus zugleich der größte Realismus sei. Von der kommunistischen Weltanschauung unterscheide sich der Nationalsozialismus dadurch, daß dieser jedem die Autorität gebe, die ihm zukomme, während der Kommunismus die Menschen zu Tieren mache. Das deutsche Volk verlange einen bestimmten Lebensstandard und einen Anteil an den Kulturgütern, der dem entspreche, was es der Welt an Kultur schenke. Wir hätten kein Recht, so zu leben, als handle es sich nur um die kurze Spanne eines Menschenlebens. Wenn erst die bolschewistische Menschheitssendnng aus Deutschland Überareise, set keine Zeit mehr sür eine Idee. Fm Kamps um das Leben müsse ein Volt geschlossen seine Kraft als Nation «insetzen. Aber das Feld sei nicht nur zu -bestellen, sondern auch zu schützen, und webe dem Volk, das
Tages-Spiegel
TuS Reichskabinett setzte die Beratung -er Agraroorlage fort. I» Landwirtschaftskreifeu plant man gegenüber den Einsprüchen -er Industrie ein Jndnstrieprogramm auf, -«stelle«; bekanntlich hat chie Industrie sür di« Landwirt» fchaft das gleiche besorgt.
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Der Reichspräsident richtete eine» Appell a« Sie dentsch- nationale Fraktion, im Interesse -er Landwirtschaft ihre Mitarbeit im Reichstag wieder a«fzunehme«.
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Am Sonntag fanden in Berlin und andere« Großstädten deiö Reiches Reichsbauneranfmärsche statt» die überall ohne nennenswerte Störung verliefe«.
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Reichskanzler Dr. Brüning nnd Netchsaußeuminister Dr. Cnrtius werde» der Einladung der österreichische« Regie, rnng z« einem Wiener Besuch anfangs März Folge leisten, wenn die parlamentarische Lag« ihre Abwesenheit dann gestattet. ^
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Im Hanptansschuß des NeichsverbandeS der Deutschen In- bnstrie wurde nach einem Bortrag Dr. Stegerwalds ei« gesetzlicher Zw«ng znr Verkürz»«« »er Arbeitszeit avge, lehnt «nb die möglichst rasche Senkung der Gestehungskosten als bestes Mittel znr Beseitigung der Arbeitsnot bezeichnet.
vergesse, -aß Pflug und Schwert aus ein und Semseben Metall seien. Nicht im Schwert allein liege die soldatische Kraft. Ueber allem stehe der Geist.
Anläßlich des Hitlertages kam eS in verschiedenen Teilen der Stadt -n blutigen Zusammenstößen.
Lawinensturz auf eine Bergmannssiedlung
Ei« Hans von ei««« Lawine durchschnitten. D*e Bewohner schwer verletzt geborgen.
TU. Bozen, 23. Febr. Große Verheerungen richtete eine Lawine in der Bergmannsstcdlung Masern an, die in 2100 Metern Höhe liegt. Die Schneemassen wurden über die Talmulde auf den gegenüberliegenden Hang geschleudert, wo die Wohnbaracken der Bergleute liegen. Die Lawine durchbrach die Außenwand einer Baracke und drang in die Woh- nung -es Bergmanns Reiner ein. Die Küche, sowie zwei Stuben, in denen der Bergmann mit seiner Frau und seinen fünf Kindern schlies, wurden völlig vernichtet. Der Berg- mann Reiner wurde ebenso wie seine Frau von den Schneemassen zur Seite geschleudert. Während die Frau wie durch ein Wunder unverletzt blieb, hatte Reiner einen Wirbelsäulenbruch erlitten. Die fünf Kinder waren in den Schneemassen begraben und mußten von den Kameraden Neiners gesucht werde». Sie wurden nach längerer Zeit bewußtlos und mit schweren Ersticknngs- und Ersriernngserscheinnnge» geborgen. Glücklicherweise hatten die Wiederbelebungsversuche bei allen fünf Kindern Erfolg. Die Verletzten können nicht ins Tal gebracht werden, da die 25 Kilometer lang« Drahtseilbahn, die im Winter die einzige Berbindungsmög- lichkeit mit der Bergmannssiedlung darstellt, infolge des Unwetters nicht betriebsfähig ist.
Wiebe« e«u schweres Lawtnennnglück
TU. Innsbruck» 28. Febr. Die Lawinengefahr in de» Bergen hat in den letzten Tagen ungeheuer zngenommen. Am Sonntag abend wurde am Patscherkofel «ine ans sünf Damen und Herren bestehende Partie von einer Lawine verschüttet. Während rin Teilnehmer unverletzt davonkam, wurde eine Dame zur Seite geschleudert, wo sie mit gebrochenen Beinen liegen blieb. Dt« übrigen drei Teilnehmer wurden in den Schneemassen begraben. Gegenwärtig sind die Bergungsarbeiten im Gange.
Revolution in Peru
TU. London» 28. Febr. Nach Meldungen a«S Buenos Aires ist die revolutionäre Bewegung in den Südstaate» Perus erneut aufgeflammt. Mehrere Garnisonen sind bereits zu den Revolutionären übergegangen. Auf »er Seite der Aufständischen befindet sich auch die Garnison Arequipa, die die August-Revolution in Bewegung gebracht hat und die nunmehr wegen angeblich unerfüllter Versprechungen gegen die neue Regierung revoltiert. Ein großer Teil der Flotte scheint den Ansstand zu unterstützen.
Kommnnistcnputsch i« Paraguay TU. Nenyork, 23. Febr. Wie aus Paraguay gemeldet wird, haben in der Stadt Encarnacion zweihundert Kommunisten, die sozialistische Republik ausgerusen. Später flüchteten sie, nachdem sie 1,v Millionen Pesos aus den Banken geraubt hatten. Di« Ordnung konnte durch die Regierungstruppeu wieder hergestellt werde«,