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verantwortl. Lchriftleitung: Frieärich tzan, Scheel« Druck unL Verlag Ler A. 0elschlöger'sch«n vuchäruckeret
Samstag, den 21. Februar 1931
Fahrgang 103
Scharfe Kritik an der Reichsbahn
Der Verkehrshaushalt im Reichstag verabschiedet — Aenderung des Pressegesetzes
beschlossen — Schreckschüsse in der Wandelhalle
TU. Berlin. 31. Febr. Im Reichstag wurde gestern die Aussprache über den Haushalt des Reichsverkehrs- mtnisteriums zu Ende geführt und der Haushalt in der Ausschußfassung angenommen. Ebenso fanden Entschließungen Annahme, die Gehälter der oberen Neichsbahnbcam- ten denen der gleichgestellten Neichsbeamten anzupassen und umgehend eine Zusammenstellung über die Bezüge aller hohen Reichsbahn- und Reichsbankbeamten vorzulcgcn. Weiter wurde eine Entschließung angenommen, die die Nctchs- regierung aussordert, unverzüglich die Rechtslage über den Schenkervertrag der Reichsbahn klarzustellen. Die übrigen Entschließungen dazu wurden der Ausschußberatung überwiesen. Annahme fand auch eine kommunistische Entschließung, wonach die Neichsregierung auf die Reichsbahn dahin wirken soll, daß die kostenfreie Beförderung aller Schwerkriegs- und Schwerunfallverletzten in der Polsterklasse Lurchgeführt wird. Ferner wurde die Vorlage zur Aenderung des Pressegesetzes, wonach Abgeordnete nicht verantwortliche Redakteure sein dürfen, in einfacher Abstimmung gegen die Kommunisten und einige Mitglieder des Landvolkes in der Schlußabstimmung angenommen. Das Gesetz tritt am 1. März dieses Jahres in Kraft.
In der Aussprache über den Vorkehrshaushalt wurde das ganze Register der Fragen, die bereits vorgestern eingehend erörtert waren, nochmals aufgezogen: Tarissenkung, Luftivesen, Rationalisierung, Kanalbauten, Krastsahrzeug- verkehr und immer und immer wieder der Schenker-Vertrag. Ein Zontrumsabgeordneter behauptete, die Verhandlungen über dieses Monopolabkommen lägen schon weiter zurück. Der Minister versicherte demgegcniiber hoch und heilig aufs neue, er sei völlig überrumpelt worden. Die Neichsbahnver- waltung kam in der Debatte überhaupt schlecht weg. Man bezeichnet«: die souveräne Nichtachtung, mit der sie auf das Verkehrsmlnisterium herabsieht, als fürderhin nicht tragbar. Wenn man sich in der Leitung so selbstherrlich gebärdete, müßten eben die Reichsbahngesetze geändert werden. Von den Sozialdemokraten — und nicht nur von ihnen — wurde die Personalpolitik der Reichsbahngesollschaft scharf kritisiert und eine Herabsetzung der hohen Gehälter der leitenden Beamten gefordert. Herr von Guerard selbst bekannte, daß er das System der Leistungszulage in der gegenwärtigen Form für unerträglich halte.
Schreckschüsse in de, Wandelhalle des Reichstags.
In der Wandelhalle des Reichstags kam es gestern nachmittag gegen S Uhr zu einem ausregenden Zwischenfall. Ein älterer Herr, der sich dort schon seit längerer Zeit aufgehalten hatte, gab plötzlich auf den neben ihm stehenden Neichstagsabgcordneten Dr. Külz lStaatsparteif drei Schüsse ab. Dr. Külz sprang aus den Mann zu, worauf dieser einen weiteren Schuß abgab. Dr. Külz ergriff darauf den Mann und übergab ihn den herbeieilenden Dienern. Der Revolver wurde ihm abgenommen und die Kriminalpolizei
Keine neuen Saarverhandlungen
TU. Berlin, 31. Febr. Die Pressemeldung, daß in den ersten Apriltagen neue Saarverhanblungen »u erwarten seien und daß augenblicklich diplomatische Besprechungen zwischen Deutschland und Frankreich stattfänden, um die noch bestoßenden Schwierigkeiten zu beseitigen, wird von zuständiger Stelle fürunrichtig erklärt. Von allem wird darauf hingewiesen, daß augenblicklich keine deutsch-französischen Besprechungen über diese Angelegenheit stattfinde».
Frankreichs Heereshaushalt
TU Paris, 21. Febr. In der Kammer wurde gestern der Bericht über den HeereShaushalt für 1081-32 erteilt. Der Heereshaushalt beläuft sich auf Milliarden Franken und übersteigt somit den vorjährigen Haushalt um 70 Millionen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß es sich bei diesen Summen um reine Nüstungsausgaben handelt, worin nicht etwa die Ausgaben cinbezogen sind, die in verschiedenen anderen Haushalten unter der Rubrik „nationale Verteidigung" untergebracht sind. Der gesamte französische Heereshaushalt beläuft sich vielmehr anfüberlSMilliardenFran, ken, wobet noch zu berücksichtigen ist, daß das Kriegsministerium über große Kredite verfügt, die auf dem Wege von Negiernngscrlasse» eröffnet werden können.
Der Berichterstatter zog aus dem Bericht die Schlußfolgerung, -aß Frankreich seiner Friedenspolitik und den im Völkerbund übernommenen Verpflichtungen treu geblieben sei. da es die einjährige Dienstzeit fortsetze, was eine Ab- rüstungsmaßnahme darstelle» die man leider bei den andern Mitgliedern des Völkerbundes vermisse. Er machte
verständigt. Der Fcstgenommene war schon seit mehreren Tagen in der Wandelhalle erschienen, wie er sagte, als Vertreter der bayerischen Kleinrentner.
Der Täter ist ein gewisser Schmidt aus Würzburg, der bis jetzt in einem Berliner Hospiz wohnte. Die Masse, die er benutzte, war eine S ch r e ck s ch u ß p i st o l e. Bei der Festnahme bat Schmidt den Abg. Külz wegen seiner Tai flehentlich um Entschuldigung.
Die Agrarvorlagc hente «t-der vor dem Neichskahinett.
Entgegen den Errvartnngen hat »nsolge leichter Erkrankung Dr. Brünings gestern nachmittag keine Sitzung des Ncichskabinetts stattgrsunüen. Das Neichskabinett wird heute vormittag unter dem Vorsitz des Reichskanzlers dip Beratung der Agrarvorlage fortsetzcn.
Der Zcntralrat der deutschen Gewerkvereine Hlrsch- Dunckcr fordert von der Neichsregierung und dem Reichstag baldige energische gesetzliche Maßnahmen zur Milderung der Arbeitslosigkeit durch möglichst weitgehende Einschränkung der Beschäftigung vo». Doppelverdienern, soweit nicht für sie der Nachweis einer Erwerbsbedürstigkeit erbracht wird Der Zentralrat fordert ferner eine Verordnung zur Einführung einer 40- stündigen Arbeitswoche, sowie in allen Jnönstrie- gruppen ein Verbot der über 48 Stunden hinausgehen-ücn Arbeitszeit.
Minister Wirth itb-r de« RechtsradlkalksmnS.
Der HauShaltsausschuß des Reichstags setzte am Freitag die Beratung des Haushalts des Rcichsinnenministeriums fort- In der Aussprache, wurde vom Zentrum scharftr Einspruch gegen die Gottlosenpropaganda erhoben.
NeichSinncnminister Wirth gab eine ausführliche Darstellung über die Schriftenpropaganda der russischen Kommunisten in Deutschland. Er erklärte, die bolschewistische Propaganda bedeute einen nur schwer erträglichen Einbruch in die westeuropäische Kultur. Hinsichtlich der geistigen Strömungen des Nechtsradikatismns erklärte der Minister, er habe jede Gelegenheit wahrgenommen, die kirchlichen Amtsstellen aller Bekenntnisse zu bitten, sich mit diesen Strömungen auseinanderzusetzen. Man könne jetzt schon beobachten, daß von der geistlichen Seite her eine Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten begonnen habe. Tr. Wirth brachte im übrigen zum Ausdruck, daß ein Bür- gerkriegnichtvorderTürestehe. Es werde wohl hier und da einige Prügeleien geben, die aber mit polizeilichen Mitteln allein niedergeschlagen werden könnten.
Man könne übrigens der Meinung sein, daß ein gewisser Höhepunkt Ler radikalen Welle erreicht sei. Allerdings müsse man sich vor Augen halten, daß aüf eine Welle eine zweite folgen könne, und daß eS nicht allzu schwer sei, bei der steigenden wirtschaftlichen Not die Bevölkerung aufzureizen und für politische Zwecke auszubeuten. Ueber die Absichten der Nationalsozialisten sei das Ministerium zum Teil auch von Nationalsozialisten selbst genau unterrichtet.
hierbei eine Andeutung auf Deutschland, Las für Len Unter- halt seines 100000-Mann-Hceres nicht weniger als S Milliarden Kranken ausgebe.
Tschechisches Flugzeug über Bayern
TU. Selb, 21. Febr. Am Donnerstag nachmittag gegen 3 Uhr erschien über der 5 Kilometer von der bayerisch-tschechischen Grenze entfernten Stadt Selb ein Doppeldecker mit dem tschechischen Hoheitsabzeichen. Er flog sehr niedrig und zog in auffallend langsamer Fahrt über die Stadt. Bis jetzt konnte noch nicht festgestellt werben, ob es sich um ein Privat- oder ein Militärflugzeug handelt und ob -er Flieger absichtlich vder versehentlich die Grenze überflogen hat.
Oesterreich fordert allgemeine Wehrpflicht
TU. W'e», 21. Febr. Der österreichische Natioualrat hat in seiner Freitagsitzung die Beratung des Vundesvvran- schlags beendet. Bei der Abstimmung über bas Kapitel Wehrwesen wurde einstimmig ein Antrag des Lanö- bundes angenommen, in dem die Negierung aufgesordert wird, alle Schritte zu unternehmen, um die Zustimmung der Signatarmächte des Friedensvertrages von St. Germain zum Ausbau der gesetzlichen Wehrorganisation auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht zu erreichen.
Mordarischlag auf König Zogu
Et» Begleiter -cs Königs von Albanien getötet.
TU. Wie«, 21. Febr. König Zogu von Albanien, der zur Zeit in Wien zur Erholung weilt, hatte am Freitag abend mit einige» Herren seines Gefolges -er Ausführung vo»
Tages-Spiegel
Ter Reichstag hat in zweiter Lesung den Verkehrsetat »e« ha- d-lt n«L anschließenL -ie Novelle zum Pressegesetz v-r» abschiedet.
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Infolge Unpässlichkeit -es Reichskanzlers mußte die Weiter, behaudlnng -er Agrarvorlagc im Kabinett «ns heute ver» schoben werde«.
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Der Betrieb der Hütte Nnhrort-Mcid-rich der Vereinigte« Stahlwerke in Tnisbnrg wird nach dem Scheitern -er Bemühungen der Regierung ab heute stillgclegt und die gesamte Belegschaft von säst MV Man« entlassen. Tie Stadt Duisburg gerät hierdurch in eine katastrophale Lage.
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Lord Cecil trat t« einem Zeitungsartikel «nter dem Deck« mantel der Realpolitik de« „übertriebene« Abrüstnngs, bestrebungen" entgegen.
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Ans den Schlachtfeldern «m Vcr-nn hat ma«, nach einem Bericht des sranzösischen Pensioasministers, «och 12 »Oll «»bestattete Leiche« gesunden.
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Zwei furchtbare Lawinenkatastropheu in Tirol «nd Gr««, b'indeu forderten 15 Menschenleben.
„Bajazzo" in -er Wiener Staatsoper beigewohnt. Als er nach Schluß der Aufführung das Opernhausgebäude verlasse« wollte, feuerten zwei jnnge Leute, anscheinend Studenten, die dem König aufgelauert hatten, mehrere Schüsse gegen ihn ab. König Zogu blieb unverletzt, dagegen wurde einer seiner Begleiter durch einen Schuß getötet. Die beiden Attentäter wurden verhaftet. Es scheint sich um albanische Studenten zu handeln.
Neue Lawinenkatastrophen
Lawine verschüttet einen Gasthos.
TU. Basel, 21. Febr. An der Luckmanier-Straße tm Medelsertal ereignete sich am Freitag früh ein schweres Lawinenunglück. Eine niedergehende Lawine begrub in Platta den Gasthof zur „Post" unter sich, der von dem Ehepaar Wenzing, sowie den Familien seiner beiden Söhne bewohnt ist. Der Gasthof wurde zum Teil eingedrückt, -um Teil wurde das Haus mit fortgerissen. Aus den Trümmern konnten bis jetzt tot die alte Mutter Wenzing, sowie ei« sechs Jahre altes Enkelkind" geborgen werden, während noch fünf weitere Personen, ein Ehepaar und drei Kinder, vermißt werden. Die Mitglieder der anderen Sohneöfamilie konnten gerettet werben, ebenso der alte Vater.
Das schwere LawinenunglüS har insgesamt 7 Mensche« das Leben gekostet. Eine ganze Familie. Vater, Mutter und vier Kinder lm Alter von I—5 Jahren wurden getötet» ferner die über 60 Jahre alte Großmutter. Die Leichen der beiden Frauen und der vier Kinder, die einandergeprcßt im Keller aufgefunden wurden, konnten geborgen werden. Die Leiche des jungen Ehemannes Seraphim Wenzing wird noch unter den Trümmern des Gasthofes zur „Post" gesucht. Der Großvater Wenzing, sowie die anderen vier Familienmitglieder — das Haus war von insgesamt 12 Menschen bewohnt — konnten sich, da sie teils tm Stall, teils im unterem Stockwerk beschäftigt waren, noch rechtzeitig lnS Freie flüch- ten oder noch so zeitig geborgen werden, daß sie vor dem Tode des Erstickens bewahrt wurden.
Wie-ernm acht Tote.
TU. JnnA»r«ck, 21 . Febr. Eine furchtbare Lawinenkatastrophe hat am Freitag den Ort Jnnervillgratcn in Osttirol hcimgesucht. Durch eine Lawine wurde das HauS des Bauern Joseph Mayer verschüttet. Alle im Hause lebenden Personen haben den Tod gefunden Nach der ersten Meldung wurden der Bauer und seine sechs Kinder getötet, während die Frau des Bauern noch lebend geborgen werden konnte. Nach einer weiteren Meldung soll sich auch die Frau «nter den Opfern befinden, sodaß sämtliche Mitglieder der Fa- milie ums Leben gekommen sind.
Gärung in den Staaten Südamerikas
Die Revolution i« Paraguay im Gange.
TU. Neuyork, 21. Febr. I« Buenos Aires aus Paraguay eintreffende Berichte sagen, daß dort dle Reoolntion in vollem Gange sei. Die Revolutionäre hätten die Handelsstadt Encarnaclon besetzt. Di« Telegraphenverbindungen seien unterbrochen.
In Lima, der Hauptstadt von Peru, konnte ein Umsturzversuch unzufriedener Anhänger des früheren Präst- denten Legnia im Keime erstickt werden. Zahlreiche Bewaffnete versuchten, das Parlam'entsgebäude zu besetze« und die Regierung zu stürzen. Die Armee und Marine sowie der größte Teil der Bevölkerung gelte« im allgemeine» als regierungstreu.