Nr. 44/Seite 2
Amtsblatt für den Kreis Calw
Samstag, 31. Oktober 1953
Berufsgenossenschaft Württemberg versichert. Dasselbe trifft auf Hausgehilfinnen von Aerzten, Zahnärzten, Dentisten, Rechtsanwälten und ähnlichen selbsländigen Gewerbetreibenden zu, soweit die Hausgehilfin regelmäßig auch in der Praxis oder im Bürobetrieb tätig wird.
Arbeitsunfälle von Hausgehilfinnen sind dem Württ. Unfallversicherungsverband unter Be- nügung der hierfür vorgeschriebenen Vordrucke spätestens innerhalb drei Tagen anzuzeigen, wenn der Beschäftigte durch den Unfall getötet oder so verlegt wird, daß er für mehr als 3 Tage völlig oder teilweise arbeitsunfähig ist (§ 1552 RVO).
Vordrucke sind beim Formularverlag W. Kohlhammer, Stuttgart-O, Urbanstraße 12—14, bei den Ortsbehörden für die Arbeiter- und Ange- stellten-Versicherung oder beim Württ. Unfallversicherungsverband erhältlich. Arbeitsunfälle von Hausgehilfinnen, die regelmäßig im Gewerbebetrieb oder in der Praxis mitarbeiten, sind der fachlich zuständigen gewerblichen Berufsgenossenschaft, gegebenenfalls der Landwirtschaften Berufsgenossenschaft Württemberg zu melden.
Die Leistungen der geseglichen Unfallversicherung umfassen Krankenbehandlung, Berufsfürsorge, Rente oder Krankengeld, Tagegeld bzw. Familiengeld für die Dauer der Erwerbsunfähigkeit (§ 558 RVO). Die Krankmeldung hat bei der zuständigen Allg. Ortskrankenkasse zu erfolgen, die den Gemeinde- Unfallversicherungsverband entsprechend unterrichtet.
Die Aufwendungen für die Durchführung der Unfallversicherung der Hausgehilfinnen wurden bisher aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und des mit dem Einzug der Beiträge verbundenen Aufwandes an Zeit und Kosten aus dem allgemeinen Beitragsaufkommen der Mitgliedsgemeinden des Württ. Unfallversicherungsverbandes bestritten. Diese Regelung kann jedoch im Hinblick auf die ständige Zunahme der Arbeitsunfälle in Haushaltungen und die damit verbundene Erhöhung der Entschädigungsleistungen nicht mehr beibehalten werden. Es erscheint auch nicht länger angängig, öffentliche Mittel für kommunalfremde Zwecke zu verwenden. Der Württ. Unfallversicherungsverband ist deshalb dazu übergegangen, erstmals für das Jahr 1952 Beiträge für die Unfallversicherung der Hausgehilfinnen von den Haushaltungsvorständen zu erheben. In den benachbarten Ländern Baden, Bayern und Hessen werden diese Beiträge schon seit Jahren erhoben. Es darf erwartet werden, daß die beteiligten Haushaltuugsvorstände es zu schälen wissen, daß im Geschäftsbereich des Württ. Unfallversicherungsverbandes bisher von der Erhebung eines Beitrages für Hausangestellte abgesehen wurde. Die Erhebung der Umlage erfolgt nach den in der geseglichen Unfallversicherung geltenden Grundsägen, d. h. rüdewirkend nach Maßgabe der Aufwendungen im abgelaufenen Geschäftsjahr (§ 731 RVO). Der Beitrag wird deshalb jeweils für das abgelaufene Geschäftsjahr im darauffolgenden Kalenderjahr erhoben.
Der Mindestbeitrag beträgt nach der Sagung des Württ. Unfallversicherungsverbandes 5.-DM (§ 734 RVO). Er entspricht den Beiträgen, die auch von den anderen Gemeinde-Unfallversicherungsverbänden erhoben werden.
Im Gegensag zur Aufbringung der Beiträge für die gesegliche Kranken- und die soziale Rentenversicherung sind die Beiträge in der ge- seglichen Unfallversicherung grundsäglich vom Unternehmer (Haushaltungsvorstand) allein aufzubringen (Abschn. II Art. 8 § 1 des Geseges über den Aufbau der Sozialversicherung vom 5. 7. 1934 - Reichsgesegblatt I S. 577 -).
Die gesegliche Unfallversicherung hat den Charaktereiner staatlichen Zwangsversicherung, d. h. sie erfaßt kraft Geseges sämtliche Personen, die der Versicherungspflicht unterliegen. Der Abschluß einer privaten Unfall- oder Haftpflichtversicherung seitens des Arbeitgebers auf privatrechtlicher Grundlage hebt den Schug der geseglichen Unfallversicherung, die Versiche
rungspflicht der Hausangestellten und die Bei- Der Württ. Unfallversicherungsverband em- tragspflicht des Haushaltungsvorstandes nicht pfiehlt deshalb den beteiligten Haushaltungsvor- auf. Auf der anderen Seite können Hausange- ständen dringend, den angeforderten Jahresbeisteilte aus Anlaß von Arbeitsunfällen Schaden- trag, soweit noch nicht geschehen, zur Vermei- ersagansprüche gegen ihre Arbeitgeber nicht düng unliebsamer Weiterungen innerhalb der geltend machen (abgelöste Unternehmerhaft- festgesegten Zahlungsfrist zu entrichten. Rückpflicht). Eine Haftung des Arbeitgebers besteht ständige Beiträge müssen gemäß §28 der Reichs- nur für den seltenen Ausnahmefall, daß straf- Versicherungsordnung wie Gemeindeabgaben geseglich festgestellt worden ist, daß der Unter- beigetrieben werden. Etwa entstehende Mahnnehmer den Unfall vorsäglich herbeigeführt hat gebühren und Einzugskosten gehen zu Lasten (§ 898 RVO). der Haushaltungsvorstände.
Das neue Schwerbesdiädigtengesetj
von Verwaltungs-Amtmann Bredenberg, Leiter des Kreissozialamts Calw
Fortsetzung
Als Arbeitspläge zählen im Geseg (§ 5) näher bezeichnete Stellen nicht.
Zur Feststellung der Zahl der Arbeitspläge werden mehrere Betriebe desselben Arbeitsgebers im Bezirk eines oder mehrerer Landesarbeitsämter zusammengefaßt.
Im öffentlichen Dienst sind vor anderen Bewerberinnen Witwen und Ehefrauen der Kriegsund Arbeitsopfer gemäß der im § 8 des Geseges vorgesehenen näheren Regelung beim Vorliegen entsprechender fachlicher Voraus- segungen bevorzugt einzustellen. Solange private Arbeitgeber die für ihren Betrieb vorgeschriebene Zahl von Schwerbeschädigten nicht beschäftigen und ihrer Beschäftigungspflicht nicht genügen, haben sie für jeden un- besegten Pflichtplag eine monatliche Ausgleichsabgabe zu entrichten. Die monatliche Ausgleichsgabe beträgt 50.- DM. Sie wird vom Arbeitsamt festgesegt und ist vom Arbeitgeber an die Hauptfürsorgestelle abzuführen. Das Landesarbeitsamt kann im Benehmen mit der Hauptfürsorgestelle die Ausgleichsgabe in Härtefällen auf Antrag der Arbeitgeber herabsegen oder erlassen. Auf die vom Arbeitsamt fest- gesegte Ausgleichsgabe kann die Hauptfürsorgestelle im Benehmen mit dem Landesarbeitsamt einen Anteil der Aufwendungen für Lieferaufträge anrechnen, welche die Arbeitgeber Betrieben erteilen, die mindestens 50 vom Hundert ihrer Arbeitspläge mit Schwerbeschädigten besegt halten und von der zuständigen Landesbehörde ausdrücklich als Schwerbeschädigtenbetriebe anerkannt sind, sofern diese der Hauptfürsorgestelle die ordnungsmässige Abwicklung der Lieferaufträge bestätigen.
Das Landesarbeitsamt kann auf Vorschlag des Arbeitsamtes oder der Hauptfürsorgestelle einem privaten Arbeitgeber, der seine Pflicht zur Beschäftigung Schwerbeschädigter nach diesem Geseg nicht erfüllt hat, eine angemessene Frist zur Nachholung mit der Erklärung bestimmen, daß es nach fruchtlosem Ablauf der Frist selbst die zu beschäftigten Schwerbeschädigten bezeichnen werde.
Hat der Arbeitgeber innerhalb der Frist seine Beschäftigungspflicht nicht erfüllt, so benennt das Landesarbeitsamt die Schwerbeschädigten und bestimmt den Zeitpunkt, zu dem sie einzustellen sind. Mit Zustellung dieses Beschlusses gilt zwischen dem Arbeitgeber und dem Schwerbeschädigten ein Arbeitsvertrag als abgeschlossen.
Zur Überwachung dieser Verpflichtung sind die Arbeitgeber zu im § 11 festgelegten Auskünften dem Arbeitsamt und der Hauptfürsorge- stelle gegenüber verpflichtet.
In allen Betrieben und Verwaltungen, in denen ein Betriebsrat besteht, hat er die Unterbringung der Schwerbeschädigten zu fördern und für eine ihrer Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende Beschäftigung zu sorgen.
Sofern in einem Betrieb oder einer Verwaltung wenigstens 5 Schwerbeschädigte auf Arbeitsplänen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, haben sie für die Dauer von zwei Jahren zur Vertretung ihrer Interessen einen Vertrauensmann zu wählen, der ein Schwerbeschädigter sein soll.
Die Kündigung eines Schwerbeschädigten durch den Arbeitgeber bedarf der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle. Die Kündigungsfrist
und Schluß
beträgt mindestens 4 Wochen. Die Zustimmung zur Kündigung hat der Arbeitgeber bei der für den Sig des Betriebes oder der Verwaltung (der Betriebs- oder Verwaltungsabteilung) zuständigen Hauptfürsorgestelle schriftlich, und zwar in doppelter Fertigung, zu beantragen.
Die Hauptfürsorgestelle holt eine Stellungnahme des zuständigen Arbeitsamtes, des Betriebsrats und des Vertrauensmannes der Schwerbeschädigten ein. Sie hat ferner den Schwerbeschädigten zu hören.
Durch einen Ministerialerlaß ist auch die für unseren Kreis Calw zuständige Hauptfürsorgestelle inTübingen angewiesen, von Kündigungsanträgen eine Abschrift dem zuständigen Bezirksfürsorgeverband und dem Arbeitsamt zuzuleiten. Der Bezirksfürsorge verband ist gehalten, nähere Ermittlungen anzustellen, insbesondere die Stellungnahme des Betriebsrates und des Schwerbeschädigten-Vertrauensmannes einzuholen. Der durch die Kündigung betroffene Schwerbeschädigte muß in jedem Falle gehört werden. Die betreffende Erhebungen sollen höchstens 14 Tage in Anspruch nehmen, während der gleichen Zeit nimmt das Arbeitsamt nach den Gesichtspunkten der Arbeitspolitik Stellung.
Die Hauptfürsorgestelle soll die Entscheidunginnerhalb vier Wochen vom Tage des Eingangs des Antrages an treffen. Stimmt sie der Kündigung zu und ist im Zeitpunkt der Zustimmung die Kündigungsfrist ganz oder auf weniger als vier Wochen abgelaufen, so soll die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung mit der Maßgabe erteilen, daß die Kündigung frühestens vier Wochen nach dem Zeitpunkt der Entscheidung wirksam wird.
Die Entscheidung ist dem Arbeitgeber und dem Schwerbeschädigten zuzustellen. Dem Arbeitsamt ist eine Abschrift der Entscheidung zu übersenden.
Die Hauptfürsorgestelle hat die Zustimmung zu erteilen bei Kündigungen in Betrieben und Verwaltungen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens3 Monate liegen.
Die Hauptfürsorgestelle soll die Zustimmung in den in § 18 Abs. 2 näher bezeichneten Fällen erteilen.
Schwerbeschädigte, bei denen der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf weniger als 50vom Hundert festgesegt wird, geniessen noch für ein Jahr nach. Eintritt der Rechtskraft des Festsegungsbescheides den Schug des Geseges. Für die gleiche Dauer wird deren Beschäftigung dem Arbeitgeber auf den Pflichtsag angerechnet.
Einem Schwerbeschädigten, der ohne berechtigten Grund einen Arbeitsplag zurückweist oder aufgibt oder sich ohne berechtigten Grund weigert, an einer Ausbildungs-, Fortbildungsoder Umschulungsmassnahme teilzunehmen, oder sonst durch sein Verhalten die Durchführung dieses Geseges schuldhaft vereitelt, kann die Hauptfürsorgestelle im Benehmen mit dem Landesarbeitsamt die Vorteile dieses Geseges zeitweilig entziehen.
Gegen Anordnungen und Entscheidungen der Hauptfürsorgestellen kann Beschwerde beim Beschwerdeausschuß bei der Hauptfürsorge-