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Nr. 40
Mittwoch, den 18. Februar 1931
Jahrgang 103
Die Agrarvorlage vor dem Reichskabinett
Trotz erheblicher Einwände Hoffnung auf baldige Verabschiedung
TU. Berlin, 18. Febr. Das Reichskabinett erledigte gestern unter dem Vorsitz des Reichskanzlers laufende Angelegenheiten und verabschiedete u. a. den Entwurf eines zweiten Gesetzes über die Mllndclsicherheit von Wertpapieren und Forderungen. Das Reichskabinett nahm den Bortrag des Reichs- Ministers für Ernährung und Landwirtschaft über das künftige Agrarprogramm entgegen, wie es in ausführlichen Besprechungen mit den berufenen Vertretern der Landwirtschaft aufgestellt worden ist. An den Vortrag schloß sich eine eingehende Generaldiskussion an. Die Beratungen werden In den nächsten Tagen fortgesetzt.
Zu dieser amtlichen Mitteilung erfahren wir noch folgende Einzelheiten: Obwohl die Einwendungen gegen die Agrarvorlage insbesondere von seiten des Ncichswirt- schaftsministcrlums erheblich sind, rechnet man doch damit, daß die Beratung:« des Kabinetts sehr bald abgeschlossen sein können, so daß die erste Ausschußberatung im Neichsrat bereits am Donnerstag erfolgen könnte, wobei möglicherweise Reichskanzler Brüning die einleitende Begründung geben würde. Im Falle einer Beschleunigung der Beratung im Neichsrat und der Verabschiedung der Vorlagen durch das Neichsratsplenum bis Dienstag nächster Woche könnte dann die erste Lesung im Reichstag bereits im Anschluß an den Haushalt des Ncichsernährungsministeriums, jedoch ohne jede politische Verbindung, am Mittwoch beginnen. Die Beratungen des Rcichskabinetts dürften im übrigen wesentlich unter dem Gesichtspunkt zu verstehen sein, daß zwischen dem Reichskanzler und der Grünen Front bezüglich der Agrar- vvrlage, bestimmte Vereinbarungen bestehen.
Agrarhilfe nnd Handelspolitik.
Wie die „DAZ." meldet, hat anläßlich des Beginns der Kadinetisvcrhandlungen über weitere agrarische Schutzmaßregeln neben der umfassenden Osthilfe der Leiter des Reichs- wirtschaftsministerinms, Staatssekretär Dr. Trenüelen- burg, in einem Schreiben an den Reichskanzler noch einmal die ernsthaften Bedenken zusammengesaßt, die aus Handelsund industriepolitischen Gründen gegen eine uferlose Fortsetzung der Politik der Zollerhöhungen und des Verwendungszwanges erhoben werden müßten. Die beantragte Erhöhung der handelsvertraglichen Bindungen für Holz, für Obst und Gemüse, für Käse und andere Vercdlungsprodukte wird in diesem Brief bedauert. Zu der weiteren Ausdehnung des Einfuhrschcin- systems, das namentlich für Holz gefordert wird, schreibt Dr. Trendelenburg: „Es erscheint mir unmöglich, auf die Dauer und mit Aussicht auf Erfolg eine Wirtschaftspolitik zu führen, die einerseits die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte mit allen Mitteln zu beschränken sucht und
andererseits die Ausfuhr dieser Produkte mit staatlicher Hilf« künstlich fördert." Dr. Trendelenburg weist weiter darauf hin, daß be» den Holzarbeitern die Arbeitslosigkeit mit öl) v. H. besonders groß ist und nicht durch Verteuerungen des Rohstoffes weiter gesteigert werden darf.
Die Landvolkpartei zur MOorb^t bereit.
In einer Versammlung der Landvolkpartei in Kassel sprach der stellv. Vorsitzende der Landvolkpartei, Dr. Ge- rike. Er erklärte, die Landvolkpartei werde ihren gradlinigen Kurs trotz aller Angriffe weiter verfolgen. Sie werde keine unfruchtbare Opposition treiben, sondern innerhalb der Oppofitio» Mitarbeiten, da nur durch eine Mitarbeit mit Reichskanzler Brüning, der gerade in letzter Zeit gezeigt habe, daß er Verständnis für die Notlage der Landwirtschaft habe, die Forderungen der Grünen Front durchzusctzen seien. Dr. Gerike schloß mit einem Aufruf zur Mitarbeit und dem bekannten Helsferichwort: „In der Not des Vaterlandes dienen wir dem Staate so wie er ist." Der deutschen Landwirtschaft sei mit dem Dritten Reich nicht geholfen, wenn sie bereits im zweite» restlos -u- sammengebrochen sei.
Die Gutachterkommission znr Beratung des Arbeitslosenproblems.
Die von der Reichsregierung eingesetzte Kommission zur Beratung des Arbettslosenproblems hat Prof. Dr. Röpke- Marburg als Mitglied hinzugewählt.
Die Neuyorker Zeitung „Evening Post" will erfahren haben, daß die deutsche Regierung die Einführung der Fünftage-ArbettSwoche durch Gesetz beabsichtige. Diese Nachricht hat in Neuyorker Finanz- und Wirtschaftskrisen beträchtliches Aufsehen erregt. Die „Evening Post" glaubt an den Erfolg einer so radikalen Maßnahme, erwartet aber schärfste Opposition durch die Sozialdemokraten. — An Berliner zuständigen Stellen ist von einer Absicht der Neichsregierung, die Fünftage-Arbeitswoche einzuführen, nichts bekannt; die Information der „Evening Post" ist anscheinend auf die in der Berliner Metallindustrie durchge- sührte Maßnahme zurückzufahren.
Besprechungen des Reichskanzlers mit Vertreter« des Handels.
Der Reichskanzler folgte am Dienstag vormittag einer Einladung des Verbandes des Groß- und Ueberseehandels und nahm für kurze Zeit an der Vorstandsfltzung dieses Verbandes teil. Darauf empfing er zur Besprechung der mit der Stillegung der Hütte Nuhrort-Meiderich zusammenhängenden Fragen Bürger- nnd Mittelstandsvertreter aus Ruhrort-Mei-erich.
Vor einer Neuregelung der Reparationen?
Die Einberufung einer internationalen Konferenz angekündigl — Der Sturz der Warenpreise erhöht die Reparationslasten
TU. London, 18. Febr. Der Neuyorker Korrespondent des „Daily Telegraph" berichtet, -aß sich dte amerikanische Regierung mit der Einbcrnfung einer Internationale» Konferenz zur Erörterung der wirtschaftliche« ««d finanzielle« Probleme Europas fTributfrage?) zum Frühsommer dieses Jahres mehr oder weniger einverstanden erklärt habe. Die amerikanische Negierung beabsichtige jedoch, sich nur streng „inoffiziell" zu beteiligen. Nach amerikanischer Auffassung würde eine solche Konferenz eine dauerhafte Lösung des RcparattonsproblemS durch Herabsetzung der Zölle <!j und andere Maßnahmen (?) erzielen können, die es den Schuld- nerländcrn leichter machen würden, ihre Verpflichtungen durch Steigerung der Ausfuhr zu erfüllen. lWir geben diese Meldung mit Vorbehalt wieder, da aus den Mitteilungen des „Daily Telegraph" nicht ersichtlich ist, um was für eine Konferenz es sich handeln soll. Auch fehlen bisher amtliche Bestätigungen dieser Meldung von anderer Seite. D. Schrift- leituug.)
Preissturz steigert Reparationslast.
Nach einem Bericht des europäischen Vertreters des Ncu- tz^rker Emisstonshauses, Harris Forbes uud Co., Mr. F. Stallforth, hat der Sturz der Warenpreise dazu geführt, daß, wenn die Preise so niedrig bleiben, alle vom Noungplan erhoffte« Vorteile zunichte werden würden. Durch de« Preissturz sei der Wert der Reparationszahl»«» ge« um schätzungsweise ,ov—soa Millionen Mark jährlich gestiegen, s, daß sie jetzt einem Betrag vo» zgoö Million-« Mark jährlich uud damit de« Normallasten des Tawespla, «es entspräche«. Die Rcparationssrage könne daher noch nicht als endgültig gelöst angesehen werden, wenn auch die
sich voraussichtlich in nicht zu ferner Zukunft geltend machende Notwendigkeit einer Revision -er Neparations- zaHlungen nicht veöeute, baß -er Noungplan nutzlos gewesen set. Seine Bedeutung habe zur Zeit seiner Schaffung darin gelegen, daß er einen weiteren Schritt in der Richtung der endgültigen Lösung der Frage gebracht habe. Auch heute noch bleibe er die Grändlage jeder zukünftigen Reparationszahlung.
Der japanische Flnanzminister für Revision.
In einer Rede in Tokio erklärte der japanische Finanz- minister Jnouye, daß die Wirtschaftskrise in Europa und der ganzen Welt nicht anders behoben werden könne, als durch Revision der deutschen Ncparationsverpflichtungen. Die deutschen Reparationszahlungen ständen in engster Verbindung mit der Anhäufung des Goldes in Amerika. Die amerikanische Wirtschaft müsse dieses Gold möglichst schnell wieder in Umlauf bringen, um die Weltwirtschaftskrise zu beheben. Der Finanzminister betonte, daß ein Abkommen zwischen den unmittelbar interessierte« Mächten unbedingt notwendig sci, um die Wirtschaftskrise überhaupt überwinden zu können. Auch die japanische Wirtschaft sei von dieser Krise betroffen nnd an ihrer Lösung im allgemeinen Interesse beteiligt. _
ZivMktatur in Spanien
Sanch-z (vnerra g'bt den Auftrag zurück. — Ei« ne»«S
«abi»ett Berenguer.
LU. Port-, 18. Febr. Sanche» Gnerra hat dem König den Auftrag zur Kabinettsbildung zurückgegeben. Tr teilt«
Tages-Spiegel
Das Reichskabinett hat sich gestern mit der Agrarvorlage des Reichssrnährungsministers beschäftigt. Vo« Wirtschasls-, Arbeits- »nd Außenminister wnrden Bedenke« geäußert.
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Der Ansschutz des Reichsrats hat die Wahlrechtsreform verabschiedet.
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Der Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten, hat erneut Antrag ans Zulassung eines Volksbegehrens zur Anslösung deS preutzischen Landtages gestellt.
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Wie ans Amerika verkantet, soll die Washingtoner Negierung ihr Einverständnis z« einer ne»:» Finanzkonserrnz zwecks Nenregelung -er Repaxationssrage erklärt habe«.
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I« Spanien ist eine Linksregierung nicht zustande »«kommen; der König hat nunmehr den Anstrag znr Bildung einer Zivildiktatnr mit militärischem Einschlag gegeben.
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Nach einer Schätzung des Instituts für Statistik der Minderheiten in Wien lebe» derzeit S4,S Millionen Deutsche auf der Welt.
ihm mits daß er die Kabinettsbildung ablehnen müsse, da er vo» weiten Kreisen, die er zur Unterstützung nötig halte, im Stiche gelassen worden sei. Der König hat sich darauf brieflich an sämtliche überzeugten und aufrichtigen monarchistischen Führer gewandt und ihnen ihre Mitarbeit zur Pflicht gemacht. Es soll nun ein Kabinett gebildet werden, zusammengesetzt aus den konservativen Führern Cierva, Goieoechea und dem Herzog von Manra. Mit den monarchistische« Liberalen Nomanones und Alhucema, sowie mit den Generälen Savalcantt, Saro und Varrera als Vertretern der bewaffneten Macht. Es wäre dies eine Ztvildikta- tur mit militärischem Einschlag.
Vergangene Nacht hat di« im Kriegsministerium tagende Versammlung der Anhänger der Zivildiktatur mit militärischem Einschlag ihr Ende gefunden. Die versammelten Politiker, darunter Berenguer, Cierva, Herzog von Manra, Alhucemas, Romanones, BugallaS, Goicoehea. die Generale Saro und Eavalcantt haben beschlossen, den General Berenguer zu beauftragen, ihre Mitarbeit dem König anzubieten. Man rechnet damit, daß Berenguer tm Laufe des heutigen Mittwoch beauftragt werden wird, ein Kabinett znsammenznstellen.
Erneuter Anlraq auf Zulassung des Stahlhelm-Volksbegehrens
TU. Berli«, 18. Febr. Der erste Bundessührer deS Stahlhelm hat am Dienstag abend zur Einleitung des Volksbegehrens auf Auflösung des preußischen Landtags eine Sammlung von 43 207 Unterschriften mit folgendem Schreibe« au den preußische» Minister des Inner» eingereicht:
„Es steht außer allem Zweifel, daß der Stahlhelm, Bunde» Frontsoldaten, weit über 100 000 stimmberechtigte preußische Mitglieder hat, die geschloffen hinter -er Bundesführung und ihren Beschlüssen stehen. Bei einer sachlichen Auslegung und Handhabung -es Gesetzes hätte also an sich unserem Anträge vom 1. ». M. ohne weiteres stattgegeben werden müssen. Gleichwohl überreiche ich tu Ergänzung -es am 1. d. M. gestellten Antrages in den Anlagen eine Zusammenstellung der vom Stahlhelm allein in Brandenburg und in Berlin gesammelten 42 207 Stimmberechtigten-Unterschrif- ten, und von den Gemeindebehörden bestätigte 2287 Zulassungsanträge. Sollte nach Ihrer Ansicht ein neuer Antrag nötig sein, so wird dieser Antrag vorsorglich hiermit schon jetzt gemäß Anlage gestellt."
Ein Ausruf Hitlers
TU. München, 18. Febr. Im Völkischen Beobachter erläßt Adolf Hitler einen Aufruf an die Nationalsozialisten, in dem er als verantwortlicher Leiter der Partei vor jenen Provokateuren warnt, die, in die eigenen Reihen geschickt, dte S.A. mit allen Mitteln in dte Rolle des Angreifers zu drängen versuchen, um auf diese Weise die Legitimation für dte Verfolgung der Bewegung dem heutigen System in die Hand zu brücken. Hitler verbietet erneut aufs schärfste den Besitz von Waffen jeder Art nach den gesetzlichen Vorschriften. In dem Aufruf heißt eS, daß Spihelzentralen heute mit vielen Hunderttausenden von Mark fieberhaft arbeiteten, scheinbar oft unter Förderung amtlicher und halbamtlicher Stellen, um noch in letzter Stunde die Bewegung zu einer Unüberlegtheit zu reizen und damit di« Gesahr, die ihnen unerbittlich droht, noch ein- mal zu beseitigen. Diesen Versuchen gegenüber sollen sich die S.A.- «nd S.S.-Münner zu einem unzerbrechlichen Bund zusammenschließe«.